Zeit

Aus kulturkritik

"Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich fragt, weiß ich es; wenn ich es einem Fragenden erklären will, weiß ich es nicht." (Arelius Augustinus, Was ist die Zeit? - Confessiones XI/Bekenntnisse 11).

"Verschiedene Zeiten sind nicht zugleich, sondern nacheinander (so wie verschiedene Räume nicht nacheinander, sondern zugleich sind." (Immanuel Kant 1781, „Kritik der reinen Vernunft“)

"Zeit ist nur das, was man von der Uhr abliest." (Albert Einstein)

Zeit ist die Abfolge von Ereignissen, deren Dichte sich als Zeitdauer quantifizieren lässt und von daher auch auf dem Kalender oder dem Zifferblatt von Uhren die abstrakte Darstellung ihrer Genealogie lesbar macht – allerdings immer nur über das, was schon vergangen und also am Verwesen ist.

Das "Hier und Jetzt" des Pragmatismus kann nicht wirklich wahr sein, da alles schon ist, bevor es werden kann. Zeit ist Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft zugleich und hat deshalb keine Richtung, weil sie zugleich ebenso hier wie da ist (siehe auch Dasein), So kann sie nur im Raum< stattfinden, Geschichte sein. Zeit an sich gibt es ebenso wenig, wie Raum an sich oder Materie an sich oder Geist an sich oder Ding an sich. Sie ist eine Gedankenabstraktion als ein reines Quantum einer Vorstellung, als Teil einer Ewigkeit, die keinen Anfang und kein Ende hat, weil alles darin nur als Bewegung von irgend etwas existiert, das mit der Zeit entwickelt und vermittel sein mag (siehe Vermittlung). Und weil Zeit durch sich also auch keinen bestimmten Inhalt darstellt – weil sie an und für sich bestimmungslos ist – kann solche Begrifflichket auch keine Eigenschaften schon an sich haben, diese also nur durch Anderes für sich erfahren (siehe z.B. Arbeitszeit, Lebensraum, Freizeit, Nützlichkeit usw.), um an und für sich auch wesentlich da zu sein. Es gibt sie daher auch nicht als reine Form ohne Inhalt, also auch nicht als Formbestimmung ohne Körper (siehe hierzu Verkehrung). Ohne eine bestimmte Wirkung zu haben (siehe Wirklichkeit) lässt sich eine inhaltslose Form, eine Form an sich in ihrer Abstraktion nur als Tatsache erkennen, weil und sofern sie sich bewegt, mal abwesend oder auch mal anwesend, also durch ihre Geschichte praktisch schon vor aller Erfahrung da zu sein (siehe historischer Materialismus). Sie wird aber dennoch gerne für sich als esoterische Abstraktion verwendet, welche durch ihre Unendlichkeit das "gewöhnliche Bewusstsein" zu durchdringen vermöchte (siehe z.B. Philosophie, Anthroposophie).

"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage." (Feuerbachthesen MEW Bd.3, S. 533 bis 535)

Es gibt also sie keinen Begriff durch eine rein formale Begrifflichket als reine Form einer Logik ohne Inhalt, also auch nicht als Formbestimmung ohne Körper (siehe hierzu auch Verkehrung). Durch sich selbst bestimmt kann es überhaupt keinen Begriff geben (siehe hierzu Sophismus), ohne durch ein bestimmtes Verhalten überhaupt substanziell da zu sein (siehe Dasein), ohne eine bestimmte Wirkung zu haben (siehe Wirklichkeit) und hierdurch auch bewegtzu sein (siehe hierzu auch Leben).

Bewegung ist ein Verhalten in Raum und Zeit. Arbeit ist die bewegende Kraft dieses Verhältnisses. Kapital ist tote Arbeit, die nach lebendiger Arbeit verlangt. Von da her ist sie auf den Raum bezogen grenzenlos, verliert sich durch sein abstrakte Wirklichkeit aber sogleich in der Zeit, die ihre Bewegung kostet. Raum und Zeit haben auch dann keine unterscheidbare Form, sind bloße Momente ihrer Abstraktion (sieh z.B. abstrakt menschliche Arbeit).

Bewegung ist ein Verhalten in Raum und Zeit. Arbeit ist die bewegende Kraft dieses Verhältnisses. Kapital ist tote Arbeit, die nach lebendiger Arbeit verlangt. Von da her ist sie auf den Raum bezogen grenzenlos, verliert sich aber sogleich in der Zeit, die ihre Beweung kostet. Raum und Zeit haben keine unerscheidbare Form. Es gibt sie daher auch nicht für sich.

Für das Dasein ist die Zeit nur ein Zählwerk (siehe Zahl), das aber durch die Tätigkeit der Menschen, durch ihr wirkliches Menschsein zu ihrer Geschichte wird. In und durch die Tat entstehen Gegenstände und so bildet sich Geschichte so, wie diese mit der Zeit verblieben sind, was also ein geschichtliches Wesen hat, weil es noch nicht der Verwesung anheim gefallen ist. Die Zeit hat keine Ewigkeit, keine Wahrheit, keine Position in der Welt oder des "In-der-Welt-seins" (siehe auch Existenzialismus), das nicht in irgendeiner Form objektiv und wirklich - ganz gleich, ob geistig oder materiell - existiert. Geschichtelässt sich weder durch die Aufzählung ihrer Ereignisse, nicht in Zahlen (siehe auch Positivismus) noch durch einen "Sinn des Seins" (siehe auch Martin Heidegger) bemessen (siehe auch Fundamentalontologie). Sie verbliebe als pure Langeweile, wenn sie als Weltgeist die Welt bewegen sollte und sich im Verlauf seiner Zeit als dessen Idee, als pure Idealität des Seins verwirklichen und ihrer selbst bewusst werden müsste (siehe auch Hegel).

Von daher kann Zeit als das, was die Menschen darin gelitten haben und leiden - ganz gleich ob sie es leiden können oder auch nicht - zum Maß einer Geschichte nur dann werden, wenn Untätigkeit herrscht (siehe auch Abstraktion), nur dann, wenn sie nur im Raum des Lebens (siehe auch Lebensraum) wirklich wahr erscheinen kann, - aber nur, weil sie darin "täuschend echt" (z.B. als Mode) zu herrschen vermag (siehe auch Scheinwelt). Darin allein wird Zeit objektiv zu einer Form, worin sie sich als ein körperliches Subjekt über das Leben hinaus formuliert, Formation von Leblosem wird, das sich auch leblos bestimmend verhalten kann, wo die Form ihrem Inhalt widerspricht (siehe hierzu auch Formbestimmung). Wenn sie sich gegen ihren Raum verhält wird Zeit für sich genommen zum Maßstab anachronistischer Verhältnisse, zu ihrer Logik, die nur formulieren kann, dass Zeit etwas ist, das einen Wert für sich selbst formuliert (siehe Arbeitswerttheorie) und seinen dümmsten Ausdruck in der positivistischen Formulierung fndet, dass Zeit eben Geld sei, weil sie sich im Geld wesentlich gleich bleibt und mit ihm auch verwest. Soweit aber Geld das ausschließliche Selbsterhaltungsmittel der persönlichen Existenz ist, bleibt es darüber hinaus als Form eines Existenzwerts mächtig, dem die Geschichte des gesellschaftlichen Lebens völlig gleichgültig ist (siehe hierzu auch fiktives Kapital) und sich von daher als rein politische Form eines Privateigentums durch ein Dasein als Eigentumstitel selbst verwertet(siehe Negativverwertung).

Und so ist das dann auch mit dem Begreifen von Geschichte. Mit der Zeit bleibt sich der Unterschied im Wesentlichen nämlich darin gleich, worin er substanziell bestimmt ist, worin also sein Wesen wahr ist, sich das Bleibende in allem gemein macht, was wirklich ist und dennoch nicht wirklich da sein kann, in Wirklichkeit abwesend ist. Daher beweist sich das Allgemeine nicht in seiner Form (siehe Phänomenologie), sondern in dem, was in der Zeit sich gleich bleibt, was also seinen Sinn bewahrt, ohne von sich abzusehen, ohne Abstraktion und ohne Absicht. An sich, bzw. in seinem Dasein kann nichts durch sich selbst gleich sein. Es wird verglichen, weil alles unterschiedlich ist. Man vergleicht mit unterschiedlichsten Interessen, kommt aber erst durch das Verhalten in der Zeit zur substanziellen Allgemeinheit eines Verhältnisses (siehe Arbeitszeit), durch die es sich begreifen lässt (siehe Begriff), von daher ist die Begriffssubstanz eine Funktion in der Zeit, aber auch in der Bestimmung ihres Raums. Darin erst wird Zeit endlich und also geschichtlich. Und eine andere Zeit als die der Geschichte kann es nicht geben.

Zeit als solche erscheint daher durch Geschichte gegeben (siehe Gegebenheit), durch das Entstehen und Vergehen in der Zeit. Dies hat Philosophen dazu verlockt, in der Zeit ontische Absolutheit erkennen zu wollen. Heidegger hat die Zeit als wesentliche Voraussetzung allen Seins angesehen, weil sie alle Existenz in ihrer Endlichkeit, im Tod, bemessen würde. Das Antlitz des Todes sei demnach die Seinsfrage eines jeden Menschen und die schlichte Endlichkeit des einzelnen Lebens gilt ihm als Grundfrage der Erkenntnis von Geschichte und Sein. Damit wurde ihm eine Abstraktion, die Endlichkeit im Gegensatz zur Unendlichkeit als Existenz in der Zeit zur Grundlage für jede Selbsterkenntnis und Selbstverantwortung, die Zeit des In-der-Welt-seins als "Sein zum Tode". Gegen solche Zeitdimension wäre der Mensch von vorne herein ohnmächtig gegen sein Sein: In die Zeit geworfen schon durch sie verworfen, ein schon vom Verwesen bestimmtes Wesen.

Doch so sinnfällig die Abfolge der Geschichte auch in der Zeit erscheint, so unsinnig ist sie für die Wahrnehmung. Sie ist nicht in der Lage, Zeit wahr zu nehmen, weil sie nur Wirkungen als Reize wahrnimmt, also sich an den Reizen und ihrer Dichte empfindet. Zeit ist daher abstrakt von einer Wahrnehmung, lediglich bestimmt durch die Inhalte der Wirklichkeit. Und die ist selbst nur durch ihre Wirkung bestimmt, nur in ihr endlich, ist schon in der Tat des Wirkens Bestimmung für ihre Empfindung. Geschichte als Form des Wirkens von Menschen kann kein Maß in der Zeit haben, sondern bestimmt alles, wie es in der Zeit erscheint. Somit ist Geschichte auch der Gehalt von Zeit, und nicht umgekehrt. Die Abstraktion der Geschichte von Zeit verfolgt die Absicht, ihr eine Unendlichkeit des Begriffs vorauszusetzen und damit genau das zu setzen, was Heidegger angeblich kritisiert. Seine "Existenzialien" sind unendlich endlich, also widersinnig. Zeit ist nicht absolut, sondern immer relativ zu etwas anderem. Was sich ereignet, erscheint auch im Wie zwar zeitlich, aber nicht in der Zeit bestimmt. Dasselbe mag kurzweilig erscheinen, was langweilen kann: Es ist lediglich eine Frage seiner Gegenwärtigkeit zu etwas anderem, also der Art und Weise, wie und wo und wodurch es zur Wirkung kommt. Aus diesem Grund begreift Marx Geschichte selbst als Sein in der Zeit ihres Werdens und nicht als Phänomen der Zeit (siehe Heidegger)

Auch in der Physik kann Zeit zwar durch Schwingungen von Atomen oder Kristallen wie etwas Absolutes gemessen werden; dennoch ist auch Schwingung relativ, Bewegung durch etwas anderes, wenn auch in großem Umfang "zeitstabil" - solange eben, wie es ihre Energieform zulässt und ssich relativ zu ihrer Masse erhält (Relativitätsgesetz). Zeit ist schon innerhalb der Anwendung von Physik nicht mehr hinreichend stabil, wenn sie sich auf Entfernung bezieht. Schon jeder Navigator im Flugzeug, Schiff oder Auto muss ihre Relation pro Ort und Raum umrechnen, bevor das Ergebis stabil erscheinen kann.

Auch bei der Zeitmessung durch Atomuhren ist Zeit nur relativ stabil, wenn auch im großen Maß, weil die darin gemessene Masse verschwindend klein ist. Außerdem bleibt die Frage, ob das Gemessene dann überhaupt Zeit ist, was die Schwingung ausmacht. Das Maß ist doch nur ein in der Zeit formuliertes Analog, also völlig relativ zur Substanz, um welche es der Zeit nach gehen soll. So auch das Interesse, die Zeit zu messen. Nichts wird durch diese Schwingungen wirklich bestimmt, wenn Menschen auf die Uhr schauen. Der Termin hat seine Bestimmung im Ereignis - nicht, wie Heidegger meint, weil sich darin das Sein in die Endlichkeit "wirft", sondern weil darin die Menschen mit ihren Einfällen zusammentreten.

Zeit als solche gibt es also überhaupt nicht wirklich; Wirklichkeit ist zwar immer in der Zeit, weil sie nicht unendlich ist, aber Wirkliches hat keine Zeit, ist mit der Zeit immer schon durch sich, durch ihre Abläufe, durch den Verlauf ihrer Wirkungen bestimmt, in sich endlich, weil verursacht und ohne Bezug zu einer Unendlichkeit. Zeit ist nur als Gedankenabstraktion die Negation von Unendlichkeit, die es nicht wirklich gibt, weil es auch nicht Wirklichkeit als Zeit gibt.

So ist Zeit für sich eine bloße Abstraktion wie auch die allgemeine Begrenzung des Abstrakten. Durch Zeit wird jede Abstraktion bestimmt, wie auch im Abstrakten selbst von seiner bestimmten Zeit abgesehen wird. Zeit ist als Abstraktion zugleich die äußerste Negation des Abstrahierens, reines Nichts, Unterstellung für sich, in der Unendlichkeit des Abstrahierens endlich zu sein. Zeit ist der abstrakte Begriff für Endlichkeit: Auch wenn nichts Zeit hat, so braucht alles seine Zeit.

Alles was lebt, lebt in seiner Zeit. Es lebt, indem es sich in seiner Zeit bewegt. Bewegung ist die Geschichte, welche Zeit macht; und weil sich alles Lebende bewegt, wird es durch seine Geschichte zu seiner Zeit. Zeit ist vor allem ein gesellschaftliches Produkt, weil und sofern Ereignisse nicht durch sich bestimmt, sondern nur durch ihre gesellschaftliche Wirklichkeit sind, nicht wirklich sind, aber sich durch die Verhältnisse verwirklichen, worin Menschen zusammenkommen, sich treffen, sich Zeit geben und machen, Zeit sich also durch die Verhältnisse der Menschen bestimmt. Es ist dies nicht nur als Zeitgefühl, sondern macht die gänzliche Inbegriffenheit des Menschen in seinem gesellschaftlichen Verhältnis aus: Geschichte, die sowohl Abfolge des Stoffwechsels als auch gesellschaftliches Ereignis ist. Beides in einem ist der gesellschaftliche Produktionsprozess (siehe Arbeit). Kein Wunder also, wenn sich Zeit vor allem hieraus ergründet und auch in der Abstraktion seines Daseins die Substanz gesellschaftlicher Abstraktheit hergibt (siehe abstrakt menschliche Arbeit als reine Arbeitszeit, Arbeitstag).

Zeit ist das reine Quantum einer Bewegung, die für sich keinen Sinn hat, also Substanz einer fremd bestimmten Bewegung ist. Dies ist vor allem die von ihrem wirklichen Sein abgetrennte Arbeit als bloßer Bewegungsaufwand. Von daher bestimmt sich ihr Wert als reine Arbeitszeit. Die Wertsubstanz, in welcher sich in der bürgerlichen Gesellschaft alle Verhältnisse bemessen, ist daher lediglich Arbeitszeit. Die Größe der Wertsubstanz ist als Wertgröße der Zeitaufwand, welche Arbeit im gesellschaftlichen Durchschnitt benötigt. Letztlich ist das Wertquantum selbst überhaupt nur Zeit und der Wertzuwachs der Sachen ist die Zeitverkürzung für die Menschen. Was das Kapital an Wert gewinnt durch Ausbeutung des Arbeitstags und Steigerung der Umlaufgeschwindigkeit seiner Selbsterneuerung, das verlieren die Menschen an Leben: Es wird kurzlebig. Die Medizin mag es verlängern, aber diese Verlängerung wird zu einem Kunstprodukt, wenn die Kurzlebigkeit in ihrer Atemlosigkeit die Menschen immer kränker macht.