Soziologie

Aus kulturkritik

"Was ist die Gesellschaft, welches immer auch ihre Form sei? Das Produkt des wechselseitigen Handelns der Menschen. Steht es den Menschen frei, diese oder jene Gesellschaftsform zu wählen? Keineswegs. Setzen Sie (Adressat des Schreibens, Annenkow) einen bestimmten Entwicklungsstand der Produktivkräfte der Menschen voraus, und Sie erhalten eine bestimmte Form des Verkehrs ... und der Konsumtion. Setzen Sie bestimmte Stufen der Entwicklung der Produktion, des Verkehrs und der Konsumtion voraus, und Sie erhalten eine entsprechende soziale Ordnung, eine entsprechende Organisation der Familie, der Stände oder der Klassen, mit einem Wort eine entsprechende Gesellschaft ... Setzen Sie eine solche Gesellschaft voraus, und Sie erhalten eine entsprechende politische Ordnung (Staatsapparat), die nur der offizielle Ausdruck der Gesellschaft ist." (K. Marx, Brief an Annenkow (1846), MEW 4, S.548)

Als eigenständige universitäre Disziplin wurde sie im deutschsprachigen Raum von Ferdinand Tönnies, Georg Simmel und Max Weber begründet. Sie stellten dem bis dahin vor allem ökonomisch begriffenen gesellschaftlichen Menschen, dem "homo oekonomicus", einen in seinem sozialen Verhalten reflektierten Menschen gegenüber, später von Ralf Dahrendorf auch als homo politicus bezeichnet.

Über ihre Grundlagen ist sich die Soziologie nicht einig. So werden auch z.B. Henri de Saint-Simon, Karl Marx und Herbert Spencer als soziologische Klassiker angesehen. Dabei ist offenkundig, dass nicht einmal der Begriff von Gesellschaft darin eindeutig gefasst wurde. Meist ist er von einem zwischenmenschlichen Verhältnis kaum zu unterscheiden (Wikipedia zur Soziologie: "Der Begriff Gesellschaft bezieht sich auf eine Summe von Beziehungen und Verhältnissen zwischen den einzelnen Menschen. Nicht gemeint ist die bloße räumliche und mengenmäßige Anzahl von Individuen, sondern deren Sozialität. Damit sind Strukturen aus relativ stabilen Verhaltensmustern bezeichnet, die ihren Ursprung im interaktiven menschlichen Handeln haben und in diesem Bereich ihre Wirkung erzielen").

Was die Soziologie mit dem Begriff "Intersubektivität" zusammenfasst ist so Komplex, dass man von ihr keine Aufklärung über deren Zusammenhänge erwarten kann. So wird sie im Kopfumdrehen zum stillen Produzenten einer nominativen Begrifflichkeit (siehe Norm), die jeder Schafsnatur einen wohligen Schauer über das schwebende Rückrat rieseln lässt. Tatsächlich geht es dabei ja nicht um etwasMittel wirklich Allgemeines, was Gesellschaft ja eigentlich ausmacht, sondern um das unentschlossene Dazwischensein im allgemeinen Menschsein. Da die soziologischen Kategorien betreffen bestenfalls das Menschsein unter Menschen betreffen (siehe z.B. Kategorischer Imperativ), können sie auch nur die bloße Tautologie wesensloser Beziehungen beschreiben (siehe Abwesenheit). Auch wenn die Soziologie inzwischen immer öfter die Psychologie, namentlich die Sozialpsychologie und deren Statistiken zur Füllung ihrer Lücken bemüht, ändert dies nichts daran, dass sie keine Wirklichkeit von Menschen, sondern lediglich das Wirken von politisch verfasste Funktionen und Funktionären vor Augen hat. Wenn schon Psychologie hierfür bemüht wird, wäre es besser den Begriff "Intersubektivität" in Beschreibungen von Zwischenmenschlickeiten zu übertregen,

Soziologie ist eine Wissenschaft, die gesellschaftliche Zusammenhänge und Ereignisse - was immer auch ihre Form sei - auf den rationalen Kern eines sozialen Verhaltens zu beziehen, zu untersuchen und zu begreifen sucht. Sie ist in der Zeit der Aufklärung in dem Interesse entstanden, zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften die Vernunft eines gesellschaftlichen Menschen, also eine politische Vernunft des Zusammenlebens der Menschen in Gesellschaften und Gemeinschaften zu verorten. Der Namensgeber war der Soziologie Auguste Comte mit seinem 1851-1854 erschienen vierbändigen Werk "Systéme de politique positive, ou Traite de sociologie, instituant la religion de l'humanité". Er befand ihren Gegenstand als die "soziale Physik" (physique sociale), die er nach Gesetzen der sozialen Statik und sozialen Dynamik unterscheidet.

Max Weber definierte den Anspruch der Soziologie folgendermaßen:

"Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. "Handeln" soll dabei ein menschliches Verhalten [...] heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. "Soziales" Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist." (Max Weber 1920, in "Wirtschaft und Gesellschaft")

Doch Soziologie will heute auch Anleitung sein. Die Sozialwissenschaften wollen Gesellschaft wie eine Kulturnotwendigkeit erklären und abhandeln, wie eine Sache, die besser kultiviert werden müsse, wenn sie Probleme macht. Schon öfter waren Theorien aus der Soziologie in kulturkritischen Bewegungen aufgegangen. Heutzutage lehrt zum Beispiel Hartmut Rosa als Soziologe und Politikwissenschafter an den Universitäten in Jena und Frankfurt. Mit seiner Habilitationsschrift "Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne" aus dem Jahr 2005 wurde er weit über sein Fach hinaus bekannt fand auch im letzten Jahr wieder mit seinem Werk "Beschleunigung und Entfremdung - Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit." (Suhrkamp, 2013) Beachtung. Das passte auch gut zu der Décroissance-Bewegung in Frankreich und der Schweiz und den Entschleunigungs-Bewegungen in den USA, Großbritanien und Deutschland

Doch die Analyse greift nicht nur zu kurz, sondern befördert eine in sich schon verkehrte Erklärung der Krisenphänomene mit verrückten Konsequenzen: Nicht die Wachstumszwänge des Kapitals, sondern das Fortschrittsdenken sei der Grund des Übels, dem man sich durch Enthaltsamkeit und einfaches Leben entziehen könne, um zu einem "gelungenen Leben" zu gelangen. Durch Einstellungsveränderungen der Menschen sollte der Hektik und Hast der modernen Gesellschaft entgegengewirkt und Langsamkeit durch Faulheit und Muße wiederentdeckt werden. Dazu kann man sich dann auch viel Gutes und Schönes vorstellen. Zum letzten Jahresende rückte der Professor der Soziologe und Politologie in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (28./29.12.2013) mit der großartigen Erkenntnis heraus, dass ein gutes Leben in Resonanzverhältnissen möglich sei. Damit gemeint ist, dass man alles nur "um der Sache selbst willen" tun solle, um durch die "Rückschwingungen" der Sache belohnt zu werden und damit der Entfremdung des allgemeinen "Fortschrittsglaubens" zu entgehen.

Mit Soziologie hat das freilich nur soweit zu tun, wie daran ihre Bodenlosigkeit offenbar geworden ist. Aber wie ist es möglich, dass ein anerkannter Wissenschaftler seine Wissenschaft selbst abschafft, dass sich ihr Erklärungsanspruch in buddhistisch anmutenden Glaubensssätzen aus dem 5. Jahrhundert auflösen lässt? Es hatte wohl schon damit begonnen, dass Soziologie sich als eine eigenständige Lehre des sozialen Handelns konstruktivistisch aufstellte und dieses Handeln als Frage der Kommunikation, Motivation und Handhabung in sozialen Verhältnissen anlegte, die im Grunde wie zwischenmenschliche Verhältnisse abgehandelt wurden. Und weil demnach das soziale Handeln auf individuellen Konstrukten beruhen soll, behandelt sie letztlich biologistische Glaubensfragen mit einem gesellschaftswissenschaftlichen Anspruch.