Arbeitsteilung
"Die ursprünglichen Bedingungen der Produktion - (oder, was dasselbe ist, die Reproduktion einer durch den natürlichen Prozeß der beiden Geschlechter fortschreitenden Menschenzahl; denn diese Reproduktion, wenn sie auf der einen Seite als Aneignen der Objekte durch die Subjekte erscheint, erscheint auf der andren ebenso als Formung, Unterwerfung der Objekte unter einen subjektiven Zweck; Verwandlung derselben in Resultate und Behälter der subjektiven Tätigkeit -) können ursprünglich nicht selbst produziert sein - Resultate der Produktion sein. Nicht die Einheit der lebenden und tätigen Menschen mit den natürlichen, unorganischen Bedingungen ihres Stoffwechsels mit der Natur und daher ihre Aneignung der Natur - bedarf der Erklärung oder ist Resultat eines historischen Prozesses, sondern die Trennung zwischen diesen unorganischen Bedingungen des menschlichen Daseins und diesem tätigen Dasein, eine Trennung, wie sie vollständig erst gesetzt ist im Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital. In dem Sklaven- und Leibeigenschaftsverhältnis findet diese Trennung nicht statt; sondern ein Teil der Gesellschaft wird von dem andren selbst als bloß unorganische und natürliche Bedingung seiner eignen Reproduktion behandelt. Der Sklave steht in gar keinem Verhältnis zu den objektiven Bedingungen seiner Arbeit; sondern die Arbeit selbst sowohl in der Form des Sklaven wie der des Leibeignen wird als unorganische Bedingung der Produktion in die Reihe der andren Naturwesen gestellt, neben das Vieh oder als Anhängsel der Erde." (Marx in den Grundrissen MEW 42, S. 397)
Arbeit kann immer auch Teilarbeit sein, die für ein ganzes Produkt von verschiedenen Menschen beigetragen wird, so dass das Produkt durch Ergänzung entsteht (siehe Ergänzungswirtschaft). Wenn die Arbeiten bewusst aufgeteilt werden und in eben diesem Wissen auch wirklich zusamengefügt werden können (z.B. im Produktionsprozess eines Betriebs), so ist Arbeitsteilung ein organisches Moment der Arbeit an einem Gesamtprodukt (siehe auch Sozialprodukt).
Das Kapital gründet auf einer abstrakten Arbeitsteilung, auf der Teilung der Arbeit durch Verhältnisse, in denen die Produkte der Arbeit wie auch die Bedürfnisse der Menschen isoliert, also getrennt von einander existieren und durch den Markt und der darin herrechenden Konkurrenz im Warentausch sich abstrakt über ihren Wert vermitteln. Ergänzung steht im Zweck einer konkreten organischen Beziehung, um ohne eine ihr äußerliche Vermittlung einen Gegenstand als etwas Ganzes als eine Form herzustellen, in welcher sich die Teile, z.B. als Teilarbeiten, durch den Sinn ihrer Organe ungebrochen zusammenfinden.
Wo diese Teilung allerdings in einer Konkurrenzwirtschaft durch eine Trennung der Arbeitsstätten vollzogen und durch die widersprüchliche Bestimmung des Privateigentums (z.B. durch Geld) vermittelt wird, besteht sie durch die Zerteilung ihrer Momente, als Teilung der Arbeit aus deren Gespaltenheit, der Isolation (siehe hierzu auch Dialektik), in einer Auftrennung ihrer Zusammenhänge, der Aufspaltung ihrer Verhältnisse in die Gegensätze von subjektiver Not und objektiver Notwendigkeit, menschlicher Bedürfnisse zu menschlicher Arbeit. Weil sie von daher zugleich zweierlei Zwecken folgt, nämlich einerseits Wert zu erzeugen und zu vermitteln (siehe Tauschwert) und andererseits Gebrauchsgüter für die Nachfrage auf dem Markt, also für den Warentausch zu schaffen (siehe Gebrauchswert), besteht sie als Lebensäußerung in einer Gesellschaft von Menschen, die durch ihr Wertsein zugleich entäußert bleibt (siehe Teilung der Arbeit) und darin gespalten ist, nicht als das, was sie von Menschen ist, auch für sie sein kann. In der Einheit dieser gegensätzlichen Wesenheit vollzieht Arbeit ihre Entfremdung von ihrer Tätigkeit und erfährt sich selbst in ihrem Doppelcharakter gespalten, kann nur ein in sich widersprüchliches Ganzes hervorbringen, eine eigenständige, von ihrem organischen Zusammenhang abgetrennte Form entwickeln (siehe Trennung), die ihren Zusammenhang bestimmt (siehe Formbestimmung).
Wenn also Teilung eine gedoppelte Beziehung vollzieht, sich zu in einer eigenständigen Formbestimmt (siehe Formbestimmung), so bewirkt sie immer eine Trennung aus einem Ganzes heraus durch Schaffung einer eigenen Ganzheit, also Verselbständigung einer Form, die ihrem Inhalt nicht ganz entspricht, weil sie sich ihm zugleich entgegenstellt und somit eine eigenständige Ganzheit nötig hat, nicht durch ihren Inhalt, sondern außer sich existiert (siehe Entäußerung). Sie ist hierdurch dazu getrieben, ein abstraktes Ganzes ihrer Teile zu entwickeln und die Arbeitsteilung als zeitgeschichtlichen Moment der Teilung der Arbeit überhaupt zu betreiben. Was dem Tauschverhältnis substanziell vorausgesetzt ist erscheint daher im Nachhinein seiner Verwirklichung als eigenständige Macht, die ihren Grund selbst umkehrt und ihn daher mystifiziert:
"Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte voneinander unabhängig betriebner Privatarbeiten sind. Der Komplex dieser Privatarbeiten bildet die gesellschaftliche Gesamtarbeit. Da die Produzenten erst in gesellschaftlichen Kontakt treten durch den Austausch ihrer Arbeitsprodukte, erscheinen auch die spezifisch gesellschaftlichen Charaktere ihrer Privatarbeiten erst innerhalb dieses Austausches. Oder die Privatarbeiten betätigen sich in der Tat erst als Glieder der gesellschaftlichen Gesamtarbeit durch die Beziehungen, worin der Austausch die Arbeitsprodukte und vermittelst derselben die Produzenten versetzt. Den letzteren erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen." (MEW 23, 87f)
Menschliche Arbeit vollzieht sich eben immer im Zusammenhang vieler Teilmomente, die sowohl aus Arbeitsteilung im einzelnen, als auch aus der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit hervorgehen, z.B. Handarbeit, Kopfarbeit, Ressourcenbergung, Hausarbeit, Technologieentwicklung usw. bestehen, aber auch als unmittelbare Arbeit der Menschen am Menschen (z.B. Kulturarbeit, Geschlechtsarbeit). An und für sich müssen sich diese Momente zu einer gesellschaftlichen Gesamtarbeit ergänzen (siehe Ergänzungswirtschaft), welche den Reichtum der gesellschaftlichen Produktivität ausmacht. Sie existieren jedoch nicht als diese, sondern als voneinander unabhängige Produkte von Privatarbeiten sich auf dem Markt befinden, die sich nur durch ihren Wert gesellschaftlich verhalten.
In der bürgerlichen Gesellschaft existiert der konkrete Zusammenhang der Arbeit selbst wie das Verhältnis der Produkte, - also nur in Privatform, z.B. Familie, Betrieb, Ich-AG usw. Gesellschaftlich besteht ihr Zusammenhang nur abstrakt durch Waren und Geld vermittelt. Von daher existiert der Arbeitszusammenhang im Kapitalismus gesellschaftlich als Teilung der Arbeit, worin deren einzelne Momente sich zueinander beziehungslos, also gleichgültig verhalten.
„Die Gleichgültigkeit gegen die bestimmte Arbeit entspricht einer Gesellschaftsform, worin die Individuen mit Leichtigkeit aus einer Arbeit in die andere übergehen und die bestimmte Art der Arbeit ihnen zufällig, daher gleichgültig ist. Die Arbeit ... hat aufgehört als Bestimmung mit den Individuen in einer Besonderheit verwachsen zu sein.“ (K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, S. 25)
Der innere Zusammenhang der Gesellschaft entwickelt sich in der bürgerlichen Gesellschaft durch die äußere Form der Arbeitsteilung:
„Die Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft und die entsprechende Beschränkung der Individuen auf besondere Berufssphären entwickelt sich, ... von entgegengesetzten Ausgangspunkten. Innerhalb einer Familie ... entspringt eine naturwüchsige Teilung der Arbeit aus den Geschlechts- und Altersverschiedenheiten, also auf rein physiologischer Grundlage, die mit der Ausdehnung des Gemeinwesens, der Zunahme der Bevölkerung und namentlich dem Konflikt zwischen verschiedenen Stämmen und der Unterjochung eines Stamms durch den anderen ihr Material ausweitet. Andererseits, wie ich früher bemerkt, entspringt der Produktenaustausch an den Punkten, wo verschiedene Familien, Stämme, Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatpersonen, sondern Familien, Stämme usw. treten sich in den Anfängen der Kultur selbständig gegenüber. Verschiedene Gemeinwesen finden verschiedene Produktionsmittel und verschiedene Lebensmittel in ihrer Naturumgebung vor. Ihre Produktionsweise, Lebensweise und Produkte sind daher verschieden. Es ist diese naturwüchsige Verschiedenheit, die bei dem Kontakt der Gemeinwesen den Austausch der wechselseitigen Produkte und daher die allmähliche Verwandlung dieser Produkte in Waren hervorruft. Der Austausch schafft nicht den Unterschied der Produktionssphären, sondern setzt die unterschiedenen Produktionssphären in Beziehung und verwandelt sie so in mehr oder minder voneinander abhängige Zweige einer gesellschaftlichen Gesamtproduktion. Hier entsteht die gesellschaftliche Teilung der Arbeit durch den Austausch ursprünglich verschiedener, aber voneinander unabhängiger Produktionssphären. Dort, wo die physiologische Teilung der Arbeit den Ausgangspunkt bildet, lösen sich die besonderen Organe eines unmittelbar zusammengehörigen Ganzen voneinander ab ... und verselbständigen sich bis zu dem Punkt, wo der Zusammenhang der verschiedenen Arbeiten durch den Austausch der Produkte als Waren vermittelt wird. Es ist in dem einen Fall Verunselbständigung der früher Selbständigen, in dem anderen Verselbständigung der früher Unselbständigen.“ (K. Marx, Kapital I, MEW 23, S.372f.)
Die voneinander getrennten Momente der Arbeit existieren in ihrer Produktform unabhängig von ihrem Entstehungsprozess und von den Bedürfnissen der Menschen und werden hierdurch zur Bedingung jeder Entwicklung, zu einer objektiven Macht gegen die handelnden Subjekte, zu einer fremden Kraft, die sich aus ihnen speist.
"Die objektiven Bedingungen der lebendigen Arbeit erscheinen als getrennte, verselbständigte Werte gegen das lebendige Arbeitsvermögen als subjektives Dasein, das ihnen gegenüber daher auch nur als Wert von einer andren Art (nicht als Wert, sondern als Gebrauchswert von ihnen verschieden) erscheint. Diese Trennung einmal vorausgesetzt, kann der Produktionsprozeß sie nur neu produzieren, reproduzieren und auf größrer Stufenleiter reproduzieren. Wie er das tut, haben wir gesehn. Die objektiven Bedingungen des lebendigen Arbeitsvermögens sind vorausgesetzt als ihm gegenüber selbständige Existenz, als die Objektivität eines von dem lebendigen Arbeitsvermögen unterschiednen und ihm selbständig gegenüberstehenden Subjekts; die Reproduktion und Verwertung, d.h. die Erweiterung dieser objektiven Bedingungen, ist daher zugleich die Reproduktion und Neuproduktion ihrer als des Reichtums eines fremden Subjekts, dem Arbeitsvermögen gleichgültig und selbständig gegenüberstehend. Was reproduziert und neuproduziert wird, ist nicht nur das Dasein dieser objektiven Bedingungen der lebendigen Arbeit, sondern ihr Dasein als selbständiger, d.h. einem fremden Subjektangehöriger Werte gegenüber diesem lebendigen Arbeitsvermögen. Die objektiven Bedingungen der Arbeit erhalten subjektive Existenz gegenüber dem lebendigen Arbeitsvermögen - aus dem Kapital wird der Kapitalist; andrerseits, das bloß subjektive Dasein des Arbeitsvermögens gegenüber seinen eignen Bedingungen gibt ihm eine nur gleichgültige objektive Form gegen dieselben es ist nur ein Wert von besondrem Gebrauchswert neben den eignen Bedingungen seiner Verwertung als Werten von andrem Gebrauchswert. Statt daß sie als Bedingungen seiner Verwirklichung realisiert werden im Produktionsprozeß, kommt es daher im Gegenteil aus demselben heraus als bloße Bedingung für ihre Verwertung und Erhaltung als für sich seiender Wert ihm gegenüber." (MEW, 42, S. 375)
Es entstehen eigene Welten und Kulturen der Arbeiten und Bedürfnisse, die sich als eigenständige Lebensverhältnisse wesentlich von einander unterscheiden. Von daher trennen sich auch die Lebensräume der Menschen - nicht nur als Klassen, sondern auch als Lebensräume, besonders als Stadt und Land, Inland und Ausland usw. (siehe auch Gentrifikation).
„Die Grundlage aller entwickelten und durch Warenaustausch vermittelten Teilung der Arbeit ist die Scheidung von Stadt und Land. Man kann sagen, dass die ganze ökonomische Geschichte der Gesellschaft sich in der Bewegung dieses Gegensatzes zusammenfasst.“ (K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 373.)
Auch das ursprünglichste Verhältnis des Menschen zum Menschen, das Verhältnis von Mann und Frau, ist durch die Arbeitsteilung zu einem gegensätzlichen Inhalt seines Wesens bestimmt:
"Das unmittelbare, natürliche, notwendige Verhältnis des Menschen zum Menschen ist das Verhältnis des Mannes zum Weibe. In diesem natürlichen Gattungsverhältnis ist das Verhältnis des Menschen zur Natur unmittelbar sein Verhältnis zum Menschen, wie das Verhältnis zum Menschen unmittelbar sein Verhältnis zur Natur, seine eigne natürliche Bestimmung ist. In diesem Verhältnis erscheint also sinnlich, auf ein anschaubares Faktum reduziert, inweiweit dem Menschen das menschliche Wesen zur Natur oder die Natur zum menschlichen Wesen des Menschen geworden ist.. Aus diesem Verhältnis kann man also die ganze Bildungsstufe des Menschen beurteilen. Aus dem Charakter dieses Verhältnises folgt, inwieweit der Mensch als Gattungswesen, als Mensch für sich geworden ist und erfaßt hat; das Verhältnis des Mannes zum Weib ist das natürlichste Verhältnis des Menschen zum Menschen. In ihm zeigt sich also, inwieweit das natürliche Verhalten des Menschen menschlich oder inwieweit das menschliche Wesen ihm zum natürlichen Wesen, inwieweit seine menschliche Natur ihm zur Natur geworden ist. In diesem Verhältnis zeigt sich auch, inwieweit das Bedürfnis des Menschen zum menschlichen Bedürfnis geworden ist, inwieweit er in seinem individuellsten Dasein zugleich Gemeinwesen ist." (Marx-Engels-Werke Bd.40, S. 535)
In der politischen Kultur tritt der Gegensatz von Mann und Frau, wie er schon von der Arbeitsteilung her bestimmt ist, auch als Gegensatz von Kultformen, von Männerkultur und Frauenkultur auf. Darin erscheint als kultureller Gegensatz verselbständigt was "die Reproduktion einer durch den natürlichen Prozess der beiden Geschlechter fortschreitenden Menschenzahl" (Marx in den Grundrissen MEW 42, S. 397) entzweit hat. Der Geschlechterkampf ist die letztliche Form eines Klassenkampfs, der den Boden seiner wirklichen Lebensbeziehung verloren hat und als Kulturkampf erscheint.