Wiederholungszwang
"Man hat gesehen, dass die große Industrie die manufakturmäßige Teilung der Arbeit mit ihrer lebenslänglichen Fesselung eines ganzen Menschen an eine Detailoperation technisch aufhebt, während zugleich die kapitalistische Form der großen Industrie jene Arbeitsteilung noch monströser reproduziert, in der eigentlichen Fabrik durch Verwandlung des Arbeiters in den selbstbewussten Zubehör einer Teilmaschine, überall sonst teils durch sporadischen Gebrauch der Maschinen und der Maschinenarbeit, teils durch Einführung von Frauen-, Kinder- und ungeschickter Arbeit als neuer Grundlage der Arbeitsteilung. Der Widerspruch zwischen der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit und dem Wesen der großen Industrie macht sich gewaltsam geltend." (Karl Marx, MEW 23,508)
Nach Sigmund Freud ist der Wiederholungszwang ein "Abwehrmechanismus" gegen traumatische Wahrnehmungen. Sie gelten entweder als Grenzfälle einer sozialen Pathologie der eingebürgerten Menschen oder selbst als Symptom einer psychische Krankheit (siehe hierzu auch Zwangshandlungen). Nach psychoanalytischer Auffassung bestehen sie aus dem Bedürfnis, Situationen zur Auslösung von Ereignissen, Wahrnehmungen oder Selbstwahrnehmungen zu produzieren, die Unglück mit sich bringen (siehe hierzu auch Todestrieb), um diese zu beherrschen, zu überwältigen oder auch zu umgehen. Die Analyse der einzelnen Persönlichkeit soll diese dann durch Kenntnis ihrer Übertragungen "unnötig machen" und auflösen. Ihre gesellschaftliche Bedingtheit und Lebensangst bleibt hierbei allerdings außen vor, das einzelne Phänomen privat und die gesellschaftlichen Zusammenhänge in der Macht ihrer Veräußerlichungen und dem entsprechenden Bewusstsein bestärkt.
In einer Welt, worin die gesellschaftliche Arbeitsteilung, die Trennung von Bedürfnis und Arbeit, von Einkauf und Verkauf, von unmittelbaren Erleben und seiner gesellschaftlichen Vermittlung vorherrscht, kann sinnliche Gewissheit nur über die Wiederholung des Einen im Anderen empfunden, ihre gesellschaftliche Gespaltenheit nur im Dazwischensein ihrer Existenzen auch wirklich erkannt werden. Ihr Dasein ist zwangsläufig ungewiss und zeitigt auch unmittelbar in den zwischenmenschlichen Beziehungen immer wieder unterbrochene Inhalte, abgebrochene Beziehungen, die Menschen nicht einfach nur verunsichern, sondern sie auch oft am Zweifel an ihrer Wahrnehmung verzweifeln lassen. In ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen glückt die Flucht in eine absolute Selbstwahrnehmung aber nur, wenn ihr Unglück auch gemeistert werden kann. Denn die Selbstwahrnehmung kann in ihren Selbstgefühlen das Andere als ein wirkliches Anderssein nicht kennen und also auch nicht wirklich erkennen. Früher oder später verselbständigt sie sich daher zwangsläufig in ihrem Selbstzweifel, in der ewigen Suche nach einer inneren Wahrheit, die eine schlechte Unendlichkeit birgt, weil sie ihre äußere Wahrheit in sich und durch sich selbst abstreitet und damit sich selbst bestreitet. In der Vertiefung ihrer Ungewissheit über sich selbst können Menschen sich nur ihrer selbst bewusst werden, wenn sie ihr unglückliches Bewusstsein als Bewusstsein ihres Unglücks begreifen und außer sich erkennen können (siehe Entäußerung). Ohne diese verfallen sie in ein unendliches Unglück ihrer Selbstwahrnehmung, die sie aus ihrer persönlichen Isolation heraus durch die Ereignisproduktion ihrer Kultur (siehe Eventkultur), also besonders im Kulturkonsum vertiefen und durch die gesteigerte Sucht nach Wiederholung eine Abstraktionskraft der Selbstwahrnehmungen produziert, welche die Selbstgewissheit ihrer Erlebnisse abtötet (siehe tote Wahrnehmung).
Nicht nur in der Psychologie, auch in der Evolutionstheorie (siehe Evolution) steht die Antwort auf die Frage aus, wie sich eine natürlich scheinende Kraft in einem selbständigten Trieb so äußern kann, dass er überhaupt in der Lage ist, sich von seinen inhaltlichen Gründen und Beziehungen abzustoßen und sich weit darüber hinaus durchsetzen und sich sogar gegen sie stellen und entwickeln kann (siehe hierzu auch Todestrieb). Es muss eine Kraft sein, die sich ihre Formbestimmung zu eigen macht und diese schließlich aus einem nichtigen, einem vernichteten Wesen heraus bestimmt und durch seine eigene inhaltliche Leere, also durch Nichts, nur durch die Tatsache seiner Existenz seiner bloßen Form, eben als abstrakt menschlichen Sinn verdoppelt, der keinen Inhalt erkennen kann.
Denkbar ist dies nur, wenn man die Herkunft dieser Kraft aus etwas erklären kann, das darin nicht anwesend, nicht unmittelbar wirksam ist und dennoch einer absoluten Notwendigkeit folgen muss, eine Kraft, die in der reinen Form wirksam ist, weil sie ihrer Nichtung entspringt, ein mächtiges Nichts ist, das seine reine, seine isolierte, durch sich und in sich aufgehobene Natur als bloße Lebenstatsache vollstrecken muss, um ihre inhaltliche Lebensnot auszuschalten (siehe auch Wesensnot), um zu vernichten, was nicht sein kann und doch sein muss, um am Leben zu bleiben. Es ist dies ein Trieb, der sich selbst verkehrt hat, der seinen Antrieb perveriert, weil er ihm nicht folgen kann. Das kann nur die Kraft der Substanz einer Lebensvernichtung im überleben der reinen Abstraktion des Lebens selbst, in seiner Konfrontation mit ihrem Tod sein (siehe hierzu Todestrieb).
In der Wirklichkeit der Vernutzung, im objektiven Verhältnis des Nutzens, im Verbrauch seiner Gegenstände entsteht eine selbständige Kulturform des Gebrauchs, die eine stetige Erneuerung nötig hat. Aber mit der politichen Verfügung über den reinen Gebrauch einer Sache (siehe Geld als Kaufmittel), über ihren Konsum bis zu ihrem Verbrauch (siehe auch Konsumkultur), verwirklicht sich mit ihrem Verwesen ohne Nachkommen, durch die Abwesenheit ihrer Geschichte eine stillschweigende Kraft ihrer bloßen Nichtung, eine Abstraktionskraft gegen ihre Wirklichkeit. Diese Abstraktionskraft entwirklicht nicht nur ihre GGegenwärtigkeit, sondern abstrahiert auch von ihrer Substanz (siehe z.B. abstrakt menschliche Arbeit als die Wertsubstanz der politischen Ökonomie). Deren Abstraktionskraft entsteht in und durch die Abwesenheit ihrer körperlich konkreten Inhalte, durch die Energie der ungesättigten Masse inhaltsloseer Beziehungen. Sie besteht lediglich aus der Anhäufung von einzelnen formlos gewordenen Existenzen, also aus der Menge - bzw. im Gemenge - gleich geltender Inhalte (siehe Gleichgültigkeit), als Formation einer Energie, die durch die Häufigkeit ihrer beliebigen Erscheinungsweisen sich verselbständigt und zu einer Abstraktionskraft wird. Sie ist ein Gemenge abstrakter Beziehungen, deren Sinn sich im Zweck einer körperlichenVerdichtung aufhebt und zu einer leibbhaftgen Abstraktionskraft wird. Sie bezieht ihre Kraft aus der Not eines abwesenden Wesens (siehe Schmerz), aus der Wesensnot einer verallgemeinerten Negation der Substanz eines Verhältnisses, das ihrer abstrakten Allgemeinheit entspringt. Sie speist sich aus den aufgehobenen Beziehungen der vereinzelten (siehe [[)Elemente, derenReduktionsich durch dieverallgemeinerungihrerwirklichenSubstanzin derAusschließlichkeitihrer Verneinung, ihrerwirklichenNegationbestärkt, sich alsKraftihrer imAllgemeinenleeren Verbundenheit als Antrieb (siehe hierzuTrieb) aus der zerteiltenMasseihreabstrakten Allgemeinheitpotenziert, die durch dieReduktionder Wahrnehmungsinhalte auf ihre bloßeTatsächlichkeit, auf die Fakten dergewöhnlichenWahrnehmungentsteht. Deren darin verdoppelte Negation entwickelt einenausgeschlossenerSinnseinerVerhältnisse. Dieser wird auf dieabwesendeSubstanzseinerwirklichenBeziehungenreduziertund hierdurch zurPositioneinerabstrakten Allgemeineitder bloßen Erscheinungsformen (siehe hierzuPositivismus) von schlichtenGegebenheitenund wird durch dieDialektikseinerVerallgemeinerungalsAbstraktionskraftzumTriebungegenständlicherVerhältnisse(siehe hierzuEntfremdung).]]
In zwischenmenschlichen Verhältnissen entwickelt sich ein darin ausgeschlossene Selbstgefühl zum Antrieb einer durch ihre Verallgemeinerung verselbständigten Kraft einer entäußerten Wahrnehmungsidentität, zur Kraft einer Selbstbehauptung, der Behauptung eines ästhetishen Willens, der durch den Ausschluss der bedrängenden Einwirklungen auf die Selbstwahrnehmung diese nichtig setzt (siehe hierzu auch Hass) und in seiner Verallgemeinerung zu einem Nichtungstrieb werden kann. Mit Trieb wird das Treiben einer nur begrifflich erkennbarenen Substanz bezeichnet, der Begriffssubstanz eines nur mittelbar wirkenden Wesens, das als Grund für die Beziehung mystisch gebliebener Phänomene durch deren Analyse erkannt - oder auch nur bekannt - wurde und das aus deren Substanz ihre Geschichte erklären und von daher auch prognostizieren können sollte.
Wo ein Sinn seinem Gegenstand nicht adäquat ist, nicht in der ihm entsprechenden Form existiert, weil er nicht verfügbar, deformiert oder ganz zerstört, einfach abwesend ist, wo seiner Existenzform also nicht der ihr nötige Inhalt zukommt, kann diese Form nur sein substanzielles Dasein als Gegenstand einer abstrakten Beziehung darstellen, als bloßer Körper, als Stoff seiner Natur. Die Beziehung zu ihm reduziert sich in dieser Dialektik auf ein substanzielles Verlangen, wird zu einem Trieb, der nurmehr die nackte Form von dem haben kann, worauf er sich bezieht. Diese Form ist dem Inhalt nach ds Dasein ihres Mangels, ihr Negativ, die Kraft einer Energie, die sich nur verwirklichen kann, wenn sie sich gegen das durch seinen Mangel bestimmte Dasein antreibt. Sie muss ihre inhaltliche Not wenden und wird daher als Formbestimmung mächtiger als diese - eben notwendig. Um ihren Begriff zu erschließen muss sie als bestimmte Negation und zugleich gleichgültig gegen ihre Beziehung ent-deckt sein (siehe auch Kritik). Und so ist ihre Analyse die Bedingung ihrer Erkenntnis (siehe auch Kritische Theorie).