Subjektive Objektivität
"Indem im Rahmen der subjektivistischen Erkenntnisweise letztendlich die alltäglichen Primärerfahrungen unkritisch-distanzlos reproduziert werden, wird nicht nur der Schein der „Naturgegebenheit“ der für das Alltagshandeln relevanten Realitätsausschnitte befestigt, sondern darüberhinaus die sinnlich-konkret nicht unmittelbar einsichtige gesamtgesellschaftliche Vermitteltheit des subjektiven Lebensstandorts ausgelöscht. Auf diese Weise verflüchtigt sich auch die mehrdimensionale, z.B. „klassenwidersprüchlich“ konstituierte Sinnstruktur der Lebenspraxis. Da nämlich die Phänomenologie die Frage nach den gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen des Glaubens an die ‚unmittelbare‘ Wirklichkeit außer Acht läßt, befestigt sie die darin beschlossene ‚Kontingenz- bzw. Möglichkeitsauslöschung‘, d. h. das „Aussetzen des Zweifels hinsichtlich der Möglichkeit, daß die Welt der natürlichen Einstellung auch anders sein könnte“ (Hartmut Krausse: "Zwischen Subjektivismus und Objektivismus. Zum Erkenntnisgehalt der theoretischen Konzeption Pierre Bourdieus").
Subjektivität ist die Gesamtheit, das Ganze eines subjektiven Seins im Dasein der Menschen als private Subjekte ihrer persönlichen Wahrheit in einem an und für sich unwahren Verhältnis ihrer Empfindungen und Gefühle (siehe Teilung der Wahrnehmung). Dieses entsteht im Jenseits ihrer Tätigkeiten, im Körpergedächnis ihrer Wahrnehmungen. In den Gefühlen der Menschen treffen sich ihre Empfindungen in einer Stimmung, die sich als etwas Ganzes anfühlt und die daher auch wissen kann, was außer ihr und für sie durch ihre Gegenstände bestimmt und von daher wahr ist, also eine wahre Bestimmung hat. Objektiv stellen Empfindungen allerdings ihre Wahrnehmung nur subjektiv dar. Dagegen entstehen Gefühle unmittelbar im Sinn ihrer Beziehungen, – und also objektiv. Die Sinnbildung der Menschen ist daher immer schon eine gesellschaftliche Bildung der Subjektivität der Menschen, die Bildungsgeschichte ihrer Sinne, ihrer Sinnbildung durch deren Lebensäußerungen, wie sie in ihrer Kultur über ihre Verwertung hinaus verbleiben und sich über ihre Unmittelbarkeit hinweg sinnlich vermitteln. Von da her ist die Subjektivität der Gefühle nicht wirklich von der ihr entsprechenden Objektivität zu trennen; – sie überdauern diese durch deren kulturelle Mittel und Vermittlungen.
Allerdings kann das was z.B. als Empfindung schon im erkennenden Subjekt objektiv ist, nicht einfach subjektiviert werden und auch nicht so einfach das Subjektive der Gefühle objektiviert (siehe auch objektive Subjektivität). Dennoch gibt es objektive Gefühle, sobald sie in ihrer Kultur - z.B. durch Literatur, Kunst, Architektur, Musik, Gedächtnis etc. - vergegenständlicht sind. Aber erst in deren eigenständigen Lebensverhältnissen unterscheiden sie sich von ihrer bloßen Objektivität und bewahren in ihrer Unterschiedenheit dennoch ihre gesellschaftlich gegenständliche Identität und können daher selbst als Gegenstand von Empfindungen existieren.
Was wir unter Erleben verstehen, ist hiernach lediglich ein Ereignis des Seins, "Seinsgeschichte". Über das Sein läßt sich daher nichts mehr aussagen; es ist einfach es selbst, das Heile durch sich selbst, durch sein ganzes Sein, durch seine Totalität (siehe auch Totalitarismus), wie es Martin Heidegger in ein monströses bürgerliches Subjekt des rektionären Bewusstseins fixiert wissen wollte. Nach solchem Objtivismus offenbare es sich dem Menschen, der in der "Lichtung des Seins" steht, genauer in das Sein hinaussteht, ek-sistiert. Das beängstigende In-der-Welt-Sein wird zum "Haus des Seins", in dem uns das uns Zukommende zugeschickt wird ("Seins-Geschick"). Aus der Freiheit des Sein-Könnens, wird ein "dankendes Sein-Lassen". Es geht um das Offenbarwerden, um die Unverborgenheit (=Wahrheit) des Seins, die sich als geschichtliche Tatsache, sich nicht als kritische Einsicht erweist, sondern dieser immer schon geltende Wahrheiten vorausgesetzt ist.
Die "Frage nach dem Sinn des Seins" ist nicht hinterfragbar, weil ihr Sinn nur durch die Fragestellung selbst gegeben, wodurch eine Übersinnlichkeit des Fragestellers vorab schon gesetzt ist, der die Wahrheit einer Wahrnehmung zu begründen verstehen wollte. Weil er diese aber nicht als seinen Gegenstand begründen wollte, setzte er sie als ein Phänomen des Geistes voraus und konnte nich erkennen, dass sie durch sich selbst begründet, also selbstevident und zugleich die Antwort ist, die sie zu entwickeln vermeint. Sie hat ihren Sinn allein dadurch, dass sie gestellt wurde, auch wenn sie widersinnig ist, denn sie offenbart, dass dem Fragenden der "Sinn des Seins" selbst fremd geworden ist. Sie kann nur gestellt werden, weil er weiß, dass es Sinn gibt. Sie enthält also schon die Erkenntnis, dass ihr Sinn den Menschen fremd geblieben, dass sie unsinnig und dass Wissen hierüber nötig ist, um bewusst sinnlich, um selbstbewusst zu sein. Und genau hiergegen richtet sich der Objektivismus des Martin Hedeggers, der sich durch die Verweigerung jeglicher Subjektivität der Erkenntnis (siehe auch Erkenntnisinteresse) mit seinen Existenzialienüber die ganze Natur der Welt stellt.
Das Verhängnis der Totalität einer geistigen Unterdrückung hat zwei Gründe, die sich in der Einheit einer kulturellen Deformation (Dekadenz) und der Endzetideologie einer Heilserwartung wie die allgemeine Notwendigkeit einer übermenschlichen Größe und Macht durchsetzt, wenn sich darin Staat und "Volk" in einem Gemeinsinn ihrer Art und Natur einig werden (siehe Rassismus), wenn ihre geistige Zerteilung, ihre allgemeine Vereimzelung und Isolation in der Geimeinseligkeit eines Kulturstaats verenden und sich in dessen Gefühlsmasse zu einem Ntionalgefühl (siehe auch Massengefühl) herausstellen und totalisiren. Es ist ein subjektiver Objektgivisms, in dem sich die Menschen gemein machen und der Staat die Subjektivität der Gesinnung voll und ganz objektivieren, sich darin selbst wie ein absolut notwendiges Allgemeinwesen durchsetzen kann. Das Selstbewusstsein eines verelendeten Kleinbürgertums (siehe auch Kulturbürgertum) trift sich mit den Verwerfungen einer Geisteswissenschaft, die ein absulutes Allgemeinwesen gegen die "Erschütterungen ihres Dasins" (Martin Heidegger) zu begründen sucht.
Karl Marx hatte solche philosophische Selbstlosigkeit trefflich beantwortet, indem er der Kreisbewegung einer objektivistischen Fragestellung die Subjektivität ihrer Natur selbst entgegenhielt:
"Du mußt auch die Kreisbewegung, welche in jenem Progreß sinnlich anschaubar ist, festhalten, wonach der Mensch in der Zeugung sich selbst wiederholt, also der Mensch immer Subjekt bleibt. Allein du wirst antworten: Diese Kreisbewegung dir zugestanden, so gestehe du mir den Progreß zu, der mich immer weitertreibt, bis ich frage, wer hat den ersten Menschen und die Naturüberhaupt gezeugt? Ich kann dir nur antworten: Deine Frage ist selbst ein Produkt der Abstraktion. Frage dich, wie du auf jene Frage kommst; frage dich, ob deine Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beantworten kann, weil er ein verkehrter ist? Frage dich, ob jener Progreß als solcher für ein vernünftiges Denken existiert? Wenn du nach der Schöpfung der Natur und des Menschen fragst, so abstrahierst du also vom Menschen und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und willst doch, daß sie ich als seiend dir beweise. Ich sage dir nun: Gib deine Abstraktion auf, so gibst du auch deine Frage auf, oder willst du an deiner Abstraktion festhalten, so sei konsequent, und wenn du den Menschen und die Natur als nichtseiend denkend, denkst, so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch auch Natur und Mensch bist. Denke nicht, frage mich nicht, denn sobald du denkst und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und des Menschen keinen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, daß du alles als Nichts setzt und selbst sein willst?"(MEW 40, Seite 545*f)