Lebenswissenschaft
"Der egoistische Mensch ist das passive, nur vorgefundne Resultat der aufgelösten Gesellschaft, Gegenstand der unmittelbaren Gewißheit, also natürlicher Gegenstand." (MEW 1, Seite 369)
Aus dem angels�chsischen Sprachraum kommend haben sich die Begriffe "Life Sciences" und, davon abgeleitet, "Lebenswissenschaften" etabliert, wobei insbesondere die biomedizinisch ausgerichtete Industrie den Begriff "Life Sciences" pflegt. Diesen verbindet man heute vielfach mit anwendungs- und marktorientierter Forschung; "Biowissenschaften" und "Lebenswissenschaften" werden dagegen eher auch mit Grundlagenforschung in Verbindung gebracht. Der Begriff "Lebenswissenschaften" wird auch auf nicht urspr�ngliche biologische Disziplinen, wie Psychologie,Soziologie, Ökonomie oder k�nstliche Intelligenz, ausgedehnt.
Umgekehrt gilt Biologie inzwischen allgemeiner als Lebenswissenschaft, damit alles Leben endlich zum ausschließlichen Gegenstand von Naturwissenschaft werden kann, endlich die geistigen Probleme der bürgerlichen Wissenschaften abgeräumt werden und Soziologie auf ein botanischen Fundament gestellt werden kann. Das gab es zwar schon ausgiebing bei den sowjetischen Psychologen und Soziologen des so genannten dialektischen Materialismus, wie auch in der Rassenlehre des Dritten Reiches. Aber nein. Das soll man nicht so einfach vergleichen können, denn auch der Darwinismus hat sich seiner Grundlagen enthoben und zu einem systemischen Denken fortentwickelt. Schließlich werden naturwissenschaftlich keine Rassen mehr erforscht, sondern Funktionen, Lebensfunktionen und Marktfunktionen, bzw. die Funktionalität des Lebens als Einheit von Marktwirtschaft und Natur überhaupt. Doch Funktion wofür? Für ein funktionales System, das die Systemtheorie inzwischen wie einen "Lebenszusammenhang" von Algorithmen aufführt. Damit passt es am besten in die Zeit, in die Technologie der sozialen Beziehungen, die vor allem eine Vermenschlichung der Technik sein oder werden soll. Alles sei Resultat natürlicher Entwicklungen. Und so gilt deren Evolution also auch die Lebensgeschichte der heutigen Systeme, des Lebens als Systematik seiner Natur - gerade so, wie man aus der Natur ein System machen kann, wenn man es darauf absieht.
Dabei ist allerdings vor allem davon abzusehen (siehe auch Absicht), was das Leben wirklich ausmacht. Leben ist Geburt und Tod, Bewegung, Angst und Freude, Ruhe und Unruhe durch sich selbst, Vereinigung, Entzweiung, Vermehrung, Stoffwechsel und Gewissheit von sich, Erkenntnis - Sinn und Geist im beständigen Werden, in seiner Geschichte, Geschlecht im Entstehen und Vergehen, der geschichtliche Akt der fortwährenden Selbsterzeugung, der Entwicklung und Entfaltung in der konkreten Sinnlichkeit der Natur (siehe auch Sinnbildung). Die Entfaltung des Lebens hat sich geschichtlich durch die natürliche Intelligenz der Lebenst�tgkeit selbst entwickelt.
Die Frage, wie hierin Leben sich entfalten konnte, l�sst sich daher nicht logisch beantworten, weil Leben selbst nur subjektiv sein kann, weil es nicht logisch, wohl aber intelligent entscheidet, auch wenn es nach Vollzug logisch erscheinen mag. Es gibt von daher keinen Sch�pfungsakt als solchen, nicht die Entscheidung einer vorausgesetzten Intelligenz, wohl aber eine Intelligenz der Stoffe, die in ihrer Affinit�t best�ndig wurden und aus ihrer Best�ndigkeit neue Stoffe bildeten, sie sich hieraus erkl�rten und also eine bestimmte Entstehungsgeschichte in sich forttrugen. Dies macht wohl die erste wirkliche Grundlage der Natur und damit allen Lebens aus. Es ist die Wirkung bestimmter Austauschverh�tnisse von Stoffen, die in ihrer Verbrennung opfimale Energienutzung und f�r weitere Entwicklungen optimale stoffliche Produkte hinterlie�en. Die Natur ist demnach ein hieraus entstandenes Streben nach optimaler Verbrennung, der Stoffwechsel selbst die urspr�nglichste Bedingung ihrer wesentlichsten T�tigkeit, der Fortpflanzung.
Die Intelligenz der so gebildeten stofflichen Verbindung kam dadurch zu einem eigenst�ndigen Leben, dass sich darin stoffliche Verbindungen ergaben, die ihre stoffliche Beziehung nicht nur vollziehen, sondern sie schlie�lich irgendwann auch selbst veranlassen konnten, die also ein Streben entwickelten, sich bestimmten Stoffen im Zweck ihrer Nat�rlichkeit anzun�hern, um optimale Verbrennungsverh�ltnisse fortzutragen und in stofflicher Gestalt, also in der Affinit�t bestimmter Massenverh�ltnisse sich diese zu "merken". Leben begr�ndete sich also auf der "Intelligenz" einer Wechselbeziehung der Stoffe, auf einem Stoffwechsel, der veranlasst werden konnte und so die Natur selbst erst bildete und entwickelte.
Das erste Lebenszeichen war demnach ein Sinn, durch welchen Stoffe f�r den Stoffwechsel als sinnvoll erkannt wurden. Er entwickelte sich zu einem bestimmten Sinn f�r einen stofflichen Zusammenhang, einem Grund, f�r welchen Stoffe sich einf�gen lassen und zusammenf�gen und wonach sich auch Organe zur Empfindung anderer Stoffe entwickelten. Es waren die ersten Subjekte, welche sich Stoffe zu ihrem Objekt machten und sich selbst darin verobjektivierten. In der Empfindung von anderem hatten sie zugleich eine Beziehung zu sich, bildeten sich, wie es durch ihre Natur geboten war, also in der Beziehung zu ihrer Umwelt. Ihre Selbsterhaltung war dadurch zugleich Selbsterzeugung, die zur Selbstentfaltung wurde, indem sich diese Naturwesen zu sich selbst verhalten, sich fortpflanzen und entfalten konnten. Leben ist daher [[Subjektivit�t]], also Selbsterzeugung, Selbsterhaltung und Selbstentfaltung, Reichhaltigkeit an nat�rlicher Bezogenheit, an Naturempfindungen, aus denen alle weiteren Empfindungen sich ergeben, die eigenes Wachstum, also Bewegung durch sich und um seiner selbst Willen begr�nden.
Dass das Lebende das Tote empfindet, zeigt sich an den urt�mlichsten und einfachsten Verh�ltnissen des Stoffwechsels und der Assimilation. Die F�higkeit, Stoffe f�r sich ad�quat aufzunehmen und zu verdauen und die Schlacke abzusondern, macht den ersten Sinn in der Natur f�r die Natur aus. Indem Ma�e, wie lebende Zellen die Asche der Sauererstoffverbrennung nicht ausscheiden k�nnen, altern sie und n�hern sich ihrem Tod. Ohne Empfindung f�r das, was dem Leben schadet, ist es nicht m�glich.
Auch die Nervenzellen verfahren �hnlich, wenn sie sich ein Bild von ihrer Umwelt machen und sogar in der Lage sind, diese zur eigenen Gestalt zu bringen, z.B. in den Tarnfarben, die Tiere aus ihrer Umgebung beziehen und erzeugen k�nnen. Schon Hegels System der Sensibilit�t hat diesen Gedanken aufgenommen, als er das Nerven-, das Blut- und das Verdauungssystem als Totalit�t der nat�rlichen Gestalt auffasste, und diese schon als pflanzlichen Sinn begriffen hatte (Hegel, Enzyklop�die �354).
Der Sinn ist selbst eine Erkenntnis, indem er sich zur toten Materie wesentlich verh�lt als Sinn f�r sie, wie er auch die erste Erkenntnis f�r sich dadurch ist, in diesem Verhalten die F�higkeit zu haben, Totes von Lebendem zu scheiden und auszuscheiden, sich darin zu bilden und t�tig zu sein und als wirkliches, also Wirkung habendes Leben herauszubilden. So wie das Leben als Sinn der materiellen Natur entstanden ist, so ist der Sinn das Leben mit ihr. Die ganze Sinnbildung kann nichts anderes sein, als eine Naturgeschichte, die sich f�r sich begeistert hat. Der Geist selbst ist unmittelbar sinnlich, auch wenn er Verh�ltnisse eingeht, in denen er sich von seiner sinnlichen Natur entfernt, um auf sie wieder zur�ckzukommen. "Die Entstehungsgeschichte des Menschen ist die Bildungsgeschichte seiner Sinne" (Marx). Und diese ist nicht als solche nicht bestimmt, also ohne Ende. Leben erh�lt sich selbst, pflanzt sich fort, dehnt sich aus, �berwindet sich selbst als reine Stofflichkeit und treibt fortw�hrend zu einer sinnvollen Beziehung der Stoffe, welche sich in einem lebenden Subjekt vermitteln als sein Stoffwechsel und seine Sinnbildung als ein und daselbe. Diese ist daher seine notwendige und subjektive Beziehung auf andere Subjekte: Gesellschaftlich wirkliches Sein der menschlichen Natur im nat�rlichen Verh�ltnis der Menschen.
Leben bildet sich daher nicht und entwickelt sich nicht in einer Systematik seiner Beschr�nkung und Ausrottung (vergl. Darwinismus), als ob es sich erst aus der �berwindung seines �berflusses erg�be; es bildet sich immer wieder als neues Leben, wenn die Verbindung, die es eingeht, auch Neues erzeugt, dieses als sein eigenes Erzeugnis und als seine Erneuerung dadurch bildet, dass es ein altes Wesen bew�hrt und freisetzt, sich darauf gr�ndet, um es in seiner Verwirklichung der Verwesung zu �berlassen. Leben entsteht und best�rkt sich nicht als �berlebendes im Kampf der Sinne (es m�sste reiner Un-Sinn sein!), es entsteht aus seiner eigenen Fortbestimmung in und durch anderes Leben (Fortpflanzung). Es ensteht in der Besinnung seines Werdens, Sinnfindung im Wechsel der Stoffe, worin es erst wirklich (weil praktisch) zum stofflichen Leben kommt. Leben ist nicht teleologisch; es ist prinzipiell unlogisch, fraglos, grundlos, folgenlos. Es ist prinzipienlos begr�ndet; - aber es selbst erkl�rt sich aus seinem Gewordensein als ein durch sich selbst wie durch andere begeisterter Stoffwechsel. Das Leben hat Sinn, weil es sinnlich ist und weil sinnlich sein hei�t, sinnbildend zu sein. Im Sinn hat der Stoff seinen Geist, wie er selbst anderer Stoff nur ist, durch seine Begeisterung, durch sein gesellschaftliches Sein, durch seine Beziehung auf andere. Der Stoff hat seinen Sinn im Leben erkoren, gesucht und gefunden, assimiliert und dissimiliert. Das Leben hat sich selbst als Sinn im Wechsel der Stoffe gebildet, sich Nahrung gegeben, Bewegung verschafft und fortgepflanzt. Es hat in seiner Ausdehnung seinen Sinn best�tigt und best�rkt, indem es sich darin verfeinert und beschr�nkt. Leben ist der sich selbst fortw�hrend bildende Sinn.
Jeder Lebensbegriff setzt das Begreifen und das Begriffene dem Leben voraus und widerlegt sich somit selbst, wie er auch jede theoretische Philosophie als Theologie, als Spekulation auf einen Lebensspender, auf einen vorausgesetzten, unerf�llten Lebenssinn beweist. Leben kann keinen Begriff haben. Es ist Sein von Geist und Sinn in seiner Unmittelbarkeit, R�ckhaltlosigkeit und Liebe als T�tigkeit des Lebensmuts. Es besteht aus der best�ndigen Entfaltung und R�ckkehr des Lebenskerns durch die Bewegung und Ausbreitung seines Sinns (im weitesten Sinne des Wortes). Leben besteht aus dem �bergang von Stoff und Geist in der Assimilation und Reproduktion als pulsierendes Wesen, das seiner selbst genug ist, und seinen Sinn in seiner Ausbreitung dadurch best�rkt, dass er nichts n�tig hat, au�er seiner Entfaltung, Bereicherung seines Verh�ltnisses zu sich selbst. Es selbst ist unlogisch und undialektisch (dies im Gegensatz zu Engels "Dialektik der Natur", siehe auch Logik) und nur durch seine Endlichkeit unendlich. Die Verwirklichung von Leben ist die Entwirklichung von Tod, der darin zu einem verschwindenden Moment des Lebens wird. Leben besteht nur in dieser Wirklichkeit und kann daher weder richtig noch falsch, weder Wahrheit noch [[T�uschung]] sein. Sie ist menschliche Geschichte, auch wenn sie in [[Zust�nden]] des Todes und der Barbarei in ihrem Entschluss verharrt, solange deren Logik nicht begriffen ist und Lebenswerte das Leben ersetzen.
"Das Leben mag sterben, aber der Tod darf nicht Leben!" hat Marx gegen Hegel gesagt, um ihm die Unendlichkeit des Werdens in g�ttlichen Prinzipien zu nehmen und ihm das Leben als Lebensmacht des wirklichen Menschen entgegenzuhalten. Es ist eine grundlegende Erkenntnis des Marxismus, der sich aus der Erkl�rung der Welt, aus der Aufkl�rung gel�st hat (siehe Philosophie) und den Menschen in seiner Praxis als sich selbst �u�erndes, aber auch ent�u�ertes Wesen begreift (siehe Arbeit). Er setzt sich wesentlich praktisch gegen die Entfremdung des menschlichen Wesens in der Versteinerung seiner Lebensprozesse, in denen sich in der [[b�rgerlichen Gesellschaft]] die [[fremden Kr�ften]] der Verwertung des Lebens (siehe auch [[�konomie]], Entfremdung) als gesellschaftliche Macht im Kapital etabliert haben (siehe auch tote Arbeit).