Existenzialismus

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"Die Existenz geht der Essenz (dem Wesen) voraus" (Jean-Paul Sartre: Der Existentialismus ist ein Humanismus, 1946).

Mit diesem Zitat hat Sartre das Prinzip des Existenzialismus, die Umkehrung von Form und Substanz des Daseins kurz und bündig so formuliert, wie sie von den daraus folgenden Erkenntnistheorien, dem Strukturalismus und der Systemtheorie ("content folllows form") in die bürgerlichen Wissenschaften eingetragen wurden. Die Fundamentalontologie Martin Heideggers stand hierfür Pate, denn sie entsprach auch nach dem letzten Weltkrieg weiterhin den Fantastereien eines kleinbürgerlichen Selbstverständnisses. Existenz (siehe hierzu auch Existenzwert) wurde in ihrer Individualistät isolierte Form des Daseins funktional vermittelter Zusammenhänge von Ereignissen. Ek-sistieren kommt von Herausragen, Hervorstehen und meint ein von allen Beziehungen unabhäng verstandenes Dasein, ein in seiner Eigenheit als Einzelwesen (siehe Einzelheit), in seiner individuellen Isolation begriffenes Sein - eben so wie es sich ereignet. Existenzialismus will in diesem Kontext eine Absetzung gegen die metaphysische Philosophie vollziehen, indem er Existenz im Sinne der bloßen Tatsache versteht, dass etwas ist und sich somit von der ontologisch entscheidenden Essenz (Wesen, Ousia, Substanz) als der Bestimmung, was etwas ist, unterscheidet. Martin Heideggers auf diesem Hintergrund paradoxe Aussage „Das ‚Wesen‘ des Daseins liegt in seiner Existenz.“ (Heidegger) bringt die Aufgabe zum Ausdruck, eine "neuartige ontologische Interpretation des menschlichen Daseins" zu entwickeln (siehe Fundamentalontologie).

Existenzialismus geht davon aus, dass Leben überhaupt nur das ist, was sich ereignet, wie es so da ist, in die Welt gekommen ist: Das schlichte "In-der-Welt-Sein". Jedes Ereignis sei deshalb schon die Substanz (Essenz) eines Daseins, die schon gegeben ist, bevor es geschieht, die Geschichte macht, indem sie sich von Moment zu Moment unterbricht und ihre abgebrochenen Existenzialien auch zu verntworten hat. Die bisherige Geschichte gilt dabei lediglich als Tatsache durch die Begebenheiten, Gegebenheiten und Ergebenheten ihrer Existenz, die ihre Herkunft durch sich selbst so hat, wie sie sich ihrer Existenz gewiss werden kann.

Nicht die Lebenszusammenhänge der bisherigen Geschichte, wie sie gesellschaftlich geworden und gebildet sind, gelten als die Grundlage der gegenwärtigen Existenz (siehe hierzu Historischer Materialismus),. Scjhon die Behauptung, dass es eine Geschichte der Existenzen gibt wird von Existenzialisten nicht geteilt, weil die Fragestellung der Begründung des Seins schon in sich unmöglich sei. Sie behaupten hiergegen das dem vorausgesetzte Sein als Existenz schlechthin, das sich in der Wet ereignet, wie der darain hendelnde Menwsch darin auch "hineingeworfen" ist. In den Phänomenen einer Welt, die es an und für sich nicht geben könne, ist nur zu erschließen, wie es sich im Abschluss ihrer Existenz entschließen habe. Sie trennen damit Sein und Dasein apriorisch auf und erklären ihre Welt aus ihrer philosophischen Existenz heraus, aus der Logik ihrer Fragestellung, die sie selbst zum unmittelbaren Subjekt ihrer Welt machen soll, eben so, wie sich ihr Denken ereignet. Martin Heidegger hat sich darin hervorgetan, dass er den Geist als Subjekt allen Seins zwar wie auch Hegel hernimmt, ihm aber alle Logik außerhalb ihres Denkens abspricht - ganz im Gegenteil hierzu ihm selbst die unmittelbare Existenz zuweist, das sich in einem "Sein zum Tode" gegen dieses zu behaupten sucht.

Existentialismus selbst sieht allerdings in der individuellen Existenz der Menschen alles Allgemeine schon gegeben und weist daher dem Individuum auch die ganze Verantwortung für sein Leben und Lieben zu. Damit versetzt diese Philosophie das Individuum selbst in eine Totalität, mit der es sich aber nur in seiner Unvollkommenheit, im "Sein zum Tode" verstehen lässt, weil es natürlich nie wirklich etwas Vollkommenes sein kann. Von daher anerkennt der Existenzialismus keine andere gesellschaftliche Substanz ihres Daseins als die des im Individuum schon allgemein existierenden Lebens (siehe hierzu auch Autopoiesis), in das es wie jedes andere Individuum "geworfen" sei - eben weil es sich nicht geschichtlich begreifen ließe. Alles, was es sein kann, komme daher aus ihm selbst, aus dem Glück, das es für sich findet.

Existenzialismus behauptet sich durch seine Abkehr von jeglicher Wesenssuche, Wesensbehauptung oder Wesenslogik und damit von jeder gesellschaftlichen Notwendigkeit des Menschen (siehe hierzu historischer Materialismus) enthoben - als freie Subjektivität als Subjekt seiner "freien Entscheidung". Er weist alle dem vorausgesetzten Seinsbestimmung (siehe Ontologie) mit der Reduktion allen Seins auf diese Existenz ab - eben dass es in Wahrheit nichts anderes als diese geben würde. "Der Mensch ist seine Existenz" (Sartre). Grundlegend ist daher die Behauptung, dass alles Unwirkliche nur ein Irrtum der Erkenntnis von Wirklichkeit sein könne, dass jede Wesensaussage der unmittelbaren Erfahrung der Existenz schon Gewalt antun würde (siehe hierzu auch Konstruktivismus), weil er dem Einzelnen eine ihm äußerliche Totalität (siehe auch Ganzes) zufüge. Wenn nicht von seiner je eigenen individuellen Existenz ausgegangen wird, so sei der Mensch als Mensch de facto schon religiös inbegriffen.

Darin ist Existenzialismus sich mit der Phänomenologie einig, wenngleich Heideggers Phänomenologie mit seiner Befragung des Seins nach seinem Sinn gerade diesen Ausgang wieder umkehrt und mit seiner Fundamentalontologie auflöst. Obwohl er aufgrund seiner grundlegenden Annahme von "Existenzialien" dem Existenzialismus zugerechnet wird, sollte diesem eher die völlige Auflösung bzw. Verkehrung des Existenzialimus zugerechnet werden, wie er hauptsächlich von Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Albert Camus und Gabriel Marcel vefrtreten wurde.

Ek-sistieren kommt von Herausragen, Hervorstehen und meint ein von allen dem vorausgesetzten Beziehungen und Zusammenhängen unabhäng verstandenes Dasein, ein in seiner Eigenheit als Einzelwesen, wie es sich ereignet. Nichts, als dieses Ereignis sei demnach wesentlich, und alle Ereignisse müssten daher auch frei für sich sein können, um wesentlich zu sein, wesentliche Existenz zu verkörpern. Solche Existenz, die sich nur ereignen kann, kennt alerdings keine Abwesenheit einer substanziellen Voraussetzung und erkennt daher sich auch nicht als in einer individuellen Isolation begriffenes Sein, das in seinem Dasein auch Wirkungen erfährt, die nicht wirklich existieren, weil ihre Verhältnisse dem fremd, in ihrer Allgemeinheit entfremdet, nur abstrakt allgemein sind.

Die in ihrer Freiheit unendlich bestimmten Existenz ist ein Widersinn in sich, denn alles was ist, kann nicht frei für sich sein, weil solche Freiheit Nichts wäre, nur von Anwesendem bestimmt ist. Das hieße, dass Freiheit sich überhaupt in nichts entwickeln kann, als in sich selbst, dass Freiheit also nicht sein kann, weil sie anderes Sein für sich nimmt und sich zugleich in ihrer Verantwortung überall bewahrheiten müsste. Solche allgemeine Wahrheit, die jedes Anderssein mit ihrer Existenz schon bewahrheit, kann aber nur unsinnig für sich sein. Daher macht das Gegenteil sich im Existenzialismus geltend, indem er an die Selbstverantwortung des Menschen für seine Freiheit, an das im Einzelnen schon ohne Notwendigkeit wesentliche Sein appelliert, indem er Freiheit selbst notwendig zur Pflich eines jeden macht. Der Mensch sei zur Freiheit verurteilt, meint Sartre und bezeichnet damit die Selbstverantwortung des je individuellen Seins. Das ist ein Widerspruch aus dem der Gegensatz existenzialistischer Positionen ergeht: Zum einen steht für das Notwendige ein Urteil (Sartre: "Zur Freiheit verurteilt" sein), zum anderen das Sein als Eigentlichkeit des Seienden (Heidegger).

Praktisch ist der Existenzialismus eine Reaktion auf den Nihilismus, im Grunde seine Konsequenz. "Nihil est", nichts ist außer dem Menschen. Und weil nichts ist außer ihm, sei er absolut, d.h. voraussetzungslos und bedingungslos: Unbedingt ohne Gegenstand. Daher begründe er in seiner Einzelheit auch seine Allgemeinheit, in seinem einzelnen Tun sein allgemeines. Es ist die Empathie der Selbstverantwortung, das wirklich sein durch sich selbst als Antwort auf das große Nichts, das alles umgibt. Weil eben nichts sei, komme es auf alles an, was die Menschen tun - und das klingt sehr sympatisch, wenn darin einginge, was schon getan und doch nicht wirklich ist, was unbedingt sein muss und doch bedingt ist und was einzeln und doch nur allgemein bezwungen ist. Der Existenzialismus reduziert sich aus all dem auf eine wesenhafte Phänomenologie der Selbstanschauung als Weltanschauung: Existenz als in der Welt sein. Er gemahnt an die allgemeine Wirklichkeit des einzelnen Daseins, an die Tätigkeit auch im Nichtstun, an die Anschauung auch im Begreifen. Von da her war er wohl nötig.

In diesem Sinn macht Heideggers Auffassung die Existenz zur Erfahrung der Endlichkeit des Daseins, das in der Existenz erst "aus dem Nichts herausrage" und sich daraus bestimme, als ein Leben bis zum Tod, als ein "Leben zum Tode", in die Welt geworfen zu sein, sich also wesentlich aus der Sorge um das Leben begründet (siehe Existenzialismus). Die Existenzialien stellen sich gegen den Tod. Und der Tod sei der einzige Antagonist des Lebens. So versteht sich Heideggers Existenzialismus. Diese Entgegegensetzung aber macht Existenzialismus reaktionär: Wo der Tod nicht mehr Moment des Lebens, sondern selbst dessen einzige Schranke ist, da herrscht er ohne Ende. Jegliche Geschichte der Menschen ist somit lediglich dem Tod entwunden, der Mensch nur durch Kraft gegen ihn lebendig. Will Heidegger damit der Anthropologie widersprechen, so befördert er sie in eine äußerste Negativität. In dieser Todesbestimmtheit wird alles Menschliche auf diese Antianthropologie reduziert und jede Bedingung als notwendige Bestimmung genommen, als Anspruch des Nichts an das Leben, dieses zu bewältigen, also das Nichts zu überwältigen, dem Tod solange wie möglich zu entgehen. Leben ist demnach ein beständiger Todeskampf. Der Arme hat in diesem Sinn eine "schwache" Existenz - vielleicht, weil er dem Tod nicht richtig ins Auge gesehen hat? Es zeigt sich in dieser Auffassung die Bejahung der bürgerlichen Lebensverhältnisse als stillschweigenden Anspruch, Lebensnotwendigkeiten als Naturnotwendigkeiten zu ertragen, um am Leben zu bleiben.

Der Existenzialismus begreift das menschliche Leben nicht in seiner Naturgeschichte, sondern in der augenblicklichen Existenz und bezieht von daher seinen Grund aus der Selbstvergegenwärtigung des Lebens durch den Tod, durch die schlichte Endlichkeit des "In-der-Welt-seins". Von daher droht der Tod nicht nur dem Individuum, sondern der Zeitlichkeit des Existierens überhaupt. Das Individuum ist im Tod allgemein zu verstehen, - seine Einheit mit dem Menschsein findet im Tod sozusagen seine "Wahrheit". So wird diese auch von seiner individuellen Existenz abgeleitet, soll eine Wahrheit im Tod sein, im "Sein zum Tode" (Martin Heidegger). Als Mensch schlechthin wird es also eine zum Untergang bestimmte Wesenheit und kann von daher nur ein individuell herausragendes, ein einzelnes Wesen in der Allgemeinheit des Seienden haben. Der Tod wird somit hinterrücks zum Subjekt des Lebens. Von daher ist der Existenzialismus eine Geisteshaltung, welche von jeglicher gesellschaftlichen Bestimmung des Lebens gerade durch die Entgegensetzung zum Tode abstrahieren kann - auch wenn er darin nicht immer konsequent ist (vergl. Sartre). Auf diese Weise sei die Selbstverantwortlichkeit des Lebens hervorgehoben, sagt man dort.

Aber der Tod erweist dem Leben schon dadurch Respekt, dass er es als Geschichte bewahrheitet, dass er es über das Erleben erhebt und einzig seine Wahrheit als bestimmtes Gattungswesen fortleben lässt. Wo das Individuum sein Gattungswesen nicht kennt, stirbt es schon in seinem Leben, ist es der lebende Tod der Selbstanmaßung seiner unendlichen Selbstbestimmung, die nur als Vorstellung überhaupt sich auf das Leben bezieht. In der bloßen Selbstwahrnehmung des Lebensendes wird der Tod zu einer beständigen Lebensgefahr, in welcher er absolut wird und von daher auch Leben verabsolutiert. Das Leben eines Individuums wird darin zu einer Totalität, die sich gegen alles ausschließt, was lebend ist und wovon es sich daher auch ausgeschlossen fühlt und in seiner Lebensangst schon den Tod bestätigt und betätigt.

Natürlich ist das Leben eines Individuums immer ein ganzes Leben; aber eben auch ein Leben in der Geschichte des Lebens. Leben ist in der Vorstellung des Todes ist nur eine Theorie über das Leben, das den Tod erleidet, weil es sich aus ihm begründet. Es hat den Tod als Theorie über sich selbst, wodurch es nicht praktisch werden kann und wodurch schon das Leben selbst als Unmöglichkeit des Lebens gelitten ist. Jede Theorie, die vom Leben abstrahiert, die also nicht vom wirklichen Lebens ausgeht, wie es ist, dient letztlich der Vorstellung von einem Tod, den sie zu vermeiden sucht, bevor ihr Leben überhaupt begonnen hat. Im Antlitz des Todes erscheint das Leben schön und gut, ist aber nichts anderes, wie das abgeschottete, sich selbst zur Vorstellung gereichende, das in sich gute Leben. Der gute Mensch sucht das Leben, indem er ein Leben lang alles tut, um sich gegen den Tod zu stellen, die Mächte der Vernichtung dort zu sehen, wo es Nichtigkeiten des Lebens gibt, Scheinwelten, deren Gebilde durch jedes wirklliche Leben schon beendet sind. Es ist ein Aufbäumen, das seine Leblosigkeit nicht begreifen will und sich in seiner Nichtigkeit einteilt, abgrenzt und für sich absolut nimmt, alles, was es im Tod nur ist. Der Tod macht für die Abgetrenntheit immer Sinn, da er selbst nur theoretisch ist und selbst zur Substanz der Endlichkeit gegen eine vorgestellte Unendlichkeit des Lebens wird. Darin wird das Leben zu einer Vorstellung der Ewigkeit, dem der Tod Einhalt zu gebieten hat. Im katholischen Beerdigungsritus wird das ewige Leben im Tod als das schlechthin Separate dargestellt: "Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub". Der Trost wird aus dem wirklichen Leben genommen und in die Verherrlichung des Ewigen gebracht - ein Prinzip, dessen sich jedes reaktionäre Denken bedient.

Nach Heideggers Auffassung geht es um eine Erneuerung der Ontologie als Position, welche den Humanismus in die Ecke des bloßen Idealismus stellt und dem Leben eine Selbstverantwortung für sich gibt. Indem Existenz die Endlichkeit des Daseins formuliert, als Dasein, das in der Existenz erst "aus dem Nichts herausrage", misst sich Lebendigkeit darin, wesentlich als dieses zu sein, sich selbst zu beleben - ein Widersinn in sich. Sein Existentialismus ist daher auch im Fortgang von Nietzsche eine Lebensauffassung, welche die unmittelbare Erfahrung und ihre Subjektivität zur gegenstandslosen Allgemeinerfahrung des Seienden erhebt und die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Persönlichkeit als Bewätigung des "in die Welt geworfen seins" ansieht. Die Notwendigkeit einer in sich geschlossenen Persönlichkeit ist für den Existenzialismus die Lebensbedingung einer wahren Endlichkeit, als Macht und Begrenztheit des Willens und notwendige Selbstbegrenzung der Geschichte. Sie bewahrheitet sich in der Konfrontation mit dem Tod, dem die Endlichkeit als Seinserfahrung inne sei. Nicht materielle Lebensbedingungen machen den Zusammenhang einzelner Existenzen aus, sondern die Begrenzung der Unendlichkeit, das Wissen um den Tod: Die Zeit. In dieser Auffassung ist eine Mythologie des Seins impliziert, welche das ganze Leben als ausschließlich und unmittelbar, also voraussetzungs- und geschichtslos sich gestaltendes Sein ansieht, das allein durch den Tod zur Sorge um sich angetrieben ist. So kann es auch nur aus einer Welt isolierter Individuen, aus Persönlichkeiten bestehen, die sich darin austauschen, was sie in ihrer Sorge gegen ihren Untergang teilen. Darin eben ist auch das Selbstverständnis des Bürgers in einer Welt begründet, die ihre Lebensburgen zu bewahren sucht.

Heideggers Existenzialismus ist eine rechte, wenn auch die konsequenteste, weil offen ontologische Position in der Existenzwahrnehmung. Ihm geht es um die Einheit als eigentliche Wahrheit in der Ursprünglichkeit, im reinen Sein des Menschen, das in der "Seinsvergessenheit" verflacht sei, und die Oberflächlichkeit einer lichtlosen Welt ausmache. Ihm geht es um die "Lichtung", um das Hervorscheinen des Wesentlichen, um Naturerleben als Wesensbezeugung und Kraftschöpfung gegen die Entfremdung der Technologie der Modernen. Die Persönlichkeit, die in dieser Weise zu sich findet, ihre Ursprünglichkeit gewinnt (siehe Ursprungssehnsucht), weiß sich erhaben über die Gewalten der Menschenverachtung, die er in der Technologie und der modernen Ökonomie sieht. Darin ist er ein rechter Kulturkritiker: Aus der inneren Stärke des Lebenskampfes, der wesentlich esoterisch ist, sieht er die Überwindung der Welt wie einen Rückzug in die Innerlichkeit der privaten Persönlichkeit, die sich nur zu einem einigen Volk zusammentun muss, um der Barbarei der Moderne entgegenzutreten. Kein Wunder, dass Heidegger die Umsetzung seines Existenzialismus im Nationalsozialismus als Selbstbestätigung empfand, in welchem die Persönlichkeit sich zur Volksseele entfalten wollte. Diese erst kann das wahre Volk sein, das Volk von Persönlichkeiten als persönliches Volk. Und dort erst kann wirklich entfaltet werden, was existential nur impliziert ist: Die Strukturierung der allgemeinen Lebensbewältigung durch die Hierarchien der Persönlichkeiten.

Der linke Existenzialismus Sartres begründet sich ebenfalls auf Kulturkritik; hier jedoch nicht im Rückzug, sondern in der Ausweitung der Selbstbestimmung auf die Welt, in der Überwindung der Welt durch die Verwirklichung von Persönlichkeit als Freiheit in ihr. Der Mensch sei "zur Freiheit verurteilt" und müsse von daher seine Unangemessenheit austragen und sich aus ihr heraus entwickeln, sich zu befreien - eben in der Utopie der Freiheit zu leben, sein Leben als Möglichkeit von Freiheit anzusehen, d.h. aber, es an seiner Bedingtheit zu relativieren.

Diese Auffassung gesellt sich leicht zu einem Anarchismus, wenn er auch die bestehenden Lebensstrukturen (wie z.B. Staatsgewalt) für überwindbar durch persönlichen Widerstand ansieht (tatsächlich hat sich Sartre ja auch für radikale Anarchisten eingesetzt).

Der Existenzialismus überhaupt ermuntert zu einem Begreifen eigenen Tuns und zugleich der Bedeutung von Wirklichkeit Respekt zu zollen, auch wenn diese als persönlich gegeben erscheint. Tatsächlich gibt es mit wachsendem Reichtum in der bürgerlichen Gesellschaft ja auch weitgehende Entscheidungräume des Persönlichen. So ist der Existentialismus auch eine Möglichkeit persönlicher Bereicherung in einem Dasein, dessen "Seinsvergessenheit" er darin zu überwinden sucht, dass die Freiheit der Entscheidung zu jeder möglichen Existenz für jeden Menschen gegeben und geboten sei. Das Politikverständnis ist weitgehend hiervon bestimmt. Dennoch steckt darin implizit auch die Notwendigkeit der Transzendenz des Bestehenden, wenn es aus dem Dunstkreis des "Seienden" gehoben und auf äußere Notwendigkeiten vermittelt wird.

Wo bei Hegel und Marx das Dasein nur in seiner geschichtlichen Entwicklung, in der Naturgeschichte der Menschheit als Vermenschlichung der Natur, als Bildung menschlichen Reichtums durch die Entfaltung der Produktivkräfte der Menschen begreifbar ist, ist es für den Existenzialismus das Verhältnis der Menschen selbst, in welchem sie sich nach gegebener Möglichkeit entscheiden, und also keine wirkliche Notwendigkeit haben außer der ihres Todes, dem sie mit allen Mitteln, also bedingungslos entgegentreten. Die darin implizite Anerkenntnis einer Sachlage wird zugleich dadurch geleugnet, dass der Mensch selbst in seiner Entscheidung sich nicht nur nach Möglichkeit verhält, sondern als Erfinder dieser Lage anzusehen ist und also nur anderes erfinden muss, um schlechtes zu überwinden (siehe hierzu Wirklichkeitskonstruktion). Weil hierbei jedes kritische Verhältnis zu den Strukturen des Daseins als solche unmöglich war, hat sich im Dekonstruktivismus das kritische Potential des Existenzialismus zusammengefasst, und den Streit um die beste Wirklichkeitskonstruktion aufgenommen - als Machtkampf gegen die Macht der Strukturen (siehe hierzu auch Foucault). Es hat sich gezeigt, dass der Machtkampf selbst nur leer läuft oder alte Strukturen in befreiter Form reproduziert oder auch nur eine Donquischotterie ist, wenn sie nicht am Träger der bürgerlichen Gesellschaft ankommt. In den reichen Ländern ist dies in der Regel die Kulturarbeit.