Mustertheorie

Aus kulturkritik

Muster sind wiederkehrende Strukturen, die eine formale oder inhaltliche Darstellung gewohnter und gewöhnlicher Zusammenhänge erlauben, um sie in ihrer Anwendung zu funktionalisieren. Ein Beispiel ist der Rechenalgorithmus eines Computers, der immer wiederkehrende Abläufe routiniert abarbeitet - oder eine grafische Figur, welche ein Muster gewöhnlicher Wahrnehmung in ihrer Wirkung beschreibt und damit auch Wirkung erzeugen kann - vergleiche z.B. den "Goldenen Schnitt", der als Verhältnismaß für Flächen und Räume in der Grafik und Architektur angenehme Wahrnehmungen erzeugt, weil er die Verhältnisse des menschlichen Körpers als Maß ästhetischer Verhältnisse anwendet. Das schon beinhaltet die Theorie, dass natürlich scheinende Wahrnehmungsverhältnisse sich für optimale Wirkung in ästhetischen Verhältnissen wie archetypische Grundformen anwenden lassen.

Die Mustertheorie will von daher eine Methode entwickeln, die "zum Verständnis und in der Folge zur Entfaltung menschengerechter Systeme beitragen kann" ([[1]]). Ein Muster biete hierfür eine "Problemlösungsbeschreibung", die einen modellhaften Charakter habe und sich als Muster zur Systemgestaltung (siehe Systemtheorie) schon bewährt habe. Seine Gewähr beziehe es aus einem "empirischen Rückgriff" oder "explorativen Vorgriff" auf Erfahrung, woduch eine "unideologische" Vermittlung von Erfahrung gegeben sei (alle Zitate aus [[2]]e). In "lebensraumgestaltenden Entscheidungssituationen" liefere sie eine unvoreingenommene und nicht rational überformte Wahrnehmung, die "aus einer hohen Übereinstimmung subjektiver Urteile" bestünde, die aber "einen ... schwer begründbaren objektiven Charakter" habe. Solche Muster würden sich also aus einer "hohen Übereinstimmung" von Gefühlserfahrungen ergeben, wie sie in etwa auch in der Eidetischen Reduktion der Gestaltpsychologie vorkommen. Daraus seien subjektive Lebenseigenschaften zu entnehmen, die im Muster eine objektive - und also auch objektivierbare - Form bekommen, die darin also so etwas wie eine Zusammenstellung objektiver Gefühle ist.

Diese Muster werden nicht in ihrer Beziehung auf das wahrnehmende Subjekt "aufgesammelt", sondern als Allgemeinmuster einer gefühlten Formation des Lebensraums, als dessen naturgemäße Lebensordnung (siehe Ordnung) bewahrt, die von dieser Beziehung eine völlig abgetrennte "Lebensweisheit" verkörpere. Damit könne sich ein "ratiomorphes Erkennen" dem "rationalen Wissen" und Erwartungshaltungen entgegenstellen und durch seine "menschliche Fundamentalleistung" den Entscheidungsrahmen rationaler Urteile erweitern, wie dies der biologisch-evolutionären Erkenntnistheorie (nach Rupert Riedl) entsprechen würde. Damit wäre so etwas wie eine Naturerfahrung des Lebens in die räumliche Lebensform der Menschen übertragbar (z.B. als Raummuster, wie sie in der Architektur vorkommen) und eine ganzheitliche Beurteilung möglich, weil diese aus den Formen ihrer Evolution (siehe Ontologie) erschließbar sei.

Einer der Autoren dieser Theorie, der Architekt Christopher Alexander, hat hieraus eine "Mustersprache" entwickelt, die "den Forderungen der Realität mit Problemlösungen" antworten könne, weil sie einen "ausreichenden Kontext an Wirkungszusammenhängen mit sich führen" würde. Darin seien die "grundsätzlichen Probleme des Verstehens kompexer System" (siehe Hermeneutischer Zirkel) durch eine "einfache Methode" abgelöst, der es vor allem um die Lebendigkeit der Systeme - gemeint ist damit eine Beziehung auf die Ganzheit von Lebensräumen - geht, so wie es vielleicht die inzwischen auch in Europa gebräuchlichen asiatischen Wohnraumtheorien (z.B. Feng Shui) umsetzen.

Christopher Alexander hat daraus gelernt und sagt: "versuchen wir die Welt als Entfaltungsort des Lebens zu verstehen". Schönheit ist für Christopher Alexander etwas Objektivierbares. Schönheit und Funktionalität seien nicht als getrennte Systemeigenschaften zu verstehen, sondern als "Perspektiven des Lebendigseins". Alles besitze einen abgestuften und vergleichbaren, objektiv beurteilbaren "Grad von Lebendigkeit". Wenn sich die Dichte der Elemente im Ganzen vergrößere, so würde sich darin eine Vielfalt von Zentren bilden, die sich gegenseitig in ihrer Entfaltung helfen und verstärken würden.

Man könnte diese Theorie als eine der vielen Ästhetik-Theorien, als eine Kunsttheorie verstehen, würde sie sich nur auf die Eigenständigkeit von Kunst oder Architektur beziehen. Sie will aber gerade diese Beziehung allgemein machen, zu einer Vorlage zur Beurteilung von Sinn gebenden Lebensformen schlechthin. Von daher ist die Mustertheorie von Christopher Alexander eine Kulturtheorie der Lebensräume, die als Totalität ihrer Beziehungen begriffen sein sollen, durch die erst der "Raum zum Leben erwacht". Leben findet hiernach eben nicht einfach räumlich und zeitlich statt, sondern wird durch den Raum selbst bestimmt. Das eingemusterte Raumgefühl wird zu einem Mysterium, der mystifizierte Raum zum Sinngeber und Schöpfer guter Gefühle, Grundlage für ein "gelingendes Leben". Eine solche Theorie will spirituell sein und Spiritualität vermitteln und versucht ausdrücklich "die Kluft zwischen Wissenschaft und Religion zu schließen".

In diesem Anspruch ist sie eine Konstruktion von gefühlten Lebenseigenschaften, eine Gefühlsformation, die ganz im Widerspruch zu ihren Prämissen einen allgemeinen Anspruch auf Erkenntnis erhebt, die sich um Lebensverbindlichkeiten bemüht. Sie sucht damit eine totale Re-ligio (Rückbindung) des Lebensraums, der selbst als Grund jedweder Sinnstiftung hergenommen wird.

Seine Mustersprache entwickelte Christopher Alexander aus den Strukturen von Architektur und Kunst, die sich in 15 "Eigenschaften lebendiger System" zusammenfassen ließen, die reine Formkriterien darstellen (unter anderem z.B. "Abstufung in Größen", "Starke Zentren", Grenzen, "Abwechselnde Wiederholung", "Positiver Raum", Formschönheit etc.). Diese "Grundelemente" seien "Zentren", die ihrer ganzheitlichen Gestalt, dem "lebendigen System" gegenüber zu stellen seien.

"Diese Eigenschaften helfen Zentren sich gegenseitig und verstärken dadurch wechselseitig in ihrer Lebendigkeit. Lebendige Systeme prägen aber auch, je nach Situation und Bedürfnissen, typische Muster (patterns) aus, die sich empirisch sammeln und (bio-)kybernetisch [im Sinne von FrederickVester?] verstehen und formalisiert (PatternFormular) darstellen lassen. Dabei entstehen anwendungsbezogene PatternSprachen. Diese Pattern werden in geordneten Prozessen (sozusagen in einer optimalen Abfolge) angeordnet um Systeme aufzubauen. Hier trifft man wieder sehr systemanalytische Vorgehensweisen."

Wesentlich daran sei, dass in dieser Konfrontation die "Lebendigkeit der Strukturen" zu erschließen sei, dass also die an und für sich inhaltslos erfassten Strukturen (siehe Strukturalismus) innerhalb eines bestimmten Lebensraums in ihrer Lebendigkeit zu ermessen und zugleich zu beleben wäre. Der praktische Nutzen bestünde in der hieraus erfolgenden Beurteilung der Qualität von dem, was darin sich "entfalten" könne, was darin für ihre "lebendige Entfaltung" gut oder schlecht, was gewaltsam, künstlich oder eben lebendig sei. Von daher sei sie in der Lage zu einem besseren Verhältnis von Menschen, z.B. in den "Communities" beizutragen, weil sie ihnen eine allgemeine formgebende Substanz zur Beurteilung ihrer Beziehungen (z.B.bei Entscheidungen über ihre Entwicklung oder zur Auflösung von Konflikten) liefern könne.

Im Prinzip lässt sich dadurch jede Form bestehender Verhältnisse in eine Naturalform umdeuten und das gewohne Lebensverhältnis zu einer ewigen "Wahrheit" naturalisieren, indem ihm eine "Lebendigkeit" zugewiesen wird, wie man sie eben im Gefühl objektiv schon hat. Es geht ja dabei um die "höhere Wahrheit" der objektiven Gefühle. Und die beweist sich durch die herrschenden Selbstgefühle, die "mensch" darin hat, ist die phänomenologische Allgemeinheit .des Selbstgefühls schlechthin: abstrakt menschlicher Sinn wie er leibt und lebt.

Ein anderer Autor zur "Mustersprache", Helmut Leitner, will folgerichtig hieraus eine Ethik beziehen, durch welche diese "Kriterien der Lebendigkeit" zu einer Lebensregel für die Beteiligten werden könnten. Für ihn ist die Mustertheorie "die Lehre von lebendigen Systemen". Und dabei geht dann die in der Theorie schon angelegte Beliebigkeit bezüglich der Bestimmung von Lebendigkeit in einzelnen Lebensbereichen ab. So schreibt Leitner z.B. zur "Lebenseigenschaft" Grenze:

“Staaten bewachen oder schützen ihre Grenzen. Organisationen ziehen Zugehörigkeitsgrenzen um ihre Mitglieder oder Arbeitnehmer. Eltern bestimmen Grenzen für das akzeptable Verhalten ihrer Kinder. Veranstaltungsorte wie Kinos oder Sportstadien haben Zutrittgrenzen. Bereiche wie Kunst oder Wissenschaft definieren methodische Grenzen.” (in Helmut Leitner: "Mustertheorie")

Solche Mustertheorie ist nicht wirklich neu. Im Grunde ist sie ein Resultat der Systemtheorien, die sich in der Biologie mit der Diskussion des Evolutionsbegriffs ergeben hatten und die in einen strukturalistischen Seinsbegriff mündete, nun aber unter Hinzufügung eines Ordnungskriteriums der "Lebendigkeit" psychophilosophisch, quasi sophistisch aufgepeppt wurde. Die Kreisförmigleit der Systemtheorien, die Allgemeinheit ihrer Zirkelschlüsse, wurde lediglich gefühlvoller mit den ontologischen Komponeten einer Musterbestimmung der Systeme zu einer Mythologie der Strukturen an sich entwickelt. Sie landete hierdurch nicht in einer fortschrittlicheren Reflektion, sondern verfiel in eine ihr vorausgesetzte Ontologie, geriet in die Nähe zu Heideggers Phänomenologie des Seins, zu seiner Fundamentalontologie des Lebens, wonach sich das Einzelne nur im Bezug zum Ganzen verstehen lässt, und das Ganze sich nur am Einzelnen zeigt, der Unterschied von beidem also zusammenfällt, das Einzelne selbst total wird, der Zirkelschluss zu einem einzigartigen Totalitarismus wird. Der ist daher natürlich auch nicht zu fassen; man kann sich seiner Erkenntnis nur beständig nähern und in der Ausdifferenzierung dieser Näherung sich selbst totalisieren. Totalitäres Denken wird zur Gewohnheit einer Theorie gewöhnlicher Strukturen.

Wie bei Heidegger besteht in der Mustertheorie das Dasein nur noch als sinngebender Körper in Raum und Zeit, wird selbst im Jenseites aller wirklichen Bestimmungen, Wahrnehmungen und Gefühle als Muster zur Lebendigkeitsbeurteilung zum reinen Lebensprinzip, das seine Existenz im Bewusstsein eines nurmehr räumlich und zeitlich beschränkten Seins zu erkennen hat. Die Welt wird hierdurch zu einer sinnhaften Totalität, eine Bedeutungsganzheit, in der sich die Dinge sinnhaft in einer "Ordnung der Dinge" (siehe Phänomenologie) aufeinander beziehen und damit die Beziehung menschlicher Sinne ausschließen und sie in ihrer Getrenntheit als Verstandesmuster frei und willkürlich bewahren und benutzen können. „Sinn ist das, worin sich die Verständlichkeit von etwas hält.“ (Heidegger in "Sein und Zeit" (GA 2), S. 151). Sinn ist demnach, was schon verständlich war, eigentlich nur Sinnbild der Verständigkeit, eine konservierende Konserve, die unbedingt sinnlich sein will. Darin begründet sich eine musterhafte Ordnung, die Ordnung eines Verstandes, der sein Verständis nicht mehr bewähren muss, also selbstverständlich wird. Der Verstand, die Rationalität, den die Mustertheorie mit Gefühl bereichern wollte, schließt sich darin dann wohl auch notgedrungen ein, wird absolut, zu einer absoluten Selbstbeschränkung, absolut selbslos, weil sie die "Ordnung der Dinge" zum Maß ihrer Lebendigkeit machen soll.

Diese Art von Verständlichkeit war die Wegbereitung für die Ethik der Nazis, die Ethik des reinen Menschseins in Raum und Zeit, die eine Interpretation von Existenzialien darstellt, eine Ethik, die zwangsläufig die "lebenswichtigen" und "lebenswerten" Lebenräume erschließt und behauptet und sich in ihrer Anwendung auf die lebenswerten Lebenseigenschaften konzentriert und diese natürlich auch durchzusetzen sucht.

Die Mustertheorie ist mit ihren "Lebenseigenschaften" durchaus analog zu solcher Fundamentalontologie, zu einer "Erweckung des Lebens durch seinen Lebensraum" (Christopher Alexander) zu verstehen. In der Auflistung der wesentlichen Lebenseigenschaften einer räumlichen und geometrischen Formation ihrer Ästhetik stellt sie eine Ethik der Grundform des Lebens, einen ästhetischen Willen dar, in welchem sich eine überzeitliche Schönheit objektiviert haben soll. Der wird auf diese Weise zu einer Art Verfassung für das, was sich hiernach zu gestalten hat, was ethisch geordnet und also auch unausgesprochen, also sprachlos moralisch eingepasst, ethisch gereinigt sein muss. Es handelt sich bei dieser Moral um eine Selbstverständlichkeit, die sich nur gegen die richtet, die solches Selbstverständnis nicht teilen wollen. Gerade weil der ästhetische Wille im Selbstgefühl sich bestärkt, also sich in der Ästhetik des ausschließlich Einzelnen verdichtet, verallgemeinert sich seine Ausschließlichkeit eben dort, wo er sich auf jede Einzelheit konzentriert, sie zum Allgemeinen hin verwesentlicht, ihren einezlnen Inhalt selbst unmittelbar abstrakt allgemein macht. In der logischen Stringenz der Mustertheorie steckt daher eine ebensolche Tendenz zum Rassismus wie sie dereinst die Ethnographien der nazistischen Ethnologie bei der Vermessung biogenetischer Grundformen zur Erhaltung der Art verfolgt hatte.