Geopolitik

Aus kulturkritik

Geopolitik gibt sich gerne als großräumige Welterklärung, als ein vernünftiger Hinweis, dass auf unserer Welt "alles mit allem" zusammenhängt, weil alle Länder von den gleichen Ressourcen der Natur und ihrer Bodenschätze abhängig seien und durch ihren Mangel hieran gegeneinander gestellt seien und um deren Verfügung konkurrieren müssten wie Tiere, deren Lebensräume bedrängt sind. Und im Kopfumdrehen verweist sie auf die Machtblöcke, die diese Verhältnisse politisch und militärisch beherrschen würden. Wer dem nachgeht, wird schnell auf die Tatsache stoßen, dass der schinbar natürliche Mangel ausschließlich politische Gründe hat, die in den ungleichen Ländern selbst wirken und sich hinter den weltpolitischen Strategien einer optimierten Naturausbeutung verbergen. Es geht zwar dabei immer auch um "Land und Leute", doch um deren wirkliche Existenz geht es nur, soweit diese für die Interessen einer weltweiten Geldverwertung taugt. Mit der Entwicklung des Feudalkapitalismus ist deren Verfügungsmacht durch die allseitige Gegenwart des globalen Kapitals ungeheuerlich angewachsen (siehe Globalisierung).

Der Schöpfer des Begriffs "Geopolitik" Rudolf Kjellén definierte 1916: „Geopolitik ist die Lehre über den Staat als geographischen Organismus oder als Erscheinung im Raum.“ Im Vorlauf der Begriffsentwicklung war Kjellén vom deutschen Zoologen und Geographen Friedrich Ratzel beeinflusst, der die Politische Geographie 1897 reformiert hatte und dadurch zu einem bedeutenden Ideologen des Kolonialismus geworden war. Weil Friedrich Ratzel mit seinen Schriften auf dem Feld der Anthropo- oder Humangeographie sich eine große, auch internationale Aufmerksamkeit verschaffte galt er als Begründer der Anthropogeographie und der Politischen Geographie, die mit Begriffen aus einem radikalisierten Sozialdarwinismus eine Beschreibung der Entwicklung von Staaten hergab. Diese lehnte sich an biologistische Begrifflichkeiten, was Ratzel dazu brachte den Staat mit einem biologischen Organismus zu identifizieren. Wachstum (und Schrumpfen) von Staaten erklärte Friedrich Ratzel mit dem „Gesetz der wachsenden Räume“ und verknüpfte es mit Darwins „Kampf ums Dasein“. Kriege waren für ihn das „rasch verlaufende Experiment“, das über die Zukunft der Völker und ihre Rolle in der Geschichte entschied. Ähnlich wird solche Theorie auch heute schon wieder von neoliberalen Wirtschaftsideologen vertreten (siehe z.B. Konflikte der Weltpolitik).

Die Nationalsozialisten hatten ihre Kriege mit der Behauptung einer völkischen Notlage im weltweiten Verhältnis der Nationalstaaten begründet. Damit sollte ihre Machtpolitik mit "geostrategischen" Spekulationen vernebelt werden. Der Lebensraum ganzer Gesellschaften wurde damit selbst schon zu einem hinreichenden, weil natürlich scheinenden Zweck von Landnahmen. Die Theorie vom "Volk ohne Raum" hatte eine unermessliche Besatzungs- und Vernichtungspolitik begründet, die sich besonders um die Länder im Osten und Süden hergemacht hatte. Einen ähnlichen Zweck verfolgen Betrachtungen über die nun "geopolitisch" begründeten "Notwendigkeiten" der militärischen Aufrüstung und Ausstattung und Bündnisse. was die politische Ökonomie ihrer Nationalstaaten zur Sanierung aus deren wirtschaftlichen und kulturellen Krisen nötig hatte gilt nun wieder mal als das Gewächs einer schicksalhaften Weltlage, der zu folgen unausweichlich wäre. Was die Bevölkerungen in ihrem wirtschaftlichen und kulturellen Lebenszusammenhängen ohnmächtig gemacht hatte und nach einer Erneuerung ihrer Gesellschaftsformationen verlangt wird in solcher Begrifflichkeit dem Auge und Sinn einer Wissensbildung entzogen, sondern die Zweckmäßigkeit einer verselbständigten Machtpolitik zum "Narrativ" einer politischen Kultur, die als Eingeständnis einer entmenschlichten Zivilisation begriffen werden sollte. Was dereinst Martin Heideggermartin hieraus gefolgert hatte tritt nun schon wieder als philosophierende Politik von neoliberalen Welterklärer wie George Friedmann auf. Die Befürwortung solcher Positionen kann nur zur Totalisierung von dem führen, dem sie sich entgegen stellt. Es muss endlich das Feld der Gemetzel rein politischer Argumentation verlassen und das herausgebildet werden, was das sachliche und kulturelle Vermögen der Menschheit bieten kann, wenn die Politisierung der Lebensgrundlagen aufgehoben wäre (siehe Kritik der politischen Ökonomie und Kritik der politischen Kultur).