Wachstumszwang

Aus kulturkritik

"In der großen Industrie und Konkurrenz sind die sämtlichen Existenzbedingungen, Bedingtheiten, Einseitigkeiten der Individuen zusammengeschmolzen in die beiden einfachen Formen: Privateigentum und Arbeit. Mit dem Gelde ist jede Verkehrsform und der Verkehr selbst für die Individuen zufällig gesetzt. Also liegt schon im Gelde, daß aller bisherige Verkehr nur Verkehr der Individuen unter bestimmten Bedingungen, nicht der Individuen als Individuen war." (MEW 3, S.66).

Unter der Bedingung der Verwertungslogik des Kapitals kann das Wirtschaftswachstum nur über das Wertwachstum verlaufen. Ein zentrales Argument für das Verständnis der Marktwirtschaft und ihrem Wertwachstum ist daher auch die Notwendigkeit des Kapitalismus, über den Bedarf und das Vermögen der Menschen, also über die Nachfrage hinaus zu produzieren und hierfür Arbeitszeit und Ressourcen der Natur zu verbrauchen. Die Frage, ob dies nur aus einer Gewinnsucht der Kapitalisten, aus dem Drang zum Betrug durch Übervorteilung des Käufers, oder aus der Notwendigkeit eines ökonomischen Widerspruchs der Markt- und Kapitalwirtschaft entspringt, ist zentral für das politische Verhalten hierzu und die Behauptung, dass dies durch staatliche Eingriffe auch leicht zu regeln sei.

Das Einzelkapital kann zwar entscheiden, auf welchem Markt es wachsen kann oder will, aber der Markt im Allgemeinen treibt alleine schon durch das Geldverhältnis und dem daraus erwachsenden Geldumlauf die kurrierenden Preise zum wechelseitigen Knockout an, der nur in der Geldform den Warentausch durch Beschleunigung seiner Umsätze überstehen kann und zum Wertwachstum treibt (siehe Trieb). Das erscheint dann als Geld, das sich vermehrt, während die Waren verschwinden und wird mit Geldschöpfung bezeichnet - so, als ob das Geld selbst seinen Wert vermehren könnte (siehe hierzu Kapitalfetisch).

Dieses "Argument" betrifft den Geldumlauf auf dem einfachen Warenmarkt wie auch auf dem Markt des Finanzhandelskapitals. Ihm vorausgesetzt ist allerdings, dass Geld eine Wertform ist, also immer ein Quantum von menschlicher Arbeit darstellt. Und dem wird mit der Theorie der Geldschöpfung widersprochen, die besagt, dass Geld durch sich selbst, durch geschicktes Verhalten der Geldbesitzer auf den Finanzmärkten zu gewinnen sei, die völlig abgetrennt von der Produktion, also von der Arbeitswelt sich bewegen. Es ist schwer zu verstehen, wie die Preise für Geld dessen Wertmenge tatsächlich bestimmen können, wo doch die Konkurrenz sie immer wieder korrigiert, sie auf ihren Durchschnitt als Wert reduziert (siehe Durchschnittsbildung). Aber gerade diese Konkurrenz beschränkt die Selbsterneuerung des Kapitals, da es seinen Eigenwert im Durchschnitt auf den real gehandelten Warenwert reduziert, und sich als Mehrwert des Geldes nur halten kann, wenn sich die Konkurrenz erneuert. Das verlangt eine Fortwährende Mehrproduktion nur zu dem Zweck, dass das Kapital sich als selbständige Wertgröße des Geldes erhalten kann, die auch den Geldwert als Mehrwert, also als überdurchschnittliche Wertgröße hält. Nichts ist für die Geldbesitzer wichtiger, als dass sie den Geldwert ihres Vermögens halten, der sich beständig durch die Entwicklung der Märkte reduziert. Die Maschinen sind z.B. schon mit dem Beginn ihres Einsatzes wesentlich weniger wert und daher für den Konkurrenten schon auf dem Gebrauchtmarkt erschwinglicher, wenn der Neugerätemarkt keine Marktvorteile (z.B. durch höhere Produktivität) beschaffen kann.

Tatsächlich treibt also die Konkurrenz in der Preisbildung die Preise auf den Wert der Waren zu, die ihren Wert in der Konsumtion aufbrauchen. Ursprünglich, also in der einfachen Warenzirkulation, zwingt sie ja den Warenhandel zwischen Angebot und Nachfrage auf seine Wertform, also auf das Quantum, was an menschlicher Arbeit in ihnen steckt, solange sie auf dem Markt sind. Schon durch den "Händewechsel des Geldes", wie Marx das nennt, stellt es den darin transportierten Wert zunächst zwei mal dar, einmal im Kauf der Produkte, einmal im Verkauf. Im zweiten Fall allerdings ist es auf die vorausgesetzte Wertsumme bezogen (siehe Sozialprodukt), die Geld als reales Allgemeingut vergangender Produktion gesellschaftlich transportiert. Im ersten Fall, beim Kauf von Waren bezieht sich Geld auf das konkrete Bedürfnis nach einem Gebrauchswert relativ zu diesem. Indem die gesellschaftliche Entwicklung sich über die Naturalform des Produktentausches hinaus fortgebildet hat, transportiert Geld einen Reichtum an menschlichen Produkten, der den Wert überhaupt erst wirklich gesellschaftlich existieren lässt, weil es ihn verdoppelt hat, einmal als Gut für den Markt, als Kaufmittel, als Maß des Tauschhandels, einmal als Zahlungsmittel für den Bedürftigen.

Der "Wachstumszwang" entsteht mit der Verwertung der Arbeitskraft, weil diese mehr Wert bildet, als sie kostet. Ihr Preis und ihr Wert sind gegensätzlich bestimmt. Nicht weil die Kapitalbesitzer Betrüger sind, sondern weil unter marktwirtschaftlichen Bedingungen jede Ware das Wert in zweierlei Hinsicht existiert: Einmal als das, was ihre Produktion an Aufwand kostet, und zugleich das, was sie darüber hinaus durch die Nachfrage an Wert realisiert. Einmal repräsentiert sie den Wert, der die Arbeitskraft reproduziert. Zum anderen stellt sie als Produkt auf dem Markt zugleich eine bestimmte Wertmenge darüber hinaus dar und enthält einen Mehrwert, also den Wert von mehr Produkten (siehe Mehrprodukt), der erst real wird, wenn sie verkauft, also als Marktpreis realisiert sind und damit das Risiko, das sie enthielten, eingelöst und aufgelöst ist.

Das Risiko der Produktion in der Privatwelt der Kapitalverfügung löst sich gesellschaftlich nach dem Warenhandel auf, und beginnt sogleich mit dem Dasein von Geldmengen als Mengen von Mehrwert zu "schwelen". Der ursprüngliche Zins stellt diesen als Wertform von Mehrprodukten dar, die als Kapital in die Produktion geworfen werden, bevor sie verkauft sind. Und gerade das verfängt sich durch Kredite, die zunehmend "deckungslos" werden, je weiter sich die Unverkäuflichkeit von Mehrprodukten mangels Geld der Bedürftigen entwickelt. Aus Zins wird Finanzkapital, das selbst nur spekulativ als fiktives Kapital existiert. Die Krisenmechanismen stellen dies dar und bereinigen das Problem der permanenten Überproduktion der teilweise Wertvernichtung, die den Geldwert, der turbulent geworden war, wieder durch Produktvernichtung oder verschäfte Ausbeutung oder durch Wirtschaftswachstum, also durch anwachsende Produktivität der Arbeit stabilisieren ("produktive Zerstörung").

Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes kann sich also nur soweit entwickeln, wie die Masse des Händewechsels von Geld beim Kauf und Verkauf von Produkten auch die Masse seines Wertes und dessen Realisierung ansteigen lässt. Dies fortzutreiben bedeutet, möglichst viel Geld vor seiner Zerstörung zu "retten". das macht den Wachstumszwang aus, der damit selbst unendlich bestimmt ist. Solange der Markt die Wirtschaft bestimmt kann das nicht dauerhaft politisch eingedämmt werden, weil es nur die Geldentwertung, die Inflation totalisieren würde. Von daher wird es unter dieser Bedingung auch keine wirklichen Regularien geben. Die Politik kann nur hie und da Überschäumungen kompensieren. Das Dilemma der Marktwirtschaft aber bleibt total: Was Schaum, was real ist, kann niemand im Vorhinein beurteilen.