Denken

Aus kulturkritik
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"Nun ist es zwar leicht, dem einzelnen Individuum zu sagen, was Aristoteles schon sagt: Du bist gezeugt von deinem Vater und deiner Mutter, also hat in dir die Begattung zweier Menschen, also ein Gattungsakt der Menschen den Menschen produziert. Du siehst also, daß der Mensch auch physisch sein Dasein dem Menschen verdankt. Du mußt also nicht nur die eine Seite im Auge behalten, den unendlichen Progreß, wonach du weiter fragst: Wer hat meinen Vater, wer seinen Großvater etc. gezeugt? Du mußt auch die Kreisbewegung, welche in jenem Progreß sinnlich anschaubar ist, festhalten, wonach der Mensch in der Zeugung sich selbst wiederholt, also der Mensch immer Subjekt bleibt. Allein du wirst antworten: Diese Kreisbewegung dir zugestanden, so gestehe du mir den Progreß zu, der mich immer weitertreibt, bis ich frage, wer hat den ersten Menschen und die Natur überhaupt gezeugt? Ich kann dir nur antworten: Deine Frage ist selbst ein Produkt der Abstraktion. Frage dich, wie du auf jene Frage kömmst; frage dich, ob deine Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beantworten kann, weil er ein verkehrter ist? Frage dich, ob jener Progreß als solcher für ein vernünftiges Denken existiert? Wenn du nach der Schöpfung der Natur und des Menschen fragst, so abstrahierst du also vom Menschen und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und willst doch, daß ich sie als seiend dir beweise. Ich sage dir nun: Gib deine Abstraktion auf, so gibst du auch deine Frage auf, oder willst du an deiner Abstraktion festhalten, so sei konsequent, und wenn du den Menschen und die Natur als nichtseiend denkend, denkst,so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch auch Natur und Mensch bist. Denke nicht, frage mich nicht, denn sobald du denkst und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und des Menschen keinen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, daß du alles als Nichts setzt und selbst sein willst?" (MEW 40, 545f)

"Der sich selbst entfremdete Mensch ist auch seinem Wesen, d.h. dem natürlichen und menschlichen Wesen entfremdeter Denker. Seine Gedanken sind daher außer der Natur und dem Menschen hausende fixe Geister. Hegel hat in seiner Logik alle diese fixen Geister zusammengesperrt, jeden derselben einmal als Negation, d.h. als Entäußerung des menschlichen Denkens, dann als Negation der Negation, d.h. als Aufhebung dieser Entäußerung, als wirkliche Äußerung des menschlichen Denkens gefaßt; aber da – als selbst noch in der Entfremdung befangen – ist diese Negation der Negation teils das Wiederherstellen derselben in ihrer Entfremdung, teils das Stehnbleiben bei dem letzten Akt, das Sichaufsichbeziehn in der Entäußerung, als dem wahren Dasein dieser fixen Geister, teils insofern diese Abstraktion sich selbst erfaßt und über sich selbst eine unendliche Langweile empfindet, erscheint bei Hegel das Aufgeben des abstrakten, nur im Denken sich bewegenden Denkens, das ohne Äug', ohn' Zahn, ohn' Ohr, ohn' alles ist, als Entschließung, die Natur als Wesen anzuerkennen und sich auf die Anschauung zu verlegen." (MEW 40, 586f)

An sich ist Denken ein unmittelbares Besinnen auf Wesentliches, eine sich vertiefende Erkenntnis, die nicht für sich sein und bleiben kann. In der Kunst ist es selbst das erkennbar machen, ihre Vergewisserung, bezogen auf die Wahrnehmung der Menschen. In der Philosophie auf ihr Sein im Dasein, das seine Gewissheit außer sich gelassen hat. Doch dies ist dann eher schon ein Nachdenken, ein Denken im Nachhinein einer geschichtlichen Bildung, Nachvollzug einer Bildungsgeschichte ihrer Zivilisation, der sich in ihren Interpretationen totalisiert, aus den vielen Eigenschaften des Daseins ein Ganzes macht, das nur im Rückschluss auf ihre Gedanken erkennbar ist, weil es lediglich die Formen seiner Existenz im Widerspruch ihrer Tatsächlichkeit begreifen und kritisieren kann.

"Nicht nur Marx und Hegel, sondern auch die mit der Bestimmung ihres Verhältnisses zueinander beschäftigten Theoretiker der verschiedensten Richtungen, stimmen darin überein, daß die philosophischen Wissenschaften seit ihren frühesten Anfängen die Wirklichkeit als Einheit von Sein und Denken, Natur und Geist, Körper und Seele, Substanz und Subjekt, Notwendigkeit und Freiheit usw. begreifen. Die Marxsche Theorie stellt innerhalb der Geschichte der Theorien einen epochemachenden Umbruch dar. Wenn dieser in einer Untersuchung des Verhältnisses von Marx zu Hegel näher bestimmt werden soll, muß gezeigt werden, daß Marx die Einheit von Natur und Geschichte prinzipiell anders faßt als die vorangegangenen Philosophen von Descartes bis Hegel." (Dieter Wolf, "Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft. Eine materialistische Kritik". Hamburg, 1980; Online zugänglich unter http://www.dieterwolf.net)

Von daher steht das Denken jenseits der Kritik widersprüchlicher und also ungewisser Verhältnisse in einem hermeneutischen Zirkel, in dem nur begriffen wird, was ihm schon vorausgesetzt ist, weil nur nachvollzogen werden kann, was in der Trennung von ihrem Gegenstand bewusst sein kann, also nur ein abgetrenntes und daher unvollständiges theoretisches Bewusstsein ist (siehe hierzu bürgerlichen Wissenschaft).

"Das Nachdenken über die Formen des menschlichen Lebens, also auch ihre wissenschaftliche Analyse, schlägt überhaupt einen der wirklichen Entwicklung entgegengesetzten Weg ein. Es beginnt post festum und daher mit den fertigen Resultaten des Entwicklungsprozesses. Die Formen, welche Arbeitsprodukte zu Waren stempeln und daher der Warenzirkulation vor- <90> ausgesetzt sind, besitzen bereits die Festigkeit von Naturformen des gesellschaftlichen Lebens, bevor die Menschen sich Rechenschaft zu geben suchen nicht über den historischen Charakter dieser Formen, die ihnen vielmehr bereits als unwandelbar gelten, sondern über deren Gehalt." (MEW 23, 89f)

Wenn Menschen in ihren verschiedenen Sinnesformen denken, in Bildern, in Klängen, in Worten, in Gerüchen oder in Berührungen, so mögen sie sich zwar sehr in ihren Fähigkeiten und Eigenschaften unterscheiden. Aber sie alle gehen einem Zusammenhang nach, der sinnlich wahrgenommen, empfunden wurde und der auch den Sinneszusammenhang der Menschen wie in jedem einzelnen Menschen, im Gefühl für sein Leben, seine Sinnbildung im Ganzen ausmacht, sich dafür begeistert (siehe auch Geist) und von daher über seine bloß körperliche Kognition hinausgreift. Wenn sie sich hierin frei einfinden, sich nicht ausschließen (siehe auch Privateigentum und Konkurrenz) sondern ergänzen (siehe auch Ergänzungswirtschaft), so wird sich jeder Mensch auch im "Ensemble seiner gesellschaftlichen Verhältnisse" (Marx) und Beziehungen begreifen können. Er selbst ist darin tätig, dass er neue Bildungen aus den darin möglichen Erkenntnissen bezieht um neue Gegenstände zu schaffen (siehe hierzu auch Kultur). In der Ausschließlichkeit, der gesellschaftlichen Isolation, wird sein Denken auch vom Ausschluss des Zusammenhangs bestimmt, gleichgültig gegen sein wirkliches Leben, zwanghaft, flüchtig, ohnmächtig.

Denken ist als Erstes und praktisch vor allem Sinnbildung, ist die Bildung von Sinn in der Vermittlung von Empfindungen zu Gefühlen, die Erzeugung von Sinn durch das Denken im Sinn. Als dieser entsteht es in Gesellschaft und kehrt darin auch zurück, findet sich in allen anderen nur, wo es seinen Sinn auch empfinden kann. Es kann nicht bei sich bleiben, sich seiner selbst nicht bewusst, nicht selbstbewusst werden, wenn es sich nicht mitteilt, keine Sprache und durch sie zu ihrem Gedanken in den Verhältnissen finden kann, worin sich ihr Sinn mitteilt und sich auch in der Mitteilung als Teil einer gesellschaftlichen Naturmacht un ihrer Kultur bewährt.

Denken ist zum einen der subjektive Vorgang des Gestaltens, der Sinnbildung, zum anderen auch Reflexion über das was ihm objektiv vorausgesetzt ist, was ihm bewusst wird, sich zum Bewusstsein entwickelt. Es ist der Prozess des Erkennens und Begreifens, weil es seinen Gegenstand in der Weise erkundet und bildet, wie er sein und werden kann, wie er empfunden wird und welche Gedanken sich in den Gefühlen hierzu mitteilen und vermitteln. Denken setzt also die Möglichkeiten einer gegenständlichen Welt voraus, wie sie sich im der schöpferische Reflexion eines Gedankens in der Einheit von Erkenntnis und Begriff bewegen, also sich auch verändern lässt und darin selbst als Geschichte des gesellschaftlichen Lebens ebenso gegenwärtig ist, wie als Lebensgeschichte der einzelnen Menschen im Allgemeinen. Es ist die Beziehung von Gedächtnis und Bildung, letzlich die Subjektivität des In-der-Welt-seins überhaupt, die ihr Objektsein unentwegt aufhebt, weil Objektivität immer zugleich subjektiv ist und Geschichte darin verläuft, dass nichts so bleiben kann, wie es ist. Aus diesem Grund kann Denken selbst kein Gegenstand des Denkens sein, keine objektive oder subjektive Logik befolgen, ohne sich unmittebar als Tautologie aufzuheben (siehe hermeneutischer Zirkel). Es bleibt immer auch die Lebensgeschichte des Zweifels, Sinn und Grund einer jeden Kritik, die nach einem Begriff ihrer Geschichte verlangt.

Ein solcher Begrifff macht aber nur Sinn, wenn er Zusammenhänge von verschiedenen Eigenschaften aufklärt, wo diese nicht unmittelbar wahrgenommen werden können, soweit sie also eine der Wahrnehmung fremde Vermittlung enthalten, die nur durch schlussfolgerndes Denken der wissenschaftlichen Erkenntnis zugänglich werden. Wissenschafliche Begriffe (bzw. Kategorien) sind daher nötig, wo dieser Zusammenhang aufgeklärt werden muss, weil dessen Erscheinungen als Eigenschaften eines Gegenstandes von seinem Wesen getrennt, ihm also entfremdet sind und durch den theoretischen Rückschluss auf seine Beziehungen im Ganzen einbegriffen werden müssen. Nicht eine Theorie macht also den Begriff (siehe hierzu auch Strukturalismus), sondern der Begriff bestimmt die Theorie. Dies hierdurch begrifflich werdene Denken setzt allerdings die Erkenntnis eines abstrakt Allgemeinen voraus, die in der Lage ist, in seine Wirklichkeit einzudringen, deren Gründe aus ihren Folgen zu erschließen, auch wenn sie nicht mehr in der Kontinuität ihrer inhaltlichen Geschichte von Ursachen und Wirkungen (siehe Genealogie) wahr sein können (vergleiche hierzu Poststrukturalismus).

Denken unterscheidet sich aber wesentlich vom Reflektieren, das immer nur sich in seinem Gegenstand spiegelt, also immer nur objektiv sein kann. In selber Weise unterscheidet sich Wissen von Information. Wissen ist gebildet durch das Denken von Gewissheiten, also auch im Ungewissen Gedanken zu finden, die zu einer Gewissheit gelangen - nicht in der Anschauung von anwesenden Verhältnissem oder Gegenstände, sondern im Zusammenhang, in der Sinnfindung von dem, was nicht anwesend ist, was aber in der Abwesenheit von Empfindungen gefunden wird. Von daher ist Denken zuerst eine zum Wissen erhobenen Empfindung. Aus ihm entwickeln sich die Gefühle, die Menschen mit ihren Gegenständen verbinden und daraus auch neuen Sinn und neue Fähigkeiten bilden können (siehe auch Sinnbildung). Das Medium dieser Vermittlung sind Bilder, die neuen Sinn in ihrer Komposition finden und auch Empfindungen für Gefühle ermöglichen, die weit über die Wahrnehmung hinausgreifen und von daher zu einem neuen Inhalt der Arbeit im Entstehungsprozess der Kultur werden können.

Auch Tiere können denken und hierdurch intelligentes Handeln entwickeln. Doch wenn Menschen denken, so suchen sie vor allem nach einer Erkenntnis, nach einem Schlüssel, einer Schlussfolgerung oder einer Gestalt, einem Bild, das Sinn erkennen lässt. Und zugleich erfolgt Denken aus Erkenntnissen, die zum Material des Denkens geworden sind. Auch wenn es objektive Verhältnisse reflektiert, in sich selbst bewegt, so ist es doch immer subjektiv, zunächst eine innere Beziehung der Erkenntnis auf die Wahrnehmungen, die sie im Sinn hat. Sie ist von daher die Tätigkeit einer Intelligenz, die sich aus der unmittelbaren Erfahrung als Vorstellung von dieser heraussetzt und sich mit dem befasst, was sie aus ihren Empfindungen zu beziehen und also zu gestalten vermag (siehe auch natürliche Intelligenz). Dies findet bereits vorsprachlich statt und lässt Gedanken über Zusammenhänge entstehen, die nicht nur sich auch gegenständlich verwirklichen, sondern die auch Trennungen überwinden und Wahrheit verdichten und Täuschungen erfühlen können (siehe auch Traum). Im Denken wird erwogen und abgewogen, was wirklich wahr ist oder wirklich wahr werden kann. Darin wird Fremdes im Eigenen und Eigenes in Fremdem erkannt und also aufeinander im Bewusstsein bezogen und zu einem kritischen Wissen gebracht, das sich auch in seiner Erkenntnisnot begreifen kann (siehe auch Schmerz).

Hannah Arendt hatte Gedankenlosigkeit als Gleichgültigkeit gegen sich und die Welt herausgestellt, wodurch sich jede Güte in ihr Gegenteil verkehrt, sich politisch bestärkt, indem sie ihre darin abwesend gemachte Bosheit kulturalisiert. Sie nannte es die "Banalität des Bösen", das sich in der reinen Funktionalität gleichgültiger Verhältnisse ergibt, wie sie es auch im Prozess gegen Eichmann an diesem beobachatet hatte. In der Feststellung, dass er einfach nur "nicht denken" könne, fasste sie ihre Kritik am Populismus der Empörung, der Funktionalität der bürgerlichen Medien zusammen. Im Vorwurf, dass ein Funktionär barbarischer Verhältnisse ein Monster und der ganze Nationalsozialismus lediglich ein mysteriös bleibendes Zusammenwirken böser Menschen wäre, bewahrt sich eine Anerkennung und Verstetigung dieser Gleichgültigkeit, ihre Freisprechung und Bestärkung, dass alles bleiben kann, wie es ist, obwohl es nur dadurch ist, dass sich die Menschen selbst gleichgültig geworden sind, sich im Prinzip selbst schon abschaffen oder geistig abgeschafft haben. Sie küren eine Selbstgerechtigkeit ihrer Beziehungen, indem sie ihr Denken durch eine psychologisierte Moraltät ihrer Selbstbezogenheit aufheben und darin ihr Bewusstsein verstümmeln.

Für das Bewusstsein beruht Denken schon auf Wissen in einer Beziehung zum Sein, auf Gewissheit. Und wo die nicht möglich ist, wo also Zweifel herrscht, wird Denken zu einer Frage über das, was nicht wirklich sein kann, wie es ist, was nicht wahr sein kann und was einen Gedanken darüber erfordert, wie es das sein kann, als was es erscheint und wie es werden soll, um zu sein. Es wird so zu einem begrifflichen Denken, zu einer Arbeit am Begriff, die eine Analyse ihres Gegenstands erfordert und somit immer objektiv sein muss. Die Diskussion ob Denken noch subjektive Vorstellung sei oder wirklich stattfindet und Wirklichkeit betrifft, ist selbst so virtuell, wie sie sich mit ihren Positionen befasst, weil diese für sich gestellt, also im Grunde nicht diskutierbar sind, sich nicht als wahr erweisen können.

"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukommt, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens - das von der Praxis isoliert ist - ist eine rein scholastische Frage" (Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 5)

Der Gedanke bewegt sich durch das Subjekt hinein in das ihm äußerliche Objekt, um es gedanklich zu subjektivieren - nicht, weil es sein wirklicher Gegenstand wäre (das wäre tautologisch), sondern weil es ihm entäußert (siehe Entfremdung), also unwirklich ist. In einer Gesellschaft voller äußerlicher Gegenstände (Warengesellschaft) ist daher Denken Not wendig kritisch - wenn es wirkliches Denken ist. Doch dies weiß es erst im fertigen Gedanken - im Beweis.

Denken ist von daher eine kreisende geistige Bewegung im Schöpfungsakt der Erkenntnis. Es beginnt in der Erneuerung des Verstehens, meist in der Kritik von Gegebenheiten, in der Selbstunterscheidung, der Selbsterzeugung gegen die Objektivität der Vernunft. Es ist von daher der Kunst näher als dem Verstand (siehe Aufklärung). Es ist die innerste Tätigkeit der Erkenntnis, das für sich sein als Sein für sich, als sich selbst erklärendes und klärendes, durch sich als Tätigkeit evidentes Sein. Die Formen und Gebärden des Denkens, z.B. das Fühlen, Träumen, Sehnen, Musizieren, Malen usw. sind zunächst reine Tätigkeitsformen des Menschen, einfache und unmittelbare Gestaltung von sinnlichen Beziehungen in ihm selbst, die nicht notwendig äußere oder gegenständliche Wirklichkeit haben muss. Erst im praktischen Verkehr der Menschen entsteht die Notwendigkeit der Gestaltung des Denkens, die Erkenntnis von Gedanken. Der Streit darum, ob solcher Verkehr vor dem Denken war und es also begründet hat oder nicht, ist rein scholastisch. Es wäre die Behauptung, dass z.B. die Kunst aus praktischen Bedürfnissen entstanden sei (z.B. die Hölenmalerei als Mitteilungs- und Beziehungsform) und von daher genauso sinnlos, wie die gegenteilige, dass Kunst alleine der Religion (z.B. der Huldigung der Naturgötter) zu verdanken sei. Das ist die scholastischer Nominalismus, der von vorneherein davon abstrahiert, dass beides keine unterschiedliche Substanz haben kann. Beides ist Denken, menschliche Sinnlichkeit und Sestbestärkung als Sinn für sich. Und Denken wiederum kann sich nur dadurch von sich unterscheiden, dass es sich an einem Gegenstand scheidet und sich von sich durch begriffliches Denken abstoßen muss. Dieses ist dann der Fortgang des Begriffs und seiner Logik, die allerdings aus den Substanzen des Denkens gespeist ist, also auch aus der Gewissheit seiner Selbstentfremdung.

Denken ist die Selbstevidenz des Menschen, die einfache Gewissheit seiner selbst als Seiendes Wesen. Indem er denkt ist er sich selbst gewiss als etwas anderes, als seine Gegebenheit, etwas anderes als seine Geburt und existenzielle Verworfenheit. Denken ist das Fühlen des Seins als Selbstgewissheit eines Gedankens, damit also einzeln wie allgemein, privat wie öffentlich, individuell wie gesellschaftlich. Darin ist nichts, was nicht auch außer sich sein kann, subjektiv wie objektiv. Es ist eine Subjektwerdung der Gefühle, welche darin Erkenntnis werden, dass sie sich ihrer Gegenständlichkeit, ihrer Objekte gewiss sind, sich zu einem Gedanken fügen, der in der Welt ist wie im Menschen. Auch wenn Mensch und Welt entzweit sind und einander nicht wirklich bedürfen, also bloße Positionen oder Ideologien sind und daher abstrakt für sich bleiben, ist Denken notwendig in sich identisch und wendet sich umgekehrt auch in seiner Not an die Gedanken, die in der Welt sind. Denken allein kann ihre Abstraktion erkennen, indem es sich seiner Unmöglickheit und Grenze in seiner Wirklichkeit bewusst wird und die als den Schmerz seiner Identität hat. Es muss ich darin vom einfachen Denken zum begrifflichen Denken aufheben, die Wahrheit des Begriffs von Wirklichem erkennen, das sich nicht mehr denken lässt, weil es eigene und ausschließliche Logik hat: Fremder Gedanke, Entfremdung.

Ursprünglichster Gegenstand des Denkens ist eine Wirkung, die etwas hat. Eingedenk dieser Wirkung entsteht das Gedächtnis, das zunächst deren Reflektion im Menschen ist, nicht als Fakt oder Datum der Wahrnehmung, sondern als Beziehung zu einem Gegenstand, als unmittelbar sinnliches Wissen. Ohne Denken entsteht kein Gedächtnis; zugleich ist Gedächtnis immer ein Gedenken und enthält also auch Gedanken, ohne hierfür notwendig Bewusstsein zu haben (siehe Unbewusstes).

In der Wirkllichkeit ist alles mannigfaltig und vieldeutig. In der Kunst ist das Ineinandergehen der Wahrnehmung und ihrer Bedeutungen komplexer Lebensausdruck als Lebensverarbeitung. Es ist dies vielleicht die ursprünglichste Denktätigkeit. Indem das Denken fortschreitet, geht es ihm zunehmend um Eindeutigkeit, wo sie nötig wird, auch um Abstraktion, wo Reduktion selbst eine Lebensform ist.

Denken kann nicht affirmieren, weder konkret noch abstrakt. Es wäre keine Verarbeitung, sondern Abstumpfung. Es erhebt sich darum aus dem Gemenge von Sinn und Bedeutung durch das Begreifen ihrer Reflektion, durch Hinterfragung ihres Seins, sofern und weil das Ein- oder Vieldeutige fragwürdig geworden. Die Fragwürdigkeit ist einzig subjektiv, also durch den Menschen selbst erzeugt, durch sein Arbeiten oder Leiden, auch wenn sie sich als objektiv erweisen kann, nämlich dann, wenn ein objektiver Grund für die Fragwürdigkeit begriffen ist. Dann kann Denken in Bewusstsein übergehen und hebt sich darin als Wissen auf, das Gewissheit bekommen hat und solche Wirklichkeit sein lassen kann oder ändern muss. Denken ist also der Erzeugungsprozess von Bewusstsein jedweder Art und verschwindet und bewahrt sich und verwirklicht sich darin. Denken wird von Bewusstsein aufgehoben.

Im Unterschied zu planen oder konstruieren ist Denken der Fortgang einer Fragegestellung. Es entsteht meist dort, wo für einen Menschen etwas ist, was für ihn nicht wahr sein kann. Allein der Zweifel selbst macht die Bewegung im Denken aus und kann hierüber zur Erkenntnis werden, dass der Zweifel falsch war oder dass er berechtigt ist, weil er von zwei Fällen in einem ahnte, und diese Zweifälligkeit hierdurch erkannt ist, z.B. als Widerspruch.

Mit Vernunft oder Verstand hat dies unmmittelbar nicht viel zu tun. Denken kann so vernünftig oder unvernünftig sein, wie eine Fragestellung es sein kann. Sie kann vernünftig sein, wenn sich ihr Gegenstand als widersinnig erweist. Sie kann aber auch unvernünftig sein, weil sie den Gegenstand in seinem Sein bezweifelt, weil sie selbst also nur subjektiv ist und Objektivität hinterfrägt, ohne hierfür Sinn zu haben (ohne Empfindung zu sein). In beiden Fällen ist sie Tätigkeit eines Subjekts, das in der Frage seine Beziehung auf ein Objekt hat. Daher kann sie sein, was sie will, solange sie ihren Gegenstand hat, ob der nun frei oder aufgezwungen sich ergeben hat. Ein zweifelndes, sich wunderndes, sich fragendes Subjekt hat seinen einfachen Sinn in der Frage und sein einfaches Selbstbewusstsein in seinem Gedanken. Somit ist Denken nicht untätig, aber als ein selbstbewusster Akt ohne unmittelbare Tat, weil es in Erkenntnis mündet, sobald das Denken seine Substanz begriffen hat und hierdurch Bewusstsein, Wissen und Begriff des konkreten Seins wird.

Denken kommt zu einer Erklärung, welche seinen Gegenstand erst in der Form möglich zeigt, in der er ist (Logik). Darin ist also die Wahrheit der Beziehung eines Subjekts auf einen ihm an und für sich unmöglichen Gegenstand ausgearbeitet. Ohne Denken bliebe diese Beziehung selbst unmöglich, bzw. nur als Beziehung, die durch Ideologie, Moral, Glaube oder ähnlichem bewahrt wäre, ohne sich bewähren zu können. Denken ist die Rückführung menschlicher Selbstgewissheit durch die Erkenntnis einer Gegenständlichkeit, welche sich nicht selbst erklärt, weil sie z.B. Unsinn, Geist, Gespenst, Metapher usw. ist. Insofern klärt es auch auf und setzt sich gegen Mystifikation und Mythos. In der Aufklärung jedoch wurde es zu einem objektiven Prinzip der Vernünftigkeit verselbständigt, worin die Rückführung auf den Menschen ausgeschlossen war. Der Verstand kann Vernunft verstehen, ohne zu ihr in Beziehung zu treten; in der Erkenntnis jedoch wird das Vernünftige radikal und kann im Zweifel an seiner Vernünftigkeit zu Kritik oder Reaktion werden. Erkenntnis muss diesen Zweifel lösen, um das Objektive zu begreifen und sich als Subjekt des Begriffenen zu gewinnen. Solche Subjektivität macht den ganzen Menschen aus und kann in keiner Trennung (etwa von Geist und Sinn) verbleiben. Sie schmerzt und verlangt nach einer Aufhebung, in welcher Leiden Tätigkeit ist: Leidenschaft.

Dieses Denken wurde von Marx in der Kritik an Hegel und Feuerbach begründet. Bei Hegel ist Denken die nur in der Notwendigkeit des erscheinden Geistes verstanden, der sich vom Äußerlichen der Sache, von ihrer Anschauung abwendet: "Es läßt das Zufällige einer Sache weg" (Hegel Studienausgabe Bd. 3, Enzyklopädie, §6 und §54) und "nimmt die Sache nicht, wie sie als unmittelbare Erscheinung ist". Es bezieht in einem Akt geistiger Freiheit seine einzelnen Gegenstände aufeinander oder vergleicht sie und abstrahiert sie zu einer allgemeinen Vorstellung. Aber "der Inhalt des allgemeinen Gegenstands kommt ihm als Abstrahieren nicht zu, sondern ist dem Denken gegeben und unabhängig von ihm für sich vorhanden" (ebd.). Denken ist so nur objektiv: Es findet "einen Zusammenhang zwischen den mannigfaltigen Erscheinungen, welcher allgemein und notwendig ist. Diesem Denken "gehört der bestimmte Inhalt der Erfahrung an, aber das Allgemeine darin ist die Form, die vom Geiste herkommt. Diese Form ist also die eigne Bestimmung des Geistes" (ebd. §7). Hegel ist mit dieser Auffassung ein Rationalist des Geistes, der den Menschen im Nachvollzug des Geistigen als Geist habenden versteht.

Ganz im Gegensatz hierzu ist Denken und Erkennen für Nietzsche linstinkthafte Rückbeziehung des Menschen. Es sei "der Instinkt der Furcht, der uns erkennen heißt" (Nietzsche "Die fröhliche Wissenschaft" WW III S.222). Nietzsches Denken hat seine Logik daher im Psychologischen und "sucht im Grunde nur die Metamorphose der Welt in den Menschen, ... ringt nach einem Verstehen der Welt als eines menschenartigen Dinges" (Wahrheit als Lüge WW V S.316). Es ist die Philosophie der Psychoanalyse, in welcher der Mensch letztlich nur aus Seelennot heraus sich verhält und bildet. "Alles, was den Menschen gegen das Tier abhebt, hängt von dieser Fähigkeit ab, die anschaulichen Metaphern zu einem Schema zu verflüchtigen, also ein Bild in einen Begriff aufzulösen." (ebenda) Das menschliche Begriffsgebäude ist in seinem Sinne ein Produkt einer Übertragungsleistung von höchstem künstlerischem Rang, Denken ein Wesensakt des Individuums, das darin aber lediglich seine Instinkte forttreibt und nach innen und außen abführt. Damit aber wird Denken selbst zur Reaktion, die nur auf die Natur der Instinkte zurückkommen kann - eben das, was die gesamte Freudsche Theorie ausmacht. Nietzsches Ausführungen zeigen weit besser als Freud den im Grunde reaktionären Charakter der Psychonanlyse.

Für Freud ist Denken eine "Verschiebung seelischer Energie auf dem Wege zur Handlung" (Studienausgabe III, "Das Ich und das Es", S.291), indem es Wortvorstellungen als Mittel nimmt. "Durch ihre Vermittlung werden die inneren Denkvorgänge zu Wahrnehmungen gemacht" (ebd. S. 292). Das Denken folgt bei ihm also den Notwendigkeiten der Seele, Erinnerungsbilder sich so zu vergegenwärtigen, dass sie zu einem Handeln führen, die sie wirklich werden lassen (Seele als Streben zur Wiederholung eines "Befriedigungserlebnisses"). Hierdurch wird Denken durch nichts anderes bewahrheitet, als durch die Einlösung eines Nutzens, den die Welt einem Menschen bieten soll. Es ist das typische Bewußtsein eines Bürgers, der von seinem Geldbesitz aus dem Rest der Welt gegenübertritt (siehe Utilitarismus) und sie in die Pflicht nimmt, seinen Bedürfnissesn zu dienen.