Frau
"In dem Verhältnis zum Weib, als dem Raub und der Magd der gemeinschaftlichen Wollust, ist die unendliche Degradation ausgesprochen, in welcher der Mensch für sich selbst existiert, denn das Geheimnis dieses Verhältnisses hat seinen unzweideutigen, entschiedenen, enthüllten Ausdruck in dem Verhältnisse des Mannes zum Weibe in der Weise, wie das unmittelbare, natürliche Gattunsverhältnis gefaßt wird. Das unmittelbare, natürliche, notwendige Verhältnis des Menschen zum Menschen ist das Verhältnis des Mannes zum Weibe. In diesem natürlichen Gattungsverhältnis ist das Verhältnis des Menschen zur Natur unmittelbar sein Verhältnis zum Menschen, wie das Verhältnis zum Menschen unmittelbar sein Verhältnis zur Natur, seine eigne natürliche Bestimmung ist. In diesem Verhältnis erscheint also sinnlich, auf ein anschaubares Faktum reduziert, inweiweit dem Menschen das menschliche Wesen zur Natur oder die Natur zum menschlichen Wesen des Menschen geworden ist. Aus diesem Verhältnis kann man also die ganze Bildungsstufe des Menschen beurteilen. Aus dem Charakter dieses Verhältnises folgt, inwieweit der Mensch als Gattungswesen, als Mensch für sich geworden ist und erfaßt hat; das Verhältnis des Mannes zum Weib ist das natürlichste Verhältnis des Menschen zum Menschen. In ihm zeigt sich also, inwieweit das natürliche Verhalten des Menschen menschlich oder inwieweit das menschliche Wesen ihm zum natürlichen Wesen, inwieweit seine menschliche Natur ihm zur Natur geworden ist. In diesem Verhältnis zeigt sich auch, inwieweit das Bedürfnis des Menschen zum menschlichen Bedürfnis geworden ist, inwieweit er in seinem individuellsten Dasein zugleich Gemeinwesen ist." (Karl Marx,Hl. Familie, MEW Bd. 40, S. 535)
Es gibt keine Frau an und für sich, wie es auch keinen Mann an und für sich gibt. Beide können nur durch einander gesellschaftlch und in Gesellschaft sein. Doch in den zwischenmenschlichen Verhältnissen der bürgerlichen Kultur erscheint jeder für sich als ein Wesen mit selbständigen Eigenschaften und Fähigkeiten, das sich durch diese definiert und gegen sein Anderssein behauptet, durch dieses sich schon bedroht fühlt, bevor es sich darauf einlassen kann. In der Abtrennung von ihrem gesellschaftlchen Sein, aus dem sie begrifflich herausgenommen und zu einer verselbständigten Wesenheit abstrahiert werden, werden beide abgesondert und einem politischer Nominalismus der Geschlechter unterworfen, durch den sie verglichen und also auch gleichgemacht werden.
Natürlich sind die Geschlechter nicht wirklich gleich und also in ihrer Lebenswirklichkeit auch nicht für einander gleichgültig. In der bisherigen Geschichte waren sie durch das Patriarchat des Staatswesens politisch gegeneinander bestimmt. Über seinen Formalismus haben sie sich ihm allerdings schon weitgehend angeglichen, soweit ihr gesellschaftliches Wesen dies möglich und nötig gemacht hat. Von daher bereichern sich die Geschlechter in Wirklichkeit gerade durch ihre natürlichen Eigenschaften, wenn sie sich ihm entziehen. Sie können also nur jenseits ihrer politischen Formbestimmung subversiv gesellschaftlich wesentlich sein (siehe hierzu auch Frauenbeweegung). Wo sich Frauen und Männer der politischen Form unterordnen, verhalten sie sich wesentlich gegen sich selbst. Ihre politische Gleichsetzung ist daher auch eine Farce, die dem Unvermögen des bürgerlichen Staats geschuldet ist, sich wesentlich durch die Menschen zu bestimmen, die ihn nötig haben, weil und solange sie kein wirklich menschliches Gemeinwesen für sich und durch sich haben (siehe z.B. internationale Kommunalwirtschaft).
Von Natur aus unterscheiden sich Frauen von Männern allein schon dadurch, dass sie bei allem, was ihrem Körper zugeführt wird, sehr viel vorsichtiger sein müssen, als Männer, die schon immer eher zum Kampf um die Existenz befähigt sein mussten und körperlich rücksichtsloser waren. Doch alle diese Unterschiede sind heute ohne Belang, wenn das Verhältnis von Mann und Frau als ein historisches gesellschaftliches Verhältnis begriffen wird. Den Mann als Mann und die Frau als Frau kann es nie geben ohne das wirklich gesellschaftliche Sein von Frau und Mann. Im Dasein für sich gibt es sie nur als Kult (z.B. als Frauenkult oder Männerkult), durch den Geschlechtseigenschaften für sich ästhetisiert und zu einem Fetisch geschlechtlicher Selbstbehauptung werden (siehe Körperfetischismus). Darin wird Kultur als Erlebensform der Geschlechter aufbereitet und Geschlecht überhaupt zum Design eines ästhetischen Verhältnisses und wie ein Modeartikel als Sexualität schlechthin konsumierbar.
Versteht man den Menschen als Gattungswesen, das seine Natureigenschaften durch seine Gesellschaftlichkeit, durch sein gesellschaftliches Zusammenwirken zu einer Naturmacht entwickelt hat, so sollte Mann und Frau auch als unzertrennlich begriffen sein. Sie sind im Ganzen eins und also im Geschlecht auch ganz. Wie immer sich dies im Einzelnen darstellen mag: Alle Trennungen sind ein gesellschaftliches Produkt, resultieren aus Formbestimmungen ihrer Kultur. Ohne ein lebendiges Geschlechtsverhältnis, also ohne das Verhalten der Geschlechter, geht jede Gesellschaft zugrunde. Denn Mann und Frau verhalten sich wie Äußeres und Inners ihrer Geschlechtlichkeit nur, indem sie beides füreinander sind - auch wenn es auch für sich genommen ausschließlich erscheinen mag, der Mann als äußerliches Geschlecht, die Frau als innerliches.
Mit der Verselbständigung der Geschlechtseigenschaften werden Mann und Frau aus dem Begriff des Gattungswesens herausgesetzt und zu spezifischen Rollen aufgetrennt, die angeblich ihrer Natur entsprächen. Auf ein vermeintliches Naturwesen reduziert seien Frauen eher aus der Substanz des Lebens bestimmt, aus ihren Fähigkeiten, den Menschen als Naturwesen zu bewahren und zu reproduzieren, ihn also im Bereich der Eigenwirtschaft des Körpers wahr zu nehmen und wahrzumachen. Im Körperlichen selbst erscheint das Leben aber zugleich expansiv und gefährdet. "Von Haus aus" zur Vorsicht geboten, fällen Frauen daher ihre Urteile substanzieller und behaupten sich eher durch Geschick und Bildung, als durch offene Gewaltanwendung. Sie wirken von daher "von Natur aus bodenständiger" und sind als Naturwesen umworben, stellen für sich die Blüte des Geschlechts, seine Schönheit dar. Von daher tragen Frauen in einer geschlechtlich gespaltenen Kultur nicht nur werdendes Leben, sondern den Reiz der Geschlechtlichkeit auch allgemein als Wesen seiner Ästhetik in sich. Darin erscheinen sie wie ein Subjekt der Geschlechtsliebe, das sich aus ihrer Natur selbst begründet verstehen kann.
"Der Grad der weiblichen Emanzipation ist das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation." (Karl Marx,Hl. Familie, MEW Bd. 2, S. 208)
In einer Kultur, worin Durchsetzungskraft als Maßstab der Persönlichkeit verlangt ist, realisieren aber auch Männer ihre scheinbar "natürlichen Vorteile", um darin Frauen gegenüber vorteilhaft zu erscheinen, um durch sie einen Lebensgrund zu finden, den sie als solche "Naturerscheinung" natürlich nicht für sich haben können. Die Männerkulte mögen zwar auch wirtschaftlichem "Wettbewerb" entsprechen, aber sie sind nur deshalb voller Geltungssucht , weil darin um das Geschlecht gekämpft wird, das dem kultivierten Mann als Lebensgrundlage seiner Sinnlichkeit dient.
Tatsächlich ist auch die Bewunderung solcher Kulthaftigkeit des Männlichen umgekehrt eine Beziehungsform der Frauen. Sie haben darin Teil an der Kultur, dass sie den Mann für ihre zwischenmenschliche Selbstverwirklichung begehren. Auch darin wird Geschlechtssinn kultiviert, dass er sich der kraftvoll erscheinenden Naturmächtigkeit des männlichen Personenkults als Naturmacht der zwischenmenschlichen Beziehung selbst herausstellt. Im Selbstbewusstsein der Begehrlichkeit und der Fähigkeit, Menschen zu gebären, also "das Menschliche" aus sich herauszusetzen, wird Weiblichkeit zu einem kulturellen Synonym für die Lebensbasis, die Frauen in solcher Kultur auch wirklich darstellen. Die Befruchtung erscheint als bloßer Akt der Lust, das Austragen der Frucht als bloßer Akt des Notwendigen. Zwischen Lust und Notwendigkeit wird die Geschlechterkultur auf diese Weise zerteilt.
Von da her wird der weibliche Sinn zu einer Beziehung nach innen, zu einer verinnerten Subjektivität des Empfindens und Empfangens, also das, was man in sich findet und spürt, was im Fühlen und Denken sinnlich vor sich geht. Nicht nur weil das weibliche Gehirn komplexer ist als das männliche und die weiblichen Geschlechtsorgane dem Leben umfänglicher begegnen, sondern vor allem, weil das weibliche Erleben in dieser Kultur weit tragfähiger ist als das männliche, bekommt es eine bestimmte, eine tragende Funktion in diesen Verhältnissen, die unerkannt bleiben muss, um für die Kultur zu funktionieren. Selbstvertändlich ist dabei nicht weibliche Geschlechtlichkeit, sondern die Rolle, die sie in der Kultur einnimmt, also das, womit Weiblichkeit wahrgenommen wird und wodurch sie der Selbstwahrnehmung dient. So werden Frauen schnell zu Funktionärinnen der Fürsorglichkeit, der Nothelferin, der Mutter und Kindererzieherin und Ernährerin. Frauen gelten als die besseren Bewahrerinnen von Sinn und sind von daher dessen besondere Kulturträgerinnen als Persönlichkeiten des Weiblichen schlechthin, das "alles hinanzieht" (Goethe).
Die Kehrseite davon ist, dass sie als solche benutzt werden, dass sie Sinn stiften sollen, wo Sinnlosigkeit herrscht, Leib beleben sollen, wo er verletzt oder tot ist. Ihre Entleibung entspricht der Rolle, welche die bürgerliche Kultur auf Grund ihrer Körperlichkeit ihnen zuweist, wie sie erlebt wird: Bewahrerin von Leben zu sein, wo Wesenlosigkeit entsteht und wo Verwesung herrscht. Soweit sie dies erfüllen wollen oder aufgrund ihrer Lebenslage erfüllen müssen, ernähren sie diese Kultur und die Geschlechtlichkeit überhaupt mit Sinn, der aus dem Innern, dem eigenen Leben kommt. Ihr entäußertes Geschlecht ist unmittelbar auch ihre Lebensentäußerung, die nichts außer Selbstentfremdung ist, die allerdings zugleich innerhalb dieser Verhältnisse lebensnotwendig ist. Weil das Leben in der Kulturpersönlichkeit eine selbständige Naturform des Überlebens bekommen hat, muss diese auch dem Leben dienstbar sein, solange sie nicht von den Menschen, und das sind nicht nur die Frauen, überwunden wird.