Kommunikationsindustrie
"Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die billigen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der unterentwickelten Völker zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die so genannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d. h. Bourgeois zu werden.
Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde." (Karl Marx/Friedrich Engels, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 466).
Kommunikation ist die Mit-Teilung des Erlebens dort, wo das Leben der Menschen zerteilt ist und über Bilder vermittelt werden soll (siehe auch Medien). Sie ist von daher eine Beziehung zwischen den Menschen in und durch die gesellschaftliche Teilung ihrer Zwischenmenschlichkeit (siehe auch Teilung der Arbeit) und will einen Menschen vergegenwärtigen, der daraus hervorgehend als Prominenz der Teile im Ganzen neu erscheint. Gegenstand der Kommunikation sind die Unterschiede im Dasein der Menschen unter der Bedingung ihrer zwischenmenschlichen Bezogenheit, also das darin noch nicht in sich einige Erleben, das durch die Gegensätze seiner Regungen erregteLeben. Ziel und Zweck der Kommunikationsindustrie ist der Ausgleich der Unterschiedenheiten darin auf der Ebene der Unterhaltung, die Mitteilung inmitten der Teilung: Die Mitteilung im Großen und Ganzen aller Getrenntheiten und daher die Gesamtheit der Teile als abstrakte Identität des Zwischenmenschen, wie er sich durch die Bilder und Sprache der Kommunikationsidustrie in den Medien einer abstrakt menschlichen Gesellschaftveräußert. Im Maß ihrer Verallgemeinerung wird Kommunikation hierarchisch und durch ihre Hegemonien auch als Bild, Gleichnis oder Sprache autoritär, wo sich die Mit-Teilungen geegnseitig ausschließen.
Durch ihre Befriedungstechnologie konnte Kommunikationsindustrie auch wie die Produktion eines "Verblendungszusammenhangs" (bei Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Erich Fromm) erscheinen, welche die gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse naturalisieren soll. Dieser "soziale Kitt", wie Erich Fromm die Ideologie einer so verstandenen Kulturindustrie nannte, agiere als Mittel von Herrschaft und Integration. Doch es kann bezweifelt werden, dass diese Industrie selbst der Grund zur Verwendung solcher Mittel ist. Deren Zweck kann nur erfüllt werden, wo die Menschen selbst ein Bedürfnis danach entwickeln, wo ihre schon zuvor bestimmte Selbstentfremdung dies nötig hat.
Von daher ist Kommunikation selbst ein Mittel, das durch Zwecke anwendbar ist, die nicht in ihr selbst mitgeteilt werden. Sie kann durch die Medien und Institute der Meinungsbildung und des Erwerbs von Daten zur Verbesserung der Verwertungslage eingesetzt werden und jede Kultur in einen Kult verkehren, der seine Fans findet und fanatisch macht.
Für Antonio Gramsci bedeutete die Hegemonie der Kommunikationsindustrie,
"dass die herrschende Gruppe sich auf konkrete Weise mit den allgemeinen Interessen der untergeordneten Gruppen abstimmen wird und das Staatsleben als ein andauerndes Formieren und überwinden von instabilen Gleichgewichten zu fassen ist [...], von Gleichgewichten, in denen die Interessen der herrschenden Gruppen überwiegen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, d. h. nicht bis zu einem engen ökonomisch-korporativen Interesse" (Antonio Gramsci, Gefängnishefte).
Die Kommunikationsindustrie versteht die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen nach ihrem Maß, nach der politischen Kultur ihrer Institutionen. Und diese haben die Kommunikationstechnik zur Grundlage ihrer Maßstäbe, ihrer Quantifizierungen, ihrer Masse. Ihr Verstand bildet sich also aus der Interpretation, wie sie technisch möglich ist, aus der Art und Weise, wie die Daten aus den Ereignissen zu verarbeiten sind, wie sie über Kameras, Tonträger, Internet, Zeitungen, Briefen, Veranstaltungen und so weiter herbeigetragen werden (siehe auch Medien).
War Kommunikation ohne diese Technik noch aufwendig und an die Zeitdauer der Verständigung und ihrem Raum und der Entfernung, also körperlich gebunden, so spielt dies heute praktisch keine Rolle mehr, verläuft fast in Lichtgeschwindigkeit über alle Distanzen und Grenzen hinweg, weil der entsprechende Raum durch elektrische Impulse ersetzt und die Entscheidungen über die Interpretation der Beziehungen in der Verständigung durch automatische Prozessoren getroffen werden, durch die Kapazität, der Masse der Assoziationen und Interpretationen, zu denen Suchmaschinen fast jeden Menschen an fast jedem Ort befähigen.
Überhaupt hat dies ihren Körper anonymisiert, ihn abwesend gemacht, und das ursprüngliche Medium ihrer Nachweise aufgegeben. Die Ereignisse werden schon durch ihre Übermittlung anonym, weil sie nicht mehr wirklich vermittelbar sind, weil das Mittel der Übertragung selbst beliebig ist und sie somit immer weniger Sinnbezug, immer weniger Gewissheit zu ihrer Nachricht haben, weil die Information gegen die Wissensbildung übermächtig wird. Die Verständigung, also der Verstand entwickelt sich daher in der entkörperlichten Zeitlosigkeit ihrer Interpretationen, der Beliebigkeit ihrer Assoziationen, die nurmehr ihren Bewertungen folgen können, soweit diese überhaupt kommuniziert werden und kommunizierbar sind. Sie ist um so persönlicher, je allgemeiner sie wird, so populär, dass sich jeder Populist schon hinter den Medien verstecken kann, bevor er seine Nachricht übermittelt. Er bleibt durch das Medium selbst immer wirkungsvoll, weil er die Prominenz ihrer Darstellung schon hat, wenn er sie nur bezahlen und benutzen kann, also das Kaufmittel hierfür besitzt.
Von daher ist jede Beziehung selbst nur Assoziation eines Verstandes der Lebensbewertung, wie er der Kommunikationstechnik entspricht. Und diese reflektiert sich nicht alleine in den Bezügen der Information, sondern wird auch in den praktischen Prozessen der Spielindustrie, in Computerspielen praktisch eingeübt - in den Bildern psychischer Verfassungen und den Erkundigungen und Entscheidungen in vorgegebener Geschwindigkeit jenseits ihrer Wirklichkeit. Und auch diese selbst erscheint schließlich immer mehr wie ein Abbild ihres elektronischen Spiels, im zwischenmenschlichen Verhalten und den Joysticks der Waffensystem im Krieg - und vor allem in den Entscheidungsprozessen der Spekulanten des Fiktiven Kapitals in den Casinos der Börsenagenturen (siehe auch Finanzkapital). Hier entscheidet inzwischen schon eine Millisekunde über gigantische Gewinne oder Verluste an Börsenwerten und also auch über das Wohl und Wehe ihrer Objekte.
Gesellschaftlich entsteht hierdurch ein automatischer Verstand, denn die Kommunikationsindustrie betreibt die Automation einer Verständigung, durch die ihre Produktivkraft die gesellschaftlichen Verhältnisse von sich abhängig macht, die Sprache und Bildung ihrer Produktionsweise unterworfen, ihr Bild von der Bildung prominent wird und also eine ausschließliche kulturelle Bedeutung bekommt. Gerade weil sie die Menschen nur bedient, also als Dienstleistung auftritt, wird sie zu einem "großen Bruder" und trägt in seinem Sinn zugleich zum kulturellen Zusammenschluss der Produktion, zur eigenständigen Späre kultivierter Abstraktionen bei. Von daher wird sie zum Maßstab einer Kultur, in welcher die ökonomischen Bedingungen selbst zum Kulturgut ihrer Gesellschaft werden, dem Zweck der politischen Ökonomie dadurch nützlich sind, dass sie deren kulturelle Substanzen verwertet (siehe hierzu auch Tittytainment). Dieser Nutzen macht Kultur, welche die Subjektivität einer jeden Gesellschaft ist, unter den Bedingungen des Geldbesitzes selbst zu einem politischen Medium, zum Mittel ihrer zwischenmenschlicher Verhältnisse und ist somit in der Lage, ökonomische Bedingungen zu einem objektiven Maß der persönlichen Identität werden zu lassen, sie dazu zu bringen, ihre Selbstachtung gegen ihre Selbstverwertung auszutauschen (siehe Täuschung).
Dienstleistungen sind an und für sich nicht unmittelbar produktiv, sondern lediglich Behilflichkeiten im Umgang mit Gegebenheiten, die im Allgemeinen nicht als Ware existieren, sondern als bloße Leistung schon bei ihrer Produktion oder zur Reproduktion eines Verhältnisses konsumiert werden oder als Zustandsveränderung eines Menschen oder Gegenstands oder zur Bewältigung ihrer Unterhaltsprobleme nötig sind. Sie können also durch sich selbst keine Klassenlage als produktive Arbeit oder unproduktive Arbeitbestimmen und gelten zu ihrem größten Teil als Unkosten des Produktionsverhältnisses insgesamt, die der Revenue des variablen oder konstanten Kapital zuzurechnen sind, obwohl sie sich nicht mit ihm austauschen, sich also nicht als Wert darin verwirklichen.
Aber nicht nur zur Reproduktion der Menschen und ihrer Infrastrukturen, sondern auch als Arbeitsanteil für den Warenabsatz (z.B. Verkauf und Werbung oder dem Design, der Ästhetik ihrer Kultur) und für die Produktion, als Teil ihrer vielen Bewegungsformen, sind Dienstleistungen nötig - z.B. Bewahrung kultureller Gewohnheit oder des Betriebsklimas oder im Transport von Rohstoffen und Zwischenprodukten, Reinigungsarbeiten usw.. Diese Dienstleistungen können auch Bestandteil der Produktion sein und sind dann der produktiven Arbeit zuzurechnen. Entscheidend ist lediglich, ob sie der Reproduktion von Menschen oder Strukturen dienlich sind, oder sich gegen Kapital eintauschen, weil sie der Wertbildung nützen (z.B. zur Verwaltung des Kapitals, zur Beschleunigung des Arbeitsprozesses oder des Produktabsatzes oder zur Kontrolle des technischen Ablaufs).
Gewisse Dienstleistungen oder die Gebrauchswerte, Resultate gewisser Tätigkeiten oder Arbeiten, verkörpern sich in Waren, andere dagegen lassen kein handgreifliches, von der Person selbst unterschiedenes Resultat zurück; oder ihr Resultat ist keine verkaufbare Ware. K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 380.
Dienstleistungen sind meist ungegenständliche Arbeiten (siehe gegenständliche Arbeit) und haben keinen Bestand jenseits ihrer Produktion. Sie erzeugen also auch kein Mehrprodukt, können aber zu dessen Produktion unabdingbar sein (z.B. Transport). Von daher müssten sie als Teil der Mehrproduktion kostenmäßig entsprechend auch abgegolten werden.
"Es gibt ... selbständige Industriezweige, wo das Produkt des Produktionsprozesses kein neues gegenständliches Produkt, keine Ware ist. Ökonomisch wichtig davon ist nur die Kommunikationsindustrie, sei sie eigentliche Transportindustrie für Waren und Menschen, sei sie Übertragung bloß von Mitteilungen, Briefen, Telegrammen etc." (Marx-Engels-Werke Bd.24, S. 60 bis 61)