Einzigartigkeit

Aus kulturkritik
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"Das Dasein steht als alltägliches Miteinandersein in der Botmäßigkeit der Anderen. Nicht es selbst ist, die Anderen haben ihm das Sein abgenommen. Das Belieben der Anderen verfügt über die alltäglichen Seinsmöglichkeiten des Daseins. ... In dieser Unauffälligkeit und Nichtfeststellbarkeit entfaltet das Man seine eigentliche Diktatur. Wir genießen und vergnügen uns, wie man genießt; wir lesen, sehen und urteilen über Literatur und Kunst, wie man sieht und urteilt; ... wir finden empörend, was man empörend findet. ... Jeder ist der Andere und Keiner er selbst." (Heidegger in "Sein und Zeit" S. 126f "§27. Das alltägliche Selbstsein und das Man"")

Martin Heidegger hat bis in unsere Zeit hinein durch seine phänomenologische Beschreibungen des "alltäglichen Selbstseins" die Selbstwahrnehmung seiner Klasse vermitteln können und trifft von daher immer noch die Sofaecken der besonders kritischen Kulturbürger, die vor allem eines fürchten: Das Diktat des gewöhnlichen Alltags, des "Man", wie Heidegger es nannte. Es ist eine Gewohnheit, die der Selbstveredelung dieser Schicht, mit deinem wohnlichen Dasein der Mittelschicht einer bürgerlichen Gesellschaft entgegentritt. Dem will der philosophische Glaubensbruder unbedingt entkommen, weil er sich von dem Gott der Besonderheit seiner Heilserwartungen verlassen fühlt. In der Gemeinschaft einer besseren Gesellschaft soll die wahre Einzigartigkeit des bürgerlichen Individuums allgemein auferstehen. So lässt sich in den Gepflogenheiten der bürgerlichen Gesellschaft eine einzigartige burgherrlichen Subjektivität als Stigma seines objektiven Subjektseins erkennen, das der Meute der Seinsvergessenheiten zukommen soll.

Doch das ist nichts anderes als der gesellschaftliche Schein (siehe Scheinwelt), der jeder einzelnen Persönlichkeit auch als Privatperson anhängt, weil sie in einer Gesellschaft der Fetische (siehe auch Tittytainment), in einer Scheingesellschaft lebt. Und das ist dem Bürger ein Trost für die Perversionen seiner Vereinzelung, die er zu ertragen hat. Es sei ja schließlich die Einzigartigkeit eines "eigentlichen Menschseins", die sich in den Zeitströmungen und Gepflogenheiten (siehe Sitte) zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer reaktionären Kulturkritik aufgebläht hat und sich mit dem Übermenschen von Friedrich Nietzsche und dem Zynismus eines allgemeinen "politischen Subjekts" (frei nach Martin Heidegger) ebenso leicht vereint verstehen konnte, wie auch im Anarchismus des verallgemeinerten "Einzigen" von Max Stirner und der "heiligen Familie" der Frühsozialisten verstehen konnte und wie von selbst sich auch heute noch im politischen Subjekt einer linken Subjektkritik in der Abgrenzung zur "Faschisierung des Subjekts" einfinden kann (siehe hierzu auch reaktionärer Marxismus).

Natürlich hat jeder einzelne Mensch durch seine private Persönlichkeit ein besonderes Wesen. Er hat schließlich wie Jedermann und Jedefrau eine Seele, die ihn persönlich ausfüllt und begeistert. Doch die Besonderheit des bürgerlichen Individuums äußert sich schließlich auch als ein Daseinallgemeines DaseinWesen, das nicht sein will, was es ist, das gerne im Eskapismus einer einzigartigen Freiheit, vor allem durch die Beliebigkeit der Unterwerfung an die Verhältnisse betrieben wird. Wie soll aber dann die damit inbegriffen scheinende "Diktatur des Man" (Martin Heidegger), der schlichte Charakter des Massenmenschen die Gewalt begründen können, welche dem Lebensraum eines Nationalstaates zu eigen ist? Es ist das eigentliches Dasein, das seine Existenz ausmacht, seine "Eigentlichkeit", die durch eine faschistische Ideologie zu begründen wäre, weil es in seiner "Gottverlassenheit" (Friedrich Nietzsche) eine Führung nötig hat. Was aber soll sich darin als "kritische Philosophie der Einzigartigkeit" (Martin Heidegger) des Menschen im 20. Jahrhundert gebildet und entwickelt haben? Mit der existenzialistischen Phänomenologie Heideggers wird dann eben mal "kurz und bündig" alles auf den Kopf gestellt, was sinnliche Gewissheit ausmachen könnte. Im Einzelnen wird sie zu einem verschwindenden Moment einer massenhaften Einzigartigkeit, zu einem Je-Seinigen eines allgemeinen Lebensverständnisses (siehe Gesinnung).

Als Resultat einer solchen Entwicklung herrscht das Selbstverständnis eines in sich schon widersprüchlichen Bewusstseins, die Selbstgewissheit einer politischen Einzigartigkeit der allgemeinen Persönlichkeit als politisches Subjekt des Bürgers, das schon in der Aussonderung seiner individuellen Wahrheit, also nicht durch sich, sondern durch die Abgrenzung von Anderen, durch eine negierte Beziehung sich das ausschließlich Eigene erkennen lasse. Mit dem Heraustreten aus dem "man" kann sich dann allerdings auch nur ein finsteres "Wissen" um den "Sinn des Seins" entfalten, das die "erd- und bluthaften Kräfte" der Menschheit bewahrt, deren Wesen dem profanen Menschen entgangen sein muss. Dem könne sich schließlich der erst im Angesicht des Todes "eigentlich" werdende Mensch in seiner Authentizität seine "eigentliche Wahrheit" erkennen könne, indem er sich gegen das "man" einer Massenkultur besondert, sich als einzigartiger Mensch erkennen und seiner Lebensangst entgegtreten könne. Das macht nun die Grundlage des "Je-Seinigen" Menschen der Phänomenologie (siehe hierzu auch kritische Psychologie), das bis heute den Edelmut vieler Intellektuellen begeistert, die nicht unbedingt den "Sinn des Seins" begreifen müssen, sondern sich endlich ihr reaktionäres Bewusstsein mit einem derart abstrakt menschlichen Sinn erfassen können (siehe hierzu auch Linksfaschismus).

Von daher erhebt Martin Heidegger die spießige Borniertheit des Glaubens an das Wesen und Verwesen der Tatsachen des Lebens zu einer Philosophie der "wissenden Entschlossenheit zum Wesen des Seins" und begründet damit sein akademisches Wirken für den höchsten und zugleich unendlichen Anspruch "im Wissen um den Sinn des Seins". Das so gewonnene Selbstverständnis wurde schließlich zur Losung einer hoch veredelten Elite des Kulturbürgertums, die durch ihre einzigartige Erkenntnis aus dem Wesen des Todes eine Triebkraft des Bewusstseins verstanden haben wollte, um diesen Begriff als Wesen eines Selbstbewussten "Volkes", als Bewusstsein seiner Endlichkeit zum Überlebenskampf anzustacheln, zu lehren, anzugewöhnen und politisch zu erziehen. Und daraus begründete sich schließlich seinerzeit ein totaler Moralismus bei den politischen Intellektuellen und Studenten, die schließlich im Dienst einer "ursprünglich gestimmten, wissenden Entschlossenheit" zusammen mit ihren Professoren eine Bücherverbrennung der "artfremden Literatur" in Gang gesetzt hatte, der sich die Faschisten bequem zugesellen und diese nutzen konnten. Denn nichts kann ein Kleinbürger besser verwirklichen als einen "Wissenschaftlichen Scharlatanismus und politische Anpassung" (Marx, MEW16, S.31f)

"Der Kleinbürger ist ... zusammengesetzt aus ein Einerseits und Andererseits ... Er ist der lebendige Widerspruch. .... Wissenschaftlicher Scharlatanismus und politische Anpassung sind von solchem Standpunkt unzertrennlich. Es bleibt nur noch ein treibendes Motiv, die Eitelkeit des Subjekts ..." (Karl Marx, Über Proudhon, MEW 16, 31f)." (siehe auch MEW Band 23 Seite 189f)

Zur kleinbürgerlichen Scharlartanerie gehört, dass sie die Hinterhältigkeit einer individualisierten Angst in ihrer Allgemeinheit für sich zu nutzen versteht (siehe hierzu auch Psychokratie).

"Die Hineingehaltenheit des Daseins in das Nichts auf dem Grunde der verborgenen Angst macht den Menschen zum Platzhalter des Nichts." (Heidegger in seiner Freiburger Antrittsvorlesung "Was ist Metaphysik?" 1929)

Solche "Erkenntnis", die aus einem "Vorlauf zum Tode" begründet wäre, ist fantastisch und entfaltet die geltungssüchtige Pädagogik eines jeden Spießers, dem sein paternalistisches Selbstverständnis allgemein politisch zu einer Glaubenstatsache wird. Doch jeder Verstand kann nur das wissen, was er im Sinn seiner Erkenntnisse auch wirklich wahr hat und für wahr nimmt, sein Erkenntnisinteresse aus der Wahrnehmung seiner persönlichen Wirklichkeit entwickelt, die schnell und leicht in den hermeneutischen Zirkel einer Selbstwahrnehmung gerät. Und die Existenz, die in jeder bürgerlichen Familie als wirkliche Allgemeinform einer bürgerlichen Selbstbezogenheit zur Lebensangst ihrer impliziten Selbstbeschränkung wird, kehrt diese in eine radikale Allgemeinverständigkeit über Leben und Tod um, und verwandelt sie in eine Religion des Überlebens durch die "Härten des Lebens", die zu einer allgemeinen politischen Bewegung gegen die "Platzhalter" des Todes wird, indem sie sich schließlich gegen die "Seinsvergessenheit" des bürgerlichen Bewusstseins wendet (siehe hierzu auch Psychokratie). So befördert diese "Seinsvergessenheit" schließlich auch die Hochstimmung eines Wahnsinns, der sich schließlich in der esoterischen Tiefe des Kulturbürgertums exzesshaft ausbreitet (siehe hierzu auch Anthroposophie) und die extensiven Kräfte der Reaktion beflügelt (siehe hierzu "Martin Heidegger"):

"Geist ist die ursprünglich gestimmte, wissende Entschlossenheit zum Wesen des Seins. Und die geistige Welt eines Volkes [...] ist die Macht der tiefsten Bewahrung seiner erd- und bluthaften Kräfte als Macht der innersten Erregung und weitesten Erschütterung seines Daseins." (Martin Heidegger in seine Freiburger Rektoratsrede im Mai 1933 unter dem Titel: "Die Selbstbehauptung der deutschen Universität")