Unbewusstes
"Das Unbewußte ist das eigentlich reale Psychische, uns nach seiner inneren Natur so unbekannt wie das Reale der Außenwelt und uns durch die Daten des Bewußtseins ebenso unvollständig gegeben wie die AußenweIt durch die Angaben unserer Sinnesorgane." (S. Freud, 1900, Traumdeutung, S. 580, S. Fischer-Verlag, Studienausgabe)
Es gibt Wirkungen auf die Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung, die sich aus dieser nicht erklären lassen, die also im Bewusstsein auf etwas Abwesendem gründen, das sich dennoch als Kraft gegen die eigene Wahrnehmung, als fremde Kraft eines externalisierten Wesens geltend macht (siehe z.B. Zwangshandlungen). Was man als Unbewusstes bezeichnet ist der Rückstand einer entwirklichten Beziehung durch die Abstraktionskraft einer toten Wahrnehmung, die innerhalb des Bewusstseins sich in ihrer reinen Form als Erregung triebhaft oder auch nur in einem Angstzustand gegen ihren Inhalt stellt. Diesen hat sie durch sich aufgehoben, weil sie aus einer Trennung von Empfindungen und Gefühlen im Dazwischensein ihres Bewusstseins aus einer strukturellen Lebensangst heraus vereinseitigt und verselbständigt wurden. Die strukturellen Voraussetzungen dieser Angst können nur durch die Vergegenwärtigung körperlicher und psychischer Erinnerungen (siehe auch Erinnerungsbilder) und ihrer Stimmungen wieder angeeignet werden (siehe hierzu auch Trauma). Diese "Aneignung" ist zunächst allerdings nur eine rein geistige Überbrückung der Trennung von Form und Inhalt der Aufmerksamkeit des Bewusstseins, - solange, bis sie sich schließlich im Alltag der zwischenmenschlichen Beziehungen auch bewahrheitet und bewährt hat.
Das Bewusstsein ist eben nichts anderes als ein bewusstes Sein, Wissen um das Sein der Welt wie sie gegenwärtig substanziell so da, anwesend ist und den Menschen in ihrem geschichtlich entstandenen Sosein erscheint - eben so wie ihre Lebensinhalte ihre Lebensform vergegenwärtigt oder aus ihren unbewussten Erinnerungen bezogen, sich bewusst gemacht haben (siehe hierzu Erinnerungsbild). Darin sind sie sich ihrer selbst durch ihre wieder hergestellte Wahrnehmungsidentität gewahr geworden und können die Wahrheit ihres Seins auch dann finden, wenn es abwesend ist. Was ihre Empfindungen in ihrem Sosein finden, das erkennt das Bewusstsein auch wo es nicht wirklich als das da ist (siehe Dasein), als was es erscheint. Bewusstsein entsteht eben auch durch die Gefühle, welche Menschen für etwas oder auch für einander haben.
Sigmund Freud wollte das Unbewusste als die "innere Natur" der Psyche, als Wesen ihrer Geheimnisse, als ihr kindlicher Kern, als "Es" verstehen, in dem sich ein Widerspruch zwischen Natur und Kultur offenbare, der sich für einen aufgeklärten, erwachsenen und bewussten Menschen zu einem an und für sich vernünftigen "Ich" gestalten solle, das seine Widersprüche im Dazwischensein seiner zwischenmenschliche Beziehungen kontrollieren kann (siehe auch Kontrollbedürfnis). "Wo Es war soll Ich werden" (Freud 1933).
Doch mit dem System ihrer Mythologisierten Innerlichkeit entzweit er ihr Dasein als menschliche Naturmacht und deren innere Beziehung zu ihrer Wirklichkeit, versetzt sie ins Ontologische. Dabei verkennt er die wirklichen Notwendigkeiten der Abstraktionskraft der Selbstwahrnehmung einer Lebensbergung (siehe Lebensburg) in zwischenmenschlichen Verhältnissen, die ihm als Geheimnis der bürgerlichen Kultur verblieben war und verkehrt diese zu einem psychischen Wesen seiner Individualpsychologie, die gerade die Emotionen bestärkt, die sich darin entfalten und für die Psychoanalyse in Wahrheit für die bürgerliche Selbstwahrnehmung unbewusst - also ohne Bewusstsein - bleiben sollen.
Es ist das Resultat der symbiotischen Verhältnisse, das in den erzieherischen Beziehungen der Lebenspflichtigkeit entsteht, dass ihre Selbstbehauptungen jenseits dieser Verhältnisse nicht mehr gelingen können (siehe symbiotischeselbstbehauptung). Es drängt sich dort nämlich das Unvermögen vor, sich als ein ganzer Mensch zu fühlen, der allerdings durch sich und für sich nicht wirklich wahr sen kann. Mit der Verwirklichung der symbiotischen Selbstbehauptung verwirklicht sich nämlich in der Lebenswirklichkeit des erwachsenen Menschen ein gespaltener Sinn, der zunehmend von dem abwesend gewordenen Teil seiner Sinne in der Selbstvergegenwärtigung seiner Symbiose beherrscht wird und seinen Selbstverlust wahrmacht. Darin gerät die Psyche außer sich, verliert ihre wirklichen Absichten und spaltet sie ab in einem unbewussten Verlangen, in dem sich die Bilder ihrer abgespaltenen Inhalte mit der Kraft ihrer sich selbst fremd gewordenen Gedanken als psychische Regungen behaupten und die Psyche als Ganzes erregen. Hierbei geben sie allerdings auch das verselbständigtes Denken ihrer Gefühle preis.
Im Unbewussten beziehen die Menschen nämlich ihre Gewohnheiten aus den Ungewissheiten ihrer Selbstwahrnehmungen, den Interessen ihrer Selbstveredelung und Selbstvergegenwärtigung ihres Wohnens, worin sie ihren Narzissmus durch einander geborgen haben und von daher in einer symbiotischen Selbstbehauptung existieren. Was sie sich hierin gegenseitig einverleiben und aneinander erziehen, widerspricht oft dem Vermögen ihres Selbstbewusstseins, das im Zweifel zu seiner zwischenmenschlichen Wirklichkeit zwischen seinen inneren Beweggründen, seinen Selbstgefühlen befangen ist. Darin sind nicht nur die Erinnerungen ihrer Gefühle enthalten, sondern auch die Erkenntnisse ihrer Lebensängste, ihres Unheils. Das so genannte Unbewusste ist eine dem Bewusstsein entzogene Wahrnehmungsidentität, welche die Absichten und Getriebenheiten der Psyche verfolgt, die ihm oft auch entgegenstehen, weil sie sich in der Symbiose ihrer Selbstbehauptung aneinander festhalten und begründen, also nur als feste Teile ganz sein können. In der Trennung spalten sie sich ab und bilden durch ihre Unvollständigkeit in Abwesenheit ihrer Ganzheit ein Bedürfnis, das dem Bewusstsein entwunden ist, ein unbewusstes Verlangen des Selbstgefühls, das in jeder zwischenemnschlichen Beziehung nach dem entwundenen Inhalt seiner Selbstwahrnehmung verlangt und mit der Kraft seiner abwesenden Sinne (siehe abstrakt menschlicher Sinn) sich auflädt und erregt.
Von daher galt das Unbewusste für Sigmund Freud (siehe hierzu auch Aufklärung) und C.G. Jung (siehe hierzu auch Esoterik) - nicht aber Wilhelm Reich - als Substanz des Seelischen, bzw. als die Psyche schlechthin, wodurch deren Beziehung zum Bewusstsein notwendig verkehrt begrifffen wurde. Für Sigmund Freud ist die Unterscheidung von Bewusstem und Unbewusstem kein Resultat, sondern schon eine wesentliche "Grundvoraussetzung" seiner Psychoanalyse, worin er folglich das Unbewusste zu einer höheren Wahrheit des Bewusstseins machte und diesem als eine eigenständige Form der Subjektivität überordnet:
"Die Unterscheidung des Psychischen in Bewußtes und Unbewußtes ist die Grundvoraussetzung der Psychoanalyse und gibt ihr allein die Möglichkeit, die ebenso häufigen als wichtigen pathologischen Vorgänge im Seelenleben zu verstehen, der Wissenschaß einzuordnen. Nochmals und anders gesagt: Die Psychoanalyse kann das Wesen des Psychischen nicht ins Bewußtsein verlegen, sondern muß das Bewußtsein als eine Qualität des Psychischen ansehen, die zu anderen Qualitäten hinzukommen oder wegbleiben mag." (S. Freud, 1923, Das Ich und das Es, S. 283, S. Fischer-Verlag, Studienausgabe)
Wenn man etwas nicht weiß, so hat das vielleicht Folgen in der Handhabung von einem Gegenstand, nicht aber in einem Menschen. Dagegen muss ein Unbewusstes als Substantiv für eine Art und Weise der Wahrnehmung eine eigene Substanz haben, die es aus einer Ungewissheit in zwischenmenschlichen Beziehungen bezieht. Das Unbewusste formuliert daher etwas, das ihre Erkenntnis behindert, weil es einer Täuschung unterliegt, vertauschte Wahrheit darstellt und sich die damit abwesende Wahrheit in einem Fühlen und Handeln durchsetzen muss, das der Empfindung ihrer Verhältnisse widerspricht (siehe z.B. Zwangshandlungen). Unbewusst benennt man daher psychische Kräfte, die das Bewusstsein überkommen, es durch irrational erscheinende Motive "überfallen", deren Bezug auf die Wahrnehmung nicht unmittelbar erkennbar ist und von daher einer Analyse bedarf. Für positivistische Erkenntnisinteressen ist die Feststellung, dass es solche Kräfte gibt, reine Spekulation einer willkürlichen Theorie der Introspektion. Dem halten solche Positionen dann meist eine biologistische, genetische, stoffwechselbedingte oder systemtheoretische Begründung entgegen, mit der sie schon vor jeder Analyse das so genannte Leib-Seele-Problem aufgelöst wissen wollen. Sigmund Freud war umgekehrt aber als junger Arzt schon zuBeginn des 20. Jahrhunderts gerade von naturwissenschaftlichen Intersessen ausgehend auf das Problem gestoßen, dass vor allem verdrängte soziale Inhalte in solchen Kräften ganz offensichtlich erkennbar und nachweisbar sind. Der Streit innerhalb der bürgerlichen Wissenschaften war in ihren entsprechenden Ausrichtungen damit allerdings nicht aufgelöst und ist es bis heute nicht.
Mit der dialektischen Methode lässt er sich eher aufklären, wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse der Psyche als körperliche wie geistige Grundlage der Wahrnehmung und ihrer Erkenntnisse vorausgesetzt und deren Widersprüche auch in der Psyche selbst dargestellt und begriffen werden. Demnach ist Unbewusstes nicht das Symptom eines körperlichen Defizits, und auch kein bloßes Unwissen, sondern etwas, das nicht gewusst werden darf und dennoch aus seiner Verdrängung heraus wirksam ist, weil die sozialen Bedingungen dieses nicht zulassen, solange sie nicht durch Kritik dem Bewusstsein zugänglich gemacht und als Formbestimmungen der Psyche aus ihm herausgesetzt werden.
Weil das Unbewusste eine Selbstbedrängung der Psyche betreibt, indem es die Wahrnehmung eines oder mehrerer Menschen oder Gruppen bestimmt, bedrängt es ihre Beziehungen in ihrer persönlichen Identität. Es stellt die Wirkung ihrer inneren Wirklichkeit dar, die in der Psyche mehr oder weniger getrennt von der Wahrnehmung der gesellschaftlichen Wirklichkeit besteht und eine eigene Kraft äu"ert, die dem Bewusstsein entzogen ist und von daher seine Entfremdung bestärkt, wie durch den Trieb unbewusster Kräfte es widersinnig macht. Man kann unterstellen, dass es etwas Wahrgehabtes in der Abtrennung von der Wahrnehmung ist. Doch dies muss etwas sein, was die Menschen wirklich nötig haben, was aber in ihrer Wirklichkeit nicht wahrnehmbar sein kann, weil es die isolierte Identität ihrer Privatsphäre, das Heil ihrer Zwischenmenschlichkeit gefährdet. In einer Welt worin ihnen ihre gegenständliche Wirklichkeit entmenschlicht ist, erscheint die blo"e Anwesenheit einer Menschlichkeit in persönlichen Verhältnissen als eine Geborgenheit in einer Privatwelt, die ihnen gro"e Aufwände und Pflichten abverlangt. Am Unbewussten wird erkennbar, dass es etwas gibt, was allein durch seine körperliche Abwesenheit bestimmend ist und eine bestimmte Anwesenheit von Menschen einfordert, um ein unkenntlich gewordenes zwischenmenschliches Verhältnis zu vollziehen oder zu bestreiten. Unkenntlich wird ein solches Verhältnis durch eine darin herrschende symbiotische Selbstbehauptung, worin sie sich als Gegenstand ihrer Selbstwahrnehmung objektiv vereinen müssen (siehe Selbstwert), um sich als Subjekt ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse erscheinen zu können.
Eindrucksvoll hatte Sigmund Freud besonders bei Zwangshandlungen und Angstzuständen gezeigt, dass sie einen Kompromiss der Psyche belegen, zwischen dem,was wahrgenommen wird, von ihr aber nicht wahrgehabt werden darf. Für ihn war das Unbewusste der wesentliche Gegenstand der Psychologie und die Auflösung seiner Konflikte das allgemeine Ziel der Psychoanalyse. Indem er aber darin nur eine psychische Konfliktlösung in den betroffenen Individuen sah, verschloss er sich der Erkenntnis, dass darin überhaupt die Psyche als gesellschaftliche Form einer Abwesenheit von gesellschaftlichen Verbundenheiten zu begreifen ist.
Das Unbewusste der Psyche lässt sich interpretieren als Grund von Absichten, die sich nicht aus wirklichen Verhältnissen durch deren gegenständliche Bezogenheiten erklären lassen, sondern aus einer eigenständigen Gefühlswelt, die ihre Verwirklichung für sich selbst sucht, weil sie Gefühle nötig hat, um Selbstgefühle zu entwickeln und zu gestalten (siehe Selbstverwertung), auch wenn diese sich den Empfindungen entziehen, die ihren Sinn begründen (siehe Entgegenwärtigung). Von daher begründet das Unbewusste selbst eine Notwendigkeit dieser Abwendung, die sich aus den Implikaten dieser Form von Sinnbildung erschlie"en lassen (z.B. durch Wunschbilder aus der Traumdeutung, aus Abwehrhaltungen oder Verdrängungen etc.). Von daher zehrt die Psyche aus ihrem Gedächtnis (bei Freud als "Erinnerungsbild eines Befriedigungserlebnisses"), worin Gefühle noch sinnvoll erscheinen, auch wenn sie keiner gegenwärtigen Empfindung mehr entsprechen können.
Die neuere Psychologie, die solches eher neurophysiologisch interpretiert, sieht darin den überwiegenden Anteil (95%) nicht nur der Willenskraft, sondern des Willens selbst begründet. Damit wäre der Mensch (untersucht und gemeint wurde hier der US-Bürger und der Wedsteuropäer) in seinem bewussten Entscheidung hiervon fast vollständig von einem Gefühl determiniert, das immer schon vor allem willentlichen Handeln steht und wäre damit kaum in der Lage ein Bewusstsein seines Handelns zu bilden, aus dem es erst begründet wäre. Dagegen wäre das Beuwsstsein auch kaum vom Verstand her beeinflussbar, also alle im politischen Diskurs implizierten Einflüsse und ihr Rekurs auf Vernunft und Einsicht unwirksam.
Nun setzt aber auch in dieser Theorie dieses Gefühl Empfindungen voraus, aus denen es sich gebildet und schlie"lich selbständig gemacht hat. Dass es allerdings sich verselbständigen konnte und nachweisbar auch eine Kraft über sie hinaus, oft auch gegen sie entwickelt, also geradezu Verkehrungen des Verhältnisses von Empfindungen und Gefühle betreibt, wird naturwisenschaftlich nur mit der Effizienz der Gewohnheiten erklärt. Alle Verrücktheiten der Psyche werden durch solche positivistische Sichtweise aus irgendwie verhärteten Erfahrungstatsachen verklärt, deren Erklärung gleichgültig geworden sei. Auch das phänomenologische Denken der Psychoanalyse spekuliert auf solche naturwissenschaftliche Grundlagen und behauptet an Stelle der Gewohnheit ein Erinnerungsbild eines Befriedigungserlebnisses, welches alles weitere Luststreben danach ausrichtet und die Psyche hiernach folgend triebökonomisch auflädt.
Tatsächlich lässt sich nicht bezweifeln, dass es die Psyche als eine innere Wirklichkeit gibt, die derlei Verkehrungen hervorbringen kann. Aber sie resultiert nicht aus den natürlichen Inhalten der Wahrnehmung, sondern aus einer Formbestimmung durch die Getrenntheit ihrer Gegenstände, aus den Verhältnissen des zwischenmenschlichen Lebens als Erlebnis der Selbstwahrnehmung, in welcher sich eine persönliche Identität zu einer Persönlichkeit entwickelt, die nicht mehr wissen muss was sie tut, solange ihr die Möglichkeiten ihres Handelns unendlich erscheinen, solange sie also durch Geldbesitz bestimmt ist. Die Theorien des Unbewussten, die Psyche nicht aus den abstrakten Beziehungen der Selbstwahrnehmung zwischen Empfindung und Gefühl erklären, gründen daher auf den Konsumgewohnheiten der bürgerlichen Gesellschaft.
Um die Selbstwahrnehmung von einem Wesenszweifel frei zu halten, wird das Bewusstsein von etwas frei gehalten, das unbewusst werden und bleiben muss, eine Wahrheit, die nicht sein darf, wiewohl man sie wahr hat. Die Verwirklichung des Zweifels vollzieht das Zusammenbrechen einer Wahrnehmungsidentität, die aus dem Ausschluss von Empfindungen besteht, deren Wahrheit den eigenen Lebensverhältnissen im Weg ist.
Damit aber ist das Unbewusste die Form von einem Wissen, das verzweifelt ist, das sich der Subjektivität entziehen und von ihr abtrennen musste, um eine Lebensnot zu überstehen (z.B. Gebundenheit in einer Familie oder Beziehung voll subjektiver Mächtigkeit). Im Unbewussten lebt das Ungetrennte fort als Notwendigkeit des Lebens, das sich nicht gewiss sein kann, weil es sich nicht wirklich von seinen Lebensbedingungen unterscheiden kann und daher hiervon abgetrennt im Ungewissen bleiben muss. Darin erscheinen die bedrängten Empfindungen objektiv als Gefühle und wirken auch als objektive Gefühle, die wie aus einer Verdrängung hervorbrechen und sich der Wahrnehmung bemächtigen.
Das Unbewusste ist also ein systematisch bestimmtes Ungewisses, ein notwendiges Unwissen, das wie ein hintersinniges Gewissen sich in die Selbstwahrnehmung versetzt, wie ein lebendiges Anderssein-sollen, das sich in der Selbstwahrnehmung vergegenwärtigt. Hierin bewahrheitet sich eine Fremdwahrnehmung in der Selbstwahrnehmung und spaltet davon bestimmte Gewissheiten, sich also als Unbewusstes von der Wahrnehmung ab.
Unbewusstes als solches gibt es nicht. Schon der Begriff sagt, dass es sehr wohl Gewissheiten voraussetzt, die es nicht wirklich wahr werden lassen darf. Es sind Gewissheiten, welche eine persönliche Identität bedrohen. Von daher ist das Unbewusste nur als ein nicht wirklich begründetes Handeln der Seele zu verstehen. Es drückt sich in seelischen Absichten aus, die jede Gewissheit meiden müssen, die in einer bestimmten Wahrnehmung unter bestimmten Anlässen sich auftun müssten. Es erscheint selbst als ein objektiv bestimmtes Gefühl, ein Gefühl, das keinen Gegenstand hat und selbst gegenständlich auf die Wahrnehmung wirkt.
In Zwangshandlungen zum Beispiel ist ein solches objektives Gefühl besonders deutlich: Der oder die Betroffene muss sich dann z.B. permanment waschen, weil ihm oder ihr das Gefühl absoluter Unreinheit beständig überkommt. Selbstvergegenwärtigung ist nur noch möglich durch waschen, weil die eigene Gegenwärtigkeit durch etwas bedroht wird, was nicht gewiss ist und auch innerhalb dieses Zwangsverhältnisses nicht gewiss werden kann. Es handelt sich nicht um eine Formulierung, etwa Verbote oder dergleichen. Der Zwang selbst ist eine Formulierung gegen Unformulierbares.
Das Unbewusste ist das Gewissen vom Ungewissen und kann sich auch nur in Ungewissheit forttragen und verwirklichen. Schon in seinem Ursprung beruht es auf einer objektiven Verunmöglichung von Selbstgewissheit, die durch Lebensraum oder Lebensgewohnheiten oder Beziehungen bestimmt worden war und die Notwendigkeit eigener Identitätsbildung, das Kritikvermögen, erst bedrängt und schlie"lich verdrängt hatte. Das Erschlie"en von Unbewusstem verlangt den Vollzug des Ungewissen, (also auch Wissen hierzu) und ist deshalb meist mit Schmerz verbunden, weil es den Schmerz des Zweifels in sich trägt. Die Erkenntnis unbewusst begründeteter Absichten löst sich von ihrem Schmerz in dem Ma"e, wie darin sich der Zweifel in Selbsterkenntnis aufhebt, welche zuvor sich in der Selbstverleugnung verzweifeln lie". Es verlangt also die Befreiung von Erfahrungsmöglichkeiten, welche das Unbewusste behindert hatte. Dies geschieht nicht theoretisch oder durch sprachliches Folgern oder gar durch übermitteltes Wissen, sondern nur praktisch und im wirklichen Leben. Eine Erschlie"ung solcher unbewusster Absichten muss sich deshalb auch auf die Lebenspraxis beschränken, also auf das, was dem Schmerz zu seiner Gewissheit verfügbar ist.
Das Unbewusste ist auch ein Begriff der Aufklärung, den Freud und Breuer und viele Psychoanalytiker zur "Erklärung von Neurosen" verwendet haben. Er behauptet durch diesen Begriff die Verdrängung eines Wissens, welches durch innerpsychische Bedingungen, im allgmeinen durch einen "Triebkonflikt" (siehe auch Trauma) nicht "bewusst" werden dürfe. Damit ist das Unbewusste vollkommen in seiner Verkehrung erfasst: Es erscheint nötig für ein "heimliches" Glück, das erst in der Wirklichkeit Unglück bringt oder als Schmerz eines Wunsches, der nicht wahr werden kann (z.B. Ödipuskomplex). Dies zeigt - nebenbei - den willkürlichen Zynismus, den die Psychoanalyse dem Leiden der Erkenntnis entgegenbringt: Du wolltest ja vergewaltigt sein, Schmerz haben, Krank sein usw. usf.; Du hast es "nur" verdrängt!
Dabei wird dem Unbewussten ein Abkommen aus dem Bewusstsein zugesprochen, welches durch Bewusstsein oder Bewusstmachung darin wieder einbezogen werden müsse, um aus der "Neurose" herausgeführt zu werden (siehe Freud, Psychoanalyse). Dem entsprechend behandelt die Psychoanalyse des Bewusstsein und reproduziert zur "Bewusstmachung" die "innerpsychischen" Reminiszenzen durch eine Übertragungsbeziehung auf einen Therapeuten, der mit dem Unbewussten identifiziert auftritt (Wiederholung von Familienbeziehungen). Ähnliches findet auch in der Familienaufstellung der systemischen Psychologie statt, allerdings mit dem Ziel, Erlebens- und Verarbeitungsmuster aufzuspüren und dem Wissen zugänglich zu machen.
Nach meiner Auffassung ist das hier Gemeinte eine zwischenmenschlich notwendige Wissensform als ein Gedächtnis, welches die Wahrnehmung haben muss, solange die Inhalte bestimmter zwischenmenschlicher Beziehungen die Wahrheit von Menschen bedrängen oder bedrohen (siehe Identität). Dass dieses Wissen sich vor die Wahrnehmung stellt, also Wahrnehmungszustände bereitet, liegt an ihrer Beziehung zur Wahrnehmung als Vorgeschichte ihres Wissens, die ihre Gewissheit blendet, weil sie sich ihr widersetzen muss - nicht als innerpsychische Notwendigkeit, sondern als Art und Weise, bestimmte Beziehungen mit bestimmter Wahrnehmungsgeschichte zu realisieren. Es müssen gerade die Beziehungen damit erhalten werden, die ausgetrennte Erkenntnis enthalten, also oft in Gegnerschaft zu dem verlaufen, was die Menschen voneinander wahrnehmen, weil sie sich nur in dieser Beziehung als das wahrhaben, was sie für ihre ausgetrennte Erkenntnis sind. Als "Unbewusstes" wäre sie grundsätzlich verkehrt zu einem innerseelischen Verhältnis, das au"erseelische Folgen hat und sich also der "Neuverarbeitung" von Realität zu beugen hätte.