Kulturchauvinismus

Aus kulturkritik

"Wagner: Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen, Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen; Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht, Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.

Faust: O ja, bis an die Sterne weit! Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln. Was ihr den Geist der Zeiten heißt, Das ist im Grund der Herren eigner Geist, In dem die Zeiten sich beſpiegeln. Da ist's dann wahrlich oft ein Jammer! Man läuft euch bey dem ersten Blick davon. Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer, Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction, Mit trefflichen, pragmatischen Maximen, Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!"

Johann Wolfgang Goethe (1808) „Faust I"

Kulturchauvinismus entsteht durch die Idealisierung einer politischen Kultur, die ganz allgemein für den ästhetischen Willen der Selbstwahrnehmungen von Kulturbürgern deren Selbstgerechtigkeit befriedet und die Selbstveredelung der Kulturbürger mit Selbstgefühlen verfüllt, die sich überhaupt nur über ihren Narzissmus akkumulieren und entsprechende Charaktere zu narzisstischen Persönlichkeiten strukturieren (siehe autoritärer Charakter, esoterischer Charakter und flexible Persönlichkeit).

Kulturchauvinismus tritt meist als zynische Herablassung zu den kulturell erscheinenden Nöten auf (siehe auch politischer Nominalismus), in denen sich Menschen befinden, die sich nicht in herrschende Kulturformen einfinden oder fügen können, schnell als abnormal (siehe auch Normalität) oder psychsch krank etikettiert werden. Er wird besonders politisch eingesetzt (vergleiche den "Kampf der Kulturen" nach Huntington), aber auch von Therapeuten und Lebensberatern (vergl. Bert Hellinger), die damit ihre zweifelhafte Anwendungen aufwerten. Allgemein ist er die Praxis der Kultureliten, die hierdurch ihre Rolle bestärken, abschotten, aber auch verlockend für Aufsteigerbedürfnisse machen.

Kultureliten entstehen als kulturelle Prominenz innerhalb der Schicht der Bildungsbürger, die vermittelst ihrer Kulturbeflissenheit in der Hochkultur Geltung erlangen und ihren sozialen Status vor allem durch ihre kulturellen Befähigungen (z.B. in den Medien) oder durch ihren persönlichen Kulturbesitz finden und erwerben.