Produktion

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"Die Produktion ist unmittelbar auch Konsumtion. Doppelte Konsumtion, subjektive und objektive: das Individuum, das im Produzieren seine Fähigkeiten entwickelt, gibt sie auch aus, verzehrt sie im Akt der Produktion, ganz wie das natürliche Zeugen eine Konsumtion von Lebenskräften ist. Zweitens: Konsumtion der Produktionsmittel, die gebraucht und abgenutzt werden und zum Teil (wie z.B. bei der Feurung) in die allgemeinen Elemente wieder aufgelöst werden. Ebenso Konsumtion des Rohstoffs, der nicht in seiner natürlichen Gestalt und Beschaffenheit bleibt, die vielmehr aufgezehrt wird. Der Akt der Produktion selbst ist daher in allen seinen Momenten auch ein Akt der Konsumtion. Aber dies geben die Ökonomen zu. Die Produktion als unmittelbar identisch mit der Konsumtion, die Konsumtion als unmittelbar zusammenfallend mit der Produktion nennen sie produktive Konsumtion." (Karl Marx, Grundrisse, MEW 42, S. 26)

"Die ... Identität von Produktion und Konsumtion kömmt hinaus auf Spinozas Satz: determinatio est negatio

Aber diese Bestimmung der produktiven Konsumtion wird eben nur aufgestellt, um die mit der Produktion identische Konsumtion zu trennen von der eigentlichen Konsumtion, die vielmehr als vernichtender Gegensatz der Produktion gefaßt wird. Betrachten wir also die eigentliche Konsumtion.

Die Konsumtion ist unmittelbar auch Produktion, wie in der Natur die Konsumtion der Elemente und der chemischen Stoffe Produktion der Pflanze ist. Daß in der Nahrung z.B., einer Form der Konsumtion, der Mensch seinen eignen Leib produziert, ist klar. Es gilt dies aber von jeder andren Art der Konsumtion, die in einer oder der andren Art den Menschen nach einer Seite hin produziert. Konsumtive Produktion. Allein, sagt die Ökonomie, diese mit der Konsumtion identische Produktion ist eine zweite, aus der Vernichtung des ersten Produkts hervorgehende. In der ersten versachlichte sich der Produzent, in der zweiten personifiziert sich die von ihm geschaffne Sache. Also ist diese konsumtive Produktion - obgleich sie eine unmittelbare Einheit zwischen Produktion und Konsumtion ist - wesentlich verschieden von der eigentlichen Produktion. Die unmittelbare Einheit, worin die Produktion mit der Konsumtion und die Konsumtion mit der Produktion zusammenfällt, läßt ihre unmittelbare Zweiheit bestehn.

Die Produktion ist also unmittelbar Konsumtion, die Konsumtion ist unmittelbar Produktion. Jede ist unmittelbar ihr Gegenteil. Zugleich aber findet eine vermittelnde Bewegung zwischen beiden statt. Die Produktion vermittelt die Konsumtion, deren Material sie schafft, der ohne sie der Gegenstand fehlte. Aber die Konsumtion vermittelt auch die Produktion, indem sie den Produkten erst das Subjekt schafft, für das sie Produkte sind. Das Produkt erhält erst den letzten finish die 'letzte Vollendung' in der Konsumtion. Eine Eisenbahn, auf der nicht gefahren wird, die also nicht abgenutzt, nicht konsumiert wird, ist nur ein Eisenbahn dunamei 'der Möglichkeit nach', nicht der Wirklichkeit nach.Ohne Produktion keine Konsumtion; aber auch ohne Konsumtion keine Produktion, da die Produktion so zwecklos wäre. Die Konsumtion produziert die Produktion doppelt,

1. indem erst in der Konsumtion das Produkt wirkliches Produkt wird. Z.B. ein Kleid wird erst wirklich Kleid durch den Akt des Tragens; ein Haus, das nicht bewohnt wird, ist in fact kein wirkliches Haus; also als Produkt, im Unterschied von bloßem Naturgegenstand, bewährt sich, wird das Produkt erst in der Konsumtion. Die Konsumtion gibt, indem sie das Produkt auflöst, ihm erst den finishing stroke 'letzten Schliff'; denn Produkt ist das Produkt 'In der Handschrift: die Produktion' nicht als 'In der Handschrift: nicht nur als' versachlichte Tätigkeit, sondern nur als Gegenstand für das tätige Subjekt;

2. indem die Konsumtion das Bedürfnis neuer Produktion schafft, also den idealen innerlich treibenden Grund der Produktion, der ihre Voraussetzung ist. Die Konsumtion schafft den Trieb der Produktion; sie schafft auch den Gegenstand, der als zweckbestimmend in der Produktion tätig ist. Wenn es klar ist, daß die Produktion den Gegenstand der Konsumtion äußerlich darbietet, so ist daher ebenso klar, daß die Konsumtion den Gegenstand der Produktion ideal setzt, als innerliches Bild, als Bedürfnis, als Trieb und als Zweck. Sie schafft die Gegenstände der Produktion in noch subjektiver Form. Ohne Bedürfnis keine Produktion. Aber die Konsumtion reproduziert das Bedürfnis." (Karl Marx, MEW 13, S. 622f)

Produktion ist die notwendige Arbeit, welche zur Erzeugung von Sachen, Dingen oder Gütern gesellschaftlichaufgewendet wird, um das gesellschaftliche Leben der Menschen zu gewähren, zu sichern und zu entwickeln - sei er für ihre Bedürfnisse und Entwicklungsgrundlagen oder für die Bedingungen der Arbeit (z.B. Produktionsmittel) selbst (siehe Sozialprodukt). In die Produktion eingeschlossen ist die Reproduktion, die Erneuerung ihrer Ressourcen (z.B. der Arbeitskräfte, der Produktivkraft der Naturstoffe, der Energie, der Werkzeuge usw.). Eine Produktion, die ihre Ressourcen nicht reproduzieren kann, ist Raubbau, Plünderung, Aufzehrung. Pro,duktion ist die gesellschaftliche Reproduktion, Selbsterneuerung und Entwicklung.

Produktion ist nicht nur Erhalt, sondern auch und vor allem Entwicklung. Sie ist die Grundlage der Geschichte als Bildungsgeschichte der Menschen, Entwicklung ihres Lebens und Lebensstandards, ihrer Entfaltung, wie ihrer Entfaltungsmöglichkeiten (s.a. Produktionsmittel). Produktion dient also nicht nur der Befriedigung vorhandener Bedürfnisse, sondern auch ihrer Entwicklung und Ausdehnung, der Verwirklichung neuer Bedürfnisse, neuer Produktionsmittel und der gesellschaftlichen Entfaltung. In der Produktion des gesellschaftlichen Mehrprodukts vollzieht sich die Produktion der menschlichen Geschichte. Jedes Bedürfnis, das durch die Produkte der Produktion befriedigt wird, entwickelt sich selbst zu einem anderen Bedürfnis und stellt sich somit auch in einen Bedürfniszusammenhang auf einer höheren Entwicklungsstufe, welche sich wiederum als eine entwickeltere Produktionsstufe verwirklicht, solange und soweit sich die Entwicklung der Produktion auch als Entwicklung der menschlichen Bedürfnisse und umgekehrt die Entwicklung der menschlichen Bedürfnisse als Entwicklung der Produktion darstellen. Denn in der Produktion verwirklicht sich der Mensch als gesellschaftliche Naturmacht.

"Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitung der unorganischen Natur ist die Bewahrung des Menschen als eines bewußten Gattungswesens, d.h. eines Wesens, das sich zu der Gattung als seinem eignen Wesen oder zu sich als Gattungswesen verhält. Zwar produziert auch das Tier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise etc. Allein es produziert nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges bedarf; es produziert einseitig, während der Mensch universell produziert; es produziert nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürfnisses, während der Mensch selbst frei vorn physischen Bedürfnis produziert und erst wahrhaft produziert in der Freiheit von demselben; es produziert nur sich selbst, während der Mensch die ganze Natur reproduziert; sein Produkt gehört unmittelbar zu seinem physischen Leib, während der Mensch frei seinem Produkt gegenübertritt. Das Tier formiert nur nach dem Maß und dem Bedürfnis der species, der es angehört, während der Mensch nach dem Maß jeder species zu produzieren weiß und überall das inhärente Maß dem Gegenstand anzulegen weiß; der Mensch formiert daher auch nach den Gesetzen der Schönheit." (MEW 40, S. 517f)

Eine Gesellschaft, in der nichts produziert wird kann weder als Gesellschaft noch als Ansammlung von Individuen bestehen, da sie ihre grundlegenden Lebensbedingungen nicht nur missachtet, sondern auch verliert. Alleine die täglichen Routinen einer Kommune (z.B. Müllabfuhr, Gesundheitsfürsorge, Altenbetreuung, Sozialfürsorge, Straßenbau, Energieversorgung, Deichbau, sozialer Wohnungsbau usw.) können ohne eine Form der Produktion nicht erhalten oder verbessert werden.

Im Unterschied zur reinen Regeneration der Produktionsmittel (Arbeitskraft, Technologie, Verwaltungs usw.), worin diese Beziehung auf die Produktion beschränkt und für den Selbsterhalt des Kapitals (siehe auch konstantes Kapital) gleichgültig ist, stellt sich in der allgemeinen gesellschaftlichen Reproduktion die Notwendigkeit der Produktion als bestimmte Art und Weise der Regeneration als produktive Konsumtion ihrer Ressourcen (Arbeitskraft , Bodenschätze, Natur, Lebensmittel) heraus. Sie hat also einen durch Produktion bestimmten Zweck, reproduziert den Stoff im Stoffwechsel und ist unmittelbarer Bestandteil desselben - sowohl in der Funktion des konstantes Kapitals, das den Wert seiner Strukturen und Rohstoffe erneuern muss, als auch der Selbsterhaltung der Arbeitskraft. Doch während der Wert der Arbeitskraft nicht nur sie reproduziert, soindern zudem Mehrwert aus unbezahlter Arbeit erzeugt, der das Wertwachstum des Kapitals bewirkt, wird der Wert der Arbeitskraft vom Kapital als Preis ihres Lebensunterhalt bezahlt (siehe bezahlte Arbeit). Ganz unabhängig hiervon ist der Wert der notwendigen Produktionsmittel wie des konstanten Kapitals überhaupt selbsttätig. Er geht sukzessive in den Preis der Produkte ein und wird von deren Käufer bezahlt. Weil die Reproduktion des Kapitals vorgeschossen, also vor der Warenzirkulation vorgestrckt wird und der Preis der Arbeitskraft erst im Nachhinein der Produktion bezahlt wird, können Wert und Preis der Waren niemals zusammenfallen (siehe hierzu auch Wertrealisierung).

Das menschliche Bedürfnis ist der organische Inhalt der Produktion und ihrer Geschichte, so wie die Arbeit zugleich der Erzeugungsprozess der Bedürfnisse ist. In der bürgerlichen Gesellschaft erscheint die Produktion als Privatsache, vor allem als Privatsache der Kapitalbesitzer, die vor allem ihr Geld vermehren wollen, und daher die Geldvermehrung zum Prinzip der Produktion machen. Solange die Geldvermehrung an die Entwicklung des gesellschaftlichen Mehrprodukts gebunden ist, solange also die produzierte Gütermenge der zirkulierenden Geldmenge entspricht, können sich die "Privatsachen" Geldvermehrung und Entwicklung der Bedürfnisse entsprechen, wenn auch in gegensinniger Besitzform (Arbeitskraft und Kapitalbesitz) mit unterschiedlichen Machtanteilen an der gesellschaftlichen Entwicklung, da die Vermehrung von Geld, dem gesellschaftlichen Faustpfand der Waren, immer auch die Vermehrung gesellschaftlicher Macht involviert. Von daher geht es bei der Produktion für den Warenmarkt nicht um gesellschaftliche Bedürfnisse, wie sie im Wechselwirken der Menschen zwischen Produktion und Konsumtion entstehen, sondern um die bloße Masse, welche die Waren hierauf in irgendeiner Art und Weise, also gleichgültig gegen ihren Inhalt darstellen, wenn sie also nür überhaupt abgesetzt werden können.

"Der Sinn, den die Produktion in bezug auf die Reichen hat, zeigt sich offenbart in dem Sinne, den sie für die Armen hat; nach oben ist die Äußerung immer fein, versteckt, zweideutig, Schein, nach unten hin grob, gradheraus, offenherzig, Wesen. Das rohe Bedürfnis des Arbeiters ist eine viel größere Quelle des Gewinns als das feine des Reichen. Die Kellerwohnungen in London bringen ihren Vermietern mehr ein als die Paläste, d.h., sie sind in bezug auf ihn ein größrer Reichtum, also, um nationalökonomisch zu sprechen, ein größrer gesellschaftlicher Reichtum. – Und wie die Industrie auf die Verfeinerung der Bedürfnisse, ebensosehr spekuliert sie auf ihre Roheit, aber auf ihre künstlich hervorgebrachte Roheit, deren wahrer Genuß daher die Selbstbetäubung ist, diese scheinbare Befriedigung des Bedürfnisses, diese Zivilisation innerhalb der rohen Barbarei des Bedürfnisses.." (Karl Marx, MEW 40, S. 551f)

Die Gleichgültigkeit der Produktion gegen ihren Inhalt ist dem Geld entsprungen, das alles quantitativ in dem Verhältnis gleichsetzt, wie es auf dem Warenmarkt als bloßesVerhältnis von Angebot und Nachfrage für die Käufer und Verkäufer erscheint, wie es also dem dort gehandelten Wert und nicht unbedingt den Bedürfnissen der Menschen entspricht. Die müssen nur Anlass genug sein, dass die Produkte gekauft werden. Aber zwischen Verkauf und Kauf vollziehen sich die eklatantesten Unterschiede in ein und dem selben Akt, - besonders deutlich, wo Kapital und Arbeit unmittelbar aufeinder treffen. Beide sind Käufer und Verkäufer. Sie begegnen sich interessensgleich als Konsumenten, der eine aber als Konsument von Lebensmittel, der andere von Kraft, Witz (Erfindergeist) und Schönheit (Kultur). Und während sich der eine durch seinen Verkauf wirklich und sinnlich reproduzieren muss, reproduzert der andere sein Vermögen und schöpft zudem ab, was er an Kraft aus dem Arbeitsmarkt noch zu einem möglichst günstigen Preis (Lohn) abziehen kann. Kapital wird eben nicht, wie der Arbeitslohn, nur zur Reproduktion des Produktionsprozesses verwendet, sondern auch in erweiterter Technik akkumuliert. Dies ist das Resultat des kapitalistischen Produktionsprozesses in der einfachen Akkumulation des Kapitals

Der kapitalistische Produktionsprozess darf aber nicht mit dem Produktionsprozess des Kapitals als solches verwechselt werden. Dieses entwickelt sich erst nach der Entstehung eines eigenen Zirkulationsprozesses des Kapitals aus seiner produktiven Zirkulation. Kapital wird darin zur reinen Spekulationsmasse der Geldvermehrung jenseits des wirklichen Mehrprodukts. Hier wird Kapital aus Surplusprofiten in reine Rechtstitel (z.B. Grund und Boden) 'angelegt' (siehe Grundrente) und somit eine gesellschaftliche Entwicklung jenseits wirklicher menschlicher Bedürfnisse, ihrer Befriedigungs- und ihrer Produktionsmittel bestimmt. Die Preise für Grundeigentum und damit auch die Preise für Bodenschätze sind rein politische Preise und bestimmen zunehmend die Entwicklung des Kapitals als solches. Dieses entwickelt sich durch die Klasse der Grundeigentümer und der Nationalpolitiker und hat mit dem Doppelcharakter der menschlicher Produkte, wie er in Form von Waren besteht, nichts mehr gemein.

Das Verhältnis von Geld, das durch vorhandene oder in der Entstehung begriffene Güter in Warenform (siehe Wertform) gedeckt ist und Geld als ungedeckte Spekulationsmasse, ist inzwischen auf einem Niveau von 1 zu 100. In diesem Verhältnis verläuft daher auch die Entwicklung der Güterproduktion zur Befriedigung der Bedürfnisse zur Entwicklung der reinen Kapitalmacht. Die gesellschaftliche Produktion kann sich so auch nur zu einem Prozent überhaupt auf wirkliche menschliche Bedürfnisse beziehen. Der Rest dient der Produktuion eines Mehrwerts, der in einer gesellschaftslosen Masse in den Produktions- und Zirkulationsstätten des Kapitals verschwindet und bestenfalls noch in der Produktion von Technologie (Produktionsmittel) und dem Vermittlungsbedarf innerhalb des Dienstleistungsbetriebs hier und da erscheint (Technologie, Auf- und Abbau von Technologie nach Maßgabe der Kapitalbewegung, Kommunikation, Werbung, Mediengeschäfte, Grundbesitz, Hausbesitz, Waffenbesitz, Vermittlungspotential im Agenturkapital). Hinzu kommt, dass dieses eine Prozent bedürfnisrelevanter Güter nicht mal nur unmittelbare Bedürfnisse des Lebens befriedigt, sondern auch die vermittelten Bedürfnisse, die im Reflex auf eine Gesellschaft entstehen, die keinen menschlichen Sinn mehr vermittelt, die also reine Kulturprothesen zum Gegenstand haben (zwischenmenschliche Surrogate, Kultveranstaltungen, Kulturersatz wie z.B. unnötige Automobile etc.).