Geschlechtsrollen
Eine Geschlechtsrolle ist eine soziale Rolle, die durch Geschlechtseigenschaften begründet wird. So üppig diese Eigenschaften bei solcher Begründung hervorgekehrt werden, so wenig wird das gesellschaftlich Notwendige, was die "Rolle" bewältigen soll, aus der Gesellschaft heraus begriffen, sondern stattdessen aus der individuellen Form der Geschlechtlichkeit heraus verwesentlicht (siehe auch Männerkult und Frauenkult). Doch diese Unterscheidung betrifft fast nur einen Teil der der sozialen Mittelschichten und bestärkt die bildungsbürgerliche Schicht im Glauben an ihr edelmütigen Rollenverständnis (siehe Selbstveredelung), während die ärmeren Schichten von der Not ihrer besitzlosen Existenz vom Geldbesitz bedrängt werden (siehe auch Arbeitslosigkeit). Der Klassencharakter der kapitalistischen Gesellschaft tritt daher auch kulturell im Verhältnis der Männer zu den Frauen auf.
Dort gerät z.B. die Sorge um die Kinder einer abstrakt menschlichen Gesellschaft zu einer privaten Überlebenstechnik, mit der sich besonders Frauen abarbeiten müssen, weil und solange ihre Fähigkeiten hierfür ausgebeutet werden können. Natürlich können auch Männer vieles übernehmen oder sich auch ganz um die Kinder kümmern; doch das ändert nichts an der Privatheit und Ausbeutung von gesellschaftlich notwendiger Arbeit und Fürsorge. Es ist nicht die Geschlechtseigenschaft, die hier ausgenutzt wird, sondern es wird die Abwertung gesellschaftlich bedeutender Arbeit zur Überbewertung wirtschaftlicher und kultureller Zwecke durch die Zuweisung einer quasi natürlichen oder naturalisierten Rolle betrieben. Die Geschlechtseigenschaft wird also kulturalisiert zu einem politischen Begriff, welcher die Abwertung einer bestimmten Arbeit betreibt (wenn jemand eine Arbeit machen muss, weil er das Geschlecht dazu hat, dann bleibt ihm/ihr nichts anderes, und soll auch nichts anderes bleiben und dann ist das auch relativ leicht zu haben, also wertlos). Es ist augenfällig, dass die bürgerliche Gesellschaft nicht nur die Menschen als Mittel der bildung für den "hohen Zweck" abstrakten Reichtums ansieht und die Ausbeutung der Lebenskräfte bis an ihre äußerste Grenze treibt, sondern dass auch die bürgerliche Kultur in der menschliche Sinnlichkeit zum Mittel ihrer Selbstentfaltung nimmt. So greift sie auch auf die Geschlechter und gibt ihnen Rollen, welche dem Erhalt und der Entfaltung einer abstrakten Sinnlichkeit dienstbar sein soll.
Während in der Zeit der Industrialisierung die Rollenaufteilung auf einem knallharten Kalkül des Kapital beruhte (hohe Ausbeutungsrate der männlichen Arbeiter zur optimalen Nutzung ihrer Kraft und darin einbezogen die Ausbeutung der Lohnarbeiterinnen als Haushälterinnen der Reproduktion der Arbeitskraft), herrscht im Zeitalter der Globalisierung die gleichmäßige Ausbeutbarkeit aller Lebenskräfte vor. Die Arbeitskraft braucht zumindets in den Dienstleistungsgesellschaften, in denen vorwiegend an der Reproduktion des Kapital (Regeneration, Verwaltung, Transport, Maschinenproduktion, Kommunikation, Technologieentwicklung) gearbeitet wird, keinen Haushalt; sie braucht Kultur, um sie an der Sinnlosigkeit ihrer Arbeit interessiert zu sein. Die Geschlechter begegnen sich hier ununterschieden in Arbeit und Freizeit und erhalten so ihre zwischenmenschliche Rollen, die sie zugleich zu Kulturarbeiter werden lassen.
In den Unterschichten bekommen Besonders die Frauen auf Grund ihrer Geschlechtseigenschaften als Mutter und Haushälterin die doppelte Arbeit als Funktionaliät ihrer Ausbeutung besonders zu spüren. Weil die Individualisierung der Arbeit darin totalisiert ist und Familien keinen ökonomischen Raum (Gemeinschaftshaushalt für eine Arbeitskraft) mehr darstellen, bleibt den Frauen oft die gedoppelte Privatheit der Ausbeutung: Die Ausnutzung ihrer privatpersönlichen Beziehung zu ihren Kindern und ihrer Fähigkeiten für die Kommunikations- und Verwaltungsansprüche des Kapitals. Die Geschlechtsrolle wird hierbei fast nur noch kulturell bestimmt und lebt durch die Eigenschaften der Sinnbilldung fort, welche zum Gattungsbegriff schlechthin, zum Menschsein als Frau oder als Mann, wird und die Gesellschaftslosigkeit der Geschlechter absolut setzt. In den Geschlechtsrollen können sie nur noch ihre abstrakte Sinnlichkeit ausformen und sich an den Lebensnotwendigkeiten, also an den Lebenspflichtigkeiten ausrichten, zu deren Träger sie werden. So wird die Ausbeutung der Frau nicht mehr in objektiver Zwecksetzung begriffen, sondern als Ohnmacht der Subjektivität erfahren. Dies betrifft aber beide Geschlechter und treibt die Männer - so sie sich nicht an der Kulturarbeit beteiligt sehen können - in die Selbstbezichtigung oder erweckt ihre erstickten Sinne zum Kulturmonster.
Die Nominierung des Geschlechts zu einer Geschlechtsrolle macht auch ihren Träger oder ihre Trägerin zum Objekt einer gesellschaftspolitischen Selbstüberhebung: Die menschlichen Eigenschaften selbst werden von ihm oder ihr abgetrennt zu einem eigenständigen Objekt isolierter Objektivität (siehe hierzu auch Geschlechtsästhetik).