Überbau

Aus kulturkritik

"Wir haben bei anderer Gelegenheit den revolutionären Charakter der marxistischen Konzeption des »sozialen Ganzen« im Unterschied zur hegelianschen »Totalität« betont. Wir haben gesagt (und diese These nahm nur die ber�hmten Aussagen des historischen Materialismus wieder auf), daß Marx die Struktur jeder Gesellschaft begreift als konstituiert durch die verschiedenen »Ebenen« oder »Instanzen«, die durch eine spezifische Determination einander zugeordnet (articulés) sind: die ökonomische Basis (»Einheit« der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse) und der Überbau, der selbst zwei »Ebenen« oder »Instanzen« umfaßt: das Juristisch-Politische (das Recht und den Staat) und die Ideologie (die verschiedenen Ideologien: religiöse, moralische, juristische, politische, usw. )." (Luis Althusser "Ideologie und ideologischeStaatsapparate", S.113)

Mit dem spezifisch Althusserschen Strukturalismus lässt sich aus jedem Widerspruch etwas Ganzes machen, ohne dass dessen Widersinn nach dem gemeinsamen Dritten einer Abstraktion verlangen müsste (siehe hierzu Dialektik). So lässt sich sogar aus dem Widerspruch von Produktivkraft und Produktiosverhältnis eine überwältigende Notwendigkeit der Strukturen behaupten - eben weil darin diese als Resultate des Übergriffs einer allgemeinen Notwendigkeit zu verstehen seien. Weil die "Qualifikation der Arbeitkraft" über ihre einfache Reproduktion durch bezahlte Arbeitals unbezahlte Arbeit hinausgeht und weil hierdurch der gesellschaftlich erzeugten Mehrwert als unmittelbar wirksame politische Gewalt der Repression über eine "gerechte Rechtsform" der Gesellschaft hinaus, dem Staat und der Ideologie eine Verteilungsungerechtigkeit zu einem ganzen Verhältnis bestimmen würden, sei der Überbau die tragende Säule der Gesellschaft. Hieraus bezieht Althusser seine Staatstheorie als Emanzipation des Staates gegen die Bourgoise, die er in der Tradition der leninistischen Theorie eines (sozialistischen) Staates und seiner Bürokratie als wesentliche Träger einer jeden Revolution ansieht, weil sie die Elemente der geschichtlichen Entwicklung seien und weil hierdurch die politische Allmacht einer "repressiven Ausführungs- und Interventionsmacht" "im Dienste der herrschenden Klassen" zu bekämpfen wäre:

"Der Staatsapparat, der den Staat definiert als repressive Ausf�hrungs- und Interventionsmacht – »im Dienste der herrschenden Klassen« — im Klassenkampf, den die Bourgeoisie und ihre Verb�ndeten gegen das Proletariat f�hren, ist in der Tat der Staat und definiert in der Tat seine grundlegende »Funktion«." (Luis Althusser "Ideologie und ideologische Staatsapparate", S.115)

Aber diese Funktion bestünde aus zwei Funktionen von Ideologie und Repression, die durch den gesllschaftlichen "Überbau" zusammenwirken und dabei ihre Einheit vermitteln:

1. Alle Staatsapparate funktionieren sowohl auf der Grundlage der Repression wie der Ideologie mit folgendem Unterschied, daß der (repressive) Staatsapparat auf massive Weise in erster Linie auf der Grundlage der Repression arbeitet, während die Ideologischen Staatsapparate massiv und in erster Linie auf der Grundlage der Ideologie arbeiten.

2. Während der (repressive) Staatsapparat ein organisiertes Ganzes darstellt, dessen verschiedene Glieder unter einer Befehlseinheit zentralisiert sind, nämlich der der Klassenkampfpolitik, angewandt durch die politischen Vertreter der herrschenden Klassen, die die Staatsmacht innehaben, — sind die Ideologischen Staatsapparate vielfältig, unterschieden,»relativ autonom« und in der Lage, ein objektives Feld f�r Widerspr�che zu liefern, in denen sich in mal begrenzten, mal extremen Formen die Auswirkungen der Zusammenstöße zwischen dem kapitalistischen Klassenkampf und dem proletarischen Klassenkampf sowie ihrer untergeordneten Formen ausdr�cken.

3. Während die Einheit des (repressiven) Staatsapparates durch seine zentralisierte Organisation gesichert wird, die unter der Leitung der Vertreter der herrschenden Klassen zusammengefaßt ist und die Klassenkampfpolitik der sich an der Macht befindlichen Klassen ausf�hrt, - wird die Einheit der verschiedenen Ideologischen Staatsapparate zumeist in widerspr�chlichen Formen durch die herrschende Ideologie gesichert, die diejenige der herrschenden Klasse ist." (Luis Althusser "Ideologie und ideologische Staatsapparate". S.123)

Für Luis Althusser waren die Widersprüchlichkeiten des "Staatsapparats" im Überbau zu einer Einheit mit der politischen Ökonomie verschmolzen, die sich wie die wirtschaftliche Macht des Kapitals als politische Macht einer übergeschichtlichen Detrmination verhalten und von daher vor allem durch eine politische Gewalt der Staatsbürger für eine "menschliche Staatsgewalt" zu bekämpfen sei. Damit wollte er die Einheit eines Gegensatzes von objektiver Form der Klasseninteressen (siehe Klassengegensatz) und ihrer subjektiven Vermittlung in der Macht der Institutionen entdeckt haben, die er als das politische Subjekt (z.B. als Staat, Kirche, Schule, Kultur usw.) der kapitalistischen Gesellschaft in einem "Überbau" verortet hat. Dadurch war deren Ideologie als staatstragende Macht der Täuschung mit der politischen Funktionalität der kapitalistischen Staatsmacht als ein System der Unterdrückung zusammengebracht, die jenseits ihrer politischen Basis ebenso gut als eine eigenständige ideelle Potenz einer sozialistisch begründeten Gegenmacht funktionieren könnte. Sie sei aus dem Recht einer politischen Verfassung in der Sorge und Vorsorge der Reproduktion des ganzen gesellschaftlichen Verhältnisses entstanden und vertrete ein Ganzes, eine Totalität, die durch ihre Ideologisierung nicht wirklich in ihrem sozalen Nutzen erkennbar sei, hierfür eben zu funktionalisieren wäre,

Damit hatte Althusser in seiner Kritik des kapitalistischen Überbaus die politische Macht des Staates zur repressiven Vermittlung einer Ideologie totalisiert, die durch ihre Verselbständigung immer eine totale Konfrontation jenseits der wirklichen Klassenkämpfe nötig mache. Im Überbau verhalte sich die Politik als das politische Subjekt des Kapitalismus gegen die Menschen, die damit lediglich als seine politischen Objekte erfasst würden, sodass gegen diese Macht im politischen Kampf gekämpft werden müsse, der politische Kampf gegen dieses Subjekt also selbst schon auch Klassenkampf totalitärer Gegensätze sei - und deshalb natürlich auch den Widerstand totalitär bestimmen ist, sodass die Objekte vor allem um ihre Subjektivität zu kämpfen hätten. Die hieraus folgende Subjektkritik galt ihm deshalb als das politische Mittel der gesellschaftlich notwendigen Veränderung und Geschichte, Subjektkritik als die notwendige Entwicklung hierzu. Diese Auffassung war in der Studentenbewegung in den 70er und 80er Jahren der wesentliche Begründungszusammenhang im Kampf gegen den kapitalistischen Staat, vor allem nachdem sich die Arbeiterschaft weitgehend gegen sie gestellt hatte.

�berbau ist ein strukturalistischer Begriff f�r Hochkultur., der allerdings diese nicht von Kultur unterscheidet. In der linken Debatte wurde er als Sammelbegriff f�r alle Ph�nomene b�rgerlicher Reflexionen im Sinne einer Widerspiegelungstheorie verwendet, also eine Sph�re des Bewusstseins, der Kultur (einschlie�lich Sitte und Gebr�uche und Kunst) und der b�rgerlichen Institutionen (einschlie�lich Staat und Wissenschaften). Dem wurde eine sogenannte Basis unterstellt, die rein �konomisch sei, wobei Wirtschaft und ihre politische Form meist nicht unterschieden, sondern diese sogar meist als politische �konomie positiv vermengt wurde. Der Begriff �berbau war damit v�llig unkritisch, eigentlich antikritisch, und daher kurzschl�ssig und blockierte vor allem die inhaltliche Auseinandersetzung mit Staat, Kultur und deren Ph�nomenen. Diese wurden als blo�er Widerschein von �konomischen Interessen angesehen. Es wurde hierbei das Anliegen von Marx, eine [[Kritik der politischen �konomie]] zu betreiben, zu dem Anliegen verkehrt, alle Ph�nomene der b�rgerlichen Reflexion auf die formalen Bedingung der [[b�rgerlichen Gesellschaft]] zu reduzieren (siehe herzu auch Monetarismus). Damit wurde diese absolut und unbedingt, also bedingungslos gemacht (siehe DDR).

So wurde ein Verst�ndnis von Sozialismus entwickelt, dass dieser als eine von b�rgerlichen �berbau-Interessen "gereinigte" politische �konomie zu verstehen sei. Die folgenschwerste Stilbl�te dieses Strukturalismus war der sogenannte "Realsozialismus", welcher das Wertgesetzt als das notwendige Gesetz gerechter Verteilung von Arbeitszeit zum Ma�stab gesellschaftlicher Entwicklung machte. Damit wurde Arbeitszeit selbst unmittelbar zur politischen Gr��e und als solche staatlich bestimmt und sanktioniert. Der politische Zweck der Arbeit als Bestimmung der Arbeitszeit war damit absolut staatlich und f�hrte zu einer Art Arbeitszwang f�r den Fortschritt des Staatsb�rgertums. Die Folge war eine Staatsdiktatur, welche unmittelbar Kapital f�r den Staatszweck aufh�ufte und damit den kritischen Gehalt des Marxismus in sein Gegenteil verkehrte, also an seiner Unf�higkeit einen Fortschritt f�r die Geschichte der Menschen zu erm�glichen, fogerichtig scheiterte.