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Die Trennung der seelischen von der sinnlichen Wahrnehmung verr�t vor allem ein seelisches Streben, welches diese Trennung im Sinn hat. Es wäre daher besser, dem einen eigenen Namen zu geben (was in diesem Text allerdings nicht durchgehalten wird): Psyche.
Die Psyche n�hrt sich aus dem Gegensatz der Wahrnehmungen, also daraus, dass sie Gegensinniges lebt, um sich beisammen zu haben. Sie vervollst�ndigt ihre Identit�t durch die Bewegung in diesem Gegensatz ihrer Empfindungen, indem sie diese �berhaupt nur noch f�hlt, sich in einem gemeinen Selbstgef�hl von ihrer eigenen Sinnlichkeit, von der Eigenst�ndigkeit ihrer Sinne l�st. Sie lebt das Getrennte durch sich als eine Wahrnehmung, die zwischen Sinnlichem und Seelischem springt – manchmal auch zwischen mehreren Psychen (z.B. als "multiple Pers�nlichkeit“).
Nat�rlich will sie das nicht; die Psyche kann zwar die Wahrnehmung beherrschen, aber sie ist kein Herrschaftsinstrument und hat durch sich selbst keinen Zweck, der einer �u�eren Macht entspringt. Sie stellt nur deren Wirkung als eigene Notwendigkeit dar, als seelische Notwendigkeit. Man muss es daher jetzt umgekehrt formulieren, subjektiv: Weil ein Mensch immer alles in sich tr�gt, was ihn wahrnehmen, erkennen, sein l�sst und weil alles andere er nicht ist, also fremder Stoff, fremder Sinn usw., h�lt er sich in einem Zustand der Entfremdung dergestalt beisammen, dass er die Verbindung seiner Sinne trennt. Wenn der eine Sinn (z.B. Geschmack, Geh�r, Liebe, H�uslichkeit usw.) nichts vom anderen wei�, so kann er ihn auch nicht mit seinem Wissen st�ren. Jedes Wissen gr�ndet auf der Selbstgewissheit der Sinne, auf der gewissen Wahrnehmung, welche wiederum auch nur durch das Zusammenwirklen der Sinne entsteht. Man kann sich einer Empfindung nur dadurch gewiss sein, solange sie einer anderen nicht widerspricht. Vom Standpunkt eines Sinnes, den eine solche St�rung bedrohen w�rde, betreibt die Psyche eine Notl�sung mit einem zweifachen Resultat: Die Sinne funktionieren in ihrem Getrenntsein so, dass sie alle Empfindungen auch zur Psyche bringen; aber geben f�r sich ihre Gewissheit auf. Sie opfern ihre eigene T�tigkeit, ihre Kreativit�t und spontane Selbstgewissheit der Notwendigkeit ihrer Trennung. Durch die Trennung ihres Zusammenwirkens, durch die Entfremdung der Sinne voneinander, wird die T�tigkeit der Sinne, ihre Empfindungen und Einf�lle, entgeistert. Ein Mensch, der im Zustand der Selbstentfremdung leben muss, der kann dies nur, indem er seine Sinne entgeistert.
Was objektiv ein Machtverh�ltnis war, wird daher subjektiv zu einem Zustand entgeisterter Sinnesm�chtigkeiten. Was f�r uns hierbei deutlich geworden ist: Die Psyche unterscheidet sich ganz gewaltig vom Geist, den ein Mensch hat. Nur dadurch, dass wir ihr Wirken kritisch sehen, konnte das klar werden. Es ist der Kern meines psychologischen Wissens, dass die Psyche eine geistige Entfremdung, eine geistige Abt�tung darstellt. Und das hei�t umgekehrt, dass Geist durch die Kritik der Psyche lebendig wird – allerdings nur, wo er seinen Sinn nicht verl�sst, sondern wo er ihn befreit (38).
Ein entgeisterter Sinn muss eigentlich nur solange bestehen, solange der Zustand der Selbstentfremdung n�tig ist, solange also die Bedingungen dieses Zustandes auch wirklich existieren. Aber dies zu erkennen macht einige Schwierigkeit: Selbst wenn es zu sehen, zu sp�ren usw. ist, dass sich ein Mensch durch Selbstentfremdung unterwirft und dass diese Unterwerfung durch seine Lebensbedingungen (z.B. Ehe, Familie, Beruf) erkl�rlich ist, ist er nicht nur deren Opfer, sondern auch deren Subjekt. Er hält sein Leben subjektiv darin zusammen. Krisen entstehen daher auch meist erst durch die St�rung solcher Existenz. Aber auch dann ist das Streben nicht einfach. Man kann im Zustand der Selbstentfremdung sein bisheriges Leben nicht einfach sein lassen, als ob man sich einfach "mal neu umschauen“ k�nnte und neues finden w�rde, also neue Empfindungen durch ein neues Leben bekommen könnte. Alles hat seine Geschichte und sein Sein und so kann jede erneuerung nur aus der Aufhebung des Alten erfolgen.
Dies wird dann besonders schwierig, wenn ein solcher Mensch nicht nur einer selbst gegr�ndeten Existenz entwachsen muss, sondern seiner Herkunftsfamilie. Entgeistigte Sinne beharren auf ihrem F�rsichsein, weil ihr Getrenntsein nicht nur objektiver Not entspringt, die auch nur passiv nachvollzogen wird, sondern weil ihnen die Verbindung zur eigenen Sinnlichkeit Angst macht: Ihnen fehlt der Geist des anderen und sie f�rchten daher auch ihre eigene geistige Identit�t, solange sie diese nicht in sich erkennen. Sie haben eine ungemein konservative Kraft, weil sie Anderssein gar nicht kennen und subjektiv gerade dann um sich f�rchten, wenn un wo objektiv ihre Befreiung ansteht.
Ihren Geist erkennen sie f�r sich nur in der Negation. Aber nach dem Motto: Lieber arm dran als Arm ab sind sie lieber stumpf als dass sie ihre Stumpfen zeigen. Es macht sie eher eitel als dass sie dar�ber lachen k�nnten. Sie wollen nichts zur weiteren Geschichte beitragen; �ber sie kann nichts werden, solange sie ihre Negation nicht erleben m�ssen. Und die gibt es nicht als einfaches Anderssein, aber sie besteht in der Verwirrung, in dem seelischen St�rfeuer der Erkenntnis. In dem Sinn, in welchem es gest�rt wird, besteht der Grund der Selbstentfremdung. Die Stimmen bezwingen die Wahrnehmung durch Schuldbezichtigung. Sie wollen ein Gehorchen erzeugen, das nur den Sinn haben kann, dass die Sinne, welche die Inhalte f�r die Stimmen eingebracht hatten, die Regungen und Gef�hle, die zur Verwirrung kommen, entgeistigt und vom Geist eines Menschen ferngehalten werden. In ihm bleibt somit abgeschlossen und vergittert, was au�er ihm nicht zu schaffen ist. Der Geist erkennt, was die Psyche nicht duldet, aber die versteht zugleich auch als einzige Erkenntnisform desselben Menschen, warum ein Gef�hl gegen sie steht. Sie ist selbst im Keller und isoliert, aber sie enth�lt die Sinnesgeschichte eines Menschen als inneren Sinn, der nicht �berwunden werden kann, solange keine neue �u�ere Geschichte so ablaufen kann, dass dieser Mensch sich geistig mit diesem entgeisterten Sinn verbunden erkennt.
Die Befreiung hieraus ist daher ein Pakt mit dem Teufel: Man muss sich auf das einlassen, was einen umbringt. Aber den betreibt man ja eigentlich sowieso schon die ganze Zeit. Man wei� es nur nicht. Es geht also auch um Wissen, durch das erst Gewissheit erschlossen wird. Solches Wissen ist keine theoretisch existente Wahrheitsbehauptung, sondern ein sich bew�hrendes Verh�ltnis von Gewissheiten, die sich so nach und nach bilden. Der Psychologe oder die Psychologin kann dabei lediglich ein formelles Vorwissen haben, das die Chancen dieses Bildungsprozesses erh�ht und unn�tige Irrwege abweist. Auch dieses kann nur aus dem Menschwertdungsprozess des Psychologen hervorgegangen sein. Ist also auch kein "Mehrwissen“, dem man einfach nur folgen m�sste, sondern begr�ndet sich aus einfachstem Vertrauen in seine bzw. ihre Person.
Das Verh�ltnis, das Psychologie in diesem Entfremdungszusammenhang eingeht, kann nicht psychologisch sein, wenn sie sich einmischt. Es ist als Schutz vor den Wirkungen der Psychen zu verstehen. Der Psychologe oder die Psychologien zeichnet sich einzig durch die Kritikf�higkeit aus, die gegen die Selbstentfremdungsmacht der Psychen steht, bzw. gegen ihr Reproduktionsbed�rfnis von Selbstentfremdung. Die gr��te Schwierigkeit darin ist, dass dieses erste kritische Verh�ltnis in eigener Sache vom praktischen her selbst fremd bestimmt ist. Zun�chst braucht man einfach nur seine oder ihre Hilfe. Die F�rsorglichkeit, die hierbei aufkommt, reproduziert das urspr�ngliche Verh�ltnis der Familie zumindest in diesem einen Sinne geistig. Dennoch denke ich nicht, dass die v�terlichen oder m�tterlichen Inhalte der F�rsorge hierin �hneln. Es ist lediglich das Dasein als Intimus, dem H�chsteigenes anvertraut wird, der hierin eine Affinit�t hat. Ich war in dieser Rolle praktisch wie eine seelische R�ckversicherung und musste da sein, wenn sie aushackte. Das ist neben der sozialarbeiterischen Betreuung aber auch fast die einzige materielle Leistung, die ich zu lesiten hatte. Auch psychologische Arbeit, also die Arbeit im Sinne der Psychologie und ihrer Berufe war nur insoweit n�tig, als man die Absichten und Wege der Psyche kennen und hinterfragen k�nnen muss. Alles andere – und das war eigentlich auch wirklich fast alles – war mein Dasein als Mensch, der zu verstehen und zu begreifen versuchte, was vorging und war mein ewiges Problem, wie ich mich dazu stellen konnte. Es war eigentlich also wirklich nur menschliches Dasein.
Ich kann deshalb auch in keiner Weise allgemein berichten, was da "therapeutisch“ geschehen war, dass sich ihr Leben vom Wahn weg entwickelte. Es gab keine Therapie. Ich kann nur als Chronist berichten, denn was eine Entwicklung ausmacht, die sich freik�mpft, liegt in keiner Bestimmung, die theoretisch zu erfassen ist. Manchmal steckt sie im Alltag, einer besonderen Begegnung (und sei es die mit einem Therapeuten, der sich menschliche Naivit�t bewahrt hat), oft in der Liebe und manchmal auch in der Kunst oder einer besonderen Welterfahrung (z.B. Weltreise). Hiergegen ist alles hier zu Beschreibende zu trocken und zu kn�chern, als dass es f�r die Erkl�rung einer Lebens�nderung hinreicht.
Dennoch will ich auch als Chronist beschreiben, was sich zugetragen hat und zutr�gt. Wozu sonst sollen all diese Gedanken gut sein? Denken ist nicht unbedingt f�r den n�tig, der mitten in einer Geschichte steckt – oft gen�gt Erfahrung, Intuition, irgendetwas Tun usw. um darin weiter zu kommen. Eigentlich waren die Gedanken nur f�r mich unabdingbar, der ich vor vielem mir v�llig Fremdem stand, das ich verstehen wollte, weil es mir teilweise nahe kam, teilweise fern war, und weil ich Leben und Erkennen so verzwickt ineinander verwoben kennen gelernt hatte, dass ich es auch hier studieren konnte.
Auch bin ich ja Psychologe geworden, um Psychologie zu kritisieren. Und das hatte ich nie theoretisch verstanden. Ich musste die seelischen Zusammenh�nge wie jeder Psychologe nachvollziehen, um mich verhalten zu k�nnen, um mich auf sie in einer solchen Rolle beziehen zu k�nnen, um als leibhaftiger Dolmetscher f�r sie und doch ehrlich f�r mich sein zu k�nnen. Man ger�t sehr leicht selbst zu einem Mittel seelischer Zwecke. Oft war ich selbst an der Kippe, wenn ich in einem Gef�hl angesprochen war, dem ich nichts entgegnen konnte. Ich musste wenigstens begreifen, woher es vielleicht kommen konnte und wohin es zielte. Als Maria sp�ter alleine wohnte, wurde ich auch manchmal nachts gerufen und musste mich in Situationen verhalten, in denen ich mich eigentlich nicht auskannte, in denen ich jemand war, der ich nicht sein konnte. Aber ich musste etwas tun. Als Alternative stand immer nur der Absturz in die Psychiatrie oder t�dliche Verzweiflung.
Psychologie urteilt und beurteilt und entnimmt dem ihre therapeutische Strategie (39). Eigentlich sind es nicht einmal Urteile, wenigstens nicht im urspr�nglichen Wortsinn: Ur-Teil. Ein Psychologe oder Psychiater urteilt nicht, er konstatiert. Er nutzt seine Situation, seine Unbetrefflichkeit und sammelt Merkmale (40). Nur sagen die �berhaupt nichts �ber das Leben der Menschen aus. Oder genauer: Sie machen diese Erscheinungen zu einem Subjekt des Urteils und die Menschen zu nichts.
Die Therapie besteht dann aus Konstruktionen, die neue Situationen erzeugt, in der dann mit Sprache, Assoziation, �bertragung usw. gearbeitet wird. Sofern die Sprache trifft, die Assoziation Einf�lle erzeugt, die �bertragung reproduziert usw. kann ein Mensch vielleicht sogar irgendetwas damit anfangen. Er kann dabei aber auch in eine ungeheuerliche Irre geleitet werden, wenn der Psychologe all zu sehr urteilt, zu flei�ig seine Geschichten in einem anderen Menschen assoziiert oder auch nur zu objektiv ist, um Subjektives sein lassen zu k�nnen. Aber was dies dem einen oder anderen hilft oder nicht, beim Wahnsinn funktioniert das alles �berhaupt nicht. Das l�sst die Chemie der Psychopharmaka eben auch so m�chtig sein: Die Not des Faktischen ist oft �bergro� und das Wissen hierzu klein und oft auch verf�lscht. Das hat Folgen, besonders, wenn das Empfindungsverm�gen durch Psychopharmaka kaltgestellt wird.
Ich hatte es anders machen wollen: Ich war einem Erkenntnisproblem auf der Spur, aber einem, das nicht theoretisch, sondern unmittelbar wirklich und praktisch ist. Nat�rlich musste ich zun�chst genauso �u�erlich vorgehen, wie es eine Situation verlangt, in der ein Mensch aus einer g�nzlich anderen Welt kommt, von einem Verstand erhofft, der ihn gar nicht verstehen kann. Die Reihenfolge der Arbeit, welche die beiden letztlich zusammenf�hren kann, ist damit auch jenseits von ihnen l�ngst gesetzt, bevor sie sich �berhaupt begegnen. Das ist n�tig und versteht sich von selbst.
Die erste Arbeit war also auch gewesen, den Sinn des Gew�hnten zu entdecken, der im Wahnsinn blind eingegangen war. Es stellte sich heraus, dass er einem Schuldgef�hl entsprach, das Maria in ihrer Familie ebenso hatte wie jetzt und das sich in ihren Lebensverh�ltnissen damals wie heute best�tigte, wiewohl die Lebensbedingungen sich vollst�ndig unterscheiden. Damals war es in ihrer Herkunftsfamilie, heute ist es in ihren Beziehungen als Auszubildende in einer Gro�stadt. Dadurch, dass dieses Gef�hl nicht mehr unmittelbar irgendeinem wirklich vorhandenen Verh�ltnis entspricht, sondern einem Verhalt, hat es einen objektiven Charakter, der nicht einen einzelnen bestimmten Sinn hat. Es ist ganz im Gegenteil das Gef�hl, das in einem Verh�ltnis aufkommen muss, in welchem ein Sollen allgemein und unbestimmt gesetzt ist. Dieses Sollen wiederum ist objektiv wie subjektiv zugleich: Subjektiv n�tig, damit Beziehung entsteht und sein kann, objektiv dadurch, dass Beziehung unter Bringschuld steht, und daher zuleich unerf�llt, negative Beziehung ist. Die Nichtigkeit, welche das Schuldgef�hl in der zwischenmenschlichen Beziehung vereint, steckt in der Unerf�llbarkeit, in einer nicht erreichbaren Wirklichkeit der Bieziehung dieser Menschen. Ist sie anfangs noch im Versuch positiv als Hoffnung auf ein Werden, so ist sie mit zunehmender Wirklichkeit zugleich negativ, schwindend in eine Angst, die allem schon vorausgesetzt war und alle Versuche und Versuchungen jetzt ereilt. Sie macht den Grund, warum die Beziehung in ihrem Widerspruch verharrt.
Aber diese Angst ist kein Gef�hl. Best�nde sie als solches, so w�re sie auch im ganzen Verhalten bestimmend, nicht nur im Ohr. Und vor allem h�tte sie sich auf ihren Sinn befragen lassen. Aber diese Angst existiert quasi nur theoretisch. Es verlangt eine Denkleistung, den Widerspruch solcher Beziehung aus ihrer Wirklichkeit zu erschlie�en und die Angst darin zwar nicht zu f�hlen, aber zu wissen. Es macht �berhaupt keinen Sinn, die Beziehung als Gef�hl selbst zu verfolgen. Vor allem hat dies keinerlei Geist. Der steckt einzig in der Angst. Im Unterschied zur b�rgerlichen Psychologie, wo die Gef�hle f�r sich sprechen und die Verh�ltnisse nur als Erscheinung von Gef�hlsbeziehungen angesehen werden, hatte ich in einem Gef�hl �berhaupt erst das Verh�ltnis der Angst zu entdecken, worin Maria sowohl im einzelnen war wie sie auch dieses Verh�ltnis allgemein versp�rte, aber nicht als ein ihr fremdes Verhalten erkannte. Sie versp�rte keine Angst, weil es ihr gar nicht eng werden konnte (Angst bedeutet als Gef�hl Enge, Angustia). Und sie verhielt sich nicht danach, weil ihr nichts Angst machte. Wie bereits gesagt, l�ste sie die Angst in einer doppelten Unterwerfung sowohl im Verhalten wie im Verh�ltnis selbst auf. Die Gefangenschaft darin war ihr recht. Wenn sie nicht darin auch wirklich gewesen w�re. Die Wirklichkeit besteht aus dem ganzen Gef�hlszusammenhang, der sich darin dann nat�rlich auch wieder ausbreitet – nicht als Erinnerung von fr�her, sondern als Logik der Beziehung. Umgekehrt muss sie ja ihren Geliebten auch die Schuld unterstellen, die sie f�r sich in solcher Beziehung versp�rt. Sie w�re vollst�ndig entt�uscht und desillusioniert, wenn sie entdecken m�sste, dass dem gar nicht so ist. Und nur, weil und solange diese Desillusionun unertr�glich ist, wird der Schein gewahrt. Der Knackpunkt der ganzen Chose steckt im Selbsterhalt solcher Scheinwelt und der Notwendigkeit, sie in einer bestimmten Lebenssituation auch haben zu m�ssen, um �berhaupt mit Menschen erkennend zusammen zu sein.
Obwohl Maria auf der einen Seite in ganz bestimmten Lebensverh�ltnissen mit ganz bestimmten Gef�hlen gefangen war, hatte sie zugleich f�r Ihr Leben und f�r ihre Liebe nichts anderes als eben diese Gef�hle, durch welche sie dieselben Verh�ltnisse wiederum h�tte erzeugen m�ssen, von denen sie ausgegangen war und an denen sie litt. Und das ist ja gerade der Grund der "Krankheit", dass es f�r einen Menschen nur eine Verwirklichung gegen sich gibt, eine Verwirklichung des eigenen Feindes, den jemand zugleich als scheinbar eigene Welt leben musste. Das Problem jener Verh�ltnisse, in denen sie abh�ngig war, ihr Beziehungsproblem, war also zugleich auch ihr Erkenntnisproblem, denn ohne die Durchbrechung jener Gef�hle kann sie auch nur die Verh�ltnisse wieder erreichen, die dem Wahnsinn entsprechen. Sie kannnte sich schon aus, mit dem, was sich an diesem Wissen vorbeischlich. So war es doch das Ziel b�rgerlicher Therapie, den Wahn zu beseitigen und das "normale Leben“ ertragen zu lernen, also zu lernen, diese Verh�ltnisse ohne Wahn, aber eben auch ohne Sinn dieses Leidens, durchleben zu k�nnen.
Nat�rlich hat der Wahn unmittelbar keinen anderen Sinn als den, den er hat. Es ist das Leben, f�r das es keinen wirklichen Sinn, keine Empfindung gibt. An ihrer Stelle erscheint die Psyche unmittelbar im Gef�hl. Sie tritt an die Stelle, welche sinnlich wahrgehabt wird, ohne dass hierf�r ein Wahrnehmungsorgan besteht. So besteht das Leben fort als Ahnung, Sehnsucht, Verlangen usw., ohne sinnlich existieren zu m�ssen. Der Wahn ist von dieser Seite und unmittelbar und praktisch eine Art �berlebensstrategie f�r sinnliche Konflikte, die sich nicht wirklich aufheben oder aufl�sen lassen. Insofern sind sie darin mittelbar allerdings auch enthalten – eben durch die Angst, die sie enthalten.
Die Situation ist jetzt erstmals klar: Man ist wirklich entgeistert, wenn etwas auftritt, was man nicht f�r m�glich gehalten hat. Es ist dieser Zustand des Wahnsinns eine wirkliche Form der Entgeisterung. Die Welt war in diesem Sinn nicht f�r m�glich gehalten worden, weil es bisher nur eine Scheinwelt zu dem war, was jetzt gewiss wird. Die Frage nach �nderung dieses Zustands wird so zur einfachen Frage nach der Sinnesm�chtigkeit, welche die eigenen Sinne entgeistert sein l�sst. Aber um sie zu erkennen, darf keine neuerliche Lebensbehauptung entstehen, keine neue, wenn auch therapeutisch gekleidete Macht eingef�hrt werden. Jetzt muss es den Moment geben, in welchem der oder die Betroffene wirklich in irgendeiner Weise zu sich kommen kann. Dies ist zum einen eine existentielle Situation: Nur wo die Existenzbedingung des Lebens nicht mehr subjektiv bestimmt, sondern zumindest objektiv "geregelt“ ist, kann �berhaupt etwas vom Wahnsinn wahr werden. Zum anderen muss es dem Betroffenen m�glich gemacht werden, die einzelnen Gef�hle wie z.B. Liebessehnsucht, das Stimmenh�ren, das Schuldgef�hl und das Verfolgungsgef�hl auf die Verh�ltnisse zu bringen, die darin empfunden werden, sie erst mal in diesem Zusammenhang anzuerkennen. Aber das kann nicht durch die Gef�hle geschehen – die m�ssen immer anerkannt sein, was auch immer sie enthalten –, sondern im wirklichen Lebensprozess als Bejahung all seiner Bestandteile. Die Aufdeckung dieser Zusammenh�nge war also zuerst theoretisch wichtig, um Sprache zu finden, ein Bewusstsein dar�ber zu erlangen, dass es Zusammenh�nge gibt. Es war dies keine konkrete Erkenntnis, keine Gewissheit und kein Lebensfortschritt, sondern nur insgesamt eine Entlastung f�r das Gewissen: Der Wahn hat keine Schuld; er hat einen Sinn! Auch wenn das nur folgerichtig zu verstehen war und auch nicht schon berwahrheitet werden konnte, so entwickelte dies das Verlangen und die Kraft, solchen Sinn auch leben zu zu wollen – und irgendwann es zu k�nnen.
Es war somit zwar erst mal nur theoretisch m�glich, die Selbst�ndigkeit des Geh�rs zu relativieren und die Verbindung zur Wahrnehmung �berhaupt wie ein Gleichnis zu verstehen, das Lebenszusammenh�nge beleuchtet und das vor allem mitteilt, dass all dieses nicht nur fremd ist, sondern auch eigenen Sinn verr�t. Das Verstehen der Gef�hle des Ohrs, der Verstand des Geh�rten also, er�ffnet nur dadurch einen Weg zu anderen Sinnen, dass diese eine neue Aufmerksamkeit bekommen. Denn was der eine Sinn versp�rt, kann der andere vielleicht irgendwann empfinden. Indem hierbei ein Bewusstsein von erlebten Zusammenh�ngen entsteht, eine Br�cke zwischen Tag und Nacht, wie sie manchmal bei der Traumdeutung erfolgt, dann wird das Leben auch anders erkennbar. Die offene Deutung er�ffnet auch Konflikte, die sonst nicht stattfinden, wenn die Deutung von dem Betroffenen ausgeht, an dem alleine sie sich auch als richtig oder falsch erweisen kann. Eine andere Wahrheit gibt es nicht.
Man k�nnte verk�rzt sagen, dass der oder die Betroffene einen Beistand f�r seine Erkenntnisprozesse braucht, durch einen Menschen, dem diese Erkenntnisse etwas sagen, weil er selbst sein Leben erkennen will. Und Leben erkennt der Mensch nur im Menschen. Zugleich wird solche Erkenntnis von einem Bewusstsein der Verh�ltnisse getragen, in denen Leben verkannt wird. Das sind wirkliche Urteile, die einen neuen Erkenntnisprozess begr�nden: Alles hat Sinn, was du tust; also tu nur, was dir Sinn gibt. Somit wird ein gegenst�ndlicher Grund, eine objektive Lebensweise begriffen, die Leben sinnlos macht, wenn man ihr folgt (und welche wohl in die Familienideologie eingegangen war). Das ist die theoretische, die ideologiekritische Bedingung, durch welche die Er�ffnung eines eigenen menschlichen Lebens �berhaupt erst versucht wird und Selbstentfremdung als �berwindbar erscheinen kann.
Es ist dies zugleich der theoretische Grund, dass ein Gef�hl, diese Verh�ltnisse nicht erreicht zu haben, sich also vor allem ihm gegen�ber als seinen Mangel zu versp�ren, �berhaupt kritisierbar wird. Es er�ffnet sich somit, dass Verh�ltnisse der Schuld und Verfolgung wirkliche Verh�ltnisse sind, Verh�ltnisse, die begr�ndet sind durch die Menschen, welche darin leben, und dass es einen Unterschied von den Menschen gibt, die daran leiden und jenen, die daran nicht leiden. Denn wenn das eigene Leid aus diesen Verh�ltnissen begr�ndet erkannt wird, dann wird es nur aus dem Unterschied begreifbar, dass die Verh�ltnisse selbst daraus bestehen, dass sich darin Menschen wirklich, also wirksam verhalten, deren Leben sich durch jene tr�gt, die es ertragen m�ssen. Es ist die Erkenntnis von Macht und Ohnmacht in Verh�ltnissen, in denen dies nicht erkennbar ist.
T�tigkeit und Leiden machen �berhaupt das Verh�ltnis der Menschen zu ihrer Welt aus, zu ihrem gegenst�ndlichen Leben. Ihre Selbstvergegenst�ndlichung aber betreibt die R�ckbeziehung dieser Welt auf sie, die Notwendigkeiten des Existierens: Das existent sein m�ssen. Es ist festgehaltenes T�tigsein und Leiden, in dem sich die Menschen aufeinander zwischenmenschlich beziehen. Es ist der einzige Unterschied, der hier interessiert, warum jene Menschen, die bestimmte Verh�ltnisse nicht erleiden m�ssen, den t�tigen Grund dieser Verh�ltnisse auch verk�rpern, ohne t�tig zu sein und warum jene, die diese Verh�ltnisse nur erleiden, allein darin t�tig sind, sich in ihrem Leiden aufzul�sen. Wie k�nnen Leiden und T�tigkeit sich in den Menschen derart verschmelzen, dass nichts au�er sich ger�t? Wie �berhaupt ist es m�glich, dass Menschen Verh�ltnisse verk�rpern, vertreten, sichern und sch�tzen, die ohne sie entstehen und bestehen, und worin haben sie hierbei ihre Macht? Es ist doch der abstrakteste Gegensatz von Menschen in einem Lebensverh�ltnis, wenn die einen ihre oder diese Welt so wollen, wie sie diese haben und auch best�tigen ohne sie zu erzeugen und jenen Menschen, die durch den Sinn dieser Verh�ltnisse erdr�ckt werden, ohne dass sie darin �berhaupt etwas sind oder darstellen! Die Menschen haben darin noch nicht mal die Funktion, die ihre Existenz abverlangt, und sind doch schon im Widerspruch verfangen. Wie ist all dies, was den Menschen unserer Kultur so zu schaffen macht, �berhaupt m�glich? Die Antwort steckt schon in der Frage: Eben weil sie darin nicht sind, deshalb bestehen sie auch nur durch die Entgegensetzung ihres Daseins. Es reproduziert sich im nicht und nichtig sein ihrer Sinne um eine Welt zu erhalten, die f�r sie keinen Sinn hat. Es ist die leere, die nur abstrakte Sinnlichkeit der Kultur, welche die Menschen darin gegens�tzlich bestimmt, Lebensr�ume erzeugt und Gemeinschaften ausmacht. Bestimmen tut, was das Gegenteil von der Leere ist, also: Alles, was f�llt.
Verr�ckt macht hierbei nicht der Druck der Verh�ltnisse und ihrer Inhalte und Verpflichtungen, sondern die Bedr�ngnis der eigenen Wahrheit. Es ist die Irref�hrung und Sinnest�uschung, die f�r jene Menschen n�tig ist, welche durch ihre Nichtigkeit Macht erheischen, die sie gegen andere durchsetzen, um sich durch deren Leben zu f�llen. Wo Menschen zu ihrem Leben stehen m�ssen (ob sie es wollen oder nicht), da wirkt dass Prinzip nichtiger Macht vernichtend: Sie sind doppeltes Objekt, weil sie in doppeler Objektivit�t gesetzt sind. Einmal leben sie in der Bestimmung der Selbsterhaltung und zugleich leben sie in der Bestimmung fremder Selbstbezogenheit. In der Selbsterhaltung wirken sie als Momente der b�rgerlichen �konomie, in der Selbstbeziehung als Momente der b�rgerlichen Kultur. Beides zusammengenommen macht die Scheinwelt der Gesellschaft aus, die nur durch Geld zuammenh�lt, die lebend abstrakte Gesellschaft, nicht allein die kapitalistische Gesellschaft, sondern die kapitalisierte Gesellschaft, die Gesellschaft als Kapital.
Es sind die Kr�fte der Scheinwelt, die es zu erkennen gilt. Die gr�nden nicht auf Bosheit und Verwerfung, sondern auf Eigennutz, dessen Befriedigung schon vorgegeben ist. Auch die darin gut Situierten bedr�ngen und spalten, f�lschen und betr�gen nicht mit Willen, Wissen und Bewusstsein, – sie haben dies gar nicht n�tig, weil ihr Leben im Vorteil ist und weil dies sie sein l�sst, wie sie sind. Die Leugnung ihres Vorteils ist die einzige L�ge, ihre Macht die einzige Wahrheit, subjektiv wie objektiv. Die Erkenntnis der Gef�hle beginnt mit dem Wissen der Bedr�ngnis und wird erst dann zum Wissen �ber das, was waltet, �ber die Welt, die sie wahr haben. So enthalten sie schlie�lich auch wirklich bestimmte menschliche Verh�ltnisse, letztlich ein Klassenverh�ltnis der Menschen von denen, welche subjektiv die L�ge beherrschen, weil sie ihrem Lebensmittel objektiv entspricht, und denen, die an der Wahrheit arbeiten m�ssen, weil die Verh�ltnisse gegen ihr ganzes Leben steht. So erscheint denn auch subjektiv die Macht derer auf, welche die Wahrheit zu besitzen glauben, und den anderen, welche sie sich erarbeiten m�ssen. Die einen sind nur dadurch lebender Beweis, dass die anderen ihr Leben besitzen, dass sie von ihnen auch wirklich besessen sind. Sie m�ssen die Lebensfrage gegen eine Lebensl�ge stellen und Besitz und Enteignung als M�chte ihrer Selbstentfremdung erkennen.
Wissen hat nur Gewissheit, wo es gelebt wird. Und nur dort kann es sich auch als wahr erweisen. Es kann in der Wissensbildung kein Mensch f�r den anderen arbeiten, da sie immer auch eine T�tigkeit des Gewissens und der Gewissheit ist. Aber jeder kann seine Arbeitsergebnisse dem anderen zur Verf�gung stellen. Meine Ergebnisse sind eher allgemeiner Natur, da meine Gewissheit sich nur auf meine Lebenserfahrung und die darin herausgebildete Logik im Wissen �ber psychische Prozesse beziehen konnte. F�r mich war einfach nur n�tig, mich so zu den einzelnen Ereignissen und Gef�hlen zu stellen, wie ich es mit meinem Wissen konnte. Solches Wissen kann nicht unmittelbar die Geschichte finden, die ein Mensch gehen muss, der diese Gef�hle und Verh�ltnisse wirklich lebt, aber es kann Aufmerksamkeit erzeugen f�r das, was sich erschlie�en, wenn auch nicht unbedingt sogleich beweisen l�sst. Immerhin folgt das Dahinterliegende einer Tatsache immer auch einer Logik, welche Fragen aufzwingt, die sich ohne dieses Wissen nicht erg�ben. Aber es kann auch zur Spekulation verleiten, es k�nnte auch schon durch eine Logik des Spekulierens eine Art "Foulie a Deux“ erzeugen, wenn es alleine in einer theoretischen Kammer so gesch�he. Daher muss sich diese Logik, die Lehre der Zusammenh�nge auch hinterfragen und darstellen lassen. Das bedeutet die Notwendigkeit von wissensechaftlichen Diskussionen. Ansonsten hat Wissen noch keinen wirklichen Sinn. So �ndert sich auch durch die Besprechung von Fragen selbst noch nichts. Weder sind die Verh�ltnisse, noch sind die Gef�hle anders, wenn man sie wei�, noch f�hlt und versteht man sie unbedingt anders, als sie sind. Es kommt drauf an, mit diesem Wissen zu leben und d.h., sein Leben zu wissen. Aber in diesem wirklichen Lebensprozess wird sich einiges ergeben, das so nicht mehr ist, wie es unwissentlich war, und das daher sich �ndern muss, will man anders sein. �nderung bekommt einen Sinn, den sie bis dahin nicht hatte, eine Vorstellung von Zusammenh�ngen, die einen Weg entdecken lassen, der vordem verstellt war, ein Wissen um die Notwendigkeit, die nicht nur entdeckt hat, was sich in der Not wendet, sonders auch, was dem Menschen objektiv wie subjektiv n�tig ist. Nichts anderes ist das Bewusstsein.
Die Unterscheidung des eigenen vom fremden Leben in den Lebensprozessen selbst ist im Bezug auf andere Menschen letztlich Erkenntnis eigenen Seins in einer eigenen Existenz, also Menschsein in der Form, in der man lebt, in der man seine Beschr�nkung, sein Eigentum und seinen Besitz hat, Wissen um das Leben seiner selbst, Selbstbewusstsein. Wird die fremde Macht erkannt, von der das eigene Leben besessen wird, so wird auch erkannt, wie eigenes in fremde Hand ger�t. Es ist dies nicht anders als �berall, wo Eigentum in Besitz �bergeht. So verstanden geht es hier auch um Klassenbewusstsein, um das Wissen der Enteignung; aber das ist nicht die Best�tigung eines vorgegebenen Wissens von Klassenverh�ltnissen (Bewusstsein kann niemals Best�tigung von Wissen sein!). Es ist ein Bewusstsein, das sich nur konkret in der Auseinandersetzung der Erkenntnisinteressen bilden kann. Hinter diesen Interessen steht ein Sein, das den Gegensatz schon als Widerspruch enth�lt und als forttr�gt, will es dieses Sein als Sosein best�tigt erhalten, will es die unbefragt erhalten wie ein Prinzip notweniger Lebensbedingtheit.
Es w�re ein D�nkel intellektueller Absichten, zu glauben, aus einer Arbeit mit einem Menschen m�sste notwendig dieses oder jenes Resultat herauskommen. Das Wissen kann sich nur erweisen und kann so nur den Weg er�ffnen, den ein Mensch auch gehen kann, das sowohl seinen Notwendigkeiten folgt und deren Negation erschlie�t, weil es das N�tige als einfache Lebensfrage wieder auf den Boden stellt, den die Notwendigkeit noch als Selbstverst�ndlichkeit faktisch sein l�sst, un�berwindbar, �berm�chtig. Es geht also nicht um ein Bewusstsein als das Ziel eines vorgegebenen Wissens, sondern um eine Geschichtsbildung aus der Bildung eines Bewusstseins der wirklichen Lebenslage heraus. Die wird bei einzelnen Menschen ebenso wie auch bei den Menschen �berhaupt erst erm�glicht, wenn sich Wissen zu einer Lebenslage mitteilt – und das hei�t: die Verh�ltnisse fremder Lebensbestimmung erkannt werden und die wirklichen fremden M�chte in ihrer konkreten Bestimmung (z.B. als Lebensraum, der pers�nliche Macht begr�ndet) bewusst werden. Solche Bestimmungen kommen sowohl materiell wie auch in den Geistern des allt�glichen Lebens vor. Es sind nicht die Menschen, die Macht per se haben, suchen oder nutzen, wie es im rechten Fl�gel der Philosophie (z.B. Nietzsche) und der Psychoanalyse behauptet wird; es ist die Ohnmacht aller Menschen gegen�ber ihren Sachverh�ltnissen, durch welche Menschen, die Macht ergreifen k�nnen, erst dazu kommen, sie auch f�r sich zu nutzen. Nur weil die allgemeinen Lebensverh�ltnisse aus der bisherigen Geschichte heraus als ein gesellschaftliches Verh�ltnis der Sachen und noch nicht zu einem sachlichen Verh�ltnis der Menschen entwickelt sind, erleiden die Menschen die Welt, in der sie ihr Leben haben, wie ein Monster fremder M�chte, wie zum Beispiel Geld, Konsum, Ruhm, �sthetik und Ehre. Kritik hei�t: Sich unterscheiden. In der Kritik hieran wird das Bewusstsein der Entfremdung zu einem Wissen von der Welt, in der sie als fortw�hrende Enteignung auch wirklich stattfindet.
Das Wissen der Selbstentfremdung bleibt theoretisch, wenn es nicht in einem Bewusstsein der Enteignung zu einer Gewissheit wird, die sich im Lebensprozess sinnlich bewahrheitet. Bis hierhin ist dies noch nicht gew�hrleistet; aber eines ist jedenfalls mit einem solchen Wissen auch jetzt schon erreicht: Die Entgeisterung ist der M�glichkeit gewichen, gegen fremde Geister t�tig zu werden. Die eigene Geschichte wird zum Moment vieler Geschichten, der Gef�hlszusammenhang im isolierten Familienraum, in eingeschlossener Sinnlichkeit, erahnt die M�glichkeit eines anderen Seins schon alleine in der Erkenntnis, dass es vielen Menschen �hnlich geht, dass es so "subjektiv“ gar nicht ist, wie es erscheint, dass es sogar eher vielfach gleich ist, objektiv wie ein Prinzip, das Menschen beherrscht. Eigentlich besteht hierdurch sogar die M�glichkeit der Solidarit�t der Menschen, die sich in subjektiven Machtk�mpfen gegen�ber stehen; eigentlich er�ffnet es die M�glichkeit f�r alle, diese K�mpfe als eine Krisenreaktion zu erkennen, welche die Ursachen der nicht angehen, sondern perpetuieren. Allerdings ist hieraus nur dann zu entkommen, wenn die M�chte, welche Besitzverh�ltnissen entsprechen, mit der Umkehrung dieser Verh�ltnisse, mit dem Verh�ltnis der Eigent�mer auch entsprochen wird.
Wenn bestimmte Verh�ltnisse bestimmte Sinne ausschlie�en, welche genau das Leben tragen m�ssen, das sie gegen sich haben, so sind sie selbst krank und verbreiten auch allgemein ihr Leiden. Wo ein Mensch in seiner Isolation wahnsinnig werden muss, findet er zumindest seine Isoliertheit aufhebbar, findet neue Verbindungen, neue Auseinandersetzungen und auch Lebensinhalte, die ihn von den alten entfernen k�nnen, die neue Geschichten ansto�en und eigene Kr�fte erwecken. Dies alles muss nicht zwangsl�ufig so sein, aber es kann so gehen, wenn die Bedingungen hierf�r da sind. Es k�nnte sogar sein, dass auch die Menschen, die in solchen Lebensr�umen ihr eigenes Leben als fremd erfahren, wenn sie es nicht mehr getragen bekommen, die Kritik der Entfremdung selbst n�tig haben, wollen sie in irgendeinem Sinn weiterleben. In jedem Fall hat die Entgeisterung der Sinne ein sinnvolles Ende in einer wirklichen Begeisterung f�r die Sache der Menschen.
Der w�hnende Sinn als Sinn der Enteignung
Maria und ich waren uns darin einig, dass es verfolgende M�chte gibt, die einen Menschen auch zum Wahnsinn treiben, so er damit isoliert ist. �berall gibt es Kontrollen, welche die Identit�t eines Menschen feststellen und festhalten, oder auch nur beobachten, ob er sich normgerecht verh�lt. Das ist manchmal n�tig, um z.B. den Verkehr besser zu regeln, den Besucher fr�hzeitig zu erkennen oder um eine Tat einer T�tigkeit zuzuordnen. Zur Verfolgungsmacht wird dies, wenn es in einen Menschen subjektiv eingreift, seinen Willen als "Gesinnung“ erforscht, seine Identit�t politisch bewertet oder seine Tat an einem Gesamtwillen des Staats bemisst und anderes mehr. Verfolgung war eben nur subjektiv zu verstehen und auch nur als Verhalten eines Subjekts gegen ein anderess zu begreifen. Objektiv steckt da etwas anderes dahinter. Ein "Verfolgungswahn“ versteckte also auch etwas, um das es "eigentlich“ geht. Und genau das war f�r uns beide von Interesse.
Obwohl diese Einigkeit verschiedene Gr�nde hatte, war sie doch n�tig, um sich auch �ber unsere unterschiedliche Ausgangspunkte hierbei klar zu werden: Obwohl wir beide solche "Realit�t“ kannten, nahmen wir sie doch manchmal mit vollst�ndig unterschiedlichem Sinn wahr. Wir konnten dar�ber reden und mussten beide im einzelnen aus wohl sehr verschiedenen Gr�nden, aber doch auch irgendwie gemeinsam der Frage nach der Ursache und der Kraft solcher subjektiver M�chte nachgehen. Wir hatten sozusagen ein St�ck Arbeit zu tun, die jeden f�r sich in seinen Erkenntnissen weiterbrachte. Maria wollte ihr Leben erkennen, das f�r sie nicht lebbar war, solange es ihr in ihren Stimmen entgegenhallt. Ich war von der unmittelbaren Wirklichkeit von Erkenntnisproblemen �berzeugt, und wollte sie in menschliche Lebensprobleme umkehren (und dies als Kritik der Psychologie betreiben.
Wir redeten viel miteinander. Aber in den Zust�nden, wo sie wirklich Hilfe brauchte, ging es eher um die F�higkeit, etwas in Worte fassen zu k�nnen, dabei wahr zu bleiben, also nicht in irgendeine psychologische Technik zu geraten und sich auch so heiklen Fragen zu stellen, was denn wahr sei, ohne dass dabei Wahrheit festgestellt wird. Meine Arbeit mit ihr war nicht mit Auslegung von Gef�hlsinterpretationen oder Aufkl�rung �ber seelische Zusammenh�nge oder dergleichen befasst. Im Gegenteil. Ich begriff Gef�hle ebenso wie den Wahnsinn selbst als Form der Erkenntnis dessen, was ein Mensch wirklich wahr hat, ohne es wahr zu nehmen. Aber es ist nicht leicht, dieses zu erweisen, besonders dann nicht, wenn die Empfindungen hierf�r fast vollst�ndig abwesend sind. Selbstentfremdung ist nur im Verh�ltnis von Empfindungen und Gef�hlen erkennbar. Wie kann sie sich �berhaupt erweisen, so dies nicht gegeben oder erkennbar ist?
Hierf�r blieb nur ich selbst �brig. Ich musste Empfindungen erzeugen, welche den Wahn durchbrechen k�nnen. Also musste ich an meiner eigenen Selbstvergegenw�rtigung arbeiten und in Situationen der Selbstentfremdung mich als Gegenwart von ihr wahr machen und Sprache bilden k�nnen, an deren Stelle sonst nur W�hnungen blieben. Ich arbeitete also f�r meine eigene Anwesenheit, also eigentlich an mir, w�hrend wir zugleich �ber anderes sprachen. Ich war in meinen Gedanken und Worten, sie in den ihren, und diese Anwesenheit selbst war die einzige Br�cke, der winzige Grad, ihre Isolation zu unterbrechen, solange ich mir und ihr nichts vormachte. Tats�chlich hoben sich die Stimmen in den "�bergangsphasen" oft durch meine Anwesenheit, durch eigenes Sprechen auf, durch Wissen, dass da einer ist, der auch in anderen Zust�nden Gegenwart hat, der anwesend ist, ohne abwesend zu sein. Der Wahn ist so objektiv, wie der w�hnende Sinn subjektiv ist. Wenn wir uns �ber das, was sie w�hnte, besprechen konnten, war der Wahn aufgehoben – nicht auf Dauer, aber f�r den Augenblick. Wenn sie durch meine Anwesenheit abgelenkt war, so verschwand auch der Hintersinn in den Nischen und Ecken ihrer Seelenr�ume. Was daraus werden konnte, war mir ziemlich unklar. Aber vielleicht war es eben auch nur eine Ablenkung, zumindest aber auch eine Unterbrechung zur Kraftsch�pfung. Und eine Verrschiebung des Zeitpunkts der Psychopharmakaeinnahme. Solange solche Anwesenheit m�glich war, musste sie keine Pillen nehmen, die ihre Wahrnehmung blockierten und ihre Selbstwahrnehmung erniedrigten. Der Zirkelschluss der Wahrnehmung, den sie betreiben und vertiefen, der Abw�rtsstrudel, den sie erzeugen, war so unterbrochen und auch der Wahn selbst unterbrochen. Aber die Lebensbedingung, die ich hierbei ersatzweise darstellte, war f�r mich auf Dauer unertr�glich – logischerweise w�re ich der "gute Ersatz“ f�r die schlechten Lebensbedingungen geblieben, alternative Selbstentfremdung. Am Grund l�sst sich hierdurch nichts �ndern.
Aber auch eine Ablenkung oder Unterbrechung ist ein Ereignis, das Geschichte hat. Es sind wichtige Erfahrungen, in der Lage zu sein, die Stimmen zu bew�ltigen und den Wahn "in die Ecke zu stellen". So war zwar das, was Maria in den Verh�ltnissen w�hnte, nicht unmittelbar und wirklich wahr, aber eben mittelbar in dem, was sie in den Verh�ltnissen fand. Sie war verliebt, wirklich wie jede andere Frau auch, aber konnte ihre Liebe nicht leben; sie war wirklich verfolgt wie jeder Mensch, den man nicht sein lassen will, wie er ist, aber sie konnte ihre Verfolger nicht erkennen. Aber indem dies nicht mit dem Wirklichkeitspostulat der objektiven Gewissheit erschlagen wurde, gab es "ihrer Wahrheit" einen Sinn. Die Kraft, die da st�ndig gegen sie stand, entstand aus ihrem Selbstverlust, aus dem Schwinden ihrer Sinne durch einen Sinn der keiner sein kann. Das ist einfach logisch. Er kann nur etwas sein, was er zugleich nicht ist, weil er zwei in Einem ist: Ein Doppelsinn. Der verfolgende Sinn ist dadurch wirklich (i.S. von wirksam) und ein m�chtiger Sinn, dass er doppelsinnig ist und zugleich die Trennungen zusammenh�lt, die er erzeugt, ein sich selbst widersprechender Sinn, Einheit der Gegens�tze und nur darin sinnlich. Was in der Kommunikationsforschung Doublebind genannt wird und dort auch bestens beschrieben ist (40), das hatte sie "in Leib und Seel“.
War sie von einer Beziehung her bewegt, so zerteilte sich zugleich ihre Selbstbezogenheit in �u�eres und Inneres, in Reflektion �ber sich und Verlangen. In dem ohnm�chtigen Hin und Her ihrer Regungen bezweifelte sie sich jeweils von einem Standpunkt, der den anderen ausschloss. Indem sie diese Positionen der Selbstbedr�ngung �berhaupt wahrzunehmen begann, entstanden Erfahrungen, die sich nicht in ihr unter fremder Einheit verloren und sie insgesamt verfolgten, sondern es entstanden Regungen voller Angst, die immerhin den Gegensatz gew�rtig hatten. Es waren vielleicht die ersten wirklichen Beziehungen, die sie nicht "verschluckte". Das f�hrte dazu, dass sie an ihrem Selbstzweifel gegen�ber der Macht des Faktums ihrer Regungen sich nicht zerzweifeln musste. Die Schuld, die sie sich gab, wurde in diesem Verh�ltnis entweder unn�tig oder st�ckchenweise verst�ndlicher, also realer.
Trennungen, die einem n�tig sind, um Gewissheit zu erhalten – erhalten im doppelten Sinn von bewahren und bekommen – , sind nicht so leicht zu �berwinden durch Verbindungen, die ihre Notwendigkeit gar nicht auf Anhieb erkennen lassen. Sie k�nnen sich nur ereignen. Und wenn sie sich nicht ereignen, so gibt es sie nicht und wenn sie nicht begriffen werden, so erkennt man sie nicht. Der Sinn von Gespr�chen kann daher daran liegen, diese Ereignisse ins Licht zu stellen, ihnen Bedeutung zu geben, weil sie sonst unbeachtet untergehen, verk�mmern und sich durch Lebensroutine ersetzen, welche die Widerspr�che "chronifizieren".
Es ging also um die Entwicklung von Getrennten, um die Trennung zu �berwinden, welche ansonsten diese m�chtige Gegenkraft in Gang setzen w�rde, dies Kraft der Verfolgung, der sie sonst gehorchen muss. F�r sie ging es um die �berwindung der Trennung so verschiedener Wahrheiten wie Liebe und Glaube, Erregung und Sinn, Schuld und Geschlecht und vielen anderen mehr. Sie musste das alles erst in einer Weise entdecken, wie es f�r sie wahr sein konnte. Es war ihre Geschichte und ich h�rte ihr neugierig zu. Sie stellte sich gegen den Wahn mit dem, was sie in unseren Gespr�chen an Sinn finden konnte und es waren ihre Verh�ltnisse, die sie neu �berdachte. Das hatte keinen therapeutischen Zweck und ich war l�ngst kein Psychologe mehr. Das einzige, was ich bewirken konnte, war, dass Maria mit mir f�r eine Zeit lang aus dem W�hnen heraustreten konnte und ihre Geschichte zusammenzuf�gen begann, wie sie zugleich auch begann, eigene Geschichte zu erkennen und zu gr�nden.
In ihrem "Liebeswahn" stellte sich so die Geschichte ihrer Liebe dar. Indem sie diese Geschichte aber zu verstehen begann, verstand sie auch die Formen, durch welche diese Geschichte beherrscht war. Sie erarbeitete sich ihr Geschlecht, welches bisher von W�hnungen und Verzweiflung beherrscht war, weil es in ihrer Geschichte f�r sie nur objektiv, also au�er ihr seiend (z.B. in der Erregung von M�nnern, besonders ihres Vaters) bestand und m�chtig war.
Ihren ersten Freund hatte Maria kennen gelernt, als sie 18 war. In ihrer streng katholischen Familie in den 60ger Jahren galt Liebe f�r "ein M�dchen" als Gefahr – nicht ohne Grund. Au�erdem hatte eine Frau haupts�chlich "Ernsteres" zu tun. So verrichtete Maria vorwiegend Hausarbeiten und war mit der Schule besch�ftigt. Sie war eben "streng erzogen" und sollte die Erregtheiten in der schw�len Heimlichkeit ihres Elternhauses auch dort belassen; – und das hie�: Auf eigene Erregungen zu verzichten. Sexualit�t war von daher f�r sie doppelt verneint: Einmal subjektiv als Erregung, die nicht sein darf, weil sie nur als ab- und eingeschlossene Privatheit in ihr Elternhaus geh�rt; einmal als Frau mit einem Sinn f�r das "andere Geschlecht“, die M�nner nur m�chtig und sich als ohnm�chtig in ihren eigenen Regungen erfahren hat, und von daher ihren eigenen Sinn f�r sie objektiv gegen sich hat. Sexuelle Empfindungen bedeuteten f�r sie unmittelbare Identit�tsbedrohung: Sie empfand darin subjektiv wie objektiv ihren Identit�tsverlust.
Und so war es auch wirklich. Als sie zum ersten Mal mit einem Freund geschlafen hatte, war sie an einer Stelle ber�hrt, zu der sie keine eigene, wohl aber sehr viel fremde Beziehung hatte. Scheinbar wurde sie damit nicht "fertig“, denn es traten gleich danach auch zum ersten Mal diese Stimmen auf, die ihre Gef�hle l�cherlich machten, dar�ber tratschten oder ihr etwas androhten. Das Schuldgef�hl war unmittelbar in den Stimmen da. Es muss also ein Schuldgef�hl gewesen sein, das nicht als wirkliches Gef�hl auftritt, nicht als ihre Schuld an dieser Tat, sondern eine Schuld, die durch sie hindurchgegangen war und sozusagen vom Jenseits an sie appellierte. Dennoch war es ihr ureigenes Gef�hl, ihr Schuldgef�hl, das sich da als fremde Stimme r�hrte, die ihr Schuld machte. Aber das Schuldgef�hl erschien ihr als fremdes Organ, als eine Stimme au�er ihr. Das hatte seine Bewandnis. Nur so konnte sie beides au�er sich setzen: Geschlecht und Schuld. Beides war sinnlich nicht Teil von ihr, sondern Teil einer fremden Bestimmtheit, einer objektiven Welt, mit der sie nichts im Sinn hatte, einer Welt, von der sie ausgeschlossen war, weil sie in ihren Regungen eingeschlossen blieb. Es war die Stimme, die ihre Nichtigkeit gegen die unermessliche �ffentlichkeit ihres Lebens formulierte, ihr nichtig sein in dem, wo sie nicht mal ist. Es war die Welt, die sie f�r sich selbst noch garnicht erreicht hatte, durch die sie aber immer schon bestimmt war – wenn auch im Ausschluss ihrer eigenen Regungen: Die Welt des Sexus, die ihr bisher nur als Bedr�ngnis durch ihre Familie, durch die Ehe ihrer Eltern und schlie�lich durch ihren Vater selbst gewahr geworden ist.
Ich denke nicht, dass es dabei um eine Angst vor eine direkten und unmittelbaren sexuellen Bedr�ngung ging. Das w�re vielleicht noch das beste Verh�ltnis in dieser Lage gewesen. Angst vor Geschlecht haben viele, die damit schon schlimme Erfahrungen gemacht hatten. Aber Maria hatte damit keine schlimmen Erfahrungen gemacht; sie hatte gar keine Erfahrung gemacht, daf�r aber schlimm: Das Geschlecht war der Hintersinn der Not, die ihre Familie ausgemacht hatte. Es war nicht ihr Vater oder ihre Mutter, die sie in diesem Sinn positiv oder negativ bedr�ngt h�tten; es war die Not jener Ehe, die ihr Leben bestimmt hatte: Der Hintersinn ausgeschlossener Geschlechtlichkeit. F�r die Heranwachsende gilt dieser Hintersinn objektiv. Was ausgeschlossen war, kann nur au�er ihr sein. Was Maria der �ffentlichen Welt unterstellte, war das, was ihre Mutter zu ihrem Vater war: Zwiespalt von Urteil und Hintersinn. Es war nichts davon wirklich �ffentliche Welt, sondern ihre Welt, die sich so ver�ffentlichte. Was sie f�hlte und was sich in ihr tat, war die Ausschlie�lichkeit ihrer Regungen, die sich nur dadurch auf andere Menschen beziehen konnte, dass sie ihre Stimmung als Stimmen h�rte, dass sie h�rte, wie sie sich in ihrer urspr�nglichen Welt gef�hlt h�tte, wenn sie dort getan h�tte, was sie hier tat. Dadurch, dass sie zum ersten Mal einer eigenen Regung nachgegangen war und "zur Tat geschritten“ ist, die faktisch nicht mehr zu leugnen ist, weil "Geschlechtsverkehr stattgefunden hatte“, stand sie zwischen der Offensichtlichkeit ihrer braven Haushaltswelt und der abgr�ndigen Gewalt verheimlichter Todesdrohungen durch das Lebensverh�ltnis ihrer Familie, wie sie es bisher erlebt hatte, ohne es zu leben. So "pflanzt sich fort von Geschlechtern zum Geschlechte“ (Goethe, Faust), was eine abgetrennmte Welt an Trennung auch bewahrt, weil die Abtrennung in den Menschen selbst �bermittelt bleibt, wie ein Hintersinn, der dadurch sinnlich bleibt, dass die eigenen Sinne ihn brauchen, um in ihrer hergekommenen und �berkommenen Identit�t zu bestehen. Solange sie also vor allem in der Isolation eines Individuums bestehen m�ssen, hat ihre Hintersinnigkeit auch Bestand. Nur wo Individualit�t nicht existenznotwendig ist, wo sie nicht vollst�ndig f�r sich bestehen k�nnen muss, da kann sich eine solche Identit�t auch �ndern.
Menschen k�nnen sich auf vielerlei Arten erkennen. In der Arbeit verhalten sie sich �ber ihre T�tigkeiten und erkennen darin ihre F�higkeiten, Sinnbildungen usw. Die Liebe ist wohl eher ein Verh�ltnis, worin die Menschen sich nicht �ber ihre sachliche Beziehung treffen, sondern weil sie sich leiden k�nnen und weil sie einander leiden im urspr�nglichsten Sinn des Wortes (Leiden heisst sinnlich sein). Sie ist wohl das einzige Verh�ltnis, worin ein Mensch einen anderen dadurch erkennt, dass er sein Leben im anderen wei�. Beide haben sich n�tig. Es ist also eine n�tige Beziehung, nicht unbedingt eine notwendige. In der Liebe ist vieles "zum Verwechseln �hnlich“, was jenseits davon sich nicht verstehen lie�e, was f�r sie aber n�tig ist, sei es f�r die Beziehung zu einem bestimmten Menschen, f�r die Selbstliebe oder f�r die allgemeine Menschenliebe. Als Lebensbedingung der Familie ist Liebe neben den Belangen des Haushalts die wichtigste Notwendigkeit. Das �ndert sie schlagartig; sie kann zu einem Ding oder einer Funktion ersterben oder �ber die beschriebenen Verwechslungen auch Scheinwelten (und das hei�t hier: falsche Identit�ten) erzeugen – besonders wenn darin auch Menschenliebe und Selbstverliebtheit im Verh�ltnis der Familienangeh�rigen verwechselt werden. Eine enge famili�re Abh�ngigkeit macht den Kindern die Liebe ihrer Eltern untereinander und die zu ihren Kindern zur Lebensbedingung. Ein Kind, dem dies zu einer fremden Bedingung geworden ist, kann sich auch nur als Moment der bedingten Beziehung auf seine Eltern erfahren, kann sie nur unter dieser Bedingung lieben. Seine eigenen Regungen d�rfen unter solcher Bedingung nur bedingungslos erscheinen, wie ein Ereignis, das sich gerade dann ergibt, wo es sich auf nichts bezieht. Es darf ja nichts anderes sein, es darf keine Beziehung haben und es ist daher schon bei seinem Auftreten schuldig, wenn es sich dennoch bezieht. So muss schlie�lich ein Kind, das seine eigenen Regungen als Beziehung auf andere wahrhat, dieses Gef�hl der Bezogenheit als schwere Schuld an seinen Lebensbedingungen, als Liebesschuld am Leben seiner Eltern erkennen.
Liebesschuld als Lebensbedingung ist der Untergang jeder Liebe, bevor sie entstehen kann, ist ihre Negation im Vorhinein. Somit erzeugt eine Liebesschuld aus der eigenen Geschichte heraus eine Liebesangst f�r alle weitere Geschichte. F�r den darin lebenden Menschen erscheint es das Nat�rlichste, bei der Schuld zu bleiben, um die Angst nicht als eigenen Lebensausdruck erkennen zu m�ssen; sie ist immerhin die noch lebende Negation. Die Schuldgef�hle werden so zum geistigen R�ckzug aus einer Wirklichkeit voller Angst. Aber weil alles zugleich lebt, treiben die Regungen immer wieder zur Verwirklichung und werden daher auch in einem wirklich existierenden Akt, in einem wirklich existierenden Verh�ltnis manifest und als Lebensbedrohung erlebt – und sei dieser Akt auch nur faktisch durch die Vereinigung der Geschlechtsorgane selbst existent. Ich habe von ihr nicht erfahren k�nnen, ob oder dass sie zu diesem Mann eine innere Beziehung hatte, die �ber die scheinbar allgemeine Verpflichtung hinausging, etwas in einem Alter zu tun, in dem es alle tun und: Niemanden dabei zu entt�uschen. Das eigentlich Verwunderliche ist, dass fortan das blo�e Fakt das Verh�ltnis beherrscht: Die Begebenheit, die Anwesenheit eines Ereignisses, das wie ein Postulat des Soseins ist, welches Schuldgef�hle wie Sinnesst�rme entfacht. Es war also nicht so, dass sie ihren Regungen wirklich nachging, sondern dass sie Erregtheiten teilen musste, nicht "entt�uschen“ wollte, was dem gleichkommt, dass sie ihrer Selbstt�uschung kein Ende setzen wollte (Ent-t�uschung meint: aufgehobene T�uschung). Dadurch, dass sie zu diesen Regungen kein Verh�ltnis hatte, war sie von einem Verhalten �berw�ltigt, in dem sie das absolute Schuldgef�hl �berkam, die Macht eines vollst�ndig abstrakten Verh�ltnisses, in welchem sie ja "nur das tat, was sie sollte“ und daran litt, dass sie es vielleicht auch wollte, dass sie Angst hatte, dass sie es �berhaupt auch als ihr eigenes Leben – wenn auch nur "irgendwie“ – anerkannte. Enteignung setzt eben immer auch Eigenes vorraus. Und wenn es in einen fremden Sinn ger�t, in einen Akt der Entfremdung, so ist es die Basis eines entfremdeten Selbstgef�hls, das nur in der aktiven Negation des Selbstgef�hls besteht. Das ist vielleicht dieser Verhalt das, was hier schwer zu verstehen ist. Wie kann eine Negation aktiv sein, leben, wirken, sich fortbestimmen, wo das Nichts doch keinen wirklichen Grund haben kann?
Was im Wahnsinn wie die �u�erung eines mystifizierten Lebens, wie eine Stimme aus dem Jenseits der Erfahrung erscheint, hat im eigenen Tun einen wirklichen Sinn: Es ist vollbracht, was nicht wahr sein kann. Und das scheint nun auch erst den Wahn zu begr�nden. Am eigenen Tun wurde Maria wahnsinnig. Das ist Fakt. Aber darin stehen Ursache und Wirkung in verkehrter Folge. Die Stimmen gemahnen an die unwirkliche Wirkung des Tuns, die Wirklichkeitsverachtung, welche der Hintersinn der einstigen Familie betrieben hatte, indem sie dessen Stimmung als seelische Meinung �u�ern und sich auf die Vordergr�ndigkeit des wirklichen Geschehens negativ oder positiv, ver�chtlich oder mit Bewunderung einlassen. Die Stimmung in welcher der Hintersinns eines vergangenen Lebens fortbesteht, ist ein Grund ohne wirklichen Boden, ein Grund ohne Folgen, weil er keine Voraussetzung hat, voraussetzungslos erscheint. Alles was geschieht, erfolgt mit Schrecken vor dem, das es eigentlich nicht sein kann. Wirklich genommen ist der Wahnsinn dieser Schrecken, den man nicht einfach annehmen kann oder meidet. Er ist ja einfach nur so da (43).
F�r den Wahnsinnigen ist das hart: Das Tun selbst erscheint jetzt umgekehrt als Grund dieser Mystifikation des Wahns. In den Schuldgef�hlen, die ihm folgen, vergegenw�rtigt sich eine Macht, die �ber das Leben fortbesteht und es beherrscht, die unab�nderlich erscheint wie ein Naturereignis oder ein nicht enden wollendes "Schicksal“. Und diese Herrschaft tritt dann wirklich, also sinnlich wirkend auf, wenn die Sinnesorgane dadurch ber�hrt sind, dass es ein Verh�ltnis gibt, worin sich Eigenes formuliert; und sei es auch das Eigene, das zugleich ein fremder Mensch besitzt. Dieses Eigene in fremdem Sinn macht die Verwirrung aus, die sich in den Stimmen aufl�st, die sie wie eine Ordnungsmacht erscheinen lassen. Dem kann Maria nicht begegnen. Somit wird ihr die Liebe oder was sonst alles als Inhalt der Beziehung mit im Schwange war, wieder zu dem, was sie vordem wahr: Lebensangst. Der Kreis bleibt in einer schlechten Unendlichkeit geschlossen, solange diese Angst keinen Ausweg in einem Leben mit Menschen erf�hrt, denen Lebensangst nicht n�tig ist (41).
Maria war zun�chst voller Angst gegen�ber jedem wirkliche Geschlecht, und jede Beziehung, die sie einging, nahm sie nur mit dem Gef�hl auf sich, etwas Absonderliches zu tun. Sie lebte dann auf, aber die Stimmen verachteten sie sogleich. Daneben gab es "das normale Leben“ oder besser: Die H�rte des Lebens. Es bestand aus einem blinden Alltag mit leeren Strukturen und Forderungen, die allesamt die M�glichkleit eigener Existenz betrafen. Und die war schon von daher wichtig, dass sie die Bedingung war, sich aus der Geschichte heraus zu entwickeln. Unter einem ungeheuren Zwang zur "Normalit�t" versuchte sich Maria aufrecht zu erhalten. Da war sie selbst strenger als jeder ihrer f�rsorglichen Berater und ihre Eltern, die ihr so ziemlich alles absprechen wollten, was irgendeine Lebendigkeit f�r sie hatte – und sei es auch das Zigarettenrauchen. Es war ihre einzige Chance, ihrer Familie wirklich zu entkommen.
Maria lebte demzufolge zun�chst auch ziemlich getrennt von jeglichem Geschlechtsleben, besonders nachdem sie "hierdurch verr�ckt geworden“ war. In unseren Gespr�chen hierzu bekam ich wenig zur�ck. Ihr ging es nicht um Liebe; die Verliebtheiten waren schon schlimm genug. Sie tr�umte einfach davon, einen Mann zu haben, wie auch immer. Was sie sich darunter vor allem vorstellte, war ein Mann, der die Verk�rperung einer starken Ordnung, existentieller Macht und m�nnlicher F�rsorge sein sollte, ein Mann, der bereit war, an die Stelle ihres Vaters zu treten und ihr die Trautheit eines Familienlebens mit Kindern bieten konnte. Sie wollte in "ihrem Mann" auch ihren Lebensgaranten und Lebenstr�ger. Sie wollte auch mal getragen werden.
Doch dies schien ihr nun vollst�ndig unerreichbar, zumal ihr von ihren Psychiatern zugleich anempfohlen wurde, auf ein solches Leben zu verzichten, denn – so lie�en die durchblicken – eine Schizophrenie gilt als vererbt und man wei� ja nie, was dann aus den Kindern werden k�nnte! Die Psychiater hatten sie aufgegeben. Sie g�nnten ihr nur scheinbar den Lebensgaranten. Vielleicht k�nnte er ja auch ganz praktisch sein. Aber "als Mann" k�nnte er sie soch irgendwann einmal auch wieder verwirren. Besser sei eine Abstinenz meinten sie, eine Gesundheitsgarantie durch die Lebenssubstitute, welche sie in ihren Neuroleptika sahen. Sie waren ganz wie die Eltern eingestellt.
Aber Pillen sind nicht nur Surrogate, sie sind praktische Lebensbek�mpfung, Gewalt gegen die Wahrnehmung und ihre Organe. Die Psychiater vertreten mit ihren chemischen Knebeln die Macht einer Gesundheitsvorstellung, die im K�rper nichts anderes bewirkt als die Fami1ie im Geist schon bewirkt hatte. Der Kreis h�tte sich durch die psychiatrischen "Heilmittel" erst wirklich und zu einer Totalit�t der Lebensunterwerfung geschlossen. Die Psychopharmaka sind vom Wahnsinn nicht unterscheidbar. Oft erzeugen sie ihn auch erst wirklich, weil sie schon bei Krisen und Problemen jeder Art "empfohlen“ oder auch heimlich eingegeben werden (z.B. in Altenheimen und manchmal sogar auch schon in Kinderg�rten). Maria war sich mit mir darin einig, dass die Pillen abgesetzt werden m�ssen, wenn sie wirklich aus ihrem Problem herauskommen will. Die Psychiater spielten nur insoweit mit, als sie unsere Wohngemeinschaft als eine relativ gesch�tzte Situation bewerteten und auf die f�r sie geringst m�glich vertretbare Mengen gingen. Maria schlich sich dann selbst von der Medikamentierung aus. Allerdings griff sie noch mehrere Male danach, wenn ihre Wahrnehmungsstrudel zu heftig wurden. Und nat�rlich wurde sie bei den Klinikaufenthalten, die sie noch eingehen musste, auch mit mittlerer Dosis (so sahen es die Psychiater) medikamentiert. Die Psychiatrie war und ist insgesamt au�erordentlich pharmazieh�rig und sieht weitgehend in der Abt�tung von "kranken Gef�hlen und Stimmungen“ ihre gro�e Erfolge. "Nat�rlich“ wird auch dort "gerne gesehen“, wenn es anders geht. Aber niemand geht dort anders.
Kehren wir deshalb lieber zur�ck zu dem Wahnsinn, der noch in den Menschen haust. Er ist die einzige �berlebensbasis des W�hnens und F�hlens, wie aller anderen Erkenntnisse, die in den Formen der Wahrnehmung geronnen sind. Kann man ihm nicht n�hertreten, so ist der Mensch seiner Geschichte gegen�ber versperrt wie ein Mensch, der einen organischen Schaden an seiner Wahrnehmung und seinem Ged�chtnis (z.B. Hirntrauma) erleidet.
Um die Formen der Wahrnehmung zu entzaubern, muss erkennbar werden, was darin untergegangen und verwandelt ist. Dialektik ist die Lehre der Formverwandlung, der Metamorphose, welche menschliche Verh�ltnisse durchlaufen k�nnen, m�ssen sie ihre Not f�r sich wenden. In der Dialektik wird die Beziehung in verselbst�ndigter Objektivit�t, in "geschlossenen Systemen“ gedacht. Sie ist die Art und Weise, die Methode, mit der menschliche Selbstentfremdung �berhaupt begriffen werden kann und so zur Erkenntnis der darin verschlossenen Lebensnot f�hrt. Wo die Not der Verh�ltnisse faktisch, also durch diese selbst gewendet wird, da entsteht ein Subjekt, das die Verh�ltnisse der selbst�ndig gewordenen Objektivit�t regelt und hierdurch Macht �ber die Menschen bekommt. Das ist solange der Fall, wie die Menschen darin nicht ihre eigene Not, die Basis ihrer Geschichte wie ihres Reichtums erkennen und ein Bewusstsein ihres Tuns bilden und sich in ihrer T�tigkeit verwirklicht sehen. T�tigkeit verh�lt sich zum Leiden wie Werden und Sein. Wo Gewordenes Macht hat, ist das Werden verstellt. Die Vergangenheit bestimmt die Gegenwart; das Tote bestimmt das Lebende. Es ist ein lebender Tod.
Auch in der Leidensform besteht die Geschichte der Selbstentfremdung sinnhaft fort. Sie haust �berall, wo sie sinnlich war und Sinn hatte. In diesem Sinn w�hnt der Wahn, was er f�hlt, au�er sich. Er ist ein Sinn f�r Hintersinnigkeiten, die einen Menschen ergreifen, ohne dass er sie begreifen kann. Als solcher Sinn ist er das Gef�hl der Enteignung und versp�rt ein fremdes Subjekt als Grund seiner Negation, als die Ausblendung des Selbstgef�hls durch einen Sinn, der im Wahn empfunden wird. Der Wahn ist daher auch die Sensibilit�t der Selbstentfremdung, die Empfindung, die dem Geist verblieben ist, wenn das Selbstgef�hl sich der Psyche beugt.
Der Wahn ist die sinnhafte und vollst�ndige Umkehrung des Zwiespalts, der in jeder zwischenmenschlichen Wahrnehmung als Verh�ltnis von Empfindung und Gef�hl (48) schon besteht. Im Wahn hat sich der Mensch selbst wahr, indem er seine Selbstwahrnehmung au�er sich gibt, indem er also sich selbst von au�en als das wahrnimmt, was er ohne seine Selbstwahrnehmung ist. Das macht seine Freiheit aus, die absonderliche R�ckgewinnung der eigenen Kreativit�t, Leidenschaft, Seele usw.. In ihm ist die Lebensform zum Inhalt der Wahrnehmung geworden, um Inhalte freizulassen, die in dieser Form ver�u�ert worden waren (42). So ist der Wahn die ohnm�chtige Erkenntnis der vollst�ndigen Selbstentfremdung, Erkenntnis des Fremden in einem selbst und gew�hrt von da her wieder Leben, das erstorben schien.