Religiöser Fanatismus

Aus kulturkritik

"Nun der Gott mir g�nstig nicket, Soll ich schweigen wie ein Stummer, Ich, der, als ich unbegl�cket, Soviel sang von meinem Kummer,

Da� mir tausend arme Jungen Gar verzweifelt nachgedichtet, Und das Leid, das ich besungen, Noch viel Schlimmres angerichtet!
O, ihr Nachtigallench�re, Die ich trage in der Seele, Da� man eure Wonne h�re, Jubelt auf mit voller Kehle!

(Heinrich Heine: Ang�lique)

"Das Fundament der irreligi�sen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewu�tsein und das Selbstgef�hl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat." (MEW 1, S. 378)

Fanatismus ist die Verkehrung einer Selbstveredelung, die in ihren wirklichen [[Lebensverh�ltnissen]] durch ihre Gewohnheiten sich in eine Selbstverachtung verkehrt hat. Diese wird durch die Selbstlosigkeit eines Kollektivismus aufgehoben, der als abstrakter R�ckhalt als eine geistige Macht subjektiviert ist. So wirkt sie als eine [[�bermenschliche]] Identit�t, die keinen Grund aus ihrem Leben, sondern aus der Abgrenzung vom Leben der anderen bezieht, und hierdurch ihre Selbstentfremdung aufhebt - also die in eine Massenpsyche verkehrte Selbstentfremdung ist.

Darin entfaltet sich eine eigenst�ndige Energie, die an und f�r sich die gegen die Politik ihres Landes [[gleichg�ltige]] Menschen so politisieren kann, wie es politisch gewollt ist. Hierzu gen�gt schon die Erzeugung einer Prominenz einer alles vers�hnenden [[Verst�ndigkeit]] an der sich die Menschen vereinigen und einen [[reaktion�ren]] Gemeinsinn durch [[popul�re]] "Anmutungen" beziehen - besonders wenn sich dieser als Heilserwartung in Krisenzeiten z.B. durch Kulte oder Rituale vermitteln l�sst. Tats�chlich werden �ber die Kulturalisierung der Masse (siehe auch Massenkultur) Energieen frei, die sich praktisch an alles binden lassen, was heilsam erscheinen kann oder als Heil der Menschheit darstellbar ist (siehe hierzu auch [[Elias Canetti: "Masse und Macht - Z�hmung der Massen in Weltreligionen"]]).

Der religi�se Fanatiker kehrt die Scham f�r seine stoffliche Unterworfenheit, f�r seine objektive Wertlosigkeit in einer zerfallenden Welt, in eine Macht �ber das Leben, in die Ewigkeit und Gr��e von Gottes Allmacht, in der er sich durch Unterwerfung zum Allerh�chsten in der Tiefe eines h�chsten Elends findet und sich in seiner Unterwerfung unendlich erneuert. Und darin erneuert und vertieft sich sein Elend mit der Glaubensmacht, durch die Gott in der unendlichen Spekulation einer Heilserwartung nach dem Heil und der Heilung angerufen wird.

Der religi�se Fanatismus unterscheidet sich vom gew�hnlichen Fanatismus durch seinen Bezug auf die Allmacht und die Ewigkeit Gottes, einem �bernat�rlichen, [[�bermenschlichen]] Wesen, das den "wahren Menschen" als ewige Wahrheit, als absolutes und also absolutistisches Subjekt beherrscht und richtet. Diese kann nur in der reinen Unterwerfung und [[H�rigkeit]] an Gott befolgt werden und verlangt die Reinheit des Gl�ubigen gegen die S�nde und irdische Begierden. Und das verlangt zugleich die Missionierung der Welt durch Gewalt und Gehorsam, die �berhebung des missionierenden Glaubenskriegers als Teilhaber an Gottes Weisheit und Wahrheit. So finden sich[[autorit�re Charaktere]] besonders zur �berwindung pers�nlicher Krisen und Depressionen hierin befreit und verstehen ihre pers�nliche Emanzipation unter der Weltbeherrschung ihres Glaubens und seiner religi�sen Macht. Es scheint so, dass es sich hierbei um die Heilslehre einer "verlorenen Generation" handelt, die ihr Heil nicht mehr auf dieser Welt erwartet und sich �ber ihren Tod den �bergang zu ihrem "Paradies" erwarten, durch denen sie sich befreien wollen. Von daher werden sie leicht selbst zu einer lebenden Waffe, zu Selbstmordattent�ter, die ihren Tod als ihre Befreiuung verstehen..

Ein solcher Fanatismus hat sich - wie jeder andere auch - in eine schlechte Unendlichkeit begeben, durch welche die Menschen selbst sich am Abgrund einer Scheidemarke (siehe auch Urteil) wahrnehmen, was ihnen erk�ren soll, warum sie ihr abgetrenntes und erniedrigtes Leben - ihr Leben in einer absoluten Isolation - nur noch in einer permanten Lebensangst vor etwasabstrakt Allgemeinem wahrhaben. Darin wird jede Angst dumpf und jede Dumpfheit muss Angst machen. Der Grund ihrer Verdummung ist zugleich das, woraus sie sich speist und zu retten sucht: In einem Gott, der sie und alles, das All schlechthin "nach seinem Bilde" geschaffen haben soll. Sie k�nnen ihre Angst vor seiner Macht nur in der Hoffnung auf ihn in der Gemeinde, in der Teilung und Mitteilung seiner Gotteskindschaft aufheben, der sie somit nicht nur zugeh�rig, sondern auch [[h�rig]] im Gehorsam sein m�ssen. Das Heil solcher Kindschaft entlastet die Menschen dadurch, dass sie sich nicht durch ihre Welt, sondern durch das [[B�se]] bedroht f�hlen, das vom Ungl�ubigen in sie gebracht sein soll. Hierdurch bestimmt sich solcher Fanatismus als Glaube schlechthin in jeder Hinsicht unendlich, macht sich zu einer endlosen Bestrebung, die das zerst�ren muss, was ihn auf sich verwirft und ihn somit bedroht, indem er ihn in das profane Leben herabzieht und damit endlich, zu einem Widersinn per se machen w�rde (siehe hierzu auch Sektiererei).

Wie jeder Fanatismus ist er Leidenschaft von h�chster Intensit�t (lat. fanaticus: g�ttlich inspiriert), die sich aber hier ausschlie�lich auf seine Religion bezieht. Die Ausschlie�lichkeit speist sich aus einer Abgrenzung gegen das gewohnte Leben, gegen die [[Gew�hnlichkeit]] und Niedertr�chtigkeit der irdischen Begierden und Triebe, die als Verschmutzung der Seele oder des Geistes wahrgenommen werden. Die hieraus erstrebte allgemeine [[G�te]] ist zu einer Gottesliebe geronnen, die sich als verselbst�ndigte Sehnsucht wie eine Sucht eines darin ausgeschlossenen und im Ausschluss vom irdischen Leben verewigten Lebens forttreibt. Von daher gewinnt solche Liebe eine unendliche Wahrheit und wird zum Fixpunkt aller verbalen und emotionalen Verst�ndigung (siehe Verstand).

Wie bei jedem Fanatismus ist dieses Streben durch die Unm�glichkeit verursacht, eigene Leidenschaft im wirklichen Leben auszudr�cken und zu �u�ern. Er radikalisiert sie im Fokus einer dem [[Selbstgef�hl]] entsprungenen Sehnsucht in einer [[Gef�hlsmasse]], in welcher tiefe Einsamkeit zu hohen Erregungen versammelt wird. Fanatismus setzt die [[Zerst�rung]] eines Lebenszusammenhangs voraus, der sich in der Isolation des Leidens m�chtig macht und das ausgeschlossene Leben in der Idealisierung einer verallgemeinerten Selbstbeziehung durch die Masse der [[Gef�hle]] liebt.

Von daher ist Fanatismus ein in dieser Beziehung verselbst�ndigtes Leiden einer Liebe, die sich g�nzlich [[ent�u�ert]] hat, die sich nur au�er sich wahrnehmen l�sst und sich nur au�erhalb des konkreten Lebens, das nurmehr aus den Gewohnheiten des Lebens besteht, wahrhaben kann. Die Abtrennung dieses Leidens von seinem Lebensursprung reflektiert sich selbst als eine [[G�te]] gegen das absolsut [[B�se]] und folgt damit der Formbestimmung einer Gedankenabstraktion, welche aus dem hervorgegangen ist, was nicht mehr gelitten werden kann und durch die Reinheit der Liebe selbst schon �berwunden sein soll. Hierin ist das ausschlie�liche Verh�ltnis zur Welt gewahrt, ohne dass es sich bew�hren m�sste.

Ene solche Abtrennung von der sonstigen Welt kann �u�ere Gr�nde haben (z.B. Bedrohung durch Gewalt, durch Macht oder andere fremde Zerst�rungsinteressen) oder innere (z.B.Selbstveredlung). In jedem Fall soll sie durch Bereinigung ver�u�erlicht werden, durch die Reinheit eines Geistes, der sich seine Welt erst herstellen will, die ihm als Alternative zum irdischen Leben vorgestellt worden war und zu seiner Lebensvostellung geworden ist.