Unwirklich: Unterschied zwischen den Versionen
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''Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszene aufzuführen. '' [[(MEW 8, S. 115)]] | |||
Unwirklich ist ein bloß ideeles [[Dasein]], das nicht [[wirklich]] [[wahr]] sein kann, [[entwirklicht]] ist, weil es ohne einen wirkenden [[Körper]] sich selbst [[fremd]], wesenlos [[erscheint]] (siehe [[Wesen]]). Das [[Abwesende]] ist nicht [[wirklich]] da, aber es wirkt, weil und sofern es [[wesen]]tlich ist, für das [[Sein]] nötig, sein [[Dasein]] also [[notwendig]] ist. Es ist eine unwirkliche [[Notwendigkeit]], die sich hinter dem Rücken des [[Anwesenden]] durchsetzt, gerade weil es nicht da sein kann, weil es [[wesen]]tlich nur [[abstrakt]] da ist, aber im [[Allgemeinen]] sein muss (siehe [[abstrakt Allgemeines]]). Unwirkliches gibt es von daher durch eine [[Wirkung]], die sich gegen ihre eigene [[Substanz]] | Unwirklich ist ein bloß ideeles [[Dasein]], das nicht [[wirklich]] [[wahr]] sein kann, [[entwirklicht]] ist, weil es ohne einen wirkenden [[Körper]] sich selbst [[fremd]], wesenlos [[erscheint]] (siehe [[Wesen]]). Das [[Abwesende]] ist nicht [[wirklich]] da, aber es wirkt, weil und sofern es [[wesen]]tlich ist, für das [[Sein]] nötig, sein [[Dasein]] also [[notwendig]] ist. Es ist eine unwirkliche [[Notwendigkeit]], die sich hinter dem Rücken des [[Anwesenden]] durchsetzt, gerade weil es nicht da sein kann, weil es [[wesen]]tlich nur [[abstrakt]] da ist, aber im [[Allgemeinen]] sein muss (siehe [[abstrakt Allgemeines]]). Unwirkliches gibt es von daher durch eine [[Wirkung]], die sich gegen ihre eigene [[Substanz]] verhält. So z.B. die Wirkung von [[Konkurrenz]]verhalten, das einem abwesenden [[Wert]] in einem wirklichen Wertverhältnis zukommt. [[Konkurrenz]] ist nötig, wo etwas beschränkt ist und zugleich auch durch Konkurrenz beschränkt wird, weil es eben nicht [[wirklich]] in [[Beziehung]] zu seinem [[Grund]] existiert (z.B. Verwertung von [[Wert]]). Indem die Konkurrierenden sich gegeneinander übertreffen müssen, um ihr Verhältnis zu bestehen oder sogar zu überstehen, vernichten sie das Potenzial ihrer [[Ergänzung]], [[verkehren]] es zu einer [[Trennung]], in der sich zunehmend [[reduzieren]] muss, was nur durch anderes [[wirklich]] [[wahr]] sein kann, etwas ganz Wirkliches wäre, wenn es nicht dazu getrieben wäre, nie wirklich [[ganz]] werden zu können, weil es [[fremde]] Herrschaft über sich bestärkt, durch die es immer ohmächtiger werden muss - ''Teile und herrsche'' heißt dieses [[Prinzip]]. In seiner [[Wirkung]], seiner [[Nichtung]] geht die [[Synergie]] unter, die in der [[Ergänzung]] [[Fortschritt]] erbringen würde. Man kämpft um den eigenen [[Wert]], indem man ihn im [[allgemeinen]] [[Verhältnis]] nur erhalten kann, wenn man ihn [[reduziert]]. Unwirklichkeit stellt die [[Reduktion]] eines [[widersinnigen]] [[Verhältnis]]ses dar (siehe z.B. [[Warentausch]]). | ||
Das unterstellt ein [[ | Das unterstellt ein [[Verhältnis]], das im Prinzip seiner Wirklichkeit schon im Vorhinein durch das wirkt, worin es sich aufzuheben muss, was [[wirklich]] ist oder [[wirklich]] werden kann nur durch seine Nichtung. Es ist die pure [[Negation]] von [[Wirklichkeit]], das, was als etwas wirkt, das nicht [[wirklich]] [[erkennbar]] ist, weil es nur durch seine [[Abwesenheit]] [[Wirkung]] hat. Es ist nur in seinem [[Trieb]] aus dem Betreiben eines nicht wirklich wirkenden [[Grundes]] zu begreifen. Das muss ein [[Grund]] sein, der für seine [[Wirkung]] keine [[Ursache]] hat, sich aber in der [[Wirklichkeit]] verhält, sich in den wirklichen [[Verhältnissen]] immer wieder [[aufhebt]]und sich zugleich darin bestärkt, seine eigene [[Aufhebung]] bis hin zu seiner [[Nichtung]] treiben kann. Ein Grund hat aber immer Folgen. Und wo diese nicht wirklich erkennbar sind, weil sie sich nur hinter seinen [[Erscheinungen]] [[vermitteln]], also einem fremden [[Wesen]] folgen müssen (siehe [[Entfremdung]]), da ist deren [[Wirkung]] auch [[notwendig]] nur in ihrer [[Verkehrung]] erkennbar, da erscheint die Welt verkehrt, paradox (siehe hierzu z.B. auch den [[Warenfetischismus]]). Wer etwas als unwirklich befindet, der muss dessen [[Grund]] [[erkennen]], seinen [[Sinn]] [[begreifen]], um für sich auch [[wirklich]] da zu sein, um also nicht sich selbst zu verkehren und sich verkehrten [[Verhältnissen]] kritiklos (siehe [[Kritik]]) zu überlassen, sich nicht zu überantworten (siehe hierzu auch [[Selbstentfremdung]]). Kritisch ist dann schon die Frage, was für einen [[Sinn]] diese [[Verhältnisse]] haben sollen (siehe auch [[Logik]]). | ||
Für solche Sinnfragen muss [[erklärba]]r sein, was sie implizieren: Es muss eine [[Wirklichkeit]] geben, die durch etwas bewirkt ist, das ohne Ursache ist, aber nicht grundlos sein kann. Es muss daher einen [[abstrakten]] [[Grund]] haben, einen Grund, der [[gleichgültig]] gegen die [[Wirklichkeit]] erscheint und diese doch [[bestimmt]]. Es geht also um eine Wirklichkeit, die nicht wirklich ist, eine Unwirklichkeit, eine Wirklichkeit, die sich selbst [[widerspricht]]: eine unwirkliche Wirklichkeit, eine dem Menschen fremde Verwirklichungsform, [[Entfremdung]]. | |||
Für [[Adorno]] war deren Grund ein geistiges [[Prinzip]], das er als ''[[Negative Dialektik]]'' beschrieb. Für [[Karl Marx]] war es die [[Dialektik]] des [[Wert]]verhältnisses selbst, das den [[Schein]] der Verhältnisse von ihrem [[Wesen]] trennt und sie wesentlich unwirklich bestimt (siehe [[Realabstraktion]]). Er stellte dies besonders ausdrücklich in seiner Theorie vom [[Warenfetischismus]] dar. | |||
Aktuelle Version vom 4. November 2025, 19:54 Uhr
Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszene aufzuführen. (MEW 8, S. 115)
Unwirklich ist ein bloß ideeles Dasein, das nicht wirklich wahr sein kann, entwirklicht ist, weil es ohne einen wirkenden Körper sich selbst fremd, wesenlos erscheint (siehe Wesen). Das Abwesende ist nicht wirklich da, aber es wirkt, weil und sofern es wesentlich ist, für das Sein nötig, sein Dasein also notwendig ist. Es ist eine unwirkliche Notwendigkeit, die sich hinter dem Rücken des Anwesenden durchsetzt, gerade weil es nicht da sein kann, weil es wesentlich nur abstrakt da ist, aber im Allgemeinen sein muss (siehe abstrakt Allgemeines). Unwirkliches gibt es von daher durch eine Wirkung, die sich gegen ihre eigene Substanz verhält. So z.B. die Wirkung von Konkurrenzverhalten, das einem abwesenden Wert in einem wirklichen Wertverhältnis zukommt. Konkurrenz ist nötig, wo etwas beschränkt ist und zugleich auch durch Konkurrenz beschränkt wird, weil es eben nicht wirklich in Beziehung zu seinem Grund existiert (z.B. Verwertung von Wert). Indem die Konkurrierenden sich gegeneinander übertreffen müssen, um ihr Verhältnis zu bestehen oder sogar zu überstehen, vernichten sie das Potenzial ihrer Ergänzung, verkehren es zu einer Trennung, in der sich zunehmend reduzieren muss, was nur durch anderes wirklich wahr sein kann, etwas ganz Wirkliches wäre, wenn es nicht dazu getrieben wäre, nie wirklich ganz werden zu können, weil es fremde Herrschaft über sich bestärkt, durch die es immer ohmächtiger werden muss - Teile und herrsche heißt dieses Prinzip. In seiner Wirkung, seiner Nichtung geht die Synergie unter, die in der Ergänzung Fortschritt erbringen würde. Man kämpft um den eigenen Wert, indem man ihn im allgemeinen Verhältnis nur erhalten kann, wenn man ihn reduziert. Unwirklichkeit stellt die Reduktion eines widersinnigen Verhältnisses dar (siehe z.B. Warentausch).
Das unterstellt ein Verhältnis, das im Prinzip seiner Wirklichkeit schon im Vorhinein durch das wirkt, worin es sich aufzuheben muss, was wirklich ist oder wirklich werden kann nur durch seine Nichtung. Es ist die pure Negation von Wirklichkeit, das, was als etwas wirkt, das nicht wirklich erkennbar ist, weil es nur durch seine Abwesenheit Wirkung hat. Es ist nur in seinem Trieb aus dem Betreiben eines nicht wirklich wirkenden Grundes zu begreifen. Das muss ein Grund sein, der für seine Wirkung keine Ursache hat, sich aber in der Wirklichkeit verhält, sich in den wirklichen Verhältnissen immer wieder aufhebtund sich zugleich darin bestärkt, seine eigene Aufhebung bis hin zu seiner Nichtung treiben kann. Ein Grund hat aber immer Folgen. Und wo diese nicht wirklich erkennbar sind, weil sie sich nur hinter seinen Erscheinungen vermitteln, also einem fremden Wesen folgen müssen (siehe Entfremdung), da ist deren Wirkung auch notwendig nur in ihrer Verkehrung erkennbar, da erscheint die Welt verkehrt, paradox (siehe hierzu z.B. auch den Warenfetischismus). Wer etwas als unwirklich befindet, der muss dessen Grund erkennen, seinen Sinn begreifen, um für sich auch wirklich da zu sein, um also nicht sich selbst zu verkehren und sich verkehrten Verhältnissen kritiklos (siehe Kritik) zu überlassen, sich nicht zu überantworten (siehe hierzu auch Selbstentfremdung). Kritisch ist dann schon die Frage, was für einen Sinn diese Verhältnisse haben sollen (siehe auch Logik).
Für solche Sinnfragen muss erklärbar sein, was sie implizieren: Es muss eine Wirklichkeit geben, die durch etwas bewirkt ist, das ohne Ursache ist, aber nicht grundlos sein kann. Es muss daher einen abstrakten Grund haben, einen Grund, der gleichgültig gegen die Wirklichkeit erscheint und diese doch bestimmt. Es geht also um eine Wirklichkeit, die nicht wirklich ist, eine Unwirklichkeit, eine Wirklichkeit, die sich selbst widerspricht: eine unwirkliche Wirklichkeit, eine dem Menschen fremde Verwirklichungsform, Entfremdung.
Für Adorno war deren Grund ein geistiges Prinzip, das er als Negative Dialektik beschrieb. Für Karl Marx war es die Dialektik des Wertverhältnisses selbst, das den Schein der Verhältnisse von ihrem Wesen trennt und sie wesentlich unwirklich bestimt (siehe Realabstraktion). Er stellte dies besonders ausdrücklich in seiner Theorie vom Warenfetischismus dar.