Mythologisierung
»Unser Wahlspruch muß also sein: Reform des Bewußtseins nicht durch Dogmen, sondern durch Analysierung des mystischen, sich selbst unklaren Bewußtseins, trete es nun religiös oder politisch auf. Es wird sich dann zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen. Es wird sich zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt.« (MEB 1, S. 346).
Mythologie ist eine logische Beziehung von Mythen, wie sie z.B. in Märchen oder Sagen aus dem griechischen Altertum vorkommt. Deren Logik hat den Charakter von Gleichnissen, die moralische oder sittliche Werte vermitteln. Zugleich sehen sie von deren Wirklichkeit ab und überziehen diese mit einem Schleier von abstrakter Spiritualität, die übernatürliche Mächte herbeiziehen, um reale Zusammenhänge geistig zu ordnen (siehe auch Esoterik) und ihre Wirkungen zu mystifizieren (siehe auch Sophistik).
Wo die Zusammenhänge des Lebens in isolierte Ereignisse aufgesplittert und für den Menschen fremd und ungewiss erscheinen, wo sie mit ungeahnten Kräften wirken und dies keinen Verstand findet, sie unverstanden bleiben, da verbleiben sie geheimnisvoll als Unwesen einer Mystifikation, als Geheimnisse ihrer Wirkungsweise, die ihre Selbstwahrnehmung bestimmt. So werden sie zu Mythen ihrer Natur, zu Dämonen, zu Geistern oder auch Gespenster, zu Übermenschen, Götter und Heilsbringer (Heilige). Umgekehrt wird auch aus einem Verstand der Angst macht weil er als Macht einer übernatürlichen Existenz begriffen gelten soll (siehe hierzu Religion), weil sich die Menschen, die sich ihrer selbst ungewiss und also fremd verblieben sind (siehe Selbstentfremdung), zum Maßstab einer abstrakt menschlichen Verpflichtung (siehe Lebenspflicht), der sich die Menschen unterwerfen sollen, weil sich die geheimnisvoll verbliebenen Zusammenhänge ihres Lebens zu einem übersinnlichen Bild, zu einer Vorstellung ihrer verallgemeinerten [[get="info">Einzelheit]] des Überlebens, das sich entwirklichte Menschen zu einem Fetisch ihrer verschlossenen, weil ausschließlichen Wirklichkeit machen, dem sie eine allgemeine Geltung (siehe auch Geld zuweisen.
Mythologiesierung betreibt eine Dämonisierung von Zusammenhängen, eine Mystifikation, die in ihrer Abstraktion zu einem Ausdruck fremder Mächte fixiert - oft auch unmittelbar naturalisiert - werden sollen, die dadurch selbst als eigene Wesen imit wirklicher Macht erscheinen, das in Wahrheit als Unsinn erkannt werden kann. Ohne diese Erkenntnis allerdings wird es als Unding einer Idealisierung wahrgemacht und durch die Entfremdung seines Wesens subjektiviert, in einer Mythologie mit menschlichen Eigenschaften versehen und personalisiert. Jede Sachgewalt ist damit naturalisiert, zum Bestandteil des gewöhnlichen Bewusstsein als Bewusstsein der Gewöhnung manifestiert (siehe Festischismus). Indem die Menschen durch Mythoplogisierung die Gewissheit einer fremden Macht selbst verfremden, verhindern sie vor allem die Bildung von einem Bewusstsein der Entfremdung eigener Wirklichkeit. Damit wird eine Mystifikation betrieben, die eine Entstellung einfacher Wahrheit hin zu einer Mythenbildung ist - oft mit eigener, sublimer Wesensbehauptung (siehe Sophistik).
Diese Mystifikation ist zum einen eine verkehrte Reflexion die nicht in der Lage ist, den Widersinn eines Verhältnisses im tautologischen Verhalten seiner Subjekte zu bezweifeln, sich nicht aus diesem Verhältnis durch Kritik seiner Austauschbarkeit und entsprechendem Handeln herauszusetzen. In der Täuschung verbleibt die Beliebigkeit eines in seiner Selbstwahrnehmung verspiegelten Bewusstseins, das unfähig ist, verkehrte Verhältnisse zu erkennen, weil es sich mit ihnen im Kreis bewegt. Kritikllos muss es den Widersinn seines Daseins als Form für sich in sich selbst einnehmen und verausgaben. In ihrem hierdurch fixierten Bewusstsein verdoppeln die Menschen diese Form als Ideologie und Religion, die ihreBedürfnisse selbst verkehrt. Von daher verkehren sie deren eigentümliche Form zu einem wesentlichen Inhalt, dem sie als Objekte ihrer vertauschten Subjektivität unterworfen bleiben. So hat es Marx am Warenfetischismus illustriert:
"Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, dass sie dem Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen." (MEW 23, 86)
Die Möglichkeiten, einen Verhalt oder Zusammenhang zu entstellen, liegen in der Vermengung gegensinniger Inhalte, die ideell verdichtet werden. So ist schon im Möglichkeitsdenken das Mittel angelegt, eine Gegensinnigkeit zum Subjekt einer Geschichte zu machen. Das gelingt als Ideologie, in welcher deren in Ziel als Grund für ihre Vorstellungen so wirksam gemacht werden, dass sich darin die Wirklichkeit gedanklich, also in einer Gedankenabstraktion auflösen lässt. Diese wirkt darin als ideal, das von seiner Wirklichkeit enthoben ist und hierdurch als Gegenposition gegen sie absolut auftreten kann. So wird z.B. Freiheit von ihren inneren Notwendigkeiten abgetrennt, oder Gleichheit ohne Unterschiedenheit, Solidarität ohne Konkurrenz zu einem Entwicklungsmaßstab, der von den wirklichen Bedingungen absieht, denen durch Idealitäten ihre Wahrheit einfach implizit abgesprochen und selbst zum Inhalt einer Erneuerung gemacht wird. Was in den Bedingungen selbst schon als Verkehrung menschlicher Verhältnisse existiert, wird unumkehrbar, wenn das Bewusstsein solcher Ideologie verfällt. Ganz allgemein ist Mystifikation eine Täuschung, welche sich aus verkehrten Lebensbedingungen ergibt, die als Bedingung der Wahrnehmung geduldet werden (siehe Wahrheit) und damit ihre Erkenntnis abgewendet wird.