Kulturbegriff

Aus kulturkritik

Kultur stellt die Zivilisation eines bestimmten Lebensraums dar. Sie ist dessen gesellschaftliche Natur, menschliche Sinnbildung, menschliche Geschichte (siehe auch Bewegung) in einem bestimmten Raum zu einer bestimmten Zeit (siehe hierzu historischer Materialismus). Kultur ist der Sinn, den Menschen gesellschaftlich in ihren ökonomischen, sozialen und ästhetischen Produkten äußern und in denen ihr Lebensausdruck, Produktion und Genuss ihres Lebens in ihren Lebensverhältnissen gegenständlich ist (siehe hierzu auch Arbeit). Was sie füreinander sind, das haben sie durch einander auch als ihre Kultur außer sich.

Kultur ist die menschliche Form der Natur, der gegenständlich existierende Lebenszusammenhang von Geist, Gestaltungskraft, Erfindungsreichtum, Liebe und Sinn, den die Menschen entwickelt und ihren Produkten gegeben haben und geben und als solchen auch pflegen, sich darin verhalten und miteinander umgehen. Sie ist das geschichtlich entwickelte Dasein des Gattungswesens, die geschichtliche Gegenwart ihrer Arbeit und ihrer Bedürfnisse, welche darin verwirklicht sind und sie ist geschichtliches Resultat aller bisherigen Produktion von Gegenständen für menschliche Bedürfnisse in einem bestimmten Lebensraum zu einer bestimmten Zeit, wie sie als Kulturgut über die Vernutzung der Produkte hinaus als Inhalt des menschlichen Reichtums besteht.

Kultur als solche kann es daher nicht jenseits der natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen der Lebensproduktion, jenseits des Nutzens der gesellschaftlichen Reichtumsproduktion für die Menschen geben, denn eine sinnlose Lebensproduktion ist ein lebender Tod, Produkt einer toten Arbeit (siehe hierzu Kritik der politischen Kultur). Kultur ist die Gegenwärtigkeit des menschlichen Gattungslebens und sie erscheint nur dann selbständig, wo Sinn und Nutzen voneinander getrennt werden. Schon im Gebrauchswert der gesellschaftlich erzeugten Güter kann Nutzen nicht für sich sein, ohne ihren Sinn zu zerstören. Wirtschaft und Kultur können nur auseinanderfallen, wo ihre Verwertung zum Nutzen des Geldbesitzes beherrscht wird, eben dann, wenn der Gebrauchswert nur als eine Erscheinungsform seines Werts existiert (siehe Warenfetischismus).

Von daher kann sich Kultur aber tatsächlich gegen den Zweck der Geldverwertung verselbständigen, sich hiergegen radikalisieren und in einem religiösen Sinn und Zweck fanatisieren. Denn Kultur ist die Subjektivittät einer Gesellschaft, der Sinn und Geist, den Menschen ihren Lebensverhältnissen geben. Sie ist ihre durch sie selbst geschaffene individuelle und gesellschaftliche Natur und Lebensäußerung, Substanz des menschlichen Reichtums, die jede Kultur ausmacht, Sinn, wie er von und für Menschen geäußert ist und sie begeistert und worin sie sich als Mensch erkennen, erzeugen und anerkennen - auch in der Art und Weise ihres gesellschaftlichen Verkehrs.

Was die Menschen sich zu eigen gemacht haben und machen, was sie subjektiv sind, was sie durch ihre Eigenschaften und Fähigkeiten äußern, existiert objektiv als Reichtum ihrer Kultur - ganz gleich in welcher dieser erscheint und funktioniert. Dieser Reichtum ist substanziell immer gesellschaftlich, nichts individuell Eigenes, nichts Eigentümliches und also ohne Eigentliches. Sie hat nichts mit rein biologischen Eigenschaften der Menschen (Rasse usw.) zu tun, existiert daher auch nicht als Position zur Natur, oder als Negation von Naturempfindungen. Sie ist die menschliche Beziehung zu menschlichen Gegenständen, Element der Erkenntnis, - und diese ist lebendige Gewissheit der Menschen, in der sie eins sind mit sich, mit ihrer Natur und ihrem Gegenstand, - nicht, weil sie nach dieser Einheit streben, sondern weil sich diese im Verhältnis ihrer Bedürfnisse zu ihrer Arbeit immer gesellschaftlich auf diese oder jene Art und Weise ergibt, sich in ihrer Kultur bewahrheitet, was auch immer ihre Form sei und wie immer diese Wahrheit darin auch gebrochen sein mag. Kultur ist nicht unbedingt etwas Ganzes, wohl aber ein Zusammenhang ihrer Teile, weil sie durch menschliche Arbeit enstanden ist und sich auf menschliche Bedürfnisse bezieht.

Auch wenn die menschliche Gesellschaft sich als Naturmacht verwirklicht stellt sich Kultur nicht substanziell gegen ihre Natur, weil sich beides nicht wesentlich entzweien kann, ohne sich fremd zu werden, ohne in Widerspruch mit sich zu geraten. Aber auch in ihrem Widerspruch, in ihrer Entfremdung, verwirklicht Kultur in der Einheit mit dem Nutzen, den sie für die Menschen in ihrer jeweiligen Gesellschaftsform hat, immer deren Sinn, ist selbst die unmittelbare wie mittelbare Wahrheit ihres organischen und geistigen Lebens, Lebensidentität, Lebensäußerung und Lebensgenuss in einem: Sinnlichkeit als Leidenschaft, Selbsterzeugung des Menschen, menschliche Subjektivität schlechthin wie sie objektiv ist, nicht unmittelbar individuell, nicht unmittelbar gesellschaftlich, beides in einem als Leben des menschlichen Subjekts. Als solches ist Kultur immer auch werdend, geschichtlich, nichts abgeschlossenes Ganzes für sich und hat daher auch keinen Begriff als Kultur, sondern lediglich Worte, die dies beschreiben als Momente des Lebens im Zusammenhang der vielen Menschen, wie immer sie dies auch auseinander setzen.

Aber als bürgerliche Kultur, als gesellschaftlich formbestimmtes Verhältnis von Produkten der Arbeit, ist Kultur auch ein Lebensmittel in Warenform und enthält in der bürgerlichen Gesellschaft somit eine Vermittlung, die nicht unmittelbar konkret ist, sich im Warentausch von sich selbst trennt, sich in eine Welt der Sinne und eine Welt von Nützlichkeiten teilt. Und auch in der Trennung von Sinn und Nutzen, von Subjekt und Objekt ihres Verhältnisse (siehe Arbeitsteilung) vollzieht sich ihre Einheit im Sinn eines aparten, weil isolierten Nutzens, sei dieser ein Gebrauchswert oder Schmuck oder eine Leidenschaft oder ein Kunstwerk oder ähnliches. Darin bekommt auch Kultur notwendig einen Wert und als Veräußerung von Lebenswerten eine eigene abstrakte Substanz , welche der Vernunft der Lebensverhältnisse (z.B. Sitte) und Verhaltensweisen (z.B. Brauch) entspricht, die hierfür in Gebrauch sind und sich in den Alltagsgewohnheiten der Menschen darstellen. Darin ist sich Leiden und Tätigkeit menschlicher Lebensäußerung und Selbsterkenntnis mittelbar einig und doch nicht konkret als Ausdruck menschlicher Sinnlichkeit, als gesellschaftlicher Sinn der Menschen da (siehe Dasein).

In der bürgerlichen Kultur erscheint dieser Sinn abgetrennt von den gesellschaftlichen Lebensprozessen - nicht als ihr Erzeugnis aus ihrer Geschichte, als Produkt ihres gesellschaftlichen Zusammenwirkens und Zusammentragens, sondern in einer selbständigen Leidensform als Verhältnis, das die Menschen nur unmittelbar und ausschließlich für sich und unter sich finden und haben (siehe zwischenmenschliche Verhältnisse) und worin sie sich als das wahrnehmen, als was sie sich darin wahrhaben und dies in Sitte, Ästhetik und Brauchtum bestätigen und bestärken ohne darin als tätiger Mensch bestätigt und bestärkt zu sein. Reichtum und Vielfalt der Erkenntnis, welche die Menschen in der bürgerlichen Kultur haben, besteht daher nicht in der Erkenntnis und dem Selbstgenuss des Menschseins, sondern aus einer ungeheuren Aufsammlung von Wahrnehmungen, die von ihrer Wirklichkeit , die sie wahr haben, real abstrahieren, lediglich in ihrem abstrakt menschlichen Sinn zusammengehalten sind (siehe hierzu Logik der Kultur).

Es unterscheiden sich hierdurch zwar Natur und Kultur der Form nach. Aber dies hebt ihre Identität nicht wirklich auf. Es macht die Natur zur Substanz einer kulturellen Abstraktion, zu einem abstrakt menschlichen Sinn, der sich nicht unmittelbar mit seinem Gegenstand identifizieren kann, sich diesem entzieht, wie er sich zugleich nur durch ihn beziehen kann und dadurch als Formbestimmung der Wahrnehmung in ihrer Erkenntnistätigkeit wirksam wird. Jede Wahrnehmung ist daher zunächst ohne Wahrheit, unter bürgerlichen Lebensbedingungen nur eine Form der Erkenntnis, eine Empfindung, in welcher zugleich hierzu selbständig und für sich gefühlt wird, was ihren Gegenstand ausmacht, wie er geschaffen und beschaffen, was er für den Menschen, was seine menschliche Substanz ist. Diese wird im Gefühl so wahrgehabt, wie sie für den Menschen ist, was dem Menschen für sein Leben gegenständlich wirklich und wirksam ist, was in ihm wirkt und sich in seinem Leben so gegenständlich bewahrheitet, wie er sich zugleich durch die Empfindung in seinem Gegenstand bewahrheitet. So wird in der Empfindung gegenständliches Leben als das wahrgenommen, was es für das Befinden des Menschen ist und in den Gefühlen der Menschen vergegenständlicht sich dieses zugleich wie eine innere Wahrheit des menschlichen Lebens schlechthin als das, was Menschen vom Leben unter bestimmten Lebensbedingungen wahrhaben.

Was sie von ihren Sinnesäußerungen gegenständlich empfinden ist zugleich ein Sinn, der ihr Leben selbst auch in ihnen ausfüllt, zu einer "inneren Natur" wird, die ihre gesellschaftliche Natur äußerlich macht, sie als fremd empfindet, wie diese auch ihnen emtfremdet ist. Doch sie nimmt diese als nicht entfremdet wahr, weil und sofern sich ihre Gefühle mit ihr identifizieren, ihre Identität darin finden. Ihre gesellschaftliche Natur bekommt somit in der inneren Natur der Menschen eine persönliche Substanz, indem sie ihre Sinne ausfüllt, weil und sofern sie deren Getrenntheit, deren Zerteilung und Isolation in ihren Gefühlen aufhebt. So erscheint in den Gefühlen eines jeden Individuums eine inner Allgemeinheit, durch welche sich in einer gebrochenen Welt eine Ganzheit der Gefühle einstellt, die sich über die einzelnen Empfindungen dadurch stellt, dass sie deren Entfremdung zu einer inneren Natur der Idividuen aufhebt, zu ihrer Psyche wird, die sie in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen als ihre Seele auch erfühlen können.

Das Leben, das auf diese Weise als eigenes empfunden wird, und das, was die Menschen ausfüllt, ist daher nicht identisch: Der gegenständlich empfundene Sinn ist nicht unmittelbar der gefühlte. Die Vermittlung von beiden ist Gegenstand und Mensch in einem, Subjekt und Objekt, wovon weder das eine noch das andere unterscheidbar sind und sich die Menschen in ihrer Zwischenmenschlichkeit als Objekte füreinander begegnen, in Objekt-Objekt-Beziehungen sich aneinander binden. Objektive Bestimmungen sind in der bürgerlichen Gesellschaft somit auch unmittelbar subjektiv, weil die Verhältnisse darin auf einer objektiv subjektiven Sache, auf einer widersprüchlichen Allgemeinheit beruhen: Geld. In der Form von Kapital bestimmt sich dieses Verhältnis als Verhalten der Geldverwertung, als Entfaltung der Selbstbezogenheit des Geldes durch das, was sie Menschen hierfür in den Lebensprozessen ihrer Selbstbezogenheiten einbringen. Dieses Verhältnis breitet sich in der Reinform vorwiegend in Dienstleistungsgesellschaften aus, soweit sie sich durch Exportwirtschaft erhalten und entfalten können und damit ihre produktiven Arbeitsleute externalisieren um den dort erzeugten Mehrwert per Währungsmacht zu internalisieren.

In dieser Beziehung ist es gleichgültig, was Menschen wirklich sind, soweit sie sich als gegenseitige Objekte ihres idividuellen Subjektseins genügen können. Doch dies Identische von Subjekt und Objekt ist eine doppelte Bestimmung, worin sie sich weder als Objekt noch als Subjekt erkennen können: Sie erscheinen sich darin als Träger wie Erzeuger ihres Schicksals, als für sich selbst geschaffene Konstruktion (siehe Konstruktivismus) und müssen sich daher auch als Selbsterzeugnis ertragen. Dies macht die Fremdbestimmung (siehe Entfremdung) ihres Erkenntnisvermögens, macht die Unerkennbarkeit ihrer menschlichen Beziehungen in ihren sachlichen Verhältnissen aus: Ihre zur Sache gewordene Menschlichkeit erscheint unmittelbar als die Vernunft ihrer Sachlichkeit. Was sie von ihren Beziehungen wahrnehmen ist nicht das, was sie darin wahrhaben. Ihre eigene praktische und sinnliche Existenz ist ihnen darin entzweit in Empfindungen, die keine Gefühle haben und Gefühle, die sie nur für sich empfinden können. Es ist die Lebensform des Geldbesitzes, der subjektive Kern des Geldverhältnisses, dass ihnen ihre eigene Sinnlichkeit nur vermittelt begegnet. Ihre Wahrnehmung vermittelt sich in ihrer Selbstwahrnehmung, in der sie ihre Gefühle haben, in der ihre abstrakte Sinnlichkeit auf sie als Selbstgefühl zurückkommt. So erleben sie ihre Wahrnehmung als einen Sinn für sich, den sie nur außer sich als das gewinnen können, was sie darin wahrhaben: Selbstgefühl durch andere, durch zwischenmenschliche Beziehungen, in denen sie empfinden, was sie dort für sich finden und sich in dem fühlen, was sie dort von sich erkennen können, sich als Mensch unter Menschen vermittelt, sich selbst als Mittel ihres Verhältnisses, als Mensch, der zugleich Mitteil des Menschseins ist, als Teil menschlicher Anwesenheit schlechthin, in der sich zwar Menschen mitteilen, aber nicht wirklich konkret sind. Unter Menschen sind sie Teil einer Menge, die sich in Masse bewegt, und finden für sich, was sich von ihnen darin in Bewegung hält. Sie sehen ausdrücklich von sich ab, wenn sie unter Menschen sind und tragen doch durch ihre eigene Anwesenheit ihren Anteil am Menschsein. So ist ihre abstrakt bezogene Sinnlichkeit, der abstrakt menschliche Sinn ihrer Wahrnehmung zugleich auch konkret als sinnliches Dasein ihres Menschseins. Dies macht ihre Form und ist die Substanz der Formbestimmung ihrer Beziehung, die Realabstraktion von Sinn: Körper. Und seine Ausdehnung als Raum macht den Umfang der körperlichen Anwesenheiten aus. Die Begriffssubstanz der bürgerlichen Kultur ist der abstrakt menschliche Sinn, wie er sich in seinem Lebensraum ergibt. Seine Größe ist die Ausdehnung menschlicher Anwesenheit darin, menschliche Dichte, menschliche Nähe ohne Sinn, reine Masse, Menschenmasse als Massenmensch. Die Menschen relativieren sich darin als Menschen, reduzieren sich auf das Menschsein in ihrem bloßen körperlichen Sein, wie es ihnen in der Wahrnehmung einer bestimmten Masse als gesellschaftlicher Mensch erscheint, der in ihr seine bloße, aber allgemeine Anwesenheit hat. Ihre Selbstwahrnehmung, sofern sie sich als darin bestimmte Form der Erkenntnis bewahrt, wird davon beherrscht, ihr körperliches Sein zum Träger ihres gesellschaftlichen Seins (siehe Körperfetischismus). Hiervon sind alle Momente der bürgerlichen Kultur bestimmt und hierin entfaltet sich die Logik der Kultur bis hin zu allen ihren selbständigen seelischen Ausprägungen.

Vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren entwickelte sich die Erde, – "unser Planet" (siehe auch Herbert Gruhl, S.Fischer-Verlag 1975, "Ein Planet wird geplündert"). Doch erst vor sechs Millionen Jahren begann ganz allmählich die Geschichte des menschlichen Lebens. Klimaveränderungen und wechselnde Umwelteinflüsse zwangen den Frühmenschen, sich immer wieder anzupassen. Seit etwa 300.000 Jahren gibt es Menschen - zunächst als Nomaden in Stammeskulturen. Mit der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht wurden sie vor etwa 11.000 Jahren erstmals in Mesopotamien im Zweistromland zwischen den Flußlandschaften von Euphrat uns Tigris sesshaft, indem sie für das Wachstum ihrer Früchte die Bewässerung ihres Anbaus entwickelten und bewirtschafteten. Die Pflege des Bodens - sprich: der Erde - wurde zur wesentlichen Ressource der menschlichen Arbeit und Kultur (lat. cultura = Bearbeitung, Pflege, Bebauung, Anbau, Ausbildung, Veredelung, Verehrung).