Egologie
"Im 18. Jahrhundert als Neologismus gebildet und von Edmund Husserl geprägt. In Husserls Egologie wird zwischen dem faktischen und dem transzendentalen Ego unterschieden. Sein Anliegen ist die Erforschung des Subjektseins". Siehe hierzu auch die "Kritische Psychologie" nach Holzkamp. „Unter systematischem Aspekt hat Edmund Husserl vor allem den Monadenbegriff für seine Egologie herangezogen.“ Wikipedia
Die Phänomenologie konnte ihre idealistische Herkunft nach Fichte und Hegel in der Bedrängnis einer niedergehenden Kultur um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert nicht mehr durch ihre Ideale zersteuen. Da die Phänomenologie von Edmund Husserl (wie auch von Martin Heidegger) als erkenntnistheoretisch begründete Wissenschaft gelten sollte, welche die Erscheinungen selbst als Substanz ihrer Erfahrungen sich verstehen lassen sollte. Eine solche Phänomenologie konnte ihre Methode mit der "eidetischen Reduktion" ihre Urteile nicht im Belieben von einfach "sehenden" Subjekte wie selbstverständlich begründen. Das Selbstverständliche musste neu begründet werden, um "wissenschaftlich anerkannt" zu werden und Begriffe zu finden, die über ihre Gegenwärtigkeit hinausgreifen konnten. Ohne eine gegenständliche Analyse war dies dann eben auch objektiv auf die Subjektivität zu beziehen. Und so wurde dies zu einer Selbstfindung am Abgrund der Objektivität, die sich nur zwischen ihren subjektiven Derivaten begründen konnte. Und um ihren objektiven Subjektivismus darzustellen (siehe auch Fundamentalontologie) musste vor allem das Selbstverständliche von der Phänomenologie selbst hinterfragt und damit zugleich diese selbst als sich selbst verstehend und dennoch wissenschaftlich objekivierbar als "genetische Phänomenologie", als "genetischen Lehre des reinen Ich" mit dem Gedanken des "Ur-Ich" vorstellen lassen.
„Die neue Phänomenologie des Zeitbewusstseins in Husserls Bernauer Manuskripten“, in: Die erscheinende Welt. Festschrift für Klaus Held, Philosophische Schriften Band 49, hrsg. von Heinrich Hüni und Peter Trawny, Duncker & Humblot, Berlin, 2002, S.539-555. In dieser Abhandlung sieht Bernet die Bernauer Manuskripte als Teil der „neuen Beschreibung des Zeitbewusstseins im Rahmen einer genetischen Phänomenologie“ an. Es heisst: „Den entscheidendsten Fortschritt über die früheren Zeittexte hinaus erzielen die Bernauer Manuskripte [...] vielmehr durch den neu entwickelten und konsequent durchgeführten Übergang zu einer «genetischen» Phänomenologie“. (zitiert nach Takeru Eguchi über "Husserl: Der Anfang einer "Phänomenologie der Phänomenologie")
Um wissenschaftlich anerkannt zu sein, musste sich diese Phänomenologie sschließlich auch durch allgemein gültige Aussagen über das Einzelne machen, ihm ein Wesen aus der Anschauung zuweisen, wodurch alle Einzelheiten aus und an sich selbst aufklären ließen. So war Husserl gezwungen, ein Subjekt seiner wissenschaftliches Methode zu entdecken. So ernannte er das "ICH" der Phänomenologie etwas verkrampft zu einem Ur-Ich und gründete darauf seine Lehre vom selbstevidenten Dasein seiner monadisch verstandenen Objekte einer "Egologie". Und das passte gut in die Zeit des Niedergangs der bürgerlichen Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhundertss.
Wo der isolierte Mensch – der von seiner Gesellschaft abgetrennte Mensch – durch die allgemeine Vereinzelung der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft (siehe Kapitalismus), durch sein existenzielles Privatvermögen (sehe Geldbesitz) – einen Selbstwert für sich erkennen kann, kann er die dadurch produzierten gewöhnlichen Minderwertigkeitsgefühle aus sich heraus setzen, sich selbst durch seine Erlebnisse in einer Kultur der zwischenmenschlichen Verhältnisse verwerten. Er wird seine Isolation nicht mehr wahrnehmen, wohl aber die Kulte der Selbstverwertung mit und durch Seinesgleichen im Allgemeinen wahrhaben.
Da jede Verwertung die Einzelnen von einander ausschließt stehen sie auch Kulturell in einem Konkurrenzverhältnis zu einander, können also auch nicht füreinander einstehen. Ihre Selbstbehauptungen erzeugen wie von selbst außer ihnen selbst eine mächtige Subjektivität der Vereinzelung, ein [[>bürgerliches Subjekt]], das nichts außer sich sinnvoll findet und empfindet, weil es keine Identität jenseits seiner Nützlichkeit für Andere geben kann. Aber gerade das macht es brauchbar für das Bedürfnis auf Einverleibung seiner gesellschaftlichen Substanz als Privatperson zwischen den Menschen (siehe Zwischenmenschlichkeit). Von daher bekommt es ein kulturelles Wesen zugesprochen, das dem Wesen seiner wirtschaftlicchen Verhältnisse im Warentausch – dem Austausch von Gebrauchtwerten – der Form nach in der Selbstverwertung weitgehend entspricht (siehe Formbestimmung). Wie ein Händler mit Gebrauchswerten seinen Besitz im Warentausch vergesellschaftet, vergesellschaftet er sich selbst als besonderer Mensch (siehe auch Selbstveredelung), der seine Selbstbezogenheit veräußert (siehe Tausch). Zu seiner Selbsttäuschung steht ihm ein "Ich" zu, das die gesellschaftlichen Institutionen hegen, um die bürgerliche Kultur als Maß und Ziel ihrer Verhältnisse zu pflegen – je verwahrloster sie sind (siehe auch Dekadenz).
Das sogenannte "ICH" gibt es aber nirgendwo wirklich. Es ist lediglich ein Konstrukt der Identitätsphilosophie, der Phänomenologie und der Psychoanalyse und soll substantivieren, was eine Selbstbehauptung ausmacht, was ihr Interesse subjektiv darstellbar und "korrigierbar" machen soll. Es ist aber ein absurdes Konstrukt, das aus einem eindeutig einzelnen Hinweis auf sich selbst eine kategoriale Verallgemeinerung macht. Diese soll darüber hinwegtäuschen, dass ein einzelner Mensch auch als Individuum nicht wissenschaftlich begreifen lässt, dass also eine Substanz aus substantivierten "Fürwörtern" nicht beweisbar sein kann. Um "Ich" zu sagen, bedarf es keiner Kategorie, weil (Personalpronomen) ich schon der Beweis von mir bin. Ich bin schon im Reden, Schreiben, Machen usw. evident, meiner selbst mächtig. Weil es das so vermeinte "Ich" nur als Selbstbeziehung gibt und sich daher nur aus den Verhältnissen begreifen lässt, kann es nur eine Selbstbehauptung meinen.
Schon Husserl, der Begründer der phänomenologische Methode hatte ein Problem, diese aus der Einfühlung wissenschaftlich, und also substanziell zu belegen. Ein "Ich" wäre eigentlich nur ein persönliches Fürwort, ein Personalpronomen, das absurderweise zu einem Substantiv geworden wäre. Aber es war Fichte, der seine Logik auf der Formel "Ich=Ich" gegründet hatte, die er als Begriff der Subjektivität wie Objektivität in einem begriffen wissen wollte. Es bestünde schon durch diese leere Formel
"der Erklärungsgrund aller Thatsachen des empirischen Bewusstseyns, dass vor allem Setzen im Ich vorher das Ich selbst gesetzt sey". (Fichtes Werke. Band 1, Seite 95)
Richtig mag sein, dass ich mich nicht als "Nicht-Ich" denken kann, aber die Umkehrung, dass ich dudurch mir schon gleichbleiben würde, dass ich mir auch immer durch ein Fürwort persönlich gleich blieb, nur weil ich der Form nach oder nominell ich für mich sein sollte und auch nur als diese bleiben könnte, ist der Ausgangspunkt einer schlechten Unendlichkeit. Die große Unbekannte der vermeintlichen Selbstgewissheit bliebe eine Abstraktion, das große "X" bei Fichte. Ich könnte dann nämlich nur subjektiv sein, indem ich von mir absehe, um als Ich zu verbleiben, weil dies zugleich
"etwas sey, das sich stets gleich, stets ein und dasselbe sey; und das schlechthin gesetzte X lässt sich auch so ausdrücken: Ich=Ich; Ich bin Ich". (Fichtes Werke. Band 1, Seite 94)
„Die neue Phänomenologie des Zeitbewusstseins in Husserls Bernauer Manuskripten“, in: Die erscheinende Welt. Festschrift für Klaus Held, Philosophische Schriften Band 49, hrsg. von Heinrich Hüni und Peter Trawny, Duncker & Humblot, Berlin, 2002, S.539-555. In dieser Abhandlung sieht Bernet die Bernauer Manuskripte als Teil der „neuen Beschreibung des Zeitbewusstseins im Rahmen einer genetischen Phänomenologie“ an. Es heisst: „Den entscheidendsten Fortschritt über die früheren Zeittexte hinaus erzielen die Bernauer Manuskripte [...] vielmehr durch den neu entwickelten und konsequent durchgeführten Übergang zu einer «genetischen» Phänomenologie“. (zitiert nach Takeru Eguchi über "Husserl: Der Anfang einer "Phänomenologie der Phänomenologie")
Nach Husserl ist eine wissenschaftliche Urteilsbildung (siehe Urteil) von ihrem "Denkverlauf" nicht zu unterscheiden, Gegenstand und Bewusstsein Einunddasselbe. Damit wird das Denken selbst als real aufgefasst, die ganze Wirklichkeit als herrschendes Dasein von Gedanken – ganz im Sinne von Martin Heideggers Fundamentalontologie – die ganze Welt nur ein Produkt von Gedanken, die Welt selbst nur eine Konstruktion des eigentlich Seienden (siehe Konstruktivismus). Die Wahrnehmung ist im Dasein ihrer Erfahrungen rein subjektiv und erscheint aus dem Belieben der Subjekte schon durch ihre Selbstverständichkeiten aus ihren Gewohnheiten erwiesen. Bei ihrer Wahrnehmung sind sie also immer zunächst ausschießlich einzeln und in einer Gesellschaft der Vereinzelungen für sich und durch sich schon rein phänomenal (siehe Phänomenologie) wahr. Ein Zweifel hierüber lässt sich Von daher nicht widerlegen. Aber was sie in Wahrheit im Großen und Ganzen sind, lässt sich durch eine Analyse ihrer Vereinzelung ergründen, also in dem beweisen, was zwischen den Einzelheiten, was im Dazwischensein ihrer Gegenstände ihren Zusammenhang ausmacht und also empirisch durch ihre Beziehung zusammenhängt, so verbunden ist, wie es im Allgemeinen erfahren wird.
"Dasjenige, dessen Seyn (Wesen) bloss darin besteht, dass es sich selbst als seyend setzt, ist das Ich als absolutes Subject. So wie es sich setzt, ist es; und so wie es ist, setzt es sich; und das Ich ist demnach für das Ich schlechthin nothwendig. Was für sich selbst nicht ist, ist kein Ich." (Fichtes Werke. Band 1, Seite 97)
Schon von da her war es ein selbstverständlicher Fortgang des phänomenologischen Denkens, sobald ihm der "Zeitverlauf" – sprich Geschichte – gleichgültig geworden war, einen Wesenskern des Ich als ein wirklich abstraakt Allgeeines der Anschauug, als ein Ur-Ich zu proklamieren. Damit sollten die Probleme dieser "Wissenschaftichen Grundlage" einer "an der Jahrhundertwende in der Philosophie zum Durchbruch gekommene neuartige deskriptive Methode und eine aus ihr hervorgegangene apriorische Wissenschaft" schon aufgehoben gelten. Zur gleichen Zeit arbeitete Martin Heidegger an seiner Fundamentalontologie, die den Anspruch verfolgte, die durch ihn erneuerte "Frage nach dem Sinn des Seins" als Grundfrage aller Philosophie neu gestellt haben" (Martin Heidegger). Er hätte sich mit seinem Freund Husserl streiten müssen, denn was dieser dem vereinzelten Menschen zumutete, war ihm eine Sache des Volkes, "die ursprünglich gestimmte, wissende Entschlossenheit zum Wesen des Seins. Und die geistige Welt eines Volkes [...] ist die Macht der tiefsten Bewahrung seiner erd- und bluthaften Kräfte als Macht der innersten Erregung und weitesten Erschütterung seines Daseins." (Martin Heidegger in seine Freiburger Rektoratsrede im Mai 1933 unter dem Titel: "Die Selbstbehauptung der deutschen Universität"). So blieb der Streit um das "Ur-Ich" und der "Urgesellschaft" unaufgelöst. Aber er war wohl auch nicht auflösbar, denn für die Phänomenpologie war das ja sowieso Einunddasselbe.