Marxistische Gruppe

Aus kulturkritik

"Die politische Emanzipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits auf das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, auf das egoistische unabhängige Individuum, andrerseits auf den Staatsbürger, auf die moralische Person.

Erst wenn der wirkliche individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Arbeit, in seinen individuellen Verhältnissen, Gattungswesen geworden ist, erst wenn der Mensch seine eigenen Kräfte als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisiert hat und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht." (Marx, Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 370)

Die Kraft der Änderung dieser Welt besteht praktisch in dieser Welt, als praktische Notwendigkeit, sie zu ändern, um nicht an ihr zu verzweifeln. Dies zu erkennen macht die Kritik der politischen Ökonomie aus, die keinen ausschließlichen Grund zu ihrer Änderung hat, weder theoretisch noch praktisch. Sie ist an und für sich Grund genug durch die Notwendigkeit einer politischen Emanzipation der Arbeit und Wissenschaften, die durch die Bestimmungen ihrer Institutionalisierung und Funktionalisierung politisch befangen sind. Die Marxistische Gruppe will ihre Kritik als politische Emanzipation durch theoretische Arbeit begriffen wissen, die sie letztlich als Subjektkritik verstanden hatte.

Die politische Emanzipation appelliert an das politische Subjekt, an die Mündigkeit des Bürgers, an seinen politischen Willen, die Falschheit dieser Welt aufzuheben und bleibt von daher in der Aufklärung, im Appell an die moralische Person befangen. Sie betreibt zugleich einen Idealismus, den die Aufklärung eigentlich aufzuheben beansprucht. Sie macht den Idealismus zum Prinzip, zu einer Unendlichkeit des Verhaltens, das sich jenseits seiner Verhältnisse durch einen bloßen Egoismus politisch begründet, der aber gerade auch nur seinen wahren Grund, die Isolation des Menschen vom Menschen durchsetzen kann, solange er ihn nicht in seiner materiellen gesellschaftliche Vermittlung begreift (siehe hierzu Entfremdung). Eine nur politische Revolution wird daher immer nur auf die Gesellschaftsform zurückfallen, die sie aufzuheben beansprucht, weil sie ihren Egoismus nur radikalisieren kann.

Nicht das dem Menschen entfremdete Gattungswesen der Kapitalistischen Gesellschaft, nicht die Notwendigkeit der vollständigen Aneignung des veräußerten gesellschaftlichen Wesens der Menschen ist dann Ziel der Politik, sondern die Anleitung und Anführung der Menschen durch Kritik und Aufhebung eines Unwillens, die Herstellung eines "mündigen Bürgers" (Kant). Das politische Subjekt wird dann nicht in seinem wirklichen Sein gewusst, nicht im bewussten Sein begriffen, sondern in der bloßen Form eines Willens verstanden, die durch besseres Wissen zu bilden sei. Schon von ihrer Urzelle, dem Vorläufer der Marxistischen Gruppe (AK-Fraktion München) war dies bereits 1974 explizit formuliert:

"Wer ausspricht, die Wirklichkeit der kapitalistischen Ausbeutung, nicht die wissenschaftliche Analyse begründet die politische Praxis, setzt die Realität in Gegensatz zu ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis, was nur heißen kann, daß sich solche Praxis von den unbegriffenen Resultaten kapitalistischer Praxis leiten läßt. Wenn die wirkliche gesellschaftliche Bewegung die Grundlage von Politik ist, dann als erkannte, nicht in der Weise, wie sie der unmittelbaren Erfahrung erscheint." (Resultate der Arbeitskonferenz Nr. 1/74, S. 6).

Wer solches meinen kann, sieht nicht die Kraft der Änderung dieser Welt in dieser Welt, nicht aus ihrer praktischen Notwendigkeit, sondern nur in ihren theoretisch begründeten "Wahrheiten", die weitaus bedeutsamer seien, als die Auffassung von Ausbeutung, wie sie der Erfahrung zukommen würde, die im Unterschied zum Wissen ein Leiden ist. Wissen wird damit dem Sein überordnet, damit von dessen Inhalten getrennt und diese ihm unterworfen. Mit der Trennung von Praxis und Wissen wird also Wissen zu einem ihr jenseitigen Sein, dem Bewusstsein des Seienden enthoben. So bestimmt sich eine Dichotomie von Erfahrung und Wissen als Getrenntheit von Wissen und Bewusstsein fort, die jede Praxis de facto einem "wissenschaftlichen Verstand" unterordnet, der seinen Grund auch nur in theoretischen Rationalität, also aus einem der Theorie immanennten Erkenntnisinteresse bezieht. "Ausbeutung" gilt demnach nicht als hinreichender Grund, dass Menschen sich hiergegen bestimmen und von daher Erkenntnis - von wem auch immer - hierzu nötig haben, sondern dass eine eigene Spezies, "die Wissenschaftliche Erkenntnis", als Zuträger für "politische Praxis" notwendig sei.

Was die "Marxistische Gruppe" anderen vorwirft, nämlich "Realität in Gegensatz zu ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis" zu begründen, das vollzieht sie schlicht und einfach, indem sie sich als diese Erkenntnis selbst vorstellt. Diese Vorstellerei betreiben nun schon seit weit über 3 Jahrzehnte ein paar Köpfe, die zum Teil immer noch die selben sind und immer noch dasselbe sagen. Immer noch machen Marxisten den Fehler, sich einer "Wahrheit" hinzugeben, die sie nicht ihrer Lebenspraxis entnehmen und daher auch dort nicht beweisen müssen. Wirklichkeit ist damit lediglich ein Beleg, eine Parallelwelt der wissenschaftlichen Erkenntnis, die sich ständig an jene wendet, um sich bestätigt zu fühlen. Nicht die Analyse der Wirklichkeit, die den Grund ihrer Entfremdung vom Menschen erbringt, wird sich an ihr beweisen lassen. Sondern umgekehrt: Weil "die Wirklichkeit der kapitalistischen Ausbeutung" im Gegensatz zur "wissenschaftlichen Analyse" gestellt wird, wird Wissenschaft zur einzig legitimen Begründung einer wie auch immer zu bezeichnennden "politischen Praxis" - genauer: des politischen Willens an sich. Es begründet sich so das Selbstgefühl einer politischen Spezies, das implizit die Verhöhnung dessen betreibt, was Menschen aus ihrer Erfahrung wissen, denken und erkennen müssen, damit sich solche Aufklärer als die "Wissenden" hiergegen, als besonders kundige Belehrer mit einer besonders aparten "Erkenntnis" gerieren können - eben einer wissenschaftlichen, deren Wissenschaftlichkeit sich allerdings nicht mehr als praktische Erkenntnis ausweisen muss, sondern vor allem einen abgehobenen Willen begrifflich küren soll.

Es muss dem Unkundigen, der sich um politische Praxis bemüht, daher erst mal beigebracht werden, dass Ausbeutung nicht gleich Ausbeutung ist, dass "der Schein" trügt! Die Marxistische Gruppe (MG), hervorgegangen aus jener Arbeitskonferenz (AK) in München, die obiges verfasst hat, verkehrt den Widerspruch zwischen Wesen und Erscheinung der bürgerlichen Gesellschaft, wie er von Marx als Logik menschlicher Selbstentfremdung begriffen wurde, so wie sie eben auch erfahren wird, zu einem wesentlichen Grund des Wissens, Erfahrung selbst zu denunzieren. Die Erfahrung selbst wird hierbei schon als notwendige Verblendung hingestellt, weil sie sich der wissenschaftlichen Erkenntnis "entzieht". Doch wieso sollte sie? Man kann ruhig annehmen, dass Erkenntnis immer Erfahrung voraussetzt und dass solche Erkenntnis, die sich dieser entzieht, die sich also nicht darin als notwendig erweist, selbst ein politisches Problem darstellt (siehe Ideologie).

In der Selbstgefälligkeit eines unvermittelten (vielleicht auch unvermittelbaren) "Wissens" tritt diese Gruppe und ihre Vertreter vorzüglich "kritisch" auf. Ihr "Wissen" verlangt nämlich erst mal den Abstand zur Praxis, um sich von den "unbegriffenen Resultaten kapitalistischer Praxis" zu befreien. Demnach hat ihr Denken auch nicht damit zu tun, was denn praktisch nötig ist. Offensichtlich hat für sie die Erfahrung von Wirklichkeit keinen wirklichen Begriff, der sich ebenso praktisch wie diese erweisen kann. Erfahrung gilt eben selbst nur als Erscheinung, als Ausfluss jenes ebenso hinterhältigen wie mächtigen "Wesens", das in jeder Form des Idealismus weltbestimmend sein soll und das nur durch "wissenschaftliche Analyse" überhaupt erkannt werden kann. Vorbei, die Möglichkeit, solche Macht auch zu empfinden oder zu erfahren oder gar von Ausbeutung reden zu dürfen. Also können auch keine wirklichen Menschen angesprochen werden, die nicht "wissenschaftlich interessiert" sind. Und Wissenschaft selbst ist auch frei davon, deren Leben begreifen zu müssen, ist sie selbst vor allem mit einer höheren Aufgabe zu betrauen: Der "Einsicht in das Kapitalverhältnis als solches". Der Unterschied zur bürgerlichen Wissenschaft ist damit auch geklärt: Die tut das nämlich nicht. Oh wunderbare Welt der reinen Wissenschaft! Wie leicht wird dort der Begriff zum Spielball des höhen Wissens.

Und das "Spiel" geht relativ einfach: Die MG produziert einen Gegensatz von Wirklichkeit und wissenschaftlicher Analyse, und wirft diesen Gegensatz ihren Gegnern vor, welche, wenn sie von der Realität ausgehen, folgerichtig unbegriffen handeln müssen. So kokettieren sie in diesem Vorwurf gegenüber Menschen, welche in der kapitalistischen Ausbeutung ihren Widerstand begründen, und machen sie zu Gegnern ihres Ausgangspunktes, den sie als kommunistische Politik definiert wissen wollen: "Kommunistische Politik ist Resultat wissenschaftlicher Einsicht in das Kapitalverhältnis." (ebd.).

Weil sich die MG als "wissenschaftlich begründete Politik" der Welt entgegensetzt, greift sie den an, der seine politische Praxis aus der „Wirklichkeit der kapitalistischen Ausbeutung" begründet. Demnach geht es der MG angeblich zwar um eine „überwindung der kapitalistischen Gesellschaft", aber nicht aus praktischen Gründen, nicht aus der wirklichen Negation des Menschen in seinem Reichtum. der selbst positiv als Warensammlung erscheint (das wäre ja eine Philosophie der Entfremdung), sondern aus einer Zielsetzung, welche angeblich "Marx aus der wissenschaftlichen Erkenntnis des Kapitalismus, mithin aus dem Charakter (!) dieser Gesellschaft selbst begründet" (ebd.). Nicht der wirkliche Begriff dieser Gesellschaft ist Gegenstand solcher Erkenntnis, sondern die Falschheit ihres Charakters, ihre charakterliche Schwäche. Aber genau dagegen hat er sich immer (und nicht "nur" in den Frühschriften) äußerst stringent verhalten und solches Theoretisieren als "jenseitiges Denken" gekennzeichnet, das sich nur zu Scholastik mausern kann:

"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukommt, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens - das von der Praxis isoliert ist - ist eine rein scholastische Frage." Karl Marx in Thesen über Feuerbach (1845) (Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 5)

Die Marxistische Gruppe hat die Philosophie gerade in der Weise ad acta gelegt, wie die von Marx kritisierte "Praktische Politische Partei in Deutschland" (MEW l, S. 384), welche die Negation der Philosophie fordert, weil sie die Ideologie der bürgerlichen Rechts- und Staatsphilosophie des reinen Willens zum äußersten treibt, indem sie dessen Reflektion abtreibt:

"Die deutsche Rechts- und Staatsphilosophie ist die einzige mit der offiziellen modernen Gegenwart al pari [auf gleicher Stufe] stehende deutsche Geschichte. Das deutsche Volk muß daher diese seine Traumgeschichte mit zu seinen bestehenden Zuständen schlagen und nicht nur diese bestehenden Zustände, sondern zugleich ihre abstrakte Fortsetzung der Kritik unterwerfen. Seine Zukunft kann sich weder auf die unmittelbare Verneinung seiner reellen noch auf die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Staats- und Rechtszustände beschränken, denn die unmittelbare Verneinung seiner reellen Zustände besitzt es in seinen ideellen Zuständen, und die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Zustände hat es in der Anschauung der Nachbarvölker beinah schon wieder überlebt. Mit Recht fordert daher die praktische politische Partei in Deutschland die Negation der Philosophie. Ihr Unrecht besteht nicht in der Forderung, sondern in dem Stehnbleiben bei der Forderung, die sie ernstlich weder vollzieht noch vollziehen kann. Sie glaubt, jene Negation dadurch zu vollbringen, daß sie der Philosophie den Rücken kehrt und abgewandten Hauptes - einige ärgerliche und banale Phrasen über sie hermurmelt. Die Beschränktheit ihres Gesichtskreises zählt die Philosophie nicht ebenfalls in den Bering der deutschen Wirklichkeit oder wähnt sie gar unter der deutschen Praxis und den ihr dienenden Theorien. Ihr verlangt, daß man an wirkliche Lebenskeime anknüpfen soll, aber ihr vergeßt, daß der wirkliche Lebenskeim des deutschen Volkes bisher nur in seinem Hirnschädel gewuchert hat. Mit einem Worte: Ihr könnt die Philosophie nicht aufheben, ohne sie zu verwirklichen." (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 382f)

Die MG behauptet daher vielleicht aus Selbstschutz, daß die Frühschriften von Marx ein idealistisches Gefasel seien und rechnen es ihm als Fehler an, daß er aus der Philosophie heraus, nämlich aus der Kritik des abstrakten Denkens, zu einer Theorie über das bestehende Leben, zur Kritik der herrschenden Lebensbedingungen gekommen ist, zur Kritik der politischen Ökonomie.

"Keinem von diesen Philosophen ist eingefallen, nach dem Zusammenhange der deutschen Philosophie mit der deutschen Wirklichkeit, nach dem Zusammenhange ihrer Kritik mit ihrer eignen materiellen Umgebung zu fragen.

Die Voraussetzungen, mit denen wir beginnen, sind keine willkürlichen, keine Dogmen, es sind wirkliche Voraussetzungen, von denen man nur in der Einbildung abstrahieren kann. Es sind wirkliche Individuen, ihre Aktion und ihre materiellen Lebensbedingungen sowohl die vorgefundenen wie die durch ihre eigne Aktion erzeugten. Diese Voraussetzungen sind also auf rein empirischen Wege konstatierbar." Die deutsche Ideologie (Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 20)

Diese ganze Entwicklungsgeschichte seines Denkens, wie es in den sogenannten Frühschriften formuliert ist, ist für die MG einfach nur Idealismus, seine Vergangenheit sein Fehler. Aber seine wissenschaftlich immer noch imposante Gegenwart wird in der Weise genutzt, wie ihn die MG im Kapital begreift. Allerdings begreift sie da nicht viel, weil sie für das Verhältnis von Gedanke und Wirklichkeit nur eine Richtung kennt: Die Anwendung von Erkenntnis - eine furchtbare Richting, die nur im Idealismus des Erkennens schlechthin gedeihen kann. Auch hiergegen hat sich Marx in seiner Auffassung von theoretischem und praktischem Bewusstsein gestellt:

"Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen." Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1843-1844) (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 386)

Ich habe in meinem Text "Der Reichtum der bürgerlichen Gesellschaft" gezeigt, daß die Marxistische Gruppe gerade in der Denunziation der Marxschen Philosophiekritik und in der Denunzierung seines Anliegens, aus der Philosophie heraus die "Waffe der Kritik" zu schmieden, notwendig die im Kapital dargestellten Kategorien falsch und absurd begreift: Gesellschaft fängt für sie an, wo Objektivität beginnt, wo also die Subjekte schon tatsächlich verschwunden sind. Gesellschaft ist für die MG nichts Subjektives, kann also auch kein Subjektwerden des Menschen heißen, sondern nur die Vernichtung der objektiven Falschheit dieser Welt bedeuten. Auch für sie ist die Wahrheit das Mittel des Kommunisten, und so handwerkt sie begrifflich an der bestehenden Gesellschaft nach ihren eigenen Vorstellungen herum, bis nur noch "Wissenschaftlichkeit" übrig bleibt.

So macht die MG gerade nur Politik, weil sie die Politik zur Realität zu erheben sucht (eigentlich das vorzügliche Interesse der politischen Rechten) und wirft andern, welche in der Realität ihr Leben begreifen müssen, "die Konstruktion des Gegensatzes von Wissenschaft und Wirklichkeit" vor. Und solcher Gegensatz wird ihr zum "Verrat" an Marx, denn sie "verrät die Marxsche Einsicht in die Differenz von Erscheinung und Wesen, durch die die Wirklichkeit charakterisiert ist, und propagiert darüber hinaus noch eine Handlungsweise, welche nach Marx einem Zustand angehört, in der die Menschen ihre Geschichte ohne Bewußtsein machen." (ebd.).

Es geht also nicht um wirkliche Geschichte, welche nur dann wirklich sein kann, wenn ihre Unwirklichkeit bewusst wird, sondern um ein Bewusstsein, das mensch haben muss, um Geschichte zu machen! Das ist die vollkommene Verkehrung des Marx'schen Denkens zu einer Heilslehre, - irgendwie ein Vorhaben, das aus der bisherigen Geschichte geläufig sein könnte. Es muss ja nicht immer gleich das 1000jährige Reich sein.

Die Sache des Marxismus sei also eine Sache des politischen Bewusstseins als solches, meint die MG. Wer keine Politik macht, wer also nicht bloße Willensäußerungen betreibt, wer von seinem wirklichen Leben absieht, in welchem die Anlagen jeglicher Veränderung stecken, der sei ein Bürger. Doch es ist gerade umgekehrt: Das Bürgerliche der MG steckt gerade darin, daß sie nicht die wirklichen Gehalte diskutiert, welche die bestehende Geschichte ausmachen, sondern sich mit ihrer Wissenschaft darüber erheben zu einer Forderung des Bewußtseins, zur Aufklärung der Menschen über ihre Dummheit und zum moralischen Aufschwung zu einem überparteilichen Standpunkt ("Parteilichkeit, die nicht aus wissenschaftlicher Einsicht resultiert, ist nur dumm und moralisch, nicht aber revolutionär." – ebd., S. 7).

Da die MG keine wirkliche Kritik an der bestehenden Gesellschaft hat, sondern lediglich deren Falschheit beklagt (siehe hierzu auch Adorno), kann sie sich nur moralisch fordernd gegen die Menschen dieser Welt und gegen die Welt verhalten; sie wird immer gezwungen sein, Gegenstandpunkte zu entwickeln, wie dies seit einigen hundert Jahren die Philosophen immer getan haben, indem sie ihre Theorie als einen objektiv notwendigen Willen erklärt haben. Indem sie ihren "kritischen Denkakt" als Fortschrittsglaube ihres Wollens anheimstellen, betreiben sie das höchste Geschäft der Philosophie, die zu kritisieren sie vermeinen. Auch das hatte Marx bereits sehr früh erkannt:

"Die Philosophen unterscheiden sich in der Art, wie sie die nach ihrer Ansicht so unter der Macht ihrer eigenen fixen Gedanken seufzende Menschenwelt erlösen wollen; sie unterscheiden sich in dem, was sie für fixe Gedanken erklären; sie stimmen überein in dem Glauben dieser Gedankenherrschaft, sie stimmen überein in dem Glauben, daß ihr kritischer Denkakt den Untergang des Bestehenden herbeiführen müsse, sei es nun, daß sie ihre isolierte Denktätigkeit für zureichender halten oder das allgemeine Bewußtsein erobern wollen." Die deutsche Ideologie (Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 14)

Die MG betreibt gerade in der Leugnung der philosohischen Entstehungsgeschichte des Marxismus absolute Philosophie. Sie wird keinen wirklichen Kampf in dieser Welt aufzugreifen verstehen, weil sie ihn substanziell (siehe Begriffssubstanz) nicht begreifen kann. Ihr werden dafür umso mehr theoretische Kämpfe blühen und sie wird sich in der Unendlichkeit dieser Kämpfe wohl noch ein langes und wahrscheinlich auch nicht schlechtes Leben - vorzüglich mit höher gestelltem Beruf und Behuf - versprechen können. Da sie deshalb nicht an ihrem Untergang als politische Gruppe interessiert sein kann, wird sie dem Kapitalismus dankbar sein für die vielen Auseinandersetzungen, welche ihr immer wieder ihre Selbstbestätigung als wissenschaftliches Haupt möglich machen. Sie wird sicherlich noch ein langes Leben als Pfaffe des Marxismus zu führen wissen, der immer wieder gerne von Revolution spricht und darunter nur den Kraftakt eines "freien Willens" versteht (siehe hierzu auch die "Revolutionsmacherei", wie sie von Marx schon 1850 begriffen wurde). Und gerade dieser ist als politischer Wille gekleidet der Kern eines Revisionismus, der Revolution zur Sache des eigenen Ego erklärt, eines Selbstbewusstseins, das nur auf sich selbst gründet, weil und sofern es in der Welt alles hat, was es braucht.

"Der egoistische Mensch ist das passive, nur vorgefundne Resultat der aufgelösten Gesellschaft, Gegenstand der unmittelbaren Gewißheit, also natürlicher Gegenstand. Die politische Revolution löst das bürgerliche Leben in seine Bestandteile auf, ohne diese Bestandteile selbst zu revolutionieren und der Kritik zu unterwerfen. Sie verhält sich zur bürgerlichen Gesellschaft, zur Welt der Bedürfnisse, der Arbeit, der Privatinteressen, des Privatrechts, als zur Grundlage ihres Bestehns, als zu einer nicht weiter begründeten Voraussetzung, daher als zu ihrer Naturbasis. Endlich gilt der Mensch, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, für den eigentlichen Menschen, für den homme im Unterschied von dem citoyen, weil er der Mensch in seiner sinnlichen individuellen nächsten Existenz ist, während der politische Mensch nur der abstrahierte, künstliche Mensch ist, der Mensch als eine allegorische, moralische Person. Der wirkliche Mensch ist erst in der Gestalt des egoistischen Individuums, der wahre Mensch erst in der Gestalt des abstrakten citoyen anerkannt." (MEW 1, "Zur Judenfrage" S. 369f)