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Wolfram Pfreundschuh

Zur Kritik des Freud’schen Systems der Psyche

Diplomarbeit zur Diplompr�fung in Psychologie an der Universit�t M�nchen

M�nchen, im Sommersemester 1976

Einleitung

Das Selbstverst�ndnis der moderneren Psychologie reduziert sich zunehmend auf den utilitaristischen Aspekt ihrer T�tigkeit. Angesichts der ungeheuren Probleme, die zur Zeit in einem noch nicht dagewesenen gesellschaftlichen Umfang zutage treten (1), aber auch aus einer wissenschaftsimmanenten Aufl�sung psychologischer Erkenntnisprobleme heraus begr�ndet, beginnt sich eine Position durchzusetzen, welche die Wahrheit der Erkl�rung psychischer Probleme mit der Effizienz ihrer Praxis gleichsetzt. Psychologie wird so in das Selbstverst�ndnis einer Probleml�sungsagentur in Sachen Psyche getrieben, die sich dort begr�ndet sieht, wo ihre Begr�ndungen wirksam werden sollen.

Sie kann deshalb auch von sich feststellen, da� "der Wahrheitsbegriff schon seit langem aus der Wissenschaft, bzw. Wissenschaftstheorie, verbannt" (Schulte, unver�ffentlicht) ist. Sie "behauptet (deshalb) nicht, auf einer wahren Theorie zu gr�nden" (ebd.) und interessiert sich auch nicht mehr f�r einen Begr�ndungszusammenhang, welcher in der Lage ist, psychische Probleme auch mit solchen zu verbinden, welche nicht als psychische auftreten.

Diese Position konnte dennoch nicht auf Systematik verzichten, sie entleerte diese nur auf quantitative Beziehungen, bei welcher ihr die Mathematik zu Hilfe kam und wobei sie die Qualit�t ihres Gegenstands, also den Inhalt dessen, was ihren Gegenstand ausmachen soll, an die Begr�ndetheit der Auswahl psychologischer Me�daten durch das Forschersubjekt abgegeben hat.

Allein die Psychoanalyse hat in ihrem System noch das Ganze ihrer T�tigkeit reflektiert und enth�lt somit auch noch das ganze Problem der Psychologie. Sie dr�ckt dies in ihren Konstrukionen, Verbindungen und Begriffen aus, Vorstellungen, die sie sich von den Ereignissen des Seelenlebens macht. Durch die Begriffe, welche sie von ihrem Gegenstand hatte, war ihre Handlungsintention ausgewiesen und mit anderen Bereichen menschlichen Tuns verbunden. Aber nicht nur dadurch, da� sich in ihrer Systematik ihr Selbstverst�ndnis ausdr�ckt, sondern auch dadurch, da� sie diese Systematik als systematischen Zusammenhang ihres Gegenstands expliziert, ist sie eine durch ihn selbst kontrollierbare und kritisierbare Theorie geblieben, die einen Einblick in die Grundfragen gibt, welche durch den ganzen Zusammenhang von Menschen in einer Gesellschaft durch die Tatsache psychischer Erkrankungen aufgeworfen werden. Von dieser Seite hat die Psychoanalyse f�r mich solange nicht an Bedeutung verloren, wie sie nicht in ihrer Fragestellung selbst oder in ihren Antworten �berwunden, d.h. kritisiert und zu einer neuen Erkenntnis ihres Gegenstands aufgehoben ist.

Die Systematik der Psychoanalyse ist ein Denkzusammenhang, welcher sowohl ihrem unmittelbaren Gegenstand seinen Ort zuweist und darin selbst Begriffe findet, welche ihn erkl�ren sollen, zugleich verk�rpert sie aber auch ein bestimmtes Weltbild, welches das Ganze ihrer Anschauung ausmacht und die Beziehungen des Menschen zu sich und zu seiner Welt bestimmt haben will. Da die Psychoanalyse versucht, Letzteres als ihr Selbstverst�ndnis mit dem Ersteren als ihre Gedanken zu vereinen, zeigt sich in ihrer Theorie auch noch die seltene Identit�t von Selbstverst�ndnis, Begriffsbildung und T�tigkeit. Da sie hierdurch noch die Diskrepanzen und Widerspr�che zwischen diesen Momenten wahrnehmen kann, kann sie auch an ihrem eigenen Denken noch leiden. Sie ist die einzige Theorie in der Psychologie, die ihre Begriffe, ihre Denkweise oder ihren Erkl�rungszusammenhang (einschlie�lich ihrer Beweisf�hrung) und ihr Selbstverst�ndnis als Wissenschaft in einem einzigen Reflexionszusammenhang darzustellen vermochte. Ihre Wahrheit liegt deshalb in diesem Versuch einer in sich identischen Theorie, die das Ganze ihres Gegenstandes zu begreifen beansprucht. Da die Wahrheit eine Erkl�rung nur in dieser Ganzheit sein kann."("Das Wahre ist das Ganze" - Hegel), l��t sich an der Systematik der Freudschen Theorie auch feststellen, ob sie die Wahrheit sagt.

Es kommt mir daher zun�chst nicht darauf an, die inhaltlichen Aussagen der Psychologie in der Form von Meinungen aufzugreifen und zu kritisieren, denn darin k�nnte ich mich nur als andere Meinung entgegenhalten und mit einem der Psychoanalyse �u�erem Verst�ndnis die Psychoanalyse zum Mittel meiner Selbstbehauptung herabsetzen - allerdings ohne in die M�he einzutreten, die Wahrheit meiner Meinung auszuf�hren. Ich w�rde Meinungen, die Resultate verschiedenster Entwicklungsg�nge sind, auf einer Ebene entgegenhalten, wo keine Erkenntnis mehr ist, sondern bestenfalls die M�glichkeit besteht, die Brauchbarkeit der einzelnen Meinungen je nach ihrer Aktualit�t und Gef�gigkeit zu w�hlen. Dieses Verfahren einer �u�erlichen Kritik, wie sie besonders von den oben erw�hnten Wissenschaftspositionen praktiziert worden ist, halte ich nicht nur f�r verlogen und gemein, sondern auch objektiv f�r eine Zerst�rung einer - wenn auch nur versuchten - Erkenntnis, deren Fragestellung mit der als falsch erkannten Beantwortung selbst zugleich aus der Welt geschafft werden soll. In einer solchen Art von Kritik kann das einzige Interesse sein, eine bestimmte Fragestellung untergehen zu lassen oder zu zersetzen. Da diese Kritiker somit aber nur eine Vereinfachung und Einf�ltigkeit der Erkenntnis zu entwickeln verm�gen, die keine Beantwortung der gestellten Frage mehr zul��t und den fragenden Menschen eine ungeheure Selbstbescheidung auferlegt, kann man nur darin antworten, da� man die Komplexit�t und Kompliziertheit einer Theorie selbst analysiert und in ihrem Denkzusammenhang die Fragen zu entdecken versucht, welche darin unbeantwortet sind.

Diese Entdeckung ist somit zugleich eine N�herung zum Gegenstand der Theorie, weil die von ihm entfremdete Denkweise von dem getrennt werden kann, was sie reflektiert. Die einzig wahre Kritik kann daher f�r mich nur die immanente Kritik sein, in welcher ein Denkzusammenhang auf seine Begriffe, seine Verbindungen und sein Selbstverst�ndnis hin untersucht wird, und in dieser Untersuchung das Problem entdeckt wird, welches ihm verunm�glicht, die Wahrheit zu sagen. In der immanenten Kritik hat man keinen wirklichen, sondern einen theoretischen Gegenstand und untersucht deshalb die Begriffe und ihren Zusammenhang daraufhin, was sie implizit oder explizit aussagen, wie sie miteinander auskommen, und welchen Gegenstand sie unterstellen und erkl�rt haben wollen, d.h. was sie f�r objektiv halten.

Ich gehe deshalb nicht mit den vorausgesetzten Objektivit�tskriterien oder alternativen Erkl�rungen an die Theorie von Freud und besch�ftige mich auch nicht mit der darin explizierten Auffassung von Gesellschaft, Welt oder Psyche o.�., an welchem ich mir eine Meinung bilden w�rde, mir geht es vielmehr um die Darstellung und Kritik eines Denkens, welches sich durch seine eigene Begrifflichkeit von seinem Gegenstand und schlie�lich von sich selbst entfremdet, und ich will diesen Entfremdungsproze� aufzeigen, um ein Denken herzustellen, welches aus der Erkenntnis von Entfremdung selbst begr�ndet ist. Es geht mir also nicht um die Aufrechterhaltung eines geisteswissenschaftlichen Ideals von der Wahrheit, oder um eine formallogische Pr�misse, da� jede Aussage widerspruchsfrei zu sein hat, sondern es geht mir um ein Denken, das die Wahrheit sagt, weil es die Entfremdung als seine Voraussetzung wei�. Es geht dabei ein, da� eine Wissenschaft nur dann kritisierbar ist, wenn man zeigen kann, da� sie ihre eigene Entfremdung produziert. Das zweite, da� sie n�mlich damit auch die Entfremdung ihres Gegenstands produziert, folgt logisch daraus und ist kein hiervon abtrennbares Problem. Mir geht es deshalb nicht vorwiegend um das Verh�ltnis einer Wissenschaft zu ihrem Gegenstand, sondern um das, was sich in einer Wissenschaft selbst abspielt und was in ihr selbst erst erkennbar werden l��t, was sie auch in der Wirklichkeit damit tut. Der Nachweis einer widerspr�chlichen Theorie ist deshalb nichts anderes, als der Nachweis von sich selbst widersetzenden Begriffen, die den Proze� eines Denkens einleiten, das von sich selbst absehen mu�, seiner eigenen Abstraktion gehorcht und daher nur als abstraktes Denken sich selbst begr�nden kann.

Es folgt f�r diese Arbeit aus diesem Anliegen, da� sie von einer immanenten Textaufarbeitung von Freud ausgeht, seine impliziten und expliziten Denkzusammenh�nge herausarbeitet in der Weise, wie sie von ihm gemeint sein m�ssen und die sich hieraus ergebenden begrifflichen Probleme verfolgt und schlie�lich ihr Schicksal aufzeigt. Das Ungl�ck, das sie vollziehen, wird sich mit dem Ungl�ck der Theorie und der Menschen, die durch sie behandelt werden, identisch zeigen.

Ich werde deshalb zuerst darstellen, wo Freud den Gegenstand seiner Begriffe vermutet, wo er also den Begriff seiner Psychologie selbst hat; dann verfolge ich seine Begriffsbildung auf der Ebene, auf die ihre eigene Begr�ndung folgt (also nicht in der Erkl�rung des Gegenstands, sondern auf der Ebene des Selbstverst�ndnisses, welches diese Begriffe vollzieht). Es wird sich hierbei ergeben, da� Freud von seinem Ansatz her zu verschiedenen Gesichtspunkten gezwungen ist, unter welchen er seine Begriffe verbindet, und ich will diese Gesichtspunkte getrennt f�r sich untersuchen mit den Begriffen, die sie enthalten, um zu zeigen, da� sich die Gesichtspunkte als Begr�ndung der Begriffsbildung selbst entgegensetzen, und somit ein System bilden, das entgegengesetzte, Begr�ndungen miteinander vers�hnen soll. Im dritten Teil dieser Arbeit (C) will ich die gegens�tzliche Identit�t dieses Systems darstellen, durch welche die einzelnen Gesichtspunkte der Freudschen Erkl�rung selbst zusammenh�ngen und das Ganze seines theoretischen Interesses verk�rpern. Es wird dort das darin implizierte Begr�ndungsinteresse herausgearbeitet, das die einzelnen Gesichtspunkte f�r sich wie auch als Ganzes enthalten. Im letzten Punkt (D) will ich darstellen, wie und warum sich dieses Denken auf sich selbst bezieht, um damit auch die M�glichkeit seiner �berwindung (oder Transzendenz) zu �ffnen. Zum Schlu� will ich noch darstellen, in welchem Zusammenhang ich die Kritik der Psychoanalyse sehe und was schlie�lich die Notwendigkeit ihrer Durchf�hrung f�r mich ausgemacht hat.

A. Freuds Auffassung seines Gegenstandes

Sofern man eine Auffassung eines Gegenstandes von seiner Darstellung �berhaupt unterscheiden kann, so liegt das daran, da� das Interesse eines Wissenschaftlers sich nicht in der Erkl�rung seines Gegenstands ersch�pfen l�sst. Bevor ich an die Zergliederung der Freudschen Theorie der Psyche gehe, um ihren immanenten Gang zu verarbeiten, will ich kurz die Umwelt darstellen, in welcher Freud die Auffassung seines Gegenstandes gebildet hat. Es geht mir dabei aber nur um die gedankliche, in welcher Freud an seinen Gegenstand geriet. Dabei will ich nicht behaupten, da� sich aus dieser Welt selbst unmittelbar seine Theorie - etwa als Kind seiner Zeit, das gar nicht anders h�tte werden k�nnen - begr�nden lie�e. Ich will zun�chst nur die Interessen verdeutlichen, unter welchen Freud seine Fragestellung entworfen hat.

Freuds urspr�nglichstes Interesse ist das einer naturwissenschaftlichen Erkl�rung des "menschlichen Wesens" und eines da heraus gegr�ndeten Weltverst�ndnisses. Er wendet sich von da schroff gegen alle Philosophie, dem "Baedeker ins Jenseits" (Binswanger), die ihm bestenfalls "eine der anst�ndigsten Formen der Sublimierung verdr�ngter Sexualit�t, nichts weiter ist" (ebd., S. 19). Es war das materielle Denken der Aufkl�rung, das ihm besonders �ber Darwin vertraut wurde, und die darin enthaltene Begeisterung in der �berwindung des mystischen Weltverst�ndnisses des 19. Jahrhunderts. "Die damals aktuelle Lehre Darwins zog mich m�chtig an, weil sie eine au�erordentliche F�rderung des Weltverst�ndnisses versprach, und ich wei�, da� der Vortrag von Goethes sch�nem Aufsatz ‘Die Natur’ in einer popul�ren Vorlesung kurz vor der Reifepr�fung die Entscheidung gab, da� ich Medizin inskribierte" (Freud, 1925, S.34)

Er widmete sich daher der damals aufgetretenen "exakten naturwissenschaftlichen Methodik" welche er bei dem Physiologen Br�cke kennengelernt hatte. "Seine �berzeugung, da� das menschliche Wesen mit Hilfe einer Psychologie erkennbar sei, die in physikalisch exakten Begriffen von Elementarfunktionen und deren Wirkungszusammenh�ngen sich bewegt, sein Glaube an die Objektivit�t von Naturgesetzen und damit an die Aufgabe, solche Gesetze zu entdecken, sein Glaube endlich an den Wahrheitswert onto- und phylogenetischer Annahmen f�hren ihn zu den psychologischen Hypothesen und Spekulationen, in denen er seine Befunde verstanden wissen will und in denen er sie selbst versteht." (Bally, 1971, S.11)

Vornehmliches Interesse hatte Freud also in der Abweisung aller Spekulation, zu der er seine naturwissenschaftlichen Konstrukte nicht rechnete. Er stellte seine Resultate gerne einer Philosophie entgegen, die sich rein logisch mit dem Leben befa�t und alles Unfa�bare zu ignorieren versteht. "Den meisten philosophisch Gebildeten ist die Idee eines Psychischen, das nicht auch bewusst ist, so unfassbar, da� sie ihnen absurd und durch blo�e Logik abweisbar erscheint." (Freud, 1923, S.283) Ihm geht es im Unterschied zu einer spekulativen Theorie um eine "auf Deutung der Empirie gebauten Wissenschaft. Die letztere wird der Spekulation das Vorrecht einer glatten, logisch unantastbaren Fundamentierung nicht neiden, sondern sich mit nebelhaft verschwindenden, kaum vorstellbaren Grundgedanken gerne begn�gen, die sie im Laufe ihrer Entwicklung klarer zu erfassen hofft, eventuell auch gegen andere einzutauschen bereit ist. Diese Ideen sind n�mlich nicht das Fundament der Wissenschaft, auf dem alles ruht; dies ist vielmehr allein die Beobachtung. Sie sind nicht das unterste, sondern das oberste des ganzen Baus und k�nnen ohne Schaden ersetzt und abgetragen werden." (Freud, 1914, S.45)

Schon ziemlich fr�h in seiner Auffassung der Aphasien wendete er sich gegen das neurologische Denken seiner Zeit, das eine Identit�t von nerv�sen Symptomen bzw. Lebenserscheinungen und Hirnlokalisationen unterstellte. Er �u�ert "Zweifel an der Richtigkeit eines wesentlich auf Lokalisation beruhenden Schemas der Sprache" (Freud, 1891, S.24) Er begann, sich daher von der Lokalisationstheorie abzuwenden, welche damals noch als allgemeing�ltige Lehre �ber psychische und psychiatrische Erscheinungen herrschte. Diese Abwendung hatte bereits den Grund, da� Freud zumindest eine eigenst�ndige Funktionsweise der beteiligten Hirnpartien in den Vordergrund seiner Fragen r�ckte, was ihm aufzwang, einen Zusammenhang von Ph�nomenen des Erlebnisses mit einem Zusammenhang von neuronalen Prozessen zu denken; Freud betonte die Dynamik des neuralen Geschehens, das die Lokalisationstheorie seiner Zeit ignorierte. Hierdurch kam er auf eine theoretische Haltung, welche die h�heren Hirnteile in einer funktionsm��igen Vertretung ihrer T�tigkeiten untersuchte.

Wohl aus diesem Gedanken heraus entwirft Freud ein Modell des psychischen Apparats, das sich ganz nach einem System der Erregung aufbaut. Im "Entwurf einer Psychologie" (1895) versucht Freud, eine Erkl�rung des psychischen Geschehens durch einen Zusammenhang der Erregung der Wahrnehmungsneuronen, Erinnerungsneuronen und Bewu�tseinsneuronen herzustellen. Es ist der Versuch, "eine naturwissenschaftliche Psychologie zu liefern, das hei�t psychische Vorg�nge darzustellen als quantitativ bestimmte Zust�nde aufzeigbarer materieller Teile, und sie damit anschaulich und widerspruchsfrei zu machen." (Freud, Briefe an Wilhelm Fliess, 1950, S.305) Mit hirnphysiologischen und physikalischen Terminie versucht hier Freud, eine Beziehung verschiedener Wahrnehmungsqualit�ten naturwissenschaftlich durch die Unterscheidung verschiedener Neuronent�tigkeit im Gehirn darzustellen und ihre Beziehung als wechselseitige Besetzung oder Hemmung der unterschiedlichen Neuronensysteme zu erkl�ren. Hierdurch soll wesentlich die Verbindung von materiellen Teilen des menschlichen Organismus’ (Neuronen) und der Geistest�tigkeit von Menschen hergestellt werden. Es kommen fast alle Konstrukte vor, die die Traumdeutung in der Erkl�rung des "psychischen Apparats" unternimmt, mit dem einen Unterschied, da� die Psyche nicht im Verh�ltnis zu den k�rperlichen Ereignissen erkl�rt wird, sondern identisch mit ihnen. Das Bewusstsein ist selbst als Neuronensystem gefasst und daher von allen nat�rlichen Prozessen nicht unterscheidbar.

Er gab die hirnanatomischen Erkl�rungsans�tze aber bald auf, als er bei seinen hirnanatomischen Untersuchungen auf die Hysterie stie�, bei der ihm alle hirnanatomischen Vorstellungen versagten. Er bemerkte, da� die hysterische L�hmung sich benehme, "wie wenn es eine Gehirnanatomie nicht g�be", diese habe n�mlich eher mit der Ansprechbarkeit eines bestimmten Vorstellungskreises zu tun" (Freud, 1950, S.30), als mit hirnanatomischen Verh�ltnissen.

Freud kam so an einen Gegenstand, der sich nicht unmittelbar in sein Weltverst�ndnis eingliedern lie� und der sein Interesse fortan beherrschte. Das Interesse an den hierbei festgestellten psychologischen Reaktionen in einer einfachen und materiellen Gestalt hysterischer L�hmung trieb ihn an, das bis dahin mystische Lehrgeb�ude der Psychologie mit einer "materialistischen" Haltung der Naturwissenschaften zu verbinden. Ihm ging es fast immer darum, psychologische Beobachtungen auf physiologische oder chemische Termini zu bringen, denn nach seinem Anspruch spielt "f�r das Psychische das Biologische wirklich die Rolle des unterliegenden, gewachsenen Felsens". (Freud, 1937, S.392) Es geht ihm in der Psychoanalyse also um ein Lehrgeb�ude, das "in Wirklichkeit ein �berbau (ist), der irgendeinmal auf sein organisches Fundament aufgesetzt werden soll; aber wir kennen dieses noch nicht". (Freud, 1916/17, S.376)

In diesem Denken fand er bei der Untersuchung des hysterischen Symptoms etwas, was ihn wie ein Willen anmutete, dem zu widerstreben, was nat�rlich gegeben war. Er nannte diesen Gegenwillen zun�chst eine Kontrastvorstellung, aus der sp�ter das Unbewu�te werden sollte (vgl. Wyss, 1972, S.6). Ihn besch�ftigte der Gegensatz, der in der Hysterie zwischen einem Bewusstsein und einem darin verborgenen und abgetrennten Willen bestand, den Freud als unbekannte Intelligenz oder als zweites Bewusstsein aufgefa�t hat. Seine �berlegungen wurden hierdurch zunehmend psychologischer, denn er begann, die Beziehungen im Bewusstsein als doppelte Gegebenheiten zu untersuchen.

Er begann nun, in der Psyche selbst Beziehungen zu denken, die sich f�r ihn nat�rlich erkl�ren lassen m�ssen. Hierdurch ist er zu einer Grundauffassung seines Gegenstandes gekommen, wenn er schreibt: "Wir wollen die Erscheinungen nicht blo� beschreiben und klassifizieren, sondern sie als Anzeichen eines Kr�ftespiels in der Seele begreifen, als �u�erung von zielstrebigen Tendenzen, die zusammen oder gegeneinander arbeiten. Wir bem�hen uns um eine dynamische Auffassung der seelischen Erscheinungen. Die wahrgenommenen Ph�nomene m�ssen in unserer Auffassung gegen die nur angenommenen Strebungen zur�cktreten." (Freud 1916/17, S.86)

Freuds Denken begann somit bei der "Deutung der Empirie", die seinen praktischen Problemen n�her stand, als die Erkenntnisprobleme seiner Zeitgenossen (z.B. Dilthey oder Husserl). Deren wissenschaftstheoretische �berlegungen blieben ihm unverst�ndlich, wie er in einem Brief an Binswanger selbst bekannte. Das philosophische Bem�hen war ihm im Grunde verhasst, da er es als Willk�rakt von geistigen Spekulanten auffa�te, die in den h�heren Regionen des Denkens ihre konservative Haltungen gegen alle Anschauung des Lebens zu kultivieren trachten. "Ich habe mich immer nur im Parterre und Souterrain des Geb�udes aufgehalten. Sie behaupten, wenn man den Gesichtspunkt wechselt, sieht man auch ein oberes Stockwerk, in dem so distinguierte G�ste wie Religion, Kunst und andere hausen. Sie sind nicht der einzige. Die meisten Kulturexemplare des homo natura denken so. Sie sind darin konservativ, ich bin revolution�r. H�tte ich noch ein Arbeitsleben vor mir, so getraute ich mich, auch jenen Hochgeborenen eine Wohnstatt in meinem niedrigen H�uschen anzuweisen." (Brief v. 8.10.1936, S.115)

Seine Fragestellung bezog sich nun auf das Wesen dessen, was ihm als seelische Erscheinungen begegnet. Er begann somit ein Wesen zu suchen, dessen Strebungen ihm die "wahrgenommenen Ph�nomene" verst�ndlich machen. Hierdurch begann er, den Unterschied von Unbewusstem und Bewußtem erstens anzuerkennen und zweitens zu seinem ausdr�cklichen Problem zu machen.

1. Das Unbewusste als Konstrukt der Psychoanalyse

In der Traumdeutung (1900) erkennt Freud das Unbewusste als ausdr�cklichen und wesentlichen Gegenstand der Psychologie an. "Die Frage des Unbewu�ten in der Psychologie ist ... weniger eine psychologische Frage als die Frage der Psychologie." (Freud, 1900, S.579) Die "allgemeine Basis des psychischen Lebens (ebd., S.580) ist nun in einem Konstrukt gefunden, das "uns nach seiner inneren Natur wie das Reale der Au�enwelt und uns durch die Daten des Bewu�tseins ebenso unvollst�ndig gegeben (ist) wie die Au�enwelt durch die Angaben unserer Sinnesorgane." (ebd., S.580) Es ist demnach das Unbewusste als "das eigentlich reale Psychische" (ebd.) in seiner "inneren Natur" genauso zu erschlie�en, wie die Natur der Au�enwelt. Die Psychologie soll "durch einen Schlu�prozess vom Bewu�tseinseffekt zum unbewu�ten psychischen Vorgang vordr�ngen" (ebd.) und sich hierbei der ihr eigent�mlichen Beweisverfahren bedienen.

Das Interesse Freuds hat sich dahin ge�ndert, da� er nicht mehr naturwissenschaftliche Termini unter seine Beobachtungen zur Erkl�rung stellt, ihn interessiert jetzt vielmehr die Erkl�rung seines Gegenstandes, das "reale Psychische", dessen innere Natur er mit naturwissenschaftlicher Beweisf�hrung erschlie�en will. Hierbei bleiben aber zugleich die der naturwissenschaftlichen Betrachtung entsprungenen "Hilfsvorstellungen" zur Begr�ndung des psychischen Geschehens unkritisiert. Das Unbewusste besteht hierdurch in einer doppelten Bedeutung, die sich in der ganzen Theorie kaum �ndert: Es ist einmal der Kern des Psychischen als dessen innere Natur und als solches voller Wahrnehmungen, Vorstellungen, Erinnerungen und W�nsche, zum andern soll es etwas Nat�rliches sein, also der Natur des Menschen entsprechen und darin eine Naturform verk�rpern. Der nat�rliche Antrieb des Menschen, der aus dem naturwissenschaftlichen Aufkl�rungsinteresse als allgemeine Grundlage der Freudschen Anschauung gilt und sein Inhalt, die Vorstellungen und Wahrnehmungen der Wirklichkeit, sollen in diesem Unbewussten aufeinander bezogen werden, um den Zusammenhang der "seelischen Ph�nomene" zu erkl�ren. Das Unbewusste ist somit zum einen ein nat�rlicher Vorgang, der wie alle anderen Vorg�nge aus der menschlichen Natur begr�ndet sein soll, zugleich aber hat es Inhalte, welche sich von den nat�rlichen Vorg�ngen �berhaupt unterscheiden. Dies ist der Grund, warum "die psychische Realit�t eine besondere Existenzform ist, welche mit der materiellen Realit�t nicht verwechselt werden soll". (ebd., S.587)

Diese zweifache Bestimmung des Unbewussten dr�ckt eine Dualit�t aus, die Freud zwischen psychischer und materieller Welt annimmt, die er aber zugleich dadurch aufgehoben sieht, da� sich beide Welten nat�rlich beziehen. Was er sich daher zur Aufgabe gemacht hat, ist die Zweiheit und Beziehung von psychischer Realit�t und materieller Realit�t zu begr�nden und in dieser Begr�ndung zugleich Erkl�rungen f�r das psychische Geschehen in sich selbst zu finden. Indem er aber - ganz im Sinne Kants - von der Zweiheit von Sache und menschlichem Bewusstsein ausgeht, die er aber - ganz im Gegenteil zu Kant - in einer psychologischen Reflexion verbinden will, also diese a priorische Setzung quasi praktisch bezogen und �berwunden wissen will, ist er in seinem Denken dualistisch. Er behauptet n�mlich damit, da� Subjekt und Objekt a priori getrennt sind und daher nicht als Einheit erkennbar sein k�nnen, da� aber die Psychologie ihre praktische Einheit (als bestimmte Vereinigung) zugleich zum Gegenstand ihrer Theorie haben kann, wenn sie von der Getrenntheit von Subjekt und Objekt ausgeht.

2. Der Dualismus der Seele als dualistische Theorie

Dadurch, da� das Wesen der seelischen T�tigkeit, das Unbewusste, zweifach bestimmt ist, ist die ganze seelische Entwicklung zwischen zwei Momenten anzusehen, in denen sie sich bewegt. "Unsere seelische T�tigkeit bewegt sich ja ganz allgemein in zwei entgegengesetzen Verlaufsrichtungen, entweder von den Trieben her ... oder auf Anregung von au�en." (Freud, 1915c, S.162)

Die Seele ist somit in einem fortdauernden Bestreben unterstellt, ihre gegens�tzlichen Setzungen zu vereinigen. Die Gegens�tze, zwischen denen sie sich bewegt, sind vorausgesetzt f�r ihre Bewegung und alle Schritte, die sie in ihrer Entwicklung macht, sind L�sungen dieser Gegens�tzlichkeit. Freud hat diesen Entwicklungsgedanken selbst als Dualismus verstanden, in welchem er die Entwicklung seiner Theorie sieht. "Unsere Auffassung war von Anfang eine dualistische". (Freud, 1920, S.262) Das dualistische Verfahren ist die einzige theoretische M�glichkeit, von vorausgesetzten Gegens�tzen ausgehend ihre Bewegung zu untersuchen. Es ist im Unterschied zum monistischen Verfahren eine Anschauung von Entwicklungsprozessen, die sich zwischen festen Konstrukten �ffnen und schlie�en und �ber diese nicht hinausgehen k�nnen. Alle Ereignisse, die zu erkl�ren sind, sind Zusammenschl�sse dieser Bewegung und werden dadurch hinreichend erkl�rt, da� sie aus den allgemein unterstellten Bewegungen heraus sich erkl�ren lassen. Die Ereignisse, welche gegens�tzlich aufeinander wirken, bekommen somit im vorhinein einen ihnen unterstellten Zusammenhang, der sich in ihnen als ihre Identit�t verbirgt, und es geht in der Erkenntnis dieser Identit�t darum, den allgemein unterstellten Inhalt aus der Wirkung der Ereignisse heraus zu abstrahieren.

Von dem beobachteten Ereignis ausgehend kommt man hierdurch immer auf eine Bewegung, die die Beziehung ausmachen soll, in der dieses Ereignis steht. Da die dualen Kategorien aber Konstrukte sind, die sich im Ereignis zusammensetzen sollen, wird jedes Ereignis auf diese Konstrukte des Wissenschaftlers reduziert.

Diese Anschauung von Entwicklung ist das geistige Relikt von Freuds Naturwissenschaftlichkeit. In den Naturwissenschaften werden alle Ph�nomene zergliedert in vorausgesetzten Konstruktionen, die sich per analytischer Verallgemeinerung als Gesetzm��igkeit der Prozesse �berhaupt herausgestellt hatten und denen von daher alle Ereignisse allgemein bereits unterworfen sind, bevor sie untersucht werden. Es kommt im Gang der Erkl�rung darauf an, allgemeine Gesetze auf einzelne Fakten beziehen zu k�nnen.

Freud geht �hnlich vor: Er verallgemeinert beobachtete Ph�nomene an Bewusstseinsprozessen zum Begriff der Erregung (oder fr�her Affekt) und konfrontiert dieses Konstrukt mit einem anderen der Vorstellung oder Au�enwelt. Jedes Ereignis des Bewusstseins setzt sich daher zusammen aus Affekt und Vorstellung oder Triebkraft und Welt. Die Gesetzm��igkeit, die in der Dualit�t behauptet ist, ist Resultat verallgemeinerter Beobachtung von Ereignissen, die zur Erkl�rung einzelner Ereignisse ungebrochen verwendet wird. Es wird hierbei die Beobachtung einer allgemeinen Beziehung zweier Konstrukte mit der einzelnen Beobachtung in Einklang gebracht. Der Erkl�rungswert resp. das Erkl�rungsinteresse liegt hierbei darin, das einzelne Ereignis in Beziehung zu allgemeinen Ereignissen zu bringen und diese Beziehung f�r bestimmte praktische Interessen zu instrumentalisieren.

Was also das Interesse im dualistischen Verfahren ausmacht, ist die Allgemeinheit von gegens�tzlichen Prozessen zu finden, durch welche ihr Zusammenhang mit anderen Ereignissen begrifflich gefasst wird. Das Denken ist daher auf analytische Abstraktionen aus, welche als Begriffe dessen gelten, was unmittelbar zergliedert und in verschiedene Ereignisse aufgel�st besteht. Freud sucht also einen allgemein analytischen Begriff des Geschehens; daher auch der Name seiner Wissenschaft: Psychoanalyse.

3. Von der Konstruktion zur Erkl�rung

Die Voraussetzung f�r Freuds Forschungen war in seinem Denken durch eine "empirisch-analytische Vorgehensweise, wie sie f�r die damaligen nomothetischen Wissenschaften m�glich und sinnvoll war" (Sch�lein, 1975, S.16) gegeben. Das dualistische Verfahren entspricht dem Erkenntnisinteresse Freuds, der hierdurch seinen Gegenstand materiell und geistig zugleich ansehen kann. Seine Bereitschaft, "implizit Sinnkriterien zu entwickeln," (ebd.) ist genauso gegeben, wie sein Interesse seinen Gegenstand nomothetisch und analytisch zu erfassen. Beides in Einheit macht sein Verfahren und seine Auffassung von seinem Gegenstand aus.

Durch das dualistische Verfahren will Freud die von ihm selbst gesteckte Aufgabe einl�sen, "hinter den unseren Wahrnehmungen direkt gegebenen Eigenschaften (Qualit�ten) des Forschungsobjektes anderes aufzudecken, was von der besonderen Aufnahmef�higkeit unserer Sinnesorgane unabh�ngiger und dem vermuteten realen Sachverhalt besser angen�hert ist." (Freud, 1940, S.126) Es geht ihm hierbei um die Erweiterung des menschlichen Wissens, das er als immer mangelhaft gegen�ber einer zu erkennenden und faktisch gegebenen Realit�t ansieht. In diesem von Kant philosophisch ausgearbeiteten Ansatz "n�hert" er sich dem Gegenstand, den er zugleich als Naturwissenschaftler schon umrissen hat. "Der Gewinn, den unsere wissenschaftliche Arbeit an unseren prim�ren Sinneswahrnehmungen zutage f�rdert, wird in der Einsicht in Zusammenh�nge und Abh�ngigkeiten bestehen, die in der Au�enwelt bestehen, in der Innenwelt unseres Denkens irgendwie zuverl�ssig reproduziert oder gespiegelt werden k�nnen, und deren Erkenntnis uns bef�higt, etwas in der Au�enwelt "zu verstehen", es vorauszusehen und m�glicherweise abzu�ndern." (ebd.)

In der Auffassung von Wissenschaft durch Kants Philosophie bestimmt, in seinem Erkl�rungsinteresse ganz als Naturwissenschaftler beginnt Freud in der Erkl�rung dessen, was die Naturwissenschaften praktisch vor sich haben (als Krankheit), was aber Kant zugleich nicht anerkennen w�rde (2): Die Darstellung eines seelischen Apparats, in welchem sich die Bewu�tseinsph�nomene auf unbewu�ten Prozessen gr�nden sollen. Da hier Freud zum einen als Philosoph denkt, der an der Erkenntnis eines Wesens hinter den ihm begegnenden Erscheinungen interessiert ist, zum anderen aber bereits den Begriff dieses Wesens als Unbewusstes kennt und damit bereits einen praktischen Begriff hat von dem, was er zu erkennen trachtet, kann er sich bereits in seiner T�tigkeit als Arzt zugleich theoretisch verstehen, seine Erkenntnis also zugleich dort gewinnen, wo er bereits praktisch handelt. F�r Freud scheint das praktische und das theoretische Interesse unmittelbar in einem zu befriedigen zu sein und er ist deshalb oft stolz auf die Einsichten, die die psychoanalytische Erkenntnis aus ihrer Praxis gewinnt. Hierdurch meint er dem philosophischen Spekulantentum zu entgehen und seine Wahrheit aus seiner Praxis selbst zu finden. Freud versucht sich also zugleich das Allgemeine der Probleme verst�ndlich zu machen, welche er vor sich hat, wenn er sie behandelt. Hierbei geht er nicht von einem Verh�ltnis aus, das er zum Gegenstand bereits hat, bevor er ihn erkennt, sondern sieht sich ausdr�cklich als der Betrachter der Probleme, die es in der Psyche gibt und die er auf "brauchbare" Allgemeinheiten zu bringen versucht.

In dem Verh�ltnis, was Freud nun zu seinem Gegenstand hat, beginnt seine begriffliche Erkenntnis und damit die Entwicklung des Freudschen Systems der Psyche. Das doppelte Interesse, das er in seiner Erkenntnis befolgt und das Verh�ltnis, in dem er sich zu seinem Gegenstand versteht, wird ihm erst in der Ausf�hrung seiner Theorie zum Problem werden, und ich will daher das Problem seines Standpunkts hinter mir lassen und nur diese Ausf�hrung f�r sich diskutieren. Es geh�rt f�r mich daher nicht zur Kritik an Freud, welche Interessen er subjektiv verfolgt und was er mit den wirklichen Problemen tut, da ich das Problem selber an dieser Stelle nur im Bereich seiner Theorie auffinden kann und daher auch nur dort diskutieren will.

B. Freuds Gesichtspunkte in der Erkl�rung des psychischen Geschehens

Der doppelte Ausgangspunkt in der Freudschen Theorie ist - wie gezeigt - identisch mit seiner doppelten Auffassung von der Psyche. Diese ist einmal durch ihre Nat�rlichkeit bestimmt, d.h. Erscheinung einer nat�rlichen Eigenschaft im Seelenleben, zum anderen ist sie durch die Welt bestimmt, in der dieses Seelenleben besteht. Die in dieser Dualit�t verlaufende Bewegung der Psyche geht gleicherma�en von innen nach au�en wie von au�en nach innen (s. oben). Bei einer solchen Auffassung w�re kein weiteres Argument m�glich, da sie allgemein die Aussage enthielte, da� jedes Moment der Psyche doppelt w�re und sich alle Momente sozusagen aus den doppelten Bestimmungen zusammensetzen. Freud w�re so nur in der Lage, eine Aufstellung der pluralen Ereignisse der Psyche in ihrer doppelten Bedeutung zu machen. Dies w�re aber g�nzlich im Widerspruch zu seinem Interesse, ein bestimmtes Weltbild auszuf�hren; dieses verlange einen Zusammenhang in der Argumentation, welche in der Lage ist, einen Zusammenhang in der Welt �berhaupt anzugeben. Was zu Freuds Ansatz daher jetzt hinzukommen muss, um eine Entwicklung und einen Zusammenhang in seiner Theorie zu stiften, ist ein Gesichtspunkt, nach dem er den Zusammenhang der psychischen Momente sehen kann. "Eine Aussage ... welche m�glichst viele der beobachteten Charaktere (des Gegenstands) von einem Gesichtspunkte aus zu erkl�ren versucht und gleichzeitig die Stellung (des Gegenstandes) zu einem umfassenderen Erscheinungsgebiete bestimmt, wird man eine ... Theorie hei�en d�rfen." (Freud, 1900, S.97) Freud hat also von vornherein ein systematisches Interesse, die Beziehung der "beobachteten Charaktere von einem Gesichtspunkte aus ... zu einem umfassenderen Erscheinungsgebiet" zu bestimmen.

Aus seinem doppelten Ansatz lassen sich die Gesichtspunkte selbst nicht entwickeln; es sind daher Gesichtspunkte, in welchen er seinen Ansatz entwickelt. Diese Gesichtspunkte haben von vornherein metatheoretische Qualit�t. Sie werden an die Entwicklung des psychischen Dualismus herangetragen und bestimmen hierdurch seine Richtung, welche nicht selbst als Argument in die Erkl�rung eingeht. All�berall in seiner Theorie beginnt n�mlich Freud immer mit anschaulichen Problemen, auch wenn sie nur dazu dienen, einen umfassenden und v�llig neuen Gesichtspunkt einzuf�hren. Er liebt es dabei, praktische Probleme vorzustellen, die mit der alten Theorie nicht zu beantworten sind und "erg�nzt" seine Theorie mit neuen Konstrukten. Diese Pfiffigkeit macht es manchmal schwer, die Dimension neuer Gedanken richtig einzusch�tzen. Die Gesichtspunkte, die er einf�hrt, entsprechen den ihm eigenen Erkl�rungsinteressen und hierin machen sie gerade seine Entwicklung aus und verdeutlichen, welche Entwicklung Freud selbst w�hrend seiner Theoriebildung geht.

Dies kann man aber nicht unabh�ngig von seinen theoretischen Problemen verstehen - also etwa, als ob es Freud willk�rlich einfiele, einen neuen Gesichtspunkt einzuf�hren. Der ganze Gang seiner Theorie zeigt aber auch, da� ihm die Einf�hrung eines Gesichtspunktes nicht durch bestimmte praktische Probleme (wie etwa der Wiederholungszwang, die traumatische Neurose oder die Schizophrenie, was er als veranschaulichende Gr�nde beigibt) entsprungen sind. Sie ergeben sich vielmehr hinter seiner Darstellung als ihm aufgezwungener Standortwechsel, der sich aus dem Mangel seines theoretischen Ganges ergibt. Das Hauptinteresse dieser Arbeit ist, die Notwendigkeit dieser Entwicklung seiner Gesichtspunkte darzustellen, denn letztlich ist es diese Entwicklung, die den Zusammenhang der ganzen Freudschen Theorie und damit des ganzen Systems seiner Erkl�rung ausmacht.

Ich will also zeigen, da� die Gesichtspunkte, die Freud in seinen theoretischen Erkl�rungen des psychischen Geschehens hat, einen notwendigen Zusammenhang stiften, der die Probleme seines ganzen Werkes ausmacht. Es ist mir daher nicht wichtig, was Freud alles beobachtet hat und was er im einzelnen zu erkl�ren vermag, sondern es geht mir dem in der Einleitung formulierten Anspruch zufolge wesentlich darum, in dem Selbstverst�ndnisprozess, der sich in Freuds Gesichtspunkten abspielt, das Problem herauszuarbeiten, das Freud als Psychologe bewegt hatte. Diese Bewegung mag zeitlich verlaufen sein; ich halte es dennoch f�r falsch, diese als verschiedene Phasen seiner Entwicklung aufzufassen. Ob fr�her oder sp�ter von Freud expliziert, l�sst sich doch sagen, da� jeder Gesichtspunkt in jedem seiner Werke bereits impliziert war und da� der Gang der Freudschen Theorie ein Gang der Explikation der in seinem Ansatz selbst enthaltenen Momente darstellt. Es soll sich zeigen, da� die Gesichtspunkte, die Freud in seiner Erkl�rung vertritt - egal ob zeitlich hintereinander oder nebeneinander - ein systematisches Ganzes seines Ansatzes darstellen und daher voneinander abh�ngig sind.

Von dem bisher dargestellten Verh�ltnis Freuds zu seinem Gegenstand ausgehend kann er mit dem ihm eigenen Denkverfahren, wodurch er allgemeine und analytische Kategorien an seinem Gegenstand sucht, ihn nur in einer grundlegenden Allgemeinheit bestimmen, welche das Wesen aller Entwicklungen seines Gegenstandes ausmachen soll. Diese Allgemeinheit ist aber nicht das Ende seiner Erkenntnis, in welcher er alle Momente seines Gegenstands begriffen sieht, sondern eine Hypothese, durch welche sich Freud seinen Gegenstand verst�ndlich machen will. Er versteht sich in seiner Theoriebildung in einem N�herungsprozess an die Wahrheit, welcher unter verschiedenen Gesichtspunkten verlaufen kann. Da� er hierdurch in seiner Wahrheitssuche selbst bereits systematisch ist, n�mlich nach dem System seiner Gesichtspunkte arbeitet und denkt, ist ihm sicher nicht bewusst gewesen. Es wird daher zuerst n�tig sein, die Freudsche Darstellung systematisch zu explizieren. Ich stelle also dar, was ungef�hr auch in Freuds Kopf sich so entwickelt haben musste und versuche, die darin immanente Logik herauszuarbeiten, auch wenn sie nicht als Logik in Freuds explizitem Willen selbst angelegt sein konnte. Ihm mag es subjektiv so erschienen sein, als ob er einzelne neue Begriffe einf�hren muss, um bestimmte einzelne Ph�nomene erkl�ren zu k�nnen; diese Begriffe aber (vgl. z.B. den Narzissmus und den Todestrieb) haben zugleich immer einen umfassenden Stellenwert in dem ganzen Denkzusammenhang, in welchem Freud sie ben�tigt. Ich will daher auf dieser rein begrifflichen Ebene von seinem Ausgangspunkt her die Notwendigkeit der ihm folgenden Begriffe darstellen und zeigen, da� sie zueinander in einem System stehen, in welchem sie sich aneinander erg�nzend und als Ganzes seiner Theorie verhalten. Nur hieran wird man innerhalb seines Denkens selbst das Problem finden, was es ausmacht und wird daher auch erst von dieser Ganzheit aus das grundlegende Problem im psychoanalytischen Denken auffinden k�nnen.

Sein urspr�nglichster Gesichtspunkt eines "psychischen Apparats" war mit seiner Grundannahme identisch, wie sie oben dargestellt wurde. Sie sieht den Grund der Trennung von bewussten und unbewussten Akten in dem Verh�ltnis selbst, das ein wahrnehmender Organismus zur Welt hat. Von diesem Gesichtspunkt ist Freud in seinen �berlegungen ausgegangen, und ich nenne ihn den wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunkt, um die Richtung zu verdeutlichen, in welcher hier die Argumentation verl�uft.

1. Der wahrnehmungspsychologische Gesichtspunkt

Der erste psychologische Gesichtspunkt Freuds hat sich unmittelbar aus seinem fr�hen Denken, wie er es im Entwurf - wenn auch unver�ffentlicht - entwickelt hatte, aus dem oben beschriebenen Problem der neuralen Herleitung der Psyche ergeben. Der Grundgedanke gegen seine rein hirnphysiologisch gemeinten Darstellungen im Entwurf war, wie oben bereits erw�hnt, die unterschiedlichen Momente des psychischen Geschehens nicht per se als nat�rliche Unterschiede von Neuronen anzusehen, sondern aus einer urspr�nglichen Kraft, die allem nat�rlichen Geschehen inne ist, deren Modifikation in verschiedene psychische Momente durch Wahrnehmungen und Erlebnisweisen der Au�enwelt abzuleiten. Die Entwicklung, die dieser Gesichtspunkt annimmt, ist daher wesentlich von da bestimmt, was erlebt und wahrgenommen worden war, das unter bestimmten Bedingungen zur psychischen Qualit�t wird. Er enth�lt daher im wesentlichen zwei Grundannahmen: Er unterstellt, da� eine bestimmte Erlebnisweise der Wahrnehmung konstitutiv f�r psychische Prozesse ist und da� diese Konstitution zum zweiten dadurch psychisch verbleibt, da� sie zugleich allgemeine Bestimmungen, die der Psyche zu eigen sind, in sich integriert.

Im siebten Kapitel der Traumdeutung (1900) entwickelt Freud die Psyche aus solchen zwei Annahmen. Die erste besteht aus der Darstellung eines Wahrnehmungssystems, welches die "psychische Lokalit�t" (Freud 1900, S.512) umfassen soll. Freud siedelt hier das psychische Geschehen zwischen Wahrnehmung und Motorik an. Er nimmt hierbei eine Kette von Wahrnehmungen an, die zwischen dem Wahrnehmungssystem und der Motilit�t gespeichert werden und die erst im Zusammenhang das Handeln ausmachen. Er hat die Vorstellung hierbei, da� sich der psychische Apparat wie ein Reflexapparat benimmt, der allerdings differenzierte innere Vermittlungen von Erinnerungsassoziationen durchmachen muss. (Vgl. die Darstellung auf Seite 514 f.) Die Erinnerungsketten selbst werden nach raumzeitlicher Assoziation (ebd., S.115) gem�� der Wahrnehmung im Ged�chtnis verkn�pft. Die zweite Annahme ist hierbei, da� dieser Reflexapparat nur dadurch dauerhaft und psychisch bleibt, da� sich seine "momentane Erregung in Dauerspuren umsetzt" (ebd.) Es wird also zum zweiten angenommen, da� der Zusammenhang der Erinnerungsketten nicht nur den Assoziationen der Wahrnehmungen entspricht, sondern zugleich sich dadurch jenseits der Wahrnehmungen verbindet, da� er durch Erregungen und Erregungs�bertragungen dauerhaft bestehen kann, da� also Erregungen den Zusammenhang der Erinnerungsspuren der Wahrnehmung in ihrer inneren oder psychischen Qualit�t - als jenseits der Assoziationen also von der Wahrnehmung - gew�hrleisten.

Wesentlich f�r dieses Modell ist der Unterschied der Wahrnehmungen als �u�ere Momente des psychischen Geschehens und dem kontinuierlich bleibenden Zusammenhang der Erinnerungen im Ged�chtnis, wodurch "also diese beiden Leistungen (der Psyche) auf verschiedene Systeme verteilt (sind). Wir nehmen an, da� ein vorderstes System des Apparats die Wahrnehmungsreize aufnimmt, aber nichts von ihnen bewahrt, also kein Ged�chtnis hat, und da� hinter diesem ein zweites System liegt, welches die momentanen Erregungen des ersten in Dauerspuren umsetzt". (ebd.) Hierdurch sieht Freud einen Unterschied zwischen Wahrnehmung und Ged�chtnis als Momente des Bewusstseins, n�mlich da� das "Ged�chtnis (einerseits) und Qualit�t f�r das Bewu�tsein an den (Wahrnehmungs-) Systemen (andererseits) einander ausschlie�en." (ebd., S.516)

Dieser Ausschluss soll die beiden Systeme voneinander im Bewusstsein trennen, wodurch die Wahrnehmung und Erlebnisweise das Momenthafte des Bewusstseins ausmacht und die kontinuierliche Substanz des Ged�chtnisses es "im unbewu�ten Zustand" (ebd.) erh�lt. Die Unterscheidung von unmittelbaren Wahrnehmungsereignissen und dem kontinuierlichen Niederschlag der Erinnerungsspuren im Ged�chtnis macht die Vorstellung aus, mit der Freud einen Unterschied in der Psyche selbst erkl�ren will, wenn er von zwei Instanzen der Psyche spricht. Um diesen Unterschied zu erkl�ren, muss er den Grund finden, durch welchen sich beide Systeme notwendig ausschlie�en und wodurch der Wahrnehmungsprozess selbst �berhaupt in der Lage sein soll, das Unbewusste, das Freud zu erkl�ren beansprucht, zu begr�nden. Diese Begr�ndung sieht Freud in der Triebbefriedigung. Sie soll sowohl die Existenz der Psyche wie auch ihre unterschiedlichen Systeme erkl�ren.

a) Herleitung der Psyche aus der Wahrnehmung von Triebbefriedigung

Freud unterstellt zur Herleitung der Psyche einen Organismus, der einmal "dem Bestreben folgt, sich m�glichst reizlos zu erhalten" (ebd., S.538), zugleich aber aus sich heraus dadurch erregt wird, da� ihm das Leben Bed�rfnisse aufzwingt, vor deren Befriedigung er nicht fliehen kann. Dieser Organismus hat demnach zwei nat�rlich begr�ndete Verhaltensweisen: Zum einen f�hrt er eine von au�en an ihn anlangende sensible Erregung alsbald auf motorischem Wege ab" (ebd., S.538), zum anderen verh�lt er sich durch "die vom inneren Bed�rfnis ausgehende Erregung" (ebd., S.539) wie von "einer kontinuierlich wirkenden Kraft" (ebd.) beherrscht, ungerichtet und hilflos, solange ihm kein Gegenstand zur Befriedigung seines Bed�rfnisses gegeben wird. Diese Zweiteilung des k�rperlichen Verhaltens ist dadurch notwendig, da� er zweierlei Erregungen zugesprochen bekommen kann, die sich unterschiedlich entwickeln k�nnen: Die durch den �u�eren Reiz bewirkte Erregung entspricht n�mlich einer "momentanen sto�enden Kraft" (ebd., S.539), "einem einmaligen Sto�" (Freud, 1915a, S.82), die durch den inneren Reiz oder das Bed�rfnis erzeugte Erregung entspricht einer "kontinuierlich wirkenden Kraft". (Freud, 1900, S.539) Die mit dieser unterschiedlichen Setzung verbundenen Verhaltensweisen sind demnach verschieden: Die �u�ere Erregung wird durch den Organismus selbst bew�ltigt, indem er sich bewegt und sie sozusagen verbraucht, die Bew�ltigung der inneren Erregung ist dem Organismus aber unm�glich, da er als ihr Produzent nicht von ihr fliehen kann. Er ist gezwungen, eine Au�enwelt zu seiner Befriedigung zu beanspruchen. Freud unterscheidet sp�ter die Ursachen f�r die unterschiedliche Verhaltensweise des Organismus im Reiz und Triebreiz, wobei "der Triebreiz nicht aus der Au�enwelt (stammt), sondern aus dem Innern des Organismus selbst". (Freud, 1915a, S.82) Er hat hierdurch unterschiedliche Verhaltenstendenzen des Organismus aus unterschiedlichen Ursachen abgeleitet: Durch �u�ere Reize begr�ndet, neigt der Organismus zur Flucht in Form seiner Muskelaktion (ebd., S.83), durch innere Reize oder den Trieb begr�ndet verh�lt sich der Organismus kontinuierlich erregt und hilflos gegen sich selbst.

Diese doppelte Bestimmung fasst Freud darin zusammen, da� der Organismus Bed�rfnisse und Triebe hat und zu ihnen zugleich in dem Interesse steht, sie zu l�schen, seine Erregung aufzuheben, aber ihnen nicht entfliehen zu k�nnen. Der Organismus ist jetzt einmal aus sich selbst heraus oder "aus der Not des Lebens" (Freud, 1900, S.538) erregt, zum andern hat er in sich selbst zugleich das Interesse, diese Erregung zu l�schen. In einem solchen der Natur des Organismus entsprungenen Zustand rettet ihn die Au�enwelt "durch fremde Hilfeleistung" (ebd., S.539), wodurch er "die Erfahrung des Befriedigungserlebnisses macht, das den inneren Reiz aufhebt." (ebd.) Hierdurch ist der Organismus zu einer Wahrnehmung dessen gekommen, was seine hilflose Lage aufzuheben in der Lage ist: Dem Befriedigungsgegenstand, der zugleich "mit der Ged�chtnisspur der Bed�rfniserregung assoziiert bleibt." (ebd.) Die nat�rliche Eigenschaft des Organismus hat in seiner Erregtheit sich mit einer geistigen Leistung, der Wahrnehmung und Erinnerung, verbunden und hierin das urspr�nglich getrennte, das Bed�rfnis und sein Gegenstand, zu einer Einheit (das Erinnerungsbild der Verbindung von Bed�rfniserregung und befriedigendem Gegenstand) gebracht. Da nun aber die Not des Lebens, das Bed�rfnis oder der Trieb sozusagen als Lebenstatsache immer auftreten, d.h. allgemein vorhanden sind, wird sich "sobald dies Bed�rfnis ein n�chstes Mal auftritt ... dank der hergestellten Verkn�pfung eine psychische Regung ergeben, welche das Erinnerungsbild jener Wahrnehmung wieder besetzen und die Wahrnehmung selbst wieder hervorrufen, also eigentlich die Situation der ersten Befriedigung wiederherstellen will. Eine solche Regung ist das, was wir einen Wunsch hei�en." (ebd.) Der Wunsch ist also eine "psychische Regung", in welcher der Trieb auftritt, aber nur in der Form seines geistigen Erlebnisses, dem Erinnerungsbild, besteht. Daher ist "das Wiedererscheinen der Wahrnehmung die Wunscherf�llung". (ebd.)

Diese psychische Regung entsteht einerseits aus k�rperlichen Interessen, zugleich enth�lt sie bereits deren Aufhebung (das Befriedigungserlebnis). Aber die psychische Regung erkennt den Weg nur in sich selbst zur Wunscherf�llung und besetzt daher die Trieberregung so, da� es jenseits des K�rpers, also rein psychisch, zur Wunscherf�llung kommt. Die somit erzeugte Wahrnehmungsidentit�t, die "auf die Wiederholung jener Wahrnehmung, welche mit der Befriedigung des Bed�rfnisses verkn�pft ist" (ebd.) hinauslief, hat sich von ihrem nat�rlichen Kern, dem Trieb, so weit entfernt, da� "eine bittere Lebenserfahrung diese primitive Denkt�tigkeit" (ebd.) aufhalten muss: "Die Befriedigung tritt nicht ein, das Bed�rfnis dauert fort." (ebd.) Der K�rper, der sich in seiner nat�rlichen Bestimmung betrogen sieht, macht sich als "bittere Lebenserfahrung" wiederum geltend. Diesmal aber nicht als Begr�nder der psychischen Regung, sondern als realer Antagonist. Die Psyche ist nicht in der Lage, seine Interessen zu Ende zu f�hren und muss daher durch ihn gehemmt werden. Die hierdurch erzeugte Zweiheit des Interesses, das der Psyche im Wunsch, das des K�rpers im Bed�rfnis, verlangt nun eine neuerliche L�sung, die sich dadurch anbahnt, da� sich die Psyche in den Dienst des Bed�rfnisses stellt und sich zu "einer zweckm��igeren, sekund�ren (Denkt�tigkeit) modifiziert". (ebd.)

Die Psyche enth�lt also in ihrer prim�ren T�tigkeit einmal die Erfahrung und Erinnerung der Triebbefriedigung, in ihrer zweiten oder sekund�ren T�tigkeit die Schranken der Natur, die sich ihrer eigenen Entfaltung derart entgegenstellen, da� sie "andere Wege suchen (mu�), die schlie�lich zur Herstellung der gew�nschten Identit�t von der Au�enwelt her f�hren". (ebd., S.540) Die Triebregung ist somit gespalten in ein Interesse, welches die Psyche zur Wunschbildung und Wunscherf�llung antreibt und in eines, welche diesen Antrieb hemmt und ihre Erregung dadurch ablenkt, da� sie durch das Denken "Umwege zur Wunscherf�llung" (ebd.) findet. Diese m�ssen dem Gedanken zufolge dahin f�hren, da� die Wunscherf�llung mit der Bed�rfnisbefriedigung wieder real zusammenf�llt. Die beiden psychischen Systeme in Einheit verstanden, verk�rpern demnach das Interesse, die Bed�rfnisse identisch mit den W�nschen zu erf�llen.

Die Triebregung hat somit ein doppeltes Ergebnis: zwei Interessen, die einander ausschlie�en, die aber zugleich im ganzen Interesse der Psyche jenseits von ihr ihre Erf�llung finden sollen. Die Erkl�rung der Psyche enth�lt in ihrem Zweck die nat�rliche Bestimmtheit von Triebregungen, in ihrem Ziel aber kann sie diese Bestimmung nur jenseits von sich erf�llen. Sie ist zwischen au�en und innen bestimmt, von innen durch den Zweck, von au�en durch das Ziel, so da� die ganze Psyche darauf gr�ndet, da� sich das Innere und �u�ere unterscheidet. Weil sich also der Organismus von der Realit�t unterscheidet und die Realit�t keine Realit�t der Organismen ist, gibt es - dem Freudschen Gedanken zufolge - sowohl eine Psyche wie auch ihre doppelte T�tigkeit. Die psychische T�tigkeit reflektiert in diesem Ansatz einfach die Zweiheit von gegebenem Organismus und der Welt, in welcher er besteht. Inwieweit diese Zweiheit naturnotwendig ist, wie sie bei Freud erscheint und inwiefern sie Probleme und Unterschiede im menschlichen Bewusstsein begr�nden k�nnen soll, will ich jetzt an den einzelnen Konstrukten, die in diese Ableitung eingehen, genauer untersuchen, da sie die Freudsche Auffassung des psychischen Geschehens reflektieren und dann den Zusammenhang nochmals erl�utern, den sie in dieser Ableitung der Psyche ausmachen.

Die verwendeten Konstrukte sind der �u�ere Reiz, der innere Reiz, die fremde Hilfeleistung, das Befriedigungserlebnis als Erinnerungsbild, die psychische Erregung des Erinnerungsbildes als psychische Regung, die bittere Lebenserfahrung durch das Bed�rfnis und schlie�lich das sekund�re System der Psyche. Es soll sich bei ihrer Untersuchung herausstellen, ob es Freud mit ihnen gelingt, den Grund herauszuarbeiten, durch den sich die innere Seite der Psyche von ihrer �u�eren trennen muss, wovon er in dieser Untersuchung ausgegangen ist. Der Gedanke, den Freud in seinem Wahrnehmungssystem ja verfolgt, ist der, die Speicherfunktion der Psyche in einer kontinuierlichen T�tigkeit und dadurch als Kraft gegen�ber ihren Momenten zu stellen, diese aber zugleich aus den unmittelbaren Erfahrungen begr�nden zu wollen.

aa) Der �u�ere Reiz oder die gest�rte Natur des Organismus’

Der �u�ere Reiz ist nach Freud eine Einwirkung, die "von au�en her an das lebende Gewebe" (Freud 1915a, S.82) gebracht wird. Er ist der Kontakt, den Freud dem lebendigen Organismus mit seiner Welt zukommen l�sst. Hierbei erscheint die Au�enwelt als reizend, der Organismus passiv. Er will diese Welt nicht, sondern er folgt dem Bestreben, "sich m�glichst reizlos zu erhalten". (Freud 1900, S.538) Diese Auffassung macht es m�glich, den Organismus als einen in sich abgeschlossenen und dennoch nat�rlichen K�rper anzusehen, wie es die naturwissenschaftliche Tradition Freuds verlangt. Die Naturwissenschaftler Jackson und Fechner sind die Vertreter dieser Auffassung, die unmittelbar dazu f�hrt, allen Organismen ein Interesse zur Tr�gheit zu unterstellen und alle Einwirkung dadurch zu beantworten, da� der Organismus seinen urspr�nglichen Zustand zu erreichen bestrebt ist und daher zu keinem Verh�ltnis zu diesen Einwirkungen gelangen will. Er ist an der Au�enwelt nicht nur nicht interessiert, sondern zugleich bestrebt, ihren Reizen zu entfliehen. Es ist "dadurch zweckm��ig, da� (die Aktion des Organismus) die gereizte Substanz der Einwirkung des Reizes entzieht, aus dem Bereich der Reizwirkung entr�ckt"." (Freud, 1915a, S.82)

Diese nat�rlich behauptete "Zweckm��igkeit" des Organismus liegt also in der Reduktion aller Erfahrungen auf seinen nat�rlichen Zustand. Er lebt im Interesse der Konstanterhaltung seines nat�rlich gegebenen Daseins. Diese Auffassung geht als das Konstanzprinzip in die Freudsche Theorie grundlegend ein. Es geh�rt logisch gesehen aber nur in den wahrnehmungspsychologischen Ansatz, das dieser allein dem Trieb oder Naturgeschehen ein passives Verh�ltnis zur Au�enwelt unterstellt. (3)

Das Konstanzprinzip, das die "urspr�ngliche Tendenz zur Tr�gheit, d.h. zum Niveau = 0“ repr�sentieren soll, wird als Grundlage aller Gesetzm��igkeit der psychischen Entwicklung angesehen, da es alle psychischen Akte "modifiziert zum Bestreben, die Quantit�t wenigstens m�glichst niedrig zu halten und sich gegen Steigerung zu wehren, d.h. konstant zu halten". (Nolte, 1979, S.73) Es ist somit eine doppelte Grundlage durch das Konstanzprinzip geschaffen, die in Freuds Theoriebildung eingeht: Einmal begr�ndet das Konstanzprinzip die Reduktionsinteressen des Organismus vom Standpunkt seiner Erregtheit aus, zum andern erm�glicht es Freud das einfachste Schema des "psychischen Apparat"(s) als Reflexapparat anzunehmen, der von einem konstanten Niveau ausgehend Erregungen erf�hrt, auf die er antworten muss. Es enth�lt somit gleicherma�en die Grundlage des �konomischen Denkens von Freud, das sich bereits in den Briefen Freuds an Flies (1892-1894; vgl. Wyss, S.24) darzustellen beginnt, wie es ihn auch bef�higt, organismische Aktionen passiv begr�ndet zu sehen, d.h. als dem Organismus notwendige Funktionen auf Aktionen der Au�enwelt im Sinne eines Reflexapparats zu begr�nden. Es ist der Begriff f�r einen vollst�ndig desinteressierten, aber ab und zu aufgewiegelten Organismus, der das Prinzip seiner Naturbeschaffenheit zu befolgen hat, denn es ist "das Regelprinzip" des ganzen Neuronensystems, das der Tr�gheit folgt" (Wyss, S.30) Das Konstanzprinzip schl�gt somit die naturwissenschaftliche Br�cke zum Nervensystem, dessen nat�rlichste Wirkungsweise es in der Psyche repr�sentieren soll. "Das Nervensystem ist ein Apparat, dem die Funktion erteilt ist, die anlangenden Reize wieder zu beseitigen, auf m�glichst niedriges Niveau herabzusetzen, oder der, wenn es nur m�glich w�re, sich �berhaupt reizlos erhalten wollte". (Freud, 1915a, S.83f) Dieses Prinzip der Entropie war ein in der Medizin und den damit verbundenen Naturwissenschaften anerkanntes Prinzip des organismischen Lebensinteresses. Durch es konnte der K�rper in einem eigenst�ndigen Interesse und somit in einer von allem Geistigen abgetrennten Krankheit erscheinen. Das Geistige war das, was die nat�rliche Entropie zu �berwinden hatte, das sogenannte Neg-Entropische.

Die Bedeutung dieses Prinzips, des Konstanzprinzips, liegt nun wesentlich darin, eine Grundbestimmnung des nat�rlichen Organismus’ zu behaupten, das als Naturgesetz den Behauptungen der Naturwissenschaft entlehnt ist und das die in sich qualit�tslose Gesetzm��igkeit psychischer Prozesse zugleich ausmachen soll. Es wird aber als Eigenschaft des Organismus eingef�hrt und gilt somit als Grundlage aller Prozesse, die sich Freud zum Gegenstand macht. Er sieht es als Hilfsvorstellung, die sich mit den naturwissenschaftlichen Kategorien deckt und die ihm zugleich die Verbindung der Psychologie mit den Naturwissenschaften erhalten soll. ""Es ist die Vorstellung, da� an den psychischen Funktionen etwas zu unterscheiden ist, das alle Eigenschaften einer Quantit�t hat - wenngleich wir keine Mittel besitzen, dieselbe zu messen - etwas, das der Vergr��erung, Verminderung, der Verschiebung und der Abfuhr f�hig ist und sich �ber die Ged�chtnisspuren der Vorstellungen verbreitet, etwa wie eine elektrische Ladung �ber die Oberfl�che der K�rper. Man kann diese Hypothese ... in dem selben Sinne verwenden, wie es die Physiker mit der Annahme des str�menden elektrischen Fluidums tun. Gerechtfertigt ist sie vorl�ufig durch ihre Brauchbarkeit zur Zusammenfassung und Erkl�rung mannigfaltiger psychischer Zust�nde." (Freud, 1894, S.74)

Das Konstanzprinzip, welches eine nat�rliche Lebenstendenz darstellen soll, wird nun Freud vom Psychologischen her so verwenden, da� es dort zugleich eine Erlebnistendenz darstellen soll. Der Gedanke Freuds ist hierbei, die nat�rliche Lebenstendenz und die Erlebnistendenz �berhaupt identisch zu behaupten und damit zwischen Psychologie und Naturwissenschaften eine Identit�t herzustellen, welche durch das allgemeinste Gesetz des Lebens �berhaupt gesichert ist. Er versucht nun, das Konstanzprinzip, das er durch das nat�rliche Interesse des Organismus erkl�rt, zugleich als Empfindungsqualit�t darzustellen. "Wir haben uns entschlossen, Lust und Unlust mit der Quantit�t der im Seelenleben vorhandenen ... Erregung in Beziehung zu bringen, solcherart, da� Unlust einer Steigerung, Lust einer Verringerung dieser Quantit�t entspricht." (Freud 1920, S.21)

Was die Empfindungsqualitäten der Psyche ausmacht, ist somit bereits durch eine natürliche Gesetzmäßigkeit vorgegeben. "Durch das Konstanzprinzip werden Regulationsprinzipien für Lust und Unlust im psychischen Apparat möglich, da diese das Verhältnis regulieren müssen, das ihnen zugrunde liegt." (Wyss, S.25). Der Grundgedanke hierzu wurde bereits von Fechner formuliert: "Insofern bewußte Antriebe immer mit Lust oder Unlust in Beziehung stehen, kann auch Lust oder Unlust mit Stabilitäts- und Instabilitätsverhältnissen in psycho-physische Beziehung gebracht werden und es läßt sich hierauf ... die Hypothese begründen, daß jede die Schwelle des Bewußtseins übersteigende psycho-physische Bewegung nach Maßgabe mit Lust behaftet sei, als sie sich der vollen Stabilit�t �ber eine gewisse Grenze hinaus n�hert, mit Unlust nach Ma�gabe, als sie �ber eine gewisse Grenze davon abweicht." (Fechner 1873 S. 94).

Indem nun durch das Konstanzprinzip die Erlebnisweise des Organismus' quasi psychologisch begr�ndbar geworden ist, ist die psychische Entwicklung diesem Prinzip genauso gehorchend verstehbar, wie die nat�rliche. Dieser Gedanke folgt ganz dem psycho-physischen Parallelismus (nach Hughlings Jackson). Diese Auffassung folgt der Annahme, da� die psychischen Ereignisse in einer Kette von physischen Ereignissen bestehen. "Die physiologischen Vorg�nge h�ren nicht auf, sobald die psychischen begonnen haben, vielmehr geht die physiologische Kette weiter, nur da� jedem Glied derselben (oder einzelnen Gliedern) von einem gewissen Moment an ein psychisches Ph�nomen entspricht. Das Psychische ist somit ein Parallelvorgang des Physiologischen." (Freud 1891, S. 57). Das Bild des in sich ruhenden Organismus' soll daher zugleich die Verallgemeinerung f�r ein in sich ruhendes System �berhaupt sein, in welchem sowohl die organischen wie auch die psychischen Akte stattfinden. Dieses System ist dadurch nur �berhaupt f�r sich ansehbar, da� es durch das Konstanzprinzip nicht als Teil oder Moment einer erregten Welt gilt, sondern der Organismus als ein in sich abgeschlossener Naturzustand gilt, der erst durch �u�ere Wirkungen erregt wird und sich daher einfach defensiv aus einer leeren und richtungslosen Tendenz zur Ruhe in der reizenden und erregten Welt sich bestimmt. Er enth�lt somit in sich nur die negativen Bestimmungen von Erregung und die Notwendigkeit der Erregungsabfuhr ist ihm somit ein Prinzip, das allem weiteren Geschehen �bergeordnet ist als allgemeinste Gesetzm��igkeit, die alle Entwicklung umschlie�t.

Dadurch, da� dies als Naturgesetzlichkeit �berhaupt allgemein gesagt wird, ist die Ursache der Erregungsabfuhr selbst nur gesetzlich; sie ist nat�rlicherweise notwendig. Jeder bestimmte Reiz gilt nur als Ansto� dieses Naturgesetzes, denn der Organismus antwortet nicht ihm und bezieht sich auf den Reiz, sondern er wird durch den Reiz in seiner Gesetzm��igkeit in Gang gebracht und kommt zu diffusen Aktivit�ten, welche die Erregung zu senken in der Lage sind. Jede bestimmte Einwirkung auf den Organismus wird in ihm zu einem Quantum von Erregung unbestimmt gemacht, so da� es keine Handlungsintentionen gegen den Reiz geben kann, denn Grund f�r alle Handlung kann nur das unbestimmte Naturprinzip sein, durch das der Organismus sich getrennt von aller Au�enwelt in sich selbst verarbeitet. Obwohl er durch seine Au�enwelt gereizt wird, reagiert er nicht auf die Reize und daher im Verh�ltnis zu ihnen, sondern er reagiert auf Grund seines eigenen Prinzips, das ihm die Senkung seiner Erregtheit vorschreibt. Auf bestimmte Reize folgen daher nur unbestimmte Reaktionen. Hierdurch ist der Organismus in seinem Interesse und Handeln g�nzlich getrennt von seiner (auch nat�rlichen) Au�enwelt gesetzt (4).

Durch das Konstanzprinzip ist die Ursache der K�rperaktivit�t (�u�ere Reize) von dem Grund seiner eigenen Handlung (Senkung der Erregung) getrennt worden, so da� der K�rper jetzt in sich ruhend zur Voraussetzung der weiteren Ableitung werden kann. Seine Handlungsinteressen sind somit gesetzt und dem weiteren Geschehen vorausgesetzt.

 

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Fußnoten:

(1) "Etwa jeder dritte Bundesb�rger hat bereits einmal in seinem Leben irgendeine psychische Krankheit durchgemacht oder leidet noch daran." (Enquête zur Lage der Psychiatrie in der BRD, 1975, S. 7)

(2) Vgl. hierzu Freuds Abgrenzung von der Kantschen Auffassung des Bewußtseins, welcher er sich mit der Erforschung des Unbewußten entgegenhält (Freud 1920, S. 258).

(3) Wenngleich diese Auffassung in seiner Schrift "Jenseits des Lustprinzips" auch referiert wird, so ist dort das Ableitungsinteresse gänzlich anders und nicht umsonst wird dort das, was hier als Organismus auftritt, "lebendes Bläschen" genannt, das sich nicht einfach passiv wahrnimmt, sondern zugleich in sich pulsiert und Entfaltungsinteressen verkörpert (vgl. Freud 1920, S. 238).

(4) Die Naturwissenschaften hätten hier sicherlich zu diskutieren, ob es einen solchen Organismus überhaupt gibt, also einen Organismus, der aus seinem Naturzusammenhang herausgerissen, sich gegen alle Einwirkungen nur defensiv verhält. In der Natur besteht an sich ja auch ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Naturkörpern, die sich aneinander reizen und durcheinander Ruhe finden. Zum Beispiel sind Instinkte und sexuelle Spannungen, aber auch alle natürlichen Handlungen von Tieren, von vornherein aufeinander bezogen, sowohl im Interesse als auch in der Körpermorphologie. Es gibt keinen Penis ohne Vagina, keine Mutterbrust ohne saugendes Kind. Es ist jetzt aber nicht meine Sache dieses Problem eines Naturbegriffs in der Gesetzmäßigkeit der Naturwissenschaften aufzuspüren, da die Begründung dieses Begriffs jenseits der Freudschen Theorie selbst liegt. Ich wollte in dieser Bemerkung nur verdeutlichen, daß Freud in seiner Theorie einen Organismus unterstellt, der einsamer ist, als es die Natur erlauben würde und der sich daher nur gestört fühlen kann. Auch wenn Freud "seinen Organismus" unorganischen Naturwirkungen wie Regen, Blitz oder Überbevölkerung als äußere Reize entgegenhalten würde, so wäre nicht anzunehmen, daß die Aktionen der Motilität nur der Erregungsabfuhr des Organismus zufolge sind, sondern wohl eher sinnhafte und inhaltliche Rettungsaktionen und gezielten Handlungen entsprechen, die keiner Allgemeintendenz, sondern dem bestimmten Reiz folgen müßten.