Verteilungsungerechtigkeit

Aus kulturkritik

"'Die Befreiung der Arbeit erfordert die Erhebung der Arbeitsmittel zum Gemeingut der Gesellschaft und die genossenschaftliche Regelung der Gesamtarbeit mit gerechter Verteilung des Arbeitsertrags.' (Ferdinand Lassalle zitiert von Karl Marx 1875 in "Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei", Seite 17f)

In seinem Entwurf eines "Programms der deutschen Arbeiterpartei" Geht Ferdinand Lassalle davon aus, dass das Wesen der bürgerlichen Gesellschaft aus einer Verteilungsungerechtigkeit bestünde, weil die Löhne um den Betrag beschnitten würden, den die Kapitalisten vom Gesamtprodukt einer Mehrarbeit abziehen, dass die Ungerechtigkeit daraus bestünde, dass ihre Lohn nur einen gekürzten Arbeitsertrag repräsentieren würde. Es ist bis heute noch eine gängige Auffassung der Linken, dass das gesellschaftliche Produkt der Arbeit sich in der Geldform gerecht darstellen müsse und könne. Tatsächlich lässt sich ja auch konstatieren, dass mit der zunehmenden Produktivität der Arbeit die Arbeitsleute einen immer geringeren persönlichen Produktanteil mit ihrem Lohn erstehen können und sie also am gesellschaftlichen Fortschritt keinen entsprechenden Anteil erhalten. Doch mit dieser Wahrnehmung wird übersehen, dass ihr Arbeitslohn nur einen Anteil an der Wertrealisierung der Produkte, als einen hiernach variablen Wert darstellen können (siehe variables Kapital), der vom Wert das Gesamtkapitals abgezogen wird. Weil es sich in beiden Formen um Geldwerte handelt, dreht sich das Ganze um eine Verteilung der Existenzverwertung je nach Angebot und Nachfrage an Arbeitskraft, die ihren Mehrwert aus der Wertrealisierung im Verkauf der Produkte, also sowohl aus der Produktion als auch aus derGeldzirkulation bezieht. Von daher ist der Lohn von der Wertrealisierung des ganzen Kapitals abhängig, wodurch sich das Geld einerseits im Konsum der Lebensmittel entwertet, andererseits im Finanzkapital auf den Geldmärkten durch Angebot und Nachfrage an Geld über den Geldhandel (Devisenhandel, Kredithandel und Derivatenhandel) aufwertet. Von daher kann es keinen "gerechten Lohn" geben, solange das Geld in den Finanzmärkten verschwindet, solange also einerseits Geld verdient werden muss nur um Leben zu können und andererseits Geld verkauft werden kann, nur um damit mehr Geld zu machen (siehe Kapitalismus). Deshalb schreibt Marx in der Diskussion um die Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit, um einen ungekürzten Arbeitsertrag: "Statt des konservativen Mottos: ‚Ein guter Lohn für gute Arbeit!‘ sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: ‚Nieder mit dem Lohnsystem!‘" (Karl Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16, 152) Marx bezeichnet die Behauptung, dass es einen gerechten Arbeitslohn geben könne, dass es eine gerechte Geldverteilung, ein Recht auf "richtig verteiltes" Geld geben könne (siehe hierzu Geld als Maß der Werte und Geld als Maßstab der Preise), als Frevelei von Sozialisten. Damit nämlich würde das ganze Lohnsystem zu einem ehernen Gesetz der Lohnarbeit verklärt werden. "Die jedesmalige Verteilung der Konsumtionsmittel ist nur Folge der Verteilung der Produktionsbedingungen selbst. Die kapitalistische Produktionsweise z.B. beruht darauf, daß die sachlichen Produktionsbedingungen Nichtarbeitern zugeteilt sind unter der Form von Kapitaleigentum und Grundeigentum, während die Masse nur Eigentümer der persönlichen Produktionsbedingung, der Arbeitskraft, ist. Sind die Elemente der Produktion derart verteilt, so ergibt sich von selbst die heutige Verteilung der Konsumtionsmittel. Sind die sachlichen Produktionsbedingungen genossenschaftliches Eigentum der Arbeiter selbst, so ergibt sich ebenso eine von der heutigen verschiedne Verteilung der Konsumtionsmittel. Der Vulgärsozialismus (und von ihm wieder ein Teil der Demokratie) hat es von den bürgerlichen Ökonomen übernommen, die Distribution als von der Produktionsweise unabhängig zu betrachten und zu behandeln, daher den Sozialismus hauptsächlich als um die Distribution sich drehend darzustellen. Nachdem das wirkliche Verhältnis längst klargelegt, warum wieder rückwärtsgehn?" (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 22) "Ich bin weitläufiger auf den "unverkürzten Arbeitsertrag" einerseits, "das gleiche Recht", "die gerechte Verteilung" andrerseits eingegangen, um zu zeigen, wie sehr man frevelt, wenn man einerseits Vorstellungen, die zu einer gewissen Zeit einen Sinn hatten, jetzt aber zu veraltetem Phrasenkram geworden, unsrer Partei wieder als Dogmen aufdrängen will, andrerseits aber die realistische Auffassung, die der Partei so mühvoll beigebracht worden, aber Wurzeln in ihr geschlagen, wieder durch ideologische Rechts- und andre, den Demokraten und französischen Sozialisten so geläufige Flausen verdreht. Abgesehn von dem bisher Entwickelten war es überhaupt fehlerhaft, von der sog. Verteilung Wesens zu machen und den Hauptakzent auf sie zu legen." (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 221f) Aus der isolierten Existenz der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft kann diese wie ein großes Ganzes ihrer Verhältnisse erscheinen, für das jede Bürgerin und jeder Bürger seinen Anteil beizutragen hätte, um schließlich auch seinen gerechten Anteil vom Sozialprodukt zu erhalten. Doch das Geld, das die arbeitenden Menschen als Lohn für ihre Lohnarbeit zu ihrem Selbsterhalt, zu ihrer Reproduktion bekommen, dass es also gerade soviel Wert darstellt, als ihre Lebensmittel und Gebühren für Eigentumstitel (Miete u.a.) zur blanken Existenz nötig haben (siehe hierzu Existenzwert). Alles andere geht ein in den Mehrwert, der sich in der Geldzirkulation des Finanzkapitals durch die politische Macht über die allgemeinen Produktionsverhältnisse bereichert. Von daher hat sich Marx vehement gegen das "Eherne Lohngesetz" von Lassalle gestellt, der behauptet, dass der Arbeitsertrag nur durch die Profite des Kapitals verkürzt werde und deshalb um einen "unverkürzten Arbeitsertrag" zu kämpfen sei (siehe hierzu Arbeiterbewegung). Von daher analysiert er die Teorie der Gerechtigkeit über den Arbeitsertrag, über das eherne Lohngesetz" von Lassalle: "'Arbeitsertrag' ist eine lose Vorstellung, die Lassalle an die Stelle bestimmter ökonomischer Begriffe gesetzt hat. Was ist "gerechte" Verteilung? Behaupten die Bourgeois nicht, daß die heutige Verteilung "gerecht" ist? Und ist sie in der Tat nicht die einzige "gerechte" Verteilung auf Grundlage der heutigen Produktionsweise? Werden die ökonomischen Verhältnisse durch Rechtsbegriffe geregelt, oder entspringen nicht umgekehrt die Rechtsverhältnisse aus den ökonomischen? Haben nicht auch die sozialistischen Sektierer die verschiedensten Vorstellungen über 'gerechte' Verteilung?" (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 18) Marx fasst den Kern des "Gerechtigkeitsproblems" darin zusammen, dass der Arbeitslohn nicht den wirklichen Wert der Arbeit darstellen kann, weil er nur den Wert der Reproduktion der Arbeitsleute finanziert und lediglich eine Geldform der bezahlten Arbeit des variablen Kapitals ist und bleibt, solange es dieses gibt. "Seit Lassalles Tode hat sich die wissenschaftliche Einsicht in unsrer Partei Bahn gebrochen, daß der Arbeitslohn nicht das ist, was er zu sein scheint, nämlich der Wert respektive Preis der Arbeit, sondern nur eine maskierte Form für den Wert resp. Preis der Arbeitskraft. Damit war die ganze bisherige bürgerliche Auffassung des Arbeitslohnes sowie die ganze bisher gegen selbe gerichtete Kritik ein für allemal über den Haufen geworfen und klargestellt, daß der Lohnarbeiter nur die Erlaubnis hat, für sein eignes Leben zu arbeiten, d.h. zu leben, soweit er gewisse Zeit umsonst für den Kapitalisten (daher auch für dessen Mitzehrer am Mehrwert) arbeitet; daß das ganze kapitalistische Produktionssystem sich darum dreht, diese Gratisarbeit zu verlängern durch Ausdehnung des Arbeitstages oder durch Entwicklung der Produktivität, größere Spannung der Arbeitskraft etc.; daß also das System der Lohnarbeit ein System der Sklaverei, und zwar einer Sklaverei ist, die im selben Maß härter wird, wie sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit entwickeln, ob nun der Arbeiter bessere oder schlechtere Zahlung empfange. Und nachdem diese Einsicht unter unsrer Partei sich mehr und mehr Bahn gebrochen, kehrt man zu Lassalles Dogmen zurück, obgleich man nun wissen mußte, daß Lassalle nicht wußte, was der Arbeitslohn war, sondern, im Gefolg der bürgerlichen Ökonomen, den Schein für das Wesen der Sache nahm. Es ist, als ob unter Sklaven, die endlich hinter das Geheimnis der Sklaverei gekommen und in Rebellion ausgebrochen, ein in veralteten Vorstellungen befangener Sklave auf das Programm der Rebellion schriebe: Die Sklaverei muß abgeschafft werden, weil die Beköstigung der Sklaven im System der Sklaverei ein gewisses niedriges Maximum nicht überschreiten kann! Die bloße Tatsache, daß die Vertreter unsrer Partei fähig waren, ein so ungeheuerliches Attentat auf die in der Parteimasse verbreitete Einsicht zu begehn - beweist sie nicht allein, mit welchem {frevelhaften} Leichtsinn, {mit welcher Gewissenlosigkeit} sie bei der Abfassung des Kompromißprogramms zu Werke gingen! Anstatt der unbestimmten Schlußphrase des Paragraphen, "die Beseitigung aller sozialen und politischen Ungleichheit", war zu sagen, daß mit der Abschaffung der Klassenunterschiede von selbst alle aus ihnen entspringende soziale und politische Ungleichheit verschwindet." (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 25f) Was im Arbeitslohn als gerechter Anteil am Sozialprodukt behauptet wird, ist eine politische Farce. Sie macht aber auch schnell offenkundig, dass der Arbeitslohn nicht das ist, was ihren Lebensaufwand für ihre Existenz und Arbeit in einem dem entsprechenden Anteil am Sozialprodukt darstellen und entgelten kann. Ganz im Gegenteil: Der Existenzdruck auf die Einzelnen wächst zunehmend mit der Produktivität ihrer Arbeit (siehe hierzu Automation) und je mehr die Menschen sich dem ausgesetzt sehen und immer mehr arbeiten, um ihr Leben und das ihrer Familien zu sichern (siehe hierzu auch unbezahlte Arbeit), desto mehr sinkt ihr Lebensstandard (siehe auch Bildung) und ihre Rente, ihre Zukunftssicherung. Ihre Arbeit wird mit anwachsender Produktivität immer wertloser, ihre Mieten und Lebenshaltungskosten überhaupt immer teurer und der ihnen verfügbare Geldwert immer geringer. Was der Staat über den Außenhandel durch aktive Handelsbilanzen nicht mehr ausgleichen kann, weil der Wertanteil der Landeswährung am Weltgeld sinkt, inflationiert den nationalen Geldwert (siehe Inflation) und mindert den Produktabsatz, sodass auch die Produktion durch immer wertlosere Produkte stagnieren kann (siehe Stagflation). Und das stellt sich nicht nur im persönliche Vermögen an Geld dar (siehe Geldbesitz), sondern in dem der ganzen Nation und ihrer wirtschaftlichen Spielräume. Die Geldpolitik muss Ausgleich suchen und drückt immer mehr auf die Anteile der Bürger am Wert ihrer Arbeit und ihrer Lebensmittel und ihrer Sozialversicherungen. Die Preise der Lebenshaltung entwickeln sich in einen zunehmend rasanteren Verhältnis gegen den Wert der Arbeit in der Welt der Gebrauchswerte, der Realwirtschaft. Es herrscht ein allgemeiner Existenzwert, dem alle Preise unterworfen sind und durch Spekulation auf die Preisbildung (siehe Derivatenhandel) verteuert werden.

"Statt des konservativen Mottos: ‚Ein guter Lohn für gute Arbeit!‘ sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: ‚Nieder mit dem Lohnsystem!‘" (Karl Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16, 152)

Marx bezeichnet die Behauptung, dass es einen gerechten Arbeitslohn geben könne, dass es eine gerechte Geldverteilung, ein Recht auf "richtig verteiltes" Geld geben könne (siehe hierzu Geld als Maß der Werte und Geld als Maßstab der Preise), als Frevelei von Sozialisten. Damit nämlich würde das ganze Lohnsystem zu einem ehernen Gesetz der Lohnarbeit verklärt werden.

"Die jedesmalige Verteilung der Konsumtionsmittel ist nur Folge der Verteilung der Produktionsbedingungen selbst. Die kapitalistische Produktionsweise z.B. beruht darauf, daß die sachlichen Produktionsbedingungen Nichtarbeitern zugeteilt sind unter der Form von Kapitaleigentum und Grundeigentum, während die Masse nur Eigentümer der persönlichen Produktionsbedingung, der Arbeitskraft, ist. Sind die Elemente der Produktion derart verteilt, so ergibt sich von selbst die heutige Verteilung der Konsumtionsmittel. Sind die sachlichen Produktionsbedingungen genossenschaftliches Eigentum der Arbeiter selbst, so ergibt sich ebenso eine von der heutigen verschiedne Verteilung der Konsumtionsmittel. Der Vulgärsozialismus (und von ihm wieder ein Teil der Demokratie) hat es von den bürgerlichen Ökonomen übernommen, die Distribution als von der Produktionsweise unabhängig zu betrachten und zu behandeln, daher den Sozialismus hauptsächlich als um die Distribution sich drehend darzustellen. Nachdem das wirkliche Verhältnis längst klargelegt, warum wieder rückwärtsgehn?" (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 22)

"Ich bin weitläufiger auf den "unverkürzten Arbeitsertrag" einerseits, "das gleiche Recht", "die gerechte Verteilung" andrerseits eingegangen, um zu zeigen, wie sehr man frevelt, wenn man einerseits Vorstellungen, die zu einer gewissen Zeit einen Sinn hatten, jetzt aber zu veraltetem Phrasenkram geworden, unsrer Partei wieder als Dogmen aufdrängen will, andrerseits aber die realistische Auffassung, die der Partei so mühvoll beigebracht worden, aber Wurzeln in ihr geschlagen, wieder durch ideologische Rechts- und andre, den Demokraten und französischen Sozialisten so geläufige Flausen verdreht. Abgesehn von dem bisher Entwickelten war es überhaupt fehlerhaft, von der sog. Verteilung Wesens zu machen und den Hauptakzent auf sie zu legen." (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 221f)

Aus der isolierten Existenz der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft kann diese wie ein großes Ganzes ihrer Verhältnisse erscheinen, für das jede Bürgerin und jeder Bürger seinen Anteil beizutragen hätte, um schließlich auch seinen gerechten Anteil vom Sozialprodukt zu erhalten. Doch das Geld, das die arbeitenden Menschen als Lohn für ihre Lohnarbeit zu ihrem Selbsterhalt, zu ihrer Reproduktion bekommen, dass es also gerade soviel Wert darstellt, als ihre Lebensmittel und Gebühren für Eigentumstitel (Miete u.a.) zur blanken Existenz nötig haben (siehe hierzu Existenzwert). Alles andere geht ein in den Mehrwert, der sich in der Geldzirkulation des Finanzkapitals durch die politische Macht über die allgemeinen Produktionsverhältnisse bereichert. Von daher hat sich Marx vehement gegen das "Eherne Lohngesetz" von Lassalle gestellt, der behauptet, dass der Arbeitsertrag nur durch die Profite des Kapitals verkürzt werde und deshalb um einen "unverkürzten Arbeitsertrag" zu kämpfen sei (siehe hierzu Arbeiterbewegung). Von daher analysiert er die Teorie der Gerechtigkeit über den Arbeitsertrag, über das eherne Lohngesetz" von Lassalle:

"'Arbeitsertrag' ist eine lose Vorstellung, die Lassalle an die Stelle bestimmter ökonomischer Begriffe gesetzt hat. Was ist "gerechte" Verteilung? Behaupten die Bourgeois nicht, daß die heutige Verteilung "gerecht" ist? Und ist sie in der Tat nicht die einzige "gerechte" Verteilung auf Grundlage der heutigen Produktionsweise? Werden die ökonomischen Verhältnisse durch Rechtsbegriffe geregelt, oder entspringen nicht umgekehrt die Rechtsverhältnisse aus den ökonomischen? Haben nicht auch die sozialistischen Sektierer die verschiedensten Vorstellungen über 'gerechte' Verteilung?" (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 18)

Marx fasst den Kern des "Gerechtigkeitsproblems" darin zusammen, dass der Arbeitslohn nicht den wirklichen Wert der Arbeit darstellen kann, weil er nur den Wert der Reproduktion der Arbeitsleute finanziert und lediglich eine Geldform der bezahlten Arbeit des variablen Kapitals ist und bleibt, solange es dieses gibt.

"Seit Lassalles Tode hat sich die wissenschaftliche Einsicht in unsrer Partei Bahn gebrochen, daß der Arbeitslohn nicht das ist, was er zu sein scheint, nämlich der Wert respektive Preis der Arbeit, sondern nur eine maskierte Form für den Wert resp. Preis der Arbeitskraft. Damit war die ganze bisherige bürgerliche Auffassung des Arbeitslohnes sowie die ganze bisher gegen selbe gerichtete Kritik ein für allemal über den Haufen geworfen und klargestellt, daß der Lohnarbeiter nur die Erlaubnis hat, für sein eignes Leben zu arbeiten, d.h. zu leben, soweit er gewisse Zeit umsonst für den Kapitalisten (daher auch für dessen Mitzehrer am Mehrwert) arbeitet; daß das ganze kapitalistische Produktionssystem sich darum dreht, diese Gratisarbeit zu verlängern durch Ausdehnung des Arbeitstages oder durch Entwicklung der Produktivität, größere Spannung der Arbeitskraft etc.; daß also das System der Lohnarbeit ein System der Sklaverei, und zwar einer Sklaverei ist, die im selben Maß härter wird, wie sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit entwickeln, ob nun der Arbeiter bessere oder schlechtere Zahlung empfange. Und nachdem diese Einsicht unter unsrer Partei sich mehr und mehr Bahn gebrochen, kehrt man zu Lassalles Dogmen zurück, obgleich man nun wissen mußte, daß Lassalle nicht wußte, was der Arbeitslohn war, sondern, im Gefolg der bürgerlichen Ökonomen, den Schein für das Wesen der Sache nahm. Es ist, als ob unter Sklaven, die endlich hinter das Geheimnis der Sklaverei gekommen und in Rebellion ausgebrochen, ein in veralteten Vorstellungen befangener Sklave auf das Programm der Rebellion schriebe: Die Sklaverei muß abgeschafft werden, weil die Beköstigung der Sklaven im System der Sklaverei ein gewisses niedriges Maximum nicht überschreiten kann! Die bloße Tatsache, daß die Vertreter unsrer Partei fähig waren, ein so ungeheuerliches Attentat auf die in der Parteimasse verbreitete Einsicht zu begehn - beweist sie nicht allein, mit welchem {frevelhaften} Leichtsinn, {mit welcher Gewissenlosigkeit} sie bei der Abfassung des Kompromißprogramms zu Werke gingen! Anstatt der unbestimmten Schlußphrase des Paragraphen, "die Beseitigung aller sozialen und politischen Ungleichheit", war zu sagen, daß mit der Abschaffung der Klassenunterschiede von selbst alle aus ihnen entspringende soziale und politische Ungleichheit verschwindet." (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 25f)

Was im Arbeitslohn als gerechter Anteil am Sozialprodukt behauptet wird, ist eine politische Farce. Sie macht aber auch schnell offenkundig, dass der Arbeitslohn nicht das ist, was ihren Lebensaufwand für ihre Existenz und Arbeit in einem dem entsprechenden Anteil am Sozialprodukt darstellen und entgelten kann. Ganz im Gegenteil: Der Existenzdruck auf die Einzelnen wächst zunehmend mit der Produktivität ihrer Arbeit (siehe hierzu Automation) und je mehr die Menschen sich dem ausgesetzt sehen und immer mehr arbeiten, um ihr Leben und das ihrer Familien zu sichern (siehe hierzu auch unbezahlte Arbeit), desto mehr sinkt ihr Lebensstandard (siehe auch Bildung) und ihre Rente, ihre Zukunftssicherung. Ihre Arbeit wird mit anwachsender Produktivität immer wertloser, ihre Mieten und Lebenshaltungskosten überhaupt immer teurer und der ihnen verfügbare Geldwert immer geringer. Was der Staat über den Außenhandel durch aktive Handelsbilanzen nicht mehr ausgleichen kann, weil der Wertanteil der Landeswährung am Weltgeld sinkt, inflationiert den nationalen Geldwert (siehe Inflation) und mindert den Produktabsatz, sodass auch die Produktion durch immer wertlosere Produkte stagnieren kann (siehe Stagflation). Und das stellt sich nicht nur im persönliche Vermögen an Geld dar (siehe Geldbesitz), sondern in dem der ganzen Nation und ihrer wirtschaftlichen Spielräume. Die Geldpolitik muss Ausgleich suchen und drückt immer mehr auf die Anteile der Bürger am Wert ihrer Arbeit und ihrer Lebensmittel und ihrer Sozialversicherungen. Die Preise der Lebenshaltung entwickeln sich in einen zunehmend rasanteren Verhältnis gegen den Wert der Arbeit in der Welt der Gebrauchswerte, der Realwirtschaft. Es herrscht ein allgemeiner Existenzwert, dem alle Preise unterworfen sind und durch Spekulation auf die Preisbildung (siehe Derivatenhandel) verteuert werden.