Gewerkschaft

Aus kulturkritik

"Ganz unabhängig von der allgemeinen Fron, die das Lohnsystem einschließt, sollte die Arbeiterklasse die endgültige Wirksamkeit dieser tagtäglichen Kämpfe nicht überschätzen. Sie sollte nicht vergessen, daß sie gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen; daß sie zwar die Abwärtsbewegung verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert; daß sie Palliativmittel anwendet, die das öÜbel nicht kurieren. Sie sollte daher nicht ausschließlich in diesem unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen, der aus den nie enden wollenden Gewalttaten des Kapitals oder aus den Marktschwankungen unaufhöürlich hervorgeht. Sie sollte begreifen, daß das gegenwärtige System bei all dem Elend, das es über sie verhängt, zugleich schwanger geht mit den materiellen Bedingungen und den gesellschaftlichen Formen, die für eine öükonomische Umgestaltung der Gesellschaft notwendig sind. Statt des konservativen Mottos: "Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!", sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: "Nieder mit dem Lohnsystem! Nach dieser sehr langen und, wie ich fürchte, ermüdenden Auseinandersetzung, auf die ich mich einlassen mußte, um dem zur Debatte stehenden Gegenstand einigermaßen gerecht zu werden, möchte ich mit dem Vorschlag schließen, folgende Beschlüsse anzunehmen: 1. Eine allgemeine Steigerung der Lohnrate würde auf ein Fallen der allgemeinen Profitrate hinauslaufen, ohne jedoch, allgemein gesprochen, die Warenpreise zu beeinflussen. 2. Die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion geht dahin, den durchschnittlichen Lohnstandard nicht zu heben, sondern zu senken. 3. Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems." (MEW 16, Seite 152)

Zwischen Angebot und Nachfrage entstehen die Preise, wodurch sich ihr Wert realisieren soll (siehe Wertrealisierung). In Gewerkschaften verbünden sich arbeitende Menschen, um ihre Konkurrenz untereinander zu beschränken und sich im Kampf um den Preis ihrer Arbeitskraft, um ihre Arbeitszeit und um ihren Lebensstandard gegenseitig zu bestärken und sich gegen die Verwertungsinteressen des Kapitals, gegen die Anreicherung des Geldwerts in fremder Hand, also gegen den Verwertungszwang ihrer Arbeit – letztlich gegen die Gewalt des Wertwachstums relativ zur Verwirklichung des Geldwerts (siehe Wertrealisierung) – verhalten können. Aber indem sie auf der Basis eines privatwirtschaftlichen Lohnsystems um ihr Auskommen kämpfen, bleiben die Gewerkschaften auch in den Widersprüchen des Lohnsystems (siehe Lohnarbeit) verfangen.

Der Preis der Arbeitskraft ergeht daher nicht aus dem Geld als Maß der Werte, wie er durch die Wertschöpfung der Arbeit, durch das Weertwachstum bestimmt ist (siehe auch Giralgeldschöpfung), sondern vor allem aus dem Geld als Maßstab der Preise, welche sich aus dem Geldumlauf als Wertmasse des zirkulierenden Geldes ergibt. Er ist von da her wesentlich abhängig von der Wertrealisation des Geldes, also von Zustand und Verwertbarkeit der Produktionsbedingungen – ob sie z.B. wesentlich von der Produktivität der Arbeit oder vom Absatz ihrer natürlichen Produkte oder von der Geldverwertung des Finanzkapitals (siehe Schuldgeldsystem) unmittelbar bestimmt ist.

Auch wenn Gewerkschaften die Bedingungen der Lohnarbeit damit nicht überwinden köünnen, weil diese schon durch das politische Recht der Eigentumstitel vorausgesetzt sind, sind die Kämpfe um Lohn und Lebensarbeitszeit die Grundlagen für den Preis der Lebensmittel - und damit dem Wert der Lebensbedingungen, um die zu ihrer Herstellung notwendige Arbeit (siehe bezahlte Arbeit). Eine Analyse der gewerkschaftlichen Kämpfe besteht daher immer aus einer Analyse der Lage der lohnarbeitenden Menschen.

Lohnarbeit ist eine Arbeit für Lohn, wie sie unter der Bedingung der Reproduzierbarkeit des Privateigentums existiert und Arbeitskraft als Besitz des arbeitenden Menschen zur Anwendung des Kapitals bestimmt ist und mit Geld entlohnt wird, für das er seine Kraft und Zeit verkaufen muss. Alle Arbeit bildet Reichtum in der gesellschaftlichen Form, die eine bestimmte Produktionsweise ausmacht (siehe Formbestimmung). Die Lohnarbeit bezieht sich durch den Lohn zwar nur auf den Zweck der eigenen Reproduktion des arbeitenden Menschen und bezahlt den Preis der Subsistenzmittel (Lebensmittel, Verkehrsmittel, Kommunikationsmittel (Lizenzen auf Daten, Titel usw.), Steuer usw.), die hierfür nöütig sind (siehe auch notwendige Arbeit) und deren Wert die gesellschaftlich durchschnittliche Arbeitszeit für ihre Erzeugung ausmacht. Sie wird aber vom Käufer der Arbeitskraft bei ihrer Anwendung zugleich benutzt, um ein Mehrprodukt durch einen Anteil von unbezahlter Arbeit zu schaffen, das sich für das Kapital als Mehrwert herausstellt. Das Quantum der Lohnarbeit, welches den gesellschaftlichen Gegenwert der Arbeit als das Verhältnis des Kapitals zu seiner Anwendung im Arbeitsprozess ausmacht, misst sich an der Länge des Arbeitstages (und nicht am Arbeitslohn), der sich für das Kapital als Profit aus der Zeitdauer notwendiger und unbezahlter Arbeit im Verhältnis zum allgemeinen Wertwachstum zusammensetzt.

"Sobald daher die Arbeiter hinter das Geheimnis kommen, wie es angeht, dass im selben Maß, wie sie mehr arbeiten, mehr fremden Reichtum produzieren und die Produktivkraft ihrer Arbeit wächst, sogar ihre Funktion als Verwertungsmittel des Kapitals immer prekärer für sie wird; sobald sie entdecken, dass der Intensitätsgrad der Konkurrenz unter ihnen selbst ganz und gar von dem Druck der relativen Arbeiter-Übervölkerung abhängt; sobald sie daher durch Gewerkschaften usw. eine planmäßige Zusammenwirkung zwischen den Beschäftigten und Unbeschäftigten zu organisieren suchen, um die ruinierenden Folgen jenes Naturgesetzes der kapitalistischen Produktion auf ihre Klasse zu brechen oder zu schwächen, zetert das Kapital ... über Verletzung des ‚ewigen' und sozusagen ‚heiligen' Gesetzes der Nachfrage und Zufuhr. Jeder Zusammenhalt zwischen den Beschäftigten und Unbeschäftigten stört nämlich das ‚reine' Spiel jenes Gesetzes." (Karl Marx, MEW 23, 669f)