Esoterischer Charakter

Aus kulturkritik

"Um die Liebe in den "Moloch", in den leibhaftigen Teufel zu verwandeln, verwandelt Herr Edgar sie vorher in eine Göttin. Zur Göttin, d.h. zu einem theologischen Gegenstand geworden, unterliegt sie natürlich der Kritik der Theologie, und überdem liegen bekanntlich Gott und Teufel nicht weit auseinander. Herr Edgar verwandelt die Liebe in eine "Göttin", und zwar in eine "grausame Göttin", indem er aus dem liebenden Menschen, aus der Liebe des Menschen den Menschen der Liebe macht, indem er die "Liebe" als ein apartes Wesen vom Menschen lostrennt und als solches verselbständigt. Durch diesen einfachen Prozeß, durch diese Verwandlung des Prädikats in das Subjekt, kann man alle Wesensbestimmungen und Wesensäußerungen des Menschen in Unwesen und Wesensentäußerungen kritisch umformen. So z.B. macht die kritische Kritik aus der Kritik, als einem Prädikat und einer Tätigkeit des Menschen, ein apartes Subjekt, die sich auf sich selbst beziehende und darum kritische Kritik: ein "Moloch", dessen Kultus die Selbstaufopferung, der Selbstmord des Menschen, namentlich des menschlichen Denkvermögens ist." (MEW 2,S. 21)

Der autoritäre Charakter ist unendlich bestimmt und raumgreifend. Er produziert und reproduziert Lebensverhältnisse wie sie sich in seinem Kosmos ergründen lassen. Was er hierbei erobert, kann er nicht beleben. Doch ohne lebende Objekte zerbricht seine lebende Wahrnehmung. Er muss sie mit sich verbünden und verfüttern. Von da her war ja schon die esoterische Wahrnehmung grenzenlos und musste immer wieder in einer Welt der Esoterik in einem opulenten Gespinst eingefangen werden. Seine Absichten erweisen eine unbegrenzte Beziehungswelt, in der ein solcher Charakter wie die Spinne Beziehungen webt – Verbindungen und Ereignisse schafft, die als Bedingung hierfür wirken können. Sie bilden schließlich den Kern der Strukturen, welchen die Institutionen der zwischenmenschlichen Verhältnisse und reproduzieren. Und von daher schon sind ihre Beziehungen bestimmt, lang bevor sie entstehen.

In der Zwischenmenschlichkeit ihrer gesellschaftlichen Beziehungen bildet sich vermittelt sich im Jenseits der wirklichen gesellschaftlichen Verhältnisse der Menschen durch eine zwischenmenshliche Bezogenheit ihrer Selbstveredelung. Dies wird zu einer obektiven Form einer subjektive Nähe ihrer Erkenntnisse in ihrer unendlichen Dürftigkeit ihrer Bedürfnisse, worin sie vor allem ihr allgemeines Außer-sich-sein vergöttern. Socher Kosmos wird zur Esoterik ihrer Selbstbezogenheit und verkehrt ihre zwischenmenschliche Liebe zu einem Geheimnis einer universalen Liebe, zur Veegegenwärtigung einer kosmischen Macht eines allgemeinen Nutzens der gewöhnlichen Wirklichkeit, zum Himmel der Ewigkeit des Glücks materialisierter Beziehungen. Von daher ist das Erkenntnisinteresse des esoterischen Charakters vor allem sophistisch.

Von da her bestimmt sich der esoterische Charakter unmittelbar durch ästhetische Urteile gegen die Mächte der Wirklichkeit und damit auch gegen jeden autoritären Charakter dadurch, dass er sich selbstlos als unmittelbare Menschlichkeit der Liebe gibt, dessen Wirkungen auf sich nicht verarbeitet, sondern durch eine hintersinnige Selbstbewertung seiner Selbstbezogenheit, einer übersinnlichen Selbstgerechtigkeit übertrumpft. Er lebt davon, dass er sich im Edelmut seiner zwischenmenschlichen Beziehung in narzisstischen Verhältnissen wie eine seelische Hoheit empfindet und die fällt immer wieder auf sich zurück, indem sie sich als Moment eines kosmischen Selbstgefühls gewinnt. Im Glauben an einen Mythos der Seele findet der esoterische Charakter eine höhere Wahrheit seiner Selbstgefühle, die sich aus ihren wirklichen zwischenmenschlichen Beziehungen dadurch herausnehmen, dass sie sich eine seelische Autorität aus einem imaginierten Feinsinn ihrer Natur verleihen. Die Selbstveredelung, die solche Gefühle hieraus beziehen und sich hierbei akkumulieren, besteht in dem Widerspruch, sich selbst als gehobene Zwischenmenschlichkeit zu begründen und diese zugleich in ihrer Wirklichkeit zu ignorieren, gleichgültig gegen das zu sein, was ihre zwischenmenschlichen Beziehungen dennoch - oder gerade deshalb - wirklich begründet und leben lässt.

Ist der autoritäre Charakter in der ihm entsprechenden Wirkungsweise seiner Selbstgerechtigkeit noch ganz an eine zwischenmenschliche Gemeinschaft und durch seine Autorität in ihrem Gemeinsinn gebunden, woraus er sein Selbstgefühl bezieht, so bezieht der esoterische Charakter sein Autorität aus der Selbstempfindung seines Edelmuts. In seinenzwischenmenschlicher Beziehungen identifiziert er sich über die Hybris einer kosmisch formulierten Psyche in einem universalen Geist aus den Geistern des Universums, in einer Seele aus dem Jenseits seiner zwischenmenschlichen Verhältnisse. Er behauptet sich durch eine hieraus angeeignete Spiritualität seiner Beziehungeg auf andere, durch die er besonders widersprüchliche, in sich blockierte Persönlichkeiten an sich bindet. Es muss nicht ein indischer Guru sein, der einfach schon durch seine einfache Andersartigkeit in fremden Verhältnissen seine Überzeugungen als Lebensweisheiten ablegen und Bezüge aller Art einnehmen kann. Es genügen auch einfältige "Weisheiten", die über bornierte Hoffnungen auf ein Seelenheil die Fiktionen zwischenmenschlicher Beziehungenbegründen und nähren können. Die darin verwurzelte Psychokratie entwickelt sich dann durch die Brüche in solcher Beziehung hindurch über die Unabkömmlichkeit einer Beziehung durch ihren übermenschlich begründeten Narzissmus, denn dieser erträgt keine Abwesenheit, weil er alles Anwesende für sich einnehmen muss und vor allem nur davon zehren kann.

Der esoterische Charakter ist die innerste Ausformung einer narzisstischen Persönichkeit (sieheauch flexible Persönlichkeit). Er bezieht den Eindruck, den er in narzisstischen Verhältnissen machen kann, aus einem "höheren Sinn", durch den er übersnnlichn begabt erscheint. Durch seine Hybris gestaltet er seine zwischenmenschlichen Verhältnisse und zieht die Menschen in seinen Bann, der mitdem er sie umgibet und aus ihnen vor allem Sin für sich bzieht. Er bestimmt sich unmittelbar gegen jeden autoritären Charakterdadurch, dass er dessen Wirkungen auf sich in eine hintersinnige Selbstbewertung verwandelt und in ihrer Selbstbezogenheit umkehrt, mit seiner übersinnlichen Selbstgerechtigkeit übertrumpft und die Abhängigkeit von Menschen körperlich als sein eigentliches Wesen empfinet, sich selbst im Narzissmus von anderer Menschen großzügig einverleibt und erlebt.

Ein solcher Charakter lebt davon, dass er die hybrid gewordene Autorität als sein Selbstgefühl erlebt und durch seine Beziehung auf andere wie eine seelische Hoheit für sich wie auch für andere befindet und empfindet. Er kommt immer wieder auf sich zurück, indem er sich als Moment seiner hierdurch kosmisch gewordenen Selbstgefühle in anderen Menschen gewinnt. Im Glauben an mystische Beziehungen findet der esoterische Charakter jene höhere Wahrheit seiner Selbstgefühle, die sich aus ihren wirklichen zwischenmenschlichen Beziehungen dadurch herausnehmen, dass sie sich eine seelische Autorität aus einem imaginierten Feinsinn ihrer Natur verleihen. Die Selbstveredelung, die solche Gefühle hieraus beziehen und sich hierbei akkumulieren, besteht in dem Widerspruch, sich selbst als gehobene Zwischenmenschlichkeit zu begründen und diese zugleich in ihrer Wirklichkeit zu ignorieren, gleichgültig gegen das zu sein, was ihre zwischenmenschlichen Beziehungenbegründet und leben lässt.

Alle Narzissten haben sich nur im anderen Menschen wahr. Aber der esoterische Charakter sieht sich selbst als den Anderen in diesem Verhältnis, ist für sich selbst der herausgesetzt Andere, der sich mediativ gegen die Beziehungen wahrmacht, die er wahrhat. Esoterisch wird daher ein Charakter, der sich aus den zwischenmenschlichen Beziehungen narzisstischen Persönlichkeiten (siehe auch autoritärer Charakter) herausgehoben hat, sich aber nirgendwo anders erkennen und anerkennen kann, als durch sich selbst, unbeschadet und frei in der Selbstbehauptung seiner ,Selbstgefühle, der ausschließlichen Ästhetik seiner Empfindungen, worin er nur sich selbst finden kann. Er bleibt darin weiterhin autoritär, sucht sich aber im Ganzen seines Lebenskosmus mitzuteilen, um andere in seine Beziehungswelt so einzubinden, dass sie seinen Gefühlen nutzbar sind.

Ein esoterischer Charakter bezieht sich durch die Abgrenzung von der profanen Konsum- und Erlebniswelt (siehe auch Eventkultur) durch seinem übersinnlichen Edelmut in bloßer Negation auf die zwischenmenschliche Verhältnisse, in denen er sich noch befindet und empfindet, ohne sich darin wahrhaben zu müssen. Es ist die Selbsttäuschung über seine soziale Geschichte und Gebundenheit, die ihn esoterisch machen, indem er seine Selbstveredelung als die höhere Wahrheit und Weihe seines Empfindungvermögens herauskehrt, das dann allerdings auch als wirklich höheren Gefühlen veranstaltet werden muss. Von daher kehrt ein solcher Charakter über die Hochform seiner Selbstveredelung in eine Selbstwahrnehmung zurück, die sich nur noch egomanisch gestalten lässt.

Für eine esoterische Persönlichkeit ist das ganze Leben wie ein Traum für sich selbst, aber auch die Angst, hieraus einmal erwachen zu müssen. Der Narziss wird hierin selbst unterworfen, wird zum bloßen Lebensträger einer unendlichen zwischenmenschlichen Beziehung, die nur als Lebensausdruck einer einzigen Lebensgestalt erscheint, die ihre Langweile nur noch durch die bloße Unterschiedlichkeit, durch die verschiedentlichen Ereignisse seiner einzelnen Selbstwahrnehmungen belebt. Ihre Beziehungswelt ist ihre Lebenskonstruktion (siehe auch Konstruktivismus). Alles was sie wirklich wahrnimmt steht im Gegensatz zu dem, was sie in ihrer Wirklichkeit wahrhat. In Wahrheit hat sich ein solcher Charakter nur sich selbst wahr - jedoch nicht als individuelles Selbst. Sie behauptet sich als kosmiische Selbstbeziehung, als Lebenswerk ihres eigenen Kosmos, sich als kosmisch bestimmte Persönlichkeit in der Selbstverwirklichung ihres "Ichs". Alles was ein esoterischer Charakter wahrnimmt will er nur durch sich selbst begründet haben, weil er alles andere als Wahrnehmung seiner selbst wahrhat.

Es sind eigentlich religiöse Gefühle, die sich hier ganz weltlich geben können. Das religiöse Gefühle ist ja selbst schon immer zugleich Selbstgefühl und somit durch Gefühlsurteile bestimmt, die sich jenseits der Empfindungen als eine eigene Welt der Ästhetik fortbestimmen. Darin wird Sinn nicht dargestellt, sondern entäußert, objektiviert zu einer Bindekraft einer verallgemeinerten Botschaft der Selbstwahrnehmung, die im Prinzip unendlich ist, soweit sie nicht durch wirkliche Empfindungen hinterfragt oder hintergangen werden kann. Durch die Schlichheit dieser Ästhetik wird dem entgegegengewirkt, einfaches Fühlen dem komplexen Empfinden entgegengehalten und wird allein schon durch die erfolgreiche Abweisung von konkreten Verhältnissen aus der Wahrnehmung zur Herrschaftsform einer übersinnlichen Vermitlung von alltäglichen Verrichtungen und Gebräuchen.

Im Unterschied zum autoritären Charakter lebt ein esoterischer Charakter seinen Narzissmus, indem er seine Selbstveredelung aus der Einverleibung von Empfindungen bezieht, die ihm zu einer besonderen Selbstbehauptung in der Gemeinschaft der Selbstbezogenheiten zwischen den Menschen gereichen. Der Edelmut dieser Selbstveredelung besteht aus einem kosmischen Selbstgefühl (S. Freud nennt es "ozeanisches Gefühl"), das - selbst ohne eigene Empfindung – vielerlei gefundene isolierte Gewissheiten zusammenfasst. Er begründet sich daher aus einem Jenseits seiner Selbstempfindung, aus der Mystifikation durch ein "höheres Wissen" seiner Empfindungen, die sich nicht erst durch Selbstgefühle veredeln müssen (siehe Ästhetik), weil sie selbst schon in den Verhältnissen veredelter Selbstgefühle entstehen und in ihrer Güte "zuhause" sind, die sich also aus der Anwesenheit selbstveredelter Gefühle ergeben und sich aus dem Eigendünkel ihres Edelmuts bestärken. Sie entfalten sich aus der Selbstveredelung einer Welt totalisierter Selbstgefühle, die sich über die Welt der Psyche und deren "niedrigeren" Absichten zu erheben verstehen (siehe hierzu auch Psychokratie).

Der esoterische Charakter entsteht in zwischenmenschlichen Beziehungen, die eine allgemeine Güte nötig haben, die also jeden Mangel im Vorhinein dadurch auflösen, dass die Wirklichkeit ihrer Beziehung selbst schon unverhältnismäßig, also ohne Ansehen ihrer Verhältnisse gut gilt und damit ein höheres Geltungsstreben verwirklicht. Er begründet seine Sinnzusammenhänge auf dem Einheitsstreben allübergreifender Gefühle, die eine quasi "ozeanische" Dimension (S. Freud) haben und speist sich aus Selbstgefühlen, die grenzenlos sind und eine Welteinheit in sich empfinden. Von daher ist er die Grundlage für ein symbiotisches Welterleben, das durch jede wirkliche Beschränkung ihrer Selbstbeziehung schon gekränkt wird. Ein solcher Charakter findet besonders in abgehobenen Gefühlssphären seine Befriedigungen (siehe auch Hochkultur) und entwickelt Bedürfnisse nach Höherem oder nach Avantgardismus. Von daher belebt er sich gerne durch "höheres Wissen", durch "Erleuchtung", die ihn auch leicht von psychokratischen Heilslehren und ihren Gurus mit ihren Liebesbotschaften und Selbstinszenierungen abhängig macht.

Die Persönlichkeitsmerkmale des esoterischen Charakters bilden sich aus den Ungewissheiten heraus, die in den Heimlichkeiten zwischenmenschlicher Verhältnisse wahrgehabt und als Beziehungsform akkumuliert werden, bis sie natürlich zu sein scheinen und zur Natur dieses Verhältnisses werden. Diese tritt an die Stelle einer jeden Autorität (siehe autoritärer Charakter) und kehrt sie in eine Unmittelbarkeit des Verhaltens um, zu einer Autorität der Selbstverständlichkeiten, zur impliziten seelischen Macht ihrer Güte, die darin zur Bestimmung des Ungewissen und Unheimlichen wird. Vermittels dieser Selbstveredelung bleibt sie dominanter Träger konservativer Ideologien, aber nicht dadurch, dass sie ein mächtiges Kontrollbedürfnis praktiziert, sondern dadurch, dass sie sich selbst als mächtiges Gefühl objektiv natürlich macht, also durch die Verwirklichungformen objektiver Gefühle ihre Macht wie die Zustellung einer ausschließlichen Naturmacht erfährt (vor allem z.B. durch Kulturgüter, durch Kunst, Architektur und Wissenschaft).

Wie jeder Charakter der bürgerlichen Persönlichkeit tritt der esoterische Charakter nicht unbedingt rein auf, sondern oft auch im Zusammenhang mit dem einer flexiblen Persönlichkeit.