Reinheit

Aus kulturkritik

Reinheit sol volle Funtionalität verkitteln oder zumindet behaupten, Ungewissheit herrscht, erscheint Reinheit als Vergewisserung seiner selbst nützlich. Sie mag gut und nötig sein, wo Schmutz Gesundheit oder Mechanik gefährdet. Aber in der Kultur der Selbstbezogenheiten wirkt sie als Prinzip einer Ordnung eines Bereinigungsbedarfs, der sich nicht sachlich ausmachen lässt, weil er wesentlich nach Abgrenzungen und Isolierungen verlangt. Doch mit der Ordnung der Verhältnisse mag sich zwar eine Kultur der Gleichgültigkeit zufrieden geben, nicht aber der ästhetische Wille ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen; Selbstgewissheit tritt dadurch aber gerade nicht ein. Im Gegenteil: Je mehr an Bereinigung erreicht wird, desto ungewisser wird die Selbstbeziehung, weil ihr mit der Bereinigung gerade die Beziehungen entschwinden, die sie auf sich selbst zurückführen könnten.

Denn in den Verhältnissen der Selbstgefühle entstehen mangels substanzieller Inhalte immer wieder Zweifel an der Gewissheit ihrer zwischenmenschlichen Beziehung, weil darin die Position der einen Beziehung immer nur die Form für den Inhalt der anderen, wie auch umgekehrt sein kann. Durch die verkehrten Reflexionen der einen Form gegen den anderen Inhalt der Gefühle erscheinen sie trotz aller Sinnhaftigkeit ihrer Empfindungen zugleich beliebig aufgehoben als schlechthin notwendige Form, als Formbestimmung ihrer Beziehungen. Ihr allgemeiner Sinn kann sich nicht wirklich allgemein bewahrheiten, bleibt immer auf sein vereinzelztes Dasein angewiesen und verlangt nach einer Allgemeinform, die nicht wirklich wahr werden kann und im Widerspruch zu sich selbst sehnsüchtig nach einer abstrakt allgemeinen Wahrheit wird. Diese Sehnsucht verhält sich als Bedürfnis nach reinen Formen (siehe hierzu Reinheit) vereinzelter und zugleich allgemeiner Inhalte, das sich als ästhetischer Wille äußert, denn sie muss zwangsläufig in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen unbefriedigt bleiben, sich als unverwirklichte Beziehung minderwertig erscheinen und wird deshalb das Streben der Selbstverwertung (siehe Geltungssstreben) befeuern, in einem dem entsprechenden Willen sich als Bedürfnis nach der Erfüllung ihres Selbstwerts unentwegt anstrengen, ohne eine durch seine Ästhetik verwirklichte Beziehung finden zu können. Denn diese kann es in Wirklickeit garnicht geben.

Reinheit verbleibt in zwischenmenschlichen Verhältnissen das ausschließliche und ausschließende Bedürfnis der Sehnsucht nach einem reinen Sinn, nach einer Ästhetik, die etwas oder ein Mensch erhalten soll (siehe Ästhetitierung), nach einem Sinn, der nicht so sein soll, wie er in der Empfindung wirkt, sondern wie er für ein Selbstgefühl sein müsste, das sich über diese zu erheben sucht, um sich einem Minderwertigkeitsgefühl als Gefühl der Schande zu entziehen. Von daher folgt diese ästhetische Ordnung der Reinheit dem Geltungsstreben des Narzissmus und eignet sich für alle Formen der Selbstveredelung und vor allem für einen hohen Zweck, welcher den Gefühlen als ihr abstrakt menschlicher Sinn unterlegt und zu ihrer Absicht ihres Geltungsstrebens wird, z.B. als Religion. In Wahrheit geht es dann darum, alle Wahrnehmung von Widersinnigkeiten auszulöschen und einen höheren Sinn des Lebens als eine Heilserwartung davor zu stellen, sich vorzustellen und deren Sehnsucht nach einem Heil, nach einer heilen Welt zu bestärken.

Objektv verschafft sich das Prinzip der Bereinigung durch seine Reduktionen eine Einheit, die sich in abstrakter Gesellschaftlichkeit als deren Gesinnung in einem Gemeinsinn auch allgemein - zum Beispiel in einem Menschenpark - verwirklichen lässt. Es wird damit eine Solidarität der Sinnlosigkeit beschworen, die allgemeine Verdummung bewirkt und sich darin auch zu einem Kulturstaat verallgemeinern lässt und schon zu seinem Selbsterhalt einen Rassismus der reinen Art nötig hat, der zwangsläufig im Ausschluss und letztlich auch der Vernichtung der damit verfassten Abartigkeiten endet (siehe auch Populismus).

Ein solcher Zweck verlangt Kontrolle (siehe auch Kontrollbedürfnis) und Autorität (siehe auch autoritärer Charakter), zugleich aber auch Ausblenung inhaltlicher Konflikte. Von daher ist Reinheit eine Idealisierung und Illusionierung gegen die Widersprüchlichkeiten des Alltags, die nur als Verworƒrenheiten begriffen werden. Mit dem Gütesiegel erscheint er schon davon bereinigt. Die Güte des Siegels erscheint als Weltverbesserung. Klar: Politik ist schlecht und ƒΩBio" ist gut. Schön und gut. Was böse ist, ist damit geklärt, ohne wirklich erklärt zu sein.

Reinheit ist das Prinzip der Religion und der Kulturalisierung der Politik, von daher auch das Prinzip der reinen Art, des Rassismus.