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4. Die Psychoanalyse als Produkt und Produzent ihrer Begriffe

Ich hatte nun die Begriffe der Psychoanalyse als Abstraktionen ihres Standpunkts analysiert, welche sich in den Gesichtspunkten der Freudschen Erkl�rung bewegen und habe eine Wirklichkeit dieser Begriffe veranschaulicht, um zu zeigen, da� diese Begriffe, sofern sie von ihrer Herkunft absehen, d.h. hiergegen abstrakt sind, tats�chlich verschieden bestimmte Wirklichkeiten bilden, die alle aufgrund der Abstraktionen aus einer Wirklichkeit sich darstellen lassen. Hierdurch wird sichtbar, wie ein Widerspruch einer Theorie sich vermittelt, da er nur auf einer Abstraktion beruhte die in der Theoriebildung nicht als ihre eigene Immanenz begriffen worden ist und deshalb Unterschiede erzeugt, die in der Wirklichkeit selbst nicht sind. Der Unterschied von der Wirklichkeit, aus welcher die Abstraktionen gemacht werden, zu der Wirklichkeit, welche aufgrund der Abstraktion entworfen wird, zeigt die Diskrepanz von Voraussetzung und Resultat des Denkens der Psychoanalyse.

Zwar enth�lt ihr Ergebnis etwas, das es analog in einzelnen Momenten der urspr�nglichen Wirklichkeit gibt; es gibt dort wirklich einzelne triebbestimmte Menschen, einzelne selbstbestimmte Menschen und einzelne strukturbestimmte Menschen. Aber diese sind nicht in ihrem Zusammenhang und Verh�ltnis wirklich, sondern nur in der Einzelheit, in welcher sie die psychoanalytische Theorie findet und sie dort herausgreifen und zur�cksto�en wird - allerdings mit dem Verdikt der Allgemeinheit ihrer selbst. Im Zusammenhang aber widersprechen sich die Wirklichkeiten der Psychoanalyse genauso, wie sich ihre Gesichtspunkte widersprechen; sie sind das Abbild des begrifflichen Zusammenhangs der Psychoanalyse. Der Mensch, der aus dem Trieb bestimmt erkannt wird, mu� dem Menschen widersprechen, wenn er aus seinem Selbst bestimmt erkannt wird, so wie der Triebbegriff dem Selbstbegriff widerspricht.

Was ich zeigen wollte, war die Diskrepanz von Voraussetzung und Resultat der Begriffe. Die Wirklichkeiten vom Trieb, vom Selbst und vom psychischen Subjekt (oder der verwirklichte Psychologismus) sind nicht vereinbar; aber es war eine Wirklichkeit, aus der all diese Begriffe gewonnen worden sind. Dies ist in der psychoanalytischen Begriffsbildung in ihrem Zusammenhang verlorengegangen und zerst�rt worden. Das psychoanalytische Denken hat Begriffe produziert, welche sich im Zusammenhang widersprechen und daher auch unzusammenh�ngende Wirklichkeit zur Folge haben. Das Produkt der Psychoanalyse sind aufgrund ihrer Widerspr�chlichkeit Begriffe, durch welche sie ihre eigene Welt geschaffen hat. Diese Begriffe produzieren ihr eigenes gedankliches Verh�ltnis, weil sie nicht in die Wirklichkeit, die ihnen vorausgeht, ihr entsprechend eingreifen, sondern ihr die Begriffe entnehmen, die sie ihr nur zumuten k�nnen, ohne dabei Wirklichkeit �berhaupt zu ver�ndern. Der Widerspruch der Begriffe bleibt analog zu verschiedenen wirklichen Seiten, aber er ist au�erstande, diese Seiten aufeinander zu beziehen und ihre Selbst�ndigkeit aufzul�sen.

Der Zusammenhang der Begriffe bleibt demnach eine Geschichte, die sich nur aus der Idee der einzelnen Begriffe als Inhalt ihrer Abstraktion ergibt. Ich habe im Grunde aus der Freudschen Theorie eine Ideengeschichte extrahiert, die in der Entgegensetzung einzelner Konstruktionen sich gebildet hatte. Die Ideengeschichte der Psychoanalyse, die ihr selbst unbewu�t geblieben ist, beginnt mit dem Triebbegriff, den der Selbstbegriff aufheben soll, indem er sich ihm entgegenstellt und daher das Gegenteil der Idee. welche den Triebbegriff ausmacht, zu vertreten und zu verwirklichen gewillt ist. Der Begriff, welcher die Psyche zum Subjekt selbst macht, der Psychologismus der Strukturtheorie, hat die ihm vorausgehenden Ideen dadurch aufgehoben, da� er ihren Zusammenhang absolut vertritt und daher jeder weiteren Geschichte der psychoanalytischen Ideen sich in den Weg stellt. Der Psychologismus ist daher die verwirklichte Idee der Psychoanalyse selbst und kann keinen Gegenstand mehr von sich unterschieden erkennen. Hierin hat die Psychoanalyse auch ihre eigene Identit�t verloren und ihre gegens�tzliche Identit�t aufgehoben. Das Ende der psychoanalytischen Theorie ist das Ende ihrer eigenen Bewegung. Es k�nnen hieraus sich keine gedanklichen Reflexionen �ber das Wesen ihrer Begriffe mehr ergeben, da sie wesentlich in dem Psychologismus ihrer selbst aufgehoben sind, es kann bestenfalls Zusatzbegriffe geben, durch welche zum Beispiel die neuere Psychoanalyse sich auf der Grundlage von Freuds Begriffen ausstaffiert und ihre Theorie als Theorie zwar anschaulicher aber g�nzlich undurchsichtig macht (vgl. hierzu den Aufsatz Adornos �ber "Die Revision der Psychoanalyse").

Was in der psychoanalytischen Ideengeschichte geschehen ist, war die Produktion von Begriffen, welche als Antwort auf andere Begriffe, nicht aber aus der Wirklichkeit entstanden sind. Das Denken der Psychoanalyse hat Begriffe gebildet, die f�r die folgenden zwar als Bedingung galten, aber zugleich durch sie aufgehoben gelten sollten. Da dies von Freud aber nicht als Begriffszusammenhang erkannt worden ist, mu�te er sich zunehmend den Bedingungen unterwerfen, welche er in seinen Begriffen produziert hatte. Sein Denken wurde von sich selbst abh�ngig und stellte sich sich selbst entgegen. Dadurch, da� er seinen eigenen Produkten selbst folgen mu�te und besinnungslos zugleich das produzierte, was ihrer eigenen gedachten Bedingung vorausging, entfremdete Freud sein eigenes Denken. Das Produkt seines Denkens war zu einer von ihm nicht durchschauten Bedingung geworden, in welcher seine Theorie nur ihre eigene Unendlichkeit und Identit�tslosigkeit gesetzt hatte.

D. Die Entfremdung des Bewu�tseins und das Bewu�tsein der Entfremdung

Die Untersuchung der Psychoanalyse hat ergeben, da� diese sich in einer gegens�tzlichen Identit�t bewegt. Zuerst waren es gegens�tzliche Gesichtspunkte, unter welchen die Psychoanalyse ihren Gegenstand fand und begreifen wollte, dann hatte sich gezeigt, da� diese Gesichtspunkt voneinander abhingen und ihre M�ngel durcheinander aufhoben, und schlie�lich (in C) lie� sich zeigen, da� der Denkzusammenhang der Psychoanalyse in seiner Argumentationsweise selbst verschiedenen Gesellschaftsbildern entsprach, welche darin impliziert sind. Die Gesellschaften, welche ich dem gedanklichen Gang der Psychoanalyse assoziiert hatte, widersprechen sich analog dem Denken, welches den verschiedenen Gesichtspunkten der Psychoanalyse zukommt. Die Gesellschaft des wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunktes bestand aus Konsumenten, welche sich passiv aufeinander beziehen im Interesse des wechselseitigen Verzehrs und als dieses passive Subjekt der Gesellschaft oder als allgemeines Objekt ihrer Naturnotwendigkeiten, ihr Handeln aus der Erinnerung von Wahrnehmungen begr�ndet wurde. Die Gesellschaft des identit�tspsychologischen Denkens besteht aus Subjekten, welche sich in ihrer Selbstbehauptung aneinander zum Objekt machen, und daher nur im Lebenskampf, also im Interesse wechselseitiger Vernichtung ihre Identit�t finden. Wo die ersteren aneinander im Interesse des Konsums sich vernichten mu�ten, wollten sich letztere im Interesse der Selbstbehauptung vernichten; der Unterschied liegt darin, da� erstere ihre Vernichtung passiv, letztere ihre Vernichtung aktiv betreiben sollten. Schlie�lich hatte Freud einen Menschen entworfen, der mit beiden nicht zurechtkommt und sich deshalb selbsterhaltend gegen alle Vernichtung gesetzt hat und in sich eine Struktur gefunden hat, welche die Vernichtungen als Gefahren um sich herum anerkennt und zu seinem eigenen psychischen Konflikt gemacht hat, um sich der Existenz dieser Gefahren zu entziehen.

In der Analogie der Freudschen Gesichtspunkte mit bestimmten Gesellschaften von Menschen habe ich zeigen wollen, da� Freud verschiedene Ideen in seinen Gesichtspunkten verfolgt, welche zwar alle von einer Gesellschaft abstrahiert worden sind (man wird in der Gesellschaft selbst sicher die Konsuminteressen, die Selbstbehauptungsinteressen und die Selbsterhaltungsinteressen in bunten Beziehungen finden), die sich aber als Ideen selbst in der Weise widersprechen, wie sich die in der Gesellschaft vertretenen Interessen ausschlie�en. Das gegens�tzliche Anliegen, das die psychoanalytischen Ideen vertreten, hat sich somit auch als ihre gegens�tzliche Identit�t erwiesen, weil sie eben selbst nicht wei�, da� ihr einer Gesichtspunkt ihren anderen kritisiert und daher auch nicht wissen kann, da� sich ihre Ideen ausschlie�en. Deshalb mu�te sich die Psychoanalyse schlie�lich mit diesen Ideen selbst identifizieren, weil sie nicht mehr den wirklichen Menschen vor sich hatte, sondern ihre gegens�tzlichen Ideen des Menschseins, und sie identifizierte sich so schlie�lich mit ihrem eigenen Gegenstand, indem sie ihre Begr�ndung nicht mehr von der seinen unterscheiden konnte. So geriet die Psychoanalyse in ein Selbstverst�ndnis, durch welches sie sich als ein - wenn auch widerspr�chlicher - Tr�ger der Menschheitsgeschichte auffassen mu�te.

Die Kategorien, mit welchen Freud das Unbewu�te erkl�ren wollte, wurden zur Erkl�rung, warum sich eine Gesellschaft unbewu�t begr�nden soll. Die unbewu�ten Antriebe des Menschen konstituierten schlie�lich das menschliche Leben �berhaupt, so da� sich der Verstand, die Kulturwerte und die Wissenschaft als �bernat�rliche Kr�fte gegen die Natur des Menschen zu setzen haben, welche aus der psychoanalytischen Theorie erschlossen worden war. Nachdem die Psychoanalyse ihre Begriffe aus der Untersuchung des Unbewu�ten erschlossen hatte, begann sie, aus den so gewonnenen Kategorien das Bewu�te zu begr�nden. Der Gegenstand, den sie begr�nden wollte, wurde somit zur Begr�ndung alles Gegenst�ndlichen. Der Grund, den die Psychoanalyse zur Begr�ndung ihres Gegenstands hatte, wurde selbst zum Gegenstand, der die Psychoanalyse begr�ndet. Somit wurde die Psychoanalyse in eine ungeheure Tautologie getrieben, in welcher sie als Erkl�rung des Bestehenden zugleich sich zum Bestehenden der Erkl�rung machte; das Erkl�rte ergab nichts anderes als den, der es erkl�rt. Die affirmative T�tigkeit der Psychoanalyse ist deshalb nichts anderes, als die gegens�tzliche Identit�t, in welcher sie ihre Begriffe entwickelt hatte.

1. Der objektive Subjektivismus der Psychoanalyse

Die Begriffe, welche die Psychoanalyse entwickelte, haben sich aus subjektiven Vorg�ngen, welche sie anschauen konnte, ergeben. Indem sie diese Anschauungen zu einem Substantiv zusammenfa�te, behauptete sie aber zugleich, die Substanz des Angeschauten zu untersuchen (vgl. die Begriffe wie das Unbewu�te, die Verdr�ngung, der Trieb). Diese Substantivierung von subjektiven Erscheinungen brachten das Subjektive selbst zu einer Substanz, welche als Objekt der Psychoanalyse galt. So konnte die Psychoanalyse das untersuchen, was sie zu ihrem Gegenstand erkl�rt hatte. Im Substantiv hatte sie ihren Gegenstand in der Form der Anschauung bewahrt und mu�te nicht mehr etwas untersuchen, das unbewu�t war, sondern erkl�rte das Unbewu�te mit den Begriffen, welche sie in ihm annehmen konnte. Diese Begriffe haben sich als Ideen dargestellt, welche auch nur in ideellen Verbindungen entwickelt werden konnten. Das psychoanalytische Denken, das bei etwas, was unbewu�t war, seinen Anfang genommen hatte, f�hrte zu immer abstrakteren Fassungen des Unbewu�ten und mu�te daher zu einem System der Abstraktionen werden, welches den Zusammenhang von Menschen nur ideell begreifen konnte. Der Mensch wurde schlie�lich als Subjekt begriffen, welches nur als Objekt der ihm zugrundegelegten Ideen leben kann.

Die Psychoanalyse hat somit alle subjektiven Prozesse zur Objektivit�t selbst gemacht und daher die subjektiven Probleme prinzipiell unaufl�sbar werden lassen. Der Zirkel zwischen Subjektivit�t und Objektivit�t der psychoanalytischen Begriffe hat schlie�lich den Psychologismus ergeben, den ich oben (in C) dargestellt habe. Der Psychologismus ist nichts anderes als dieser objektive Subjektivismus, welcher den Menschen �berhaupt nur als Bewu�tsein anerkennt und daher ein Bewu�tsein des Bewu�tseins selbst ist, welches er erkl�ren will. Er bildet den Begriff wie ein "psychologisches Imagine", welches den subjektiven Proze� objektiv darstellt, damit aber das Symbol und seine Objektivit�t als eine unendliche Realit�t behauptet. Dieses Denken hat die Psychoanalyse zu einem "1gigantischen Kurzschlu� zwischen psychologischem Imagine und geschichtlicher Realit�t verleitet" (Schneider, S. 86). Die Erkl�rung der Realit�t und die Realit�t des Erkl�rten hoben sich in einem Zirkel auf, welcher keinen Unterschied mehr von Realit�t und Symbol zulie�. "In diesem Zirkel zwischen der Realit�t des Symbols und symbolisierter Realit�t gefangen, erliegt (die Psychoanalyse) selbst einem Realit�tsverlust."(ebd.) Die Realit�t der Psychoanalyse war identisch mit den Subjekten, welche sie erkl�rte, und es gab schlie�lich f�r die Psychoanalyse keine andere Objektivit�t als die subjektive.

Indem sich somit die Psychoanalyse selbst erkl�rt hatte und sich in ihrer Tautologie zwischen Lebensdrang und Lebensschicksal zu erhalten versuchte, wurde sie selbst "d�ster" und "pessimistisch" (Freud, 1963, S. 144). Ihre Kategorien (der Lebenstrieb und der Todestrieb) entbinden sie von aller M�glichkeit, das Weltgeschehen selbst ver�ndern zu wollen, und es bleibt Freud nichts anderes, als angesichts der Probleme, die ihm die Welt zeigt, zu verstummen: "Sie sollen keine Klagen h�ren. Ich stehe immer noch aufrecht und halte mich in keiner Hinsicht f�r das unsinnige Geschehen in der Welt verantwortlich." (Jones, S. 18)

2. Wissen als Produkt des Bewu�tseins

Der objektive Subjektivismus der Psychoanalyse hat gezeigt, da� ihre Kategorien f�r das Subjektive identisch mit der Objektivit�t sind, und f�r die Psychoanalyse daher das Subjekt objektiv gilt. Sie machten den Zirkelschlu� der Psychoanalyse aus. Die Psychoanalyse hat n�mlich Begriffe produziert, welche ihr als ihre eigene T�tigkeit begr�ndet entgegengetreten sind. Im Gang dieser Arbeit habe ich gezeigt, wie dieser Produktionsproze� verlief.

Die Psychoanalyse hatte Begriffe des Bewu�tseins gebildet, welche mit dem Bewu�tsein selbst identisch sein sollten. Hierdurch hatte sie Form und Inhalt des Bewu�tseins gleichgesetzt (vgl. die Diskussion des Konstanzprinzips in B,1a) und Allgemeinheiten gebildet, die sich nur durch andere Verallgemeinerungen beschr�nkten. Dies hatte den Begriffsdualismus der Psychoanalyse ausgemacht, worin ein Begriff nur als Antagonist eines anderen Begriffs sich entwickeln kann. Was die Entwicklung der Antagonismen ausmachte, war durch die Gesichtspunkte im Freudschen Denken vorgegeben. Darin, da� der erste Gesichtspunkt mangelhaft wurde und einen zweiten Gesichtspunkt zu seiner Erg�nzung brauchte, hat sich der Mangel des dualistischen Verfahrens ergeben, und es hat sich gezeigt, da� sich darin eine Allgemeinheit selbst durchsetzt, die aus der Begriffsbildung entwachsen, aber darin nicht bewu�t war. Diese hat sich im Gang der Freudschen Theorie fortschreitend den Begriffsbildungen aufgezwungen, so da� sich Freud in seinen einzelnen Begriffen widersprechen mu�te, weil er die Allgemeinheit nicht erkannte, in welcher er seine Begriffe entwickelt hat. Er verlor damit den eigenen Grund seiner gedanklichen Entwicklung und unterwarf sich in zunehmendem Ma�e den Kategorien, die er gebildet hatte, und aus denen heraus er unter ihrer implizierten Allgemeinheit seine Entwicklung weiter befolgte. Indem ihm unbewu�t geblieben ist, da� er in den sich entgegensetzenden Gesichtspunkten selbst befangen dachte, war er selbst zum Objekt seiner Begriffe geworden. Er hatte widerspr�chliche Gesichtspunkte produziert, welche zum abstrakten Prinzip seines Gedankengangs geworden waren. Hierdurch wurde das Denken von seinem eigenen Produkt bestimmt und tritt Freud als Begr�ndung seiner eigenen T�tigkeit entgegen. Hierdurch wurde ihm seine eigenen T�tigkeit zu einem ihm ent�u�erten Prinzip, das seine Forschung beherrschte, ohne da� er sich dabei selbst begreifen konnte. Das Denken begegnete ihm in Form von Begriffen, in der Form der Entfremdung seiner eigenen Gedanken. Im Widerspruch seiner Begriffe hatte er Allgemeinheiten, die sich entgegensetzten, miteinander identifiziert und daher die Form einer abstrakten Identit�t von Allgemeinheiten geschaffen, welche zum Prinzip seines Denkens selbst wurde. Die Entfremdung seines Denkens war nichts anderes, als die Widerspr�chlichkeit seiner Begriffe, die ihm als Notwendigkeit im Gang seines weiteren Denkens zur Grundlage geworden ist. Er hat sich begriffliche Bedingungen geschaffen, welche f�r seine Forschung zu einer fremden Kraft wurde, der sie gehorchen mu�te.

Indem Freud in den Sog seiner eigenen Abstraktionen geraten war, konnte ihm zunehmend nurmehr die Affirmation des Abstrakten gelingen. Seine Begriffe wurden zu anthropologischen Gr��en, in welchen er sich selbst verstehen sollte, so da� ihm die Bedeutung der allgemeinen Bestimmungen, welche er in seinem Gegenstand zu erschlie�en geglaubt hatte, unter der Hand zergingen. Als Theoretiker des Lebensdranges oder -triebs wurde er Theoretiker des Lebensschicksals und konnte die damit eingetretene St�rung seiner Identit�t nur durch eine Anthropologisierung des theoretischen Konflikts, zur anthropologischen Endl�sung der Strukturtheorie f�hren. Er erliegt in seiner Entwicklung seinem eigenen "ethnozentrischen Vorurteil" (Schneider, S. 100), durch welches er die Menschen mit den B�rgern, welche er begrifflich zu fassen versuchte, identifizierte (Schneider, S. 157) und die Psychoanalyse somit begrifflich �ber alle menschliche Entwicklung stellte. Die Begriffe der Psychoanalyse sollten zum Ziel der menschlichen Entwicklung werden, aus welcher sie sich zuvor begr�ndet hatten. Hierdurch ist die Psychoanalyse zu einer unendlichen Theorie geworden, welche keine Schranken ihrer eigenen T�tigkeit mehr hat. Sie bindet alle Konflikte an das Bewu�tsein, was sie aus ihrem Wissen selbst begr�ndet und best�tigt damit ihren eigenen Zirkel, indem sie jegliche transzendierende Kraft vernichtet, die in den subjektiven Problemen noch durchzuscheinen wagt.

Sie ist ein Wissen geworden, welches sich als Bewu�tsein der Probleme ausgibt, die sie verarbeitet hat, es hat sich aber gezeigt, da� die Probleme nur zur Best�tigung dieses Wissens gereichen. Das Wissen der Psychoanalyse ist nichts anderes, als die Begr�ndung ihres eigenen Bewu�tseins von sich und ist somit ein Bewu�tsein des Bewu�tseins oder ein Bewu�tsein, das sich nur um sich selbst bewegt. Die Zerst�rung, die sie hierbei betreibt, ist im Grunde die Selbstzerst�rung, welche ihre Abstraktionen gegen ihre eigene Entwicklung gesetzt und damit die Psychoanalyse zum abstrakten Denken gezwungen hatte.

3. Das abstrakte Denken und die Erkenntnis der Abstraktion

Die Zerst�rung, die eine Abstraktion betreibt, besteht nicht aus einem Verlust, welcher durch die Absehung von bestimmten Wirkungen entsteht - da w�re jeder Begriff eine Zerst�rung. Sie entsteht durch die T�tigkeit des Begriffs, wenn er n�mlich die Wirklichkeit unter sich subsumiert, d.h. die Wirklichkeit den Ideen unterordnet, die er von ihr hat. Man wird zum Beispiel am wirklichen Gegenstand der Psychoanalyse, d.h. in den Wirkungen der Psyche selbst, immer etwas finden, das triebhaft, unbewu�t, verdr�ngt usw. ist; was aber die Entwicklung der psychoanalytischen Theorie ausgemacht hat, waren die Begriffe, der Trieb, das Unbewu�te, die Verdr�ngung usw., durch welche sie den Begriff ihres Gegenstandes zu entwickeln versuchte. Hierdurch hatte sie die Wirklichkeit ihres Gegenstands aufgehoben in einem Substantiv, und mit den Substantiven selbst ihre Argumente entwickelt, also das Substantiv, welches in der Sprache vorkommt, selbst zur Substanz ihrer Theorie gemacht.

Diese Arbeit begann daher auch mit diesen Substantiven, und hatte an ihnen selbst gezeigt, welches die Grundlage eines Denkens sind, das sich von sich selbst entfremdet, da es seine Begriffsbildung nur in der Sprache selber betreiben kann. Zu den Begriffen entstanden Gegenbegriffe und der Antagonismus der Begriffe schuf neue Begriffe, welche alles Erkl�rungsinteresse auf die Erkl�rbarkeit selbst reduzierte. Hierbei wurde also nicht die Substantivierung von Anschauungen als Entfremdung aufgefa�t, sondern der Zusammenhang der Begriffe, welcher diese Anschauung repr�sentieren soll. Dieser Zusammenhang selbst n�mlich konnte nur abstrakt sein, so da� die Begriffe auch nur in ihrer Abstraktheit zusammenh�ngen k�nnen. Ein abstrakter Zusammenhang aber vernichtet die Wirklichkeit, welche ihm vorausgesetzt ist, das hei�t, er enthebt den Gegenstand seiner Wirkungen, indem er diese seinem Begriff unterstellt. Der Zusammenhang, der durch den Begriff gestiftet wird, kann nur aus der Abstraktion bestehen, in welcher der Begriff mit anderen Begriffen verbunden ist, nicht in der Wirklichkeit des Gegenstands selbst.

Die Psychoanalyse hat in diesem Denken die Abstraktionen entwickelt, unter welchen sie ihren Gegenstand verstand. Sie entwarf ein Bild von Menschen, das ich in C veranschaulicht habe. Sie gründete damit aber ihre Theorie auf den Abstraktionen, die sie vom wirklichen Menschen gemacht hatte. Was sie entwickelte ist "der abstrakt gefaßte und durch Abstraktion erzeugte Mensch" (Marx, MEW 40, S. 575). Deshalb auch konnte sie dessen Entwicklung nur abstrakt verstehen, und sie mußte sich schließlich für sich selbst abstrakt verhalten, weil sie sich durch ihre Abstraktionen begründet entwickeln mußte. Die Entfremdung der Psychoanalyse von sich selbst war in den Abstraktionen ihres eigenen Denkens begründet, durch welche sie nicht zur Substanz dessen kommen konnte, was die Wirklichkeit ihres Gegenstands enthielt. Die Wirklichkeit der Psychoanalyse bestand nur aus der Substanz ihrer Begriffe.

Das abstrakte Denken verwirklicht seine eigenen Abstraktionen in seinem Gedankengang. Es sieht immer mehr von den Beschaffenheiten seines Gegenstands ab und kommt in dem Maße auf sich selbst, wie es hierdurch von dem Gegenstand sich entzieht. "Ist es zu verwundern, daß, wenn man nach und nach alles fallen läßt, was die Individualität eines Hauses ausmacht, wenn man von den Baustoffen absieht, woraus es besteht, von der Form, die es auszeichnet, man schließlich nur noch einen Körper vor sich hat; daß, wenn man von den Umrissen dieses Körpers absieht, man schließlich nur einen Raum hat; daß, wenn man endlich von den Dimensionen dieses Raumes abstrahiert, man zum Schluß nichts mehr übrig hat als die Quantität an sich, die logische Kategorie der Quantität? Wenn wir solchermaßen konsequent abstrahieren, von jedem Subjekt, von allen seinen belebten oder unbelebten angeblichen Akzidenzien, Menschen oder Dingen, so haben wir ein Recht zu sagen, daß man in letzter Abstraktion nur noch die logischen Kategorien als Substanz übrig behält... Daß alles, was existiert, daß alles, was auf der Erde und im Wasser lebt, durch Abstraktionen auf eine logische Kategorie zurückgeführt werden kann, daß man auf diese Art die besagte wirkliche Welt ersäufen kann in der Welt der Abstraktionen, der Welt der logischen Kategorien - wen wundert das? " (Marx, MEW 4 , S. 127). Das abstrakte Denken von Freud hat ihn zu einer Wirklichkeit gebracht, welche so unabänderlich ist, wie die Begriffe, die er von ihr hat. Mit seinen Begriffen und Prinzipien hat er eine allgemeine Bewegung seines Gegenstands gebildet, welche ihm die gegenständliche Bewegung selbst verborgen hat. Was er als den Grund seines Gegenstands ansah, bestimmte schließlich seine eigene Tätigkeit. Da er nicht seinen Gegenstand als abstrakt begründet ansehen wollte, abstrahierte er ihn zu Begriffen; da er in ihm nicht seine Entfremdung fand, konnte er auch nicht zum Bewußtsein der Entfremdung werden. Als auf sich selbst bezogenes Bewußtsein kann die Freudsche Theorie die Welt nur nach Maßgabe ihrer Abstraktion ordnen und daher nicht die Ordnung der Wirklichkeit durch die Abstraktion kritisieren. Der Mensch gilt als sich selbst wissender Mensch, wodurch der Mensch als sich selbst produzierender verborgen geblieben ist. Freud kennt nur den Menschen als sich anschauendes und reflektierendes Wesen, dem alle Tätigkeit, Produktion und materielles Sein nur als Form oder Mittel des Bewußtseins gelten kann. Da Freud sich selbst nur in dieser Reflexion versteht, kann er seinen Gegenstand auch nur verschieden interpretieren; er kann ihn aber nicht ändern. Ein Denken, das nicht auf der Erkenntnis einer wirklichen Abstraktion beruht, das nicht in der Wirklichkeit seinen eigenen Grund betreibt, muß in seinen eigenen Begriffen sich bewegen und muß zum abstrakten Denken selbst kommen. Ein solches Denken trennt sich immer von seinem Gegenstand und kann diesen auch nur in der Form der Getrenntheit begreifen. Eine Psychologie, welche sich in dieser Getrenntheit positiv begründet und ihren Gegenstand daher auch nur in der Form der Anschauung weiß, erlebt die Not, welche ihr in der Wirklichkeit vorausgesetzt ist, nur als die Not ihrer Begriffsbildung selbst. Sie erkennt keine wirkliche Notwendigkeit, welche im Zusammenhang ihrer Gegenstände besteht, weil sie ihre Not nur in ihren Begriffen wenden kann.

Die wirkliche Not, in welcher Menschen sind, die ihrem eigenen Bewu�tsein ausgeliefert sind, die sich selbst nur in der Form psychischer Symptome erfahren, ist der Psychoanalyse nur ein partielles Problem geblieben. Sie wendet diese Not auf ihre Begriffe, auf ihr Verst�ndnis vom Menschen, sie abstrahiert sie zu einer Selbstbetrachtung, welche unendlich gelingen kann, sofern man von der Existenz der Menschen abzusehen vermag. Die theoretische Wendung der wirklichen Not hat das allgemeine Problem der psychischen Krankheit auch nicht erkannt. Der Kranke wird auf sich selbst geworfen, weil ihm der Gesunde zu seinem Begriff verhelfen will. Die gesellschaftliche Wirkung, welche sich in der Krankheit verbirgt, die Wirklichkeit, welche die Konflikte im Bewu�tsein selbst in die unl�sbaren Formen zur Individualit�t des psychischen Syndroms treibt, hat die Psychoanalyse aus ihrem Gedankenkreis ausgeschlossen. Sie hat damit nicht nur das kranke Bewu�tsein, sondern das Bewu�tsein �berhaupt in keine notwendige Beziehung zur Wirklichkeit gebracht, und hat es damit f�r eine m�gliche Wendung der Not, in welcher Menschen existieren, disqualifiziert.

Schluss

Die Psychoanalyse, "das einzige greifbare Beispiel einer methodischen Selbstreflexion" (Habermas 1968, S. 262), hat sich als Entfremdung eines Denkens dargestellt, welches sich gegen sich selbst wendet. Ich habe hierbei am Denken selbst nachgewiesen, da� ihm sein eigenes Produkt zur ihm �u�eren Bedingung wird, wenn es sich selbst abstrakt produziert. Ich habe hierbei die Entfremdung in den Gedanken eines Wissenschaftlers als Selbstentfremdung von Wissenschaft nachzuweisen versucht. Ich habe hierdurch einen Entfremdungsproze� dargestellt, der sich im wissenschaftlichen Denken selbst abspielt. Diese Entfremdung hat sich sowohl als Widerspruch im Prozess des Denkens selbst gezeigt als eine Selbstzerst�rung der eigenen Gedankent�tigkeit, wie auch in der Trennung von der Wissenschaft zu ihrem Gegenstand, durch welche sich beide in keinem Bezug zueinander entfalten, sondern den je eigenen Begr�ndungen folgend sich aufeinander beziehen.

Die Entfremdung von sich selbst dr�ckt sich in dem Verh�ltnis aus, in welchem die sich Fremden begegnen. Die Entfremdung, die ein Mensch zu sich herstellt, ist deshalb auch identisch mit der Entfremdung, welche der Mensch zu seinem eigenen Produkt �berhaupt hat. Solange sich Menschen abstrakt aufeinander beziehen, das hei�t durch Abstraktionen zueinander vermittelt sind, solange werden sie sich auch fremd bleiben.

Obwohl das Produkt der Wissenschaft aus Begriffen besteht, und damit nicht unmittelbarer Teil der materiellen Produktion des Lebens sind, hat sich gezeigt, da� sie deshalb nicht ohne Anteil an der Entfremdung sind, in welcher dieses Leben existiert. Die Entfremdung des Wissens und des Bewu�tseins ist deshalb auch nur dort erkennbar, wo sie sich produziert. Sie ist aber auch nur dort aufhebbar, wo sie besteht - auch wenn und gerade weil dann die Entfremdung von Menschen durch ihre eigene materielle Produktion erst erkannt werden kann.

An der Entfremdung des eigenen Bewu�tseins oder der Selbstentfremdung leidet der Psychologe gleicherma�en wie der Kranke, wenn auch in anderer Form. Das kann nicht dadurch abgegolten werden, da� man die Geistigkeit dieser Probleme dadurch leugnet, indem man materielle Determinanten hierf�r sucht und sich somit als Mitproduzent der Entfremdung freispricht, sie kann nur dort aufgehoben werden, wo die Abstraktion selbst auch aufhebbar ist. Der abstrakten Welt des Denkens eine konkrete Welt der Arbeit paradigmatisch gegen�berzustellen, bel�gt nicht nur den Arbeiter, der sich sowohl in seiner T�tigkeit wie auch in seinem Bewu�tsein fortw�hrend den Abstraktionen beugen mu�, die ihn beherrschen, sondern auch sich selbst, da man seine Erkenntnis von Entfremdung auf das bezieht, wo sie gar nicht stattfand. Der Bezug von entfremdetem Denken zur materiellen Wirklichkeit kann nur dadurch konkret werden, wenn das Denken sich selbst durch die Wirklichkeit begr�ndet begreifen kann und den Bezug auf sich selbst hierdurch aufhebt. Es mu� deshalb seine eigene Abstraktion begriffen haben, bevor es in diesen Bezug eintreten kann.

Sofern der Wissenschaftler in der Lage ist, seine T�tigkeit als ihm fremde zu begreifen, ist er auch interessiert, aus seiner selbstbegr�ndeten Getrenntheit heraus zu der Wirklichkeit von Menschen zu finden, in welcher sich seine Selbstentfremdung dadurch aufhebt, da� er sie als seinen Gegenstand erkennt und anerkennt. Nur hierdurch kann sein Gegenstand ihm als menschlicher Gegenstand und schlie�lich auch als gegenst�ndlicher Mensch gelten. Eine Wissenschaft, welche eine konkrete Theorie macht, hat durch diese T�tigkeit sicherlich nicht ihre eigenen Bedingungen �berwunden, sofern diese ihr �u�erlich und in ihrer Existenz gesetzt sind. Sie hat aber dort begonnen, konkret zu werden, wo es ihr m�glich ist. Wenn auch die Formen, in denen sie existiert, sich hierdurch nicht �ndern, so schafft sie aber die einzig m�gliche Voraussetzung, da� diese Formen gesprengt werden k�nnen. Solange es psychische Krankheit gibt, wird ein abstraktes Verlangen nach einer Institution bestehen, welche sich deren Aufhebung zum Gegenstand ihrer Arbeit macht; solange die Arbeit durch Geld entlohnt wird, wird es Institutionen geben, welche die Arbeit durch Geld und Kapital organisieren. Eine konkrete Theorie kann keine Praxisanweisungen zur Sprengung bestimmter Formen sein, sie kann nur Erkenntnis der Entfremdung sein, durch welche diese Formen bestehen. Damit ist sie auch nicht identisch mit der Praxis, welche diese Form beinhaltet oder sprengt. Ihre T�tigkeit beschr�nkt sich darauf, die Voraussetzung f�r ein nicht abstrakt vermitteltes Sein von Menschen dadurch herzustellen, da� sie in der Lage ist, die Abstraktion der Vermitteltheit menschlichen Lebens zu erkennen und darzustellen.

Die Kritik der Abstraktion beginnt mit der Selbstkritik, mit der Kritik der eigenen Abstraktheit und ist somit zu einer Art Selbsterkenntnis dessen, der sich als Bedingung seiner Tätigkeit erkennt, auch wenn diese ihm als Bedingung seiner selbst erscheint, geworden. Nur dadurch, daß der tätige Mensch seine Tätigkeit als seine eigene, als Produktion seiner selbst erkennt, wird er sich als Mensch, als Gattungswesen überhaupt selbst produzieren können. Wenn er von seiner Tätigkeit und damit auch von seinem Gegenstand ausgeht, welcher ihm fremd erscheint, kann er nur dadurch die Fremdheit aufheben, daß er sich als Produzent des Gegenstands begreift, der ihm seine eigene Fremdheit widerspiegelt. Wenn der Arbeiter das Kapital als sein Produkt erkennt, der Psychologe die Krankheit, der Theologe seine Götter usw., so wird er erst durch die Kritik der Abstraktion seines Gegenstands das erkennen können, was sein Produkt zu Kapital, zur Krankheit, zum Gott usw. werden läßt. Es wird sich dann zeigen, daß die Abstraktheit seines Gegenstands nichts anderes als ein doppelter Gegenstand ist, ein Gegenstand, welcher nicht gegenständlich sein kann. Die Erkenntnis dieses Gegenstands, welche ein ungegenständliches Wesen hat, ist die Erkenntnis dessen, was wie ein Unwesen sein Wesen treib. "Ein ungegenständliches Wesen ist ein Unwesen. Setzt ein Wesen, welches weder selbst Gegenstand ist noch einen Gegenstand hat" (Marx, MEW 40, S. 578). In der Erkenntnis dieses Unwesens endet die Selbstvernichtung des sich entfremdenden Menschen. "Der Mensch verliert sich nur dann nicht in seinem Gegenstand, wenn dieser ihm als menschlicher Gegenstand oder gegenständlicher Mensch wird. Dies ist nur möglich, indem er ihn als gesellschaftlichen Gegenstand und er selbst sich als gesellschaftliches Wesen, wie die Gesellschaft als Wesen für ihn in diesem Gegenstand wird." (ebd., S. 541)

Die Psychologie wird nur dadurch menschliche Tätigkeit werden, daß sie das Unwesen in ihrem Gegenstand begreift und darin die Gegenständlichkeit entdeckt, die durch es verschwindet. Eine solche Psychologie ist dadurch gesellschaftlich tätig, daß sie sich mit dem entfremdeten Bewußtsein zum Bewußtsein der Entfremdung aufhebt und damit sich der Selbstveränderung des Menschen überhaupt voraussetzt. Hierdurch nur wird sie die Selbstveränderung auf die Umstände der Menschen und der menschlichen Tätigkeit zu beziehen verstehen und die Änderung der Umstände und der menschlichen Tätigkeit zur notwendigen Erkenntnis machen. Die Selbstveränderung, die sie hierbei durchgehen muß, wird sich als Teil einer Selbstveränderung des Menschen überhaupt erkennen lassen und ist somit Teil eines revolutionären Prozesses, durch welchen der Mensch seine Produkte als seine eigenen erkennen kann. "Das Zusammenfallen des Änderns der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und rationell verstanden werden." (Marx, MEW 3, S. 6).

 

Wolfram Pfreundschuh (M�nchen im Sommer 1976)

Literaturverzeichnis

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Fechner, G.Th.: Einige Ideen zur Schöpfungs- und Entwicklungsgeschichte der Organismen. 1873

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Freud, Sigmund, 1911 Formulierungen über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens, zit. nach: Studienausgabe Bd. III, Frankfurt: Fischer-Verlag 1975

Freud, Sigmund, 1914 Zur Einführung des Narzißmus, zit. nach: Studienausgabe Bd. III, Frankfurt- Fisoher-Verlag 1975

Freud, Sigmund, 1915 a) Triebe und Triebschicksale , zit. nach: Studienausgabe Bd. III, Frankfurt- Fisoher-Verlag 1975

Freud, Sigmund, 1915 b) Die Verdrängung, zit. nach: Studienausgabe Bd. III, Frankfurt: Fischer-Verlag 1975

Freud, Sigmund, 1915 c) Das Unbewußte, zit. nach: Studienausgabe Bd. III, Frankfurt- Fisoher-Verlag 1975

Freud, Sigmund, 1916/17 Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, zit. nach: Studienausgabe Bd. I, Frankfurt- Fisoher-Verlag 1969 1917 Trauer und Melancholie, zit. nach: Studienausgabe Bd. III, Frankfurt- Fisoher-Verlag 1975

Freud, Sigmund, 1920 Jenseits des Lustprinzips, Studienausgabe Bd. III, Frankfurt- Fisoher-Verlag 1975

Freud, Sigmund, 1923 Das Ich und das Es, zit. nach: Studienausgabe Bd. III, Frankfurt- Fisoher-Verlag 1975

Freud, Sigmund, 1925 Selbstdarstellung, zit. nach: Gesammelte Werke Bd. XIV

Freud, Sigmund, 1926 Hemmung, Symptom und Angst, zit. nach: Studienausgabe Bd. VI, Frankfurt 1971

Freud, Sigmund, 1927 Die Zukunft einer Illusion, zit. nach: Studienausgabe Bd. IX, Frankfurt 1974

Freud, Sigmund, 1930 a) Das Unbehagen in der Kultur, zit. nach: Studienausgabe Bd. IX, Frankfurt 1974

Freud, Sigmund, 1930 b) Ansprache im Frankfurter Goethe-Haus, zit. nach: Studienausgabe Bd. X, Frankfurt 1969

Freud, Sigmund, 1933 Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, zit. nach: Studienausgabe Bd. I, Frankfurt. 1969

Freud, Sigmund, 1937 Die endliche und die unendliche Analyse, zit nach Studienausgabe Ergänzungsband, Frankfurt 1975

Freud, Sigmund, 1940 Abriß der Psychoanalyse, zit.nach: Fischer, Frankfurt 1953

Freud, Sigmund, 1950 Aus den Anfängen der Psychoanalyse (enthält den "Entwurf einer Psychologie" von 1895), zit. nach: Fischer-Verlag 1962

Freud, Sigmund, 1962 Briefe an Wilhelm Fließ, Abhandlungen und Notizen aus den Jahren 1887-1902, Frankfurt 1962

Freud, Sigmund, 1963 Sigmund Freud - Oskar Fischer, Briefe 1909-1939, Frankfurt 1963

Habermas, J.: Erkenntnis und Interesse, Frankfurt 1968

Jones, E.: Das Leben und Werk von Sigmund Freud Bd. III, Bern-Stuttgart 1960

Lorenzer, A.: Über den Gegenstand der Psychoanalyse, Frankfurt, Suhrkamp 1973

Marx, K.: Thesen über Feuerbach, zit.nach: MEW, Berlin, Dietz-Verlag 1969

Marx, K.: Das Elend der Philosophie, zit. nach: MEW Berlin, Dietz-Verlag 1968

Marx, K.: Philosophisch-Ökonomische Manuskripte, zit. nach MEW Berlin, Dietz-Verlag 1960

Mitcherlich, Richards, Strachey: Editorische Vorbemerkungen der Studienausgabe Bd. III, Frankfurt Fischer-Verlag 1975

Nolte, H.: Psychoanalyse und Soziologie, Stuttgart 1990

Schülein, J.A.: Das Gesellschaftsbild der Freudschen Theorie, Frankfurt-New York 1975

Wyss, D.: Die tiefenpsychologischen Schulen von den Anfängen bis zur Gegenwart, Göttingen 1972

 

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Fußnoten:

(12) Auch wenn Freud seine Kulturtheorien zum großen Teil erst viel später ausgeführt hatte, so ist dies nicht im Widerspruch dazu, daß er seine psychologische Theorie zu einer Einheit gebracht hatte. Die kulturtheoretischen Schriften werden sich eher als eine Art Metatheorie zur Strukturtheorie erweisen.

(13) An dieser Bestimmung hat sich bei den Neuerern der Psychoanalyse, vor allem bei Lorenzer, nichts geändert. Wenn er behauptet, daß sich aus der sogenannten Naturaneignung menschliche Verhältnisse als Arbeitsverhältnisse begründen und damit die Arbeit aus der Notwendigkeit der Natur abgeleitet sieht, macht er erstens den Zirkel, die Naturaneignung, also die Arbeit als Notwendigkeit dafür anzusehen, daß Menschen arbeiten, zweitens hat er damit keinen anderen Arbeitsbegriff als Freud und ändert überhaupt nichts an dessen Theorie und verzichtet drittens sogar gerade durch seine hieraus folgende Begründung menschlicher Erlebnisschicksale (in der sogenannten Mutter-Kind-Dyade) die einzige Möglichkeit der Menschen in Freuds Theorie, ihre Selbsterkenntnis von sich ausgehend überhaupt noch angehen zu können. Lorenzer ist im Grunde reaktionärer als Freud, wenn er behauptet, die Marxsche Auffassung von Arbeit, deren wesentliches Verständnis ihm völlig unmöglich war, auf die Trieblehre von Freud beziehen zu können, da er aus den Menschen hierdurch ein absolut bestimmtes Wesen macht, das erstens in der Arbeit und zweitens in der Konsumtion ihrer Produkte selbst die Not des Lebens ertragen muß. Die "Verzerrung", die er in den kapitalistischen Lebensformen hinzukommen läßt, ist demgegenüber ein intellektuelles Anhängsel, das den Kapitalismus zu einem schiefwinkligen Dreieck von Arbeit, Konsumtion und Triebschicksal werden läßt. Die Kritik des Kapitalismus ist demnach nichts anderes als die Korrektur der Winkel, in welchen die Interessen der Menschen aufeinander stehen.

(14) Vgl. zum Beispiel die Verwirrung in Freuds theoretischer Entwicklung, ob nun die Ich-Triebe als Gegenteil des Sexualtriebes zugleich die Todestriebe als Gegenteil der Lebenstriebe verkörpern, oder wie er sich später entschieden hat - ob die Ich-Triebe und die Sexualtriebe als Lebenstrieb zugleich dem Todestrieb gegenüberstehen sollen - eine Entscheidung in dieser Frage kann nur hypothetisch gesetzt werden, da sie nicht in der Wirklichkeit dessen verläuft, wovon die Abstraktionen gemacht worden waren.

(15) Das war wohl auch der Grund, warum Freud seine Entwicklung immer an einzelnen Beobachtungen, wie z.B. dem Größenwahn und der Melancholie, gemacht hat, worin er - ohne es ausdrücklich zu wissen - seine Theorie oder das Modell, mit dem er die Psyche verstand, änderte oder ändern mußte.