Gegenstandpunkt
"Das Prinzip der Politik ist der Wille. Je einseitiger, d.h. also, je unvollendeter der politische Verstand ist, um so mehr glaubt er an die Allmacht des Willens, um so blinder ist er gegen die natürlichen und geistigen Schranken des Willens, um so unfähiger ist er also, die Quelle sozialer Gebrechen zu entdecken." Karl Marx in Kritische Randglossen zum Artikel eines Preussen (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 402)
Ein Gegenstandpunkt ist ein Standpunkt, der gegen einen anderen Standpunkt steht, der also einer bestimmten anderen Position begegnet und ihr entgegentritt, sie erwidert, indem er sich wesentlich gegen ihren Sinn und Zweck als gänzlich anders behauptet (siehe hierzu auch Eigentlichkeit). Von daher ist ein Gegenstandpunkt immer von einem dominanten Standpunkt abhängig, zu dem er in Opposition getreten ist oder den er für sich so konstruiert, dass er sIch daran aufbauen kann. Das Palaver in den Parlamenten einer repräsentativen Demokratie wird durch die Auseinandersetzung solcher Entgegenstellungen getragen und versteht sich hierbei als Medium zur Bildung eines politischen Willens, aus dem sich das politische Handeln einer Regierung ergeben könne.
Dies hat auch eine politische Gruppierung, die einstige Marxistische Gruppe so begeistert, dass sie sich nun selbst Gegenstandpunkt nennt. Da die Leute dieser Gruppierung meist in besser gestellten akademischen Berufen tätig sind und die Bezeichnung "Marxistische Gruppe" für ihre Existenz sich öffentlich einem irgendwie gearteten Marxismus zuordnet und daher den Nachteil eines subversiven Namens als Etikett mit sich bringt, fanden sie den Appell an die Gegebenheiten einer politischen Auseinandersetzung, einer Oppositiin gegen die herrschenden Meinungen als Positionen der Politik auch adäquat. Der Name drapierte zudem die kokette Selbstauffassung eines Kantianischen Selbstverständnisses, dass man sich der bürgerlichen Selbstverschuldung zur Unmündigkeit durch einen darüber erhabenen politischen Willen entgegenstellen könne, der sich als die "bessere Mündigkeit" anbiedert. Das ist nicht neu. Für diese Positionierung wird dann auch der Klassiker der Kapitalismuskritik namentlich Karl Marx funktionalisiert, auch wenn er sich gerade hiergegen ausdrücklich gstellt hat. Aber nicht schlimm, denn in Wirklichkeit ist vor allem Proudhon gemeint (siehe Proudhonismus), mit dessen Denken Marx schnell mal ausgetauscht wird. Das kommt gut und auch leicht rüber, wenn man sich mit einer formalen Kritik von der Welt der herrschenden Gedanken, also von einer bloßen Gedankenwelt absetzen, und dennoch in der Welt des herrschenden Denkens in der abstrakten Gesellschaft einer zwischenmenschlichen Kultur bleiben will. Die Entfremdung des Menschen vom Menschen, wie sie zum Gegenstand marxistischer Philosophie und Ökonomie geworden war, wird daamit zum Begriff eines monströsen Gedankens, der sich seinem Gegner, der Phänomenologie einer "eidetischen Wahrheit" (siehe hierzu eidetische Reduktion) zunehmend anglich. Kapitalismus wurde hierdurch zu einer Welt des "uneigentlichen Lebens" (siehe Eigentlichkeit) trivialisiert, zur Unmoral einer Anpassung an ein "falsches Leben" abgestuft. So wird der Moralismus einer " marxistischen Gruppe" zur psychologisierten Bindungskraft einer Gesinnung, die sich zur Psychokratie einer seminatmarxistischen Enklave verfestigt hat (siehe hierzu auch reaktiionärer Marxismus).
Mit einem solchen Gegenstandpunkt wird die wesentliche "Position" des Marxismus schlicht untergraben, dass die herrschenden Gedanken nicht nur die Gedanken der Herrschenden, sondern zugleich die "Nebelbildungen" einer Wirklichkeit der tätigen Menschen sind, die darin einem "Schein der Selbständigkeit" gegenüber stehen, der ihnen ihre wirkliche Geschichte enteignet, sie nicht nur ihrem Bewusstsein, sondern ihrem wirklichen Sein entfremdet. Marx formuliert diesen "Standpunkt" folgendermaßen:
"Es wird von den wirklich tätigen Menschen ausgegangen und aus ihrem wirklichen Lebensprozeß auch die Entwicklung der ideologischen Reflexe und Echos dieses Lebensprozesses dargestellt. Auch die Nebelbildungen im Gehirn der Menschen sind notwendige Sublimate ihres materiellen, empirisch konstatierbaren und an materielle Voraussetzungen geknüpften Lebensprozesses. Die Moral, Religion, Metaphysik und sonstige Ideologie und die ihnen entsprechenden Bewußtseinsformen behalten hiermit nicht länger den Schein der Selbständigkeit. Sie haben keine Geschichte, sie haben keine Entwicklung, sondern die ihre materielle Produktion und ihren materiellen Verkehr entwickelnden Menschen ändern mit dieser ihrer Wirklichkeit auch ihr Denken und die Produkte ihres Denkens. Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein." (Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 26)
Um den Kampf gegen Enteignung geht es Marx um ein wirklich menschliches Eigentum, ein gesellschaftliches Eigentum der Menschen am Reichtum ihrer Lebensverhältnisse, den sie - auch im Kapitalismus - produziern. Und damit hat sich Marx ausdrücklich vom Proudhonismus abgesetzt und sich auch theoretisch hiergegen gestellt. Während er die Arbeitswerttheorie zur Substanz seiner Analysen gemacht und mit dem Ziel der Aufhebung des Verwertungsverhältnisses, der Aneignung des entfremdeten Eigentums seinen Kampf gegen die kapitalistische Gesellschaft begründet hat, wollte Proudhon das Eigentum als solches, also nicht das Privateigentum als Machtgrundlage der bürgerlichen Gesellschaft, sondern den Anspruch auf Eigenes selbst abschaffen. Nicht die Verwertung der menschlichen Arbeit, die Aneignung von Mehrwert, von unbezahlter Arbeit, sondern das Eigentum als Position der Habgier würde nämlich die Freiheit des Individuums beschränken.
Mit der Verwechslung dieser politischen Ansätze wird ein Standpunkt verwesentlicht, der einer platten Anschauung dient, indem er daraus eine Position zu allem und jedem bezieht, ohne über die allgemein gesellschaftlichen Gründe, auf die Substanz gesellschaftlicher Macht und Ohnmacht zu reflektieren. Macht selbst schon ist Unrecht, also immer missbräuchlich. Da wäre es allerdings absurd, darum zu kämpfen. Es war das Problem der Diskussionen um die "kritische Kritik" in den Anfängen der Frühsozialisten, worauf solches Ansinnen zurückfällt. Karl Marx hatte sich mit seiner wissenschaftlichen Arbeit am Kapitalismus im vollen Umfang seines Werks hiergegen gestellt. Er beschrieb, wie das Privateigentum sich zu einer Entfremdungsmacht gegen die Menschen dadurch entwickelt, dass es ihre gesellschaftlichen Produkte privat aneignet, ihnen den gesellschaftlichen Inhalt ihres Reichtum, die Naturmacht der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit enteignet, und dass dies solange bleibt, wie sie dem Privateigentum diese gesellschaftliche Macht überlassen.
Nach seiner Theorie sollte es daher möglich sein, dass ein Lebensverhältnis, das die Entfremdung des Menschen von sich, seiner Arbeit und seinem Produkt betreibt, aufgehoben werden kann, wenn die Menschen die Inhalte ihrer Lebensverhältnisse gegen die ihnen fremde Form wenden, sich gegen die unwirklichen Bestimmungen ihrer Wirklichkeit (siehe Formbestimmung) zum Subjekt einer wirklichen Gesellschaft emanzipieren, ihre gesellschaftliche Veränderung als ihre Selbstveränderung betreiben. Für den "Gegenstandpunkt" geht es um die Form an sich, um die Struktur als Gegenstand ihrer Kritik, die von falschen Interessen missbraucht wird und zu einer richtigen, zu einer wahren Form der richtigen Interessen ermächtigt werden soll.
Hierfür zählt der Standpunkt der handelnden Personen: Es müsse lediglich eine herrschende Klasse "abgeschafft" werden, um das "Projekt Kommunismus" in Gang zu setzen und sich dafür als Avantgarde zu präsentieren. Es ist immer wieder das alte Lied, dass sich Leute aus dem Kleinbürgertum dadurch aus ihren verdrucksten Verhältnissen zu befreien versuchen, dass sie sich als Vorläufer der richtige Auffassung zunächst als Lehrmeister aufspielen und sich dann als Avantgarde des richtigen Interesses in die Formationen ihres vorgestellten neuen Gesellschaftssystems einführen wollen. Das wären dann wohl wieder mal die Politbüros einer anderen Staatsgewalt.
Das steckt schon im Ansatz ihres Projekts, das gerade hierdurch niemals sich aus einer Auseinandersetzung der Menschen über ihre Lebensbedingung ergeben wird, weil es auf diese Weise selbst nur als die Organisationsform eines politische Willens verwirklicht werden kann, die längst schon und immer wieder in den vielfältigsten Formen der darauf gründenden autoritären Systemezum Verhängnis für die Menschen geworden war. Die Begründung für solche Machtinteresssen ist sehr banal und simpel: Es ginge nicht um eine Formveränderung des gesellschaftlichen Verhältnisses, um die Aufhebung ihrer Realabstraktionen, sondern im Wesentlichen um die Abschaffung des Eigentums und die Bekämpfung der verantwortlichen Persönlichkeiten des Kapitals (siehe Personifikation).
Die Kritik der Formbestimmung durch ihren Inhalt ist etwas gänzlich anderes als die Kritik der Form durch eine andere Form, weil erstres die Widersprüche einer Form, ihre doppelte Bestimmtheit, aufhebt im dialektischen Sinn, ihren Inhalt bewahrt und bewährt durch die Aufhebung der widersprüchlichen Form eines Doppelcharakters, letztres mit Vorstellungen von besseren Lebensformen hantiert, die sich erst in einem zukünftigen System realisieren lassen, im Grunde eine Heilsvorstellung von einer Welt befriedigen, die von ihren Missbrauch, vor ihren Feinden gerettet ist. Es wird darin durchaus eine Parallele von rechtem und linken Antikapitalismus wahrnehmbar. Das bringen politische Vorstellungen so mit sich, sobald sie sich den realen Auseinandersetzungen entzogen haben. Das hatte dereinst schon Karl Marx thematisiert:
"Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten habe. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt." (K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 35)
Eine reale Bewegung ist sowohl eine Geschichte der Wirklichkeit, die ihre Objektivität als Zustand für die Menschen wahr hat, wie sie auch eine Bewegung der Menschen als Subjekte in dieser ist, die ihr wirkliches Leben darin finden, dass sie diesen Zustand aufheben.
Dass dies einander entgegengesetzt ist, erschließt sich nicht aus einem Standpunktdenken, sondern aus dem Nachdenken über die herrschenden Lebensformen in der Erkenntnis der Widersprüche ihrer Erscheinungen, aus deren Verkehrtheit, der Verkehrung ihrer wesentlichen Substanz (siehe Warenfetischismus), die sich in ihren Eigentumsverhältnissen als fremde Macht entfaltet (siehe Entfremdung) und deren Formbestimmung gegen ihre organische Entwicklung, die Entwicklung ihrer wirtschaftlichen Kraft (siehe Produktivkraft) anachronistisch ist. Marx hat Eigentum nicht abgelehnt, sondern als Form des menschlichen Reichtums behandelt und dies für nötig befunden, um eine Beziehung von Individuum und Gesellschaft als Bereicherung zu entwickeln, die durch den Widerspruch von Privateigentum und gesellschaftlichem Eigentum verunmöglicht wird. Ihm ging es um die Aufhebung dieses Widerspruchs durch die Aneignung der gesellschaftlichen Potenzen aus der Privatverfügung heraus, die ihre Macht im Wesentlichen nicht durch die Persönlichkeiten des Kapitals inne haben, sondern durch die Rechtsverhältnisse einer Gesellschaft, die ihren Reichtum aus der Verwertung des Geldes durch die Aneignung unbezahlter Arbeit (Mehrwert) bezieht.
Den Inhabern des Gegenstandpunkts geht es um Strukturen, um strukturelle Fehler, die keine weitere Erkenntnis nötig haben, weil sie unmittelbare Wirklichkeit auch für unmittelbar veränderbar halten. Sie lehnen einen Entfremdungsbegriff ab, setzen sich selbst vor allem ideologiekritisch gegen ieinen "Missbrauch" der Machthaber und sehen Widersprüche nur als Gegensätze von Einkommensquellen an. Um gegen diese Strukturen anzukämpfen, kann man dann auch auf ein dialektisches Verständnis von Widersprüchen verzichten. Die marxistische Methode des wissenschaftlichen Sozialismus, die Dialektik, wird von den Standpunktagigtatoren zu einer Glaubensangelegenheit, einer Religion erklärt, und auf den Müllhaufen ihrer kritischen Kritik geworfen. Da fällt es dann schließlich auch nicht schwer, die gesamte Substanz der Marxschen Arbeitswerttheorie in eine bloße Strukturtheorie zu verwandeln. Seiner Kritik der Marktwirtschaft und ihrer Bewegungsformen im Warentausch, aus der die Ausbeutung der Arbeitskraft und ihrer Klassenlage hervorgeht, weil sie selbst als Ware gehandelt wird, wird zur bloßen Erscheinungsweise einer ihr vorausgesetzten Klassengesellschaft verdreht, wodurch das Ausbeutungsverhältnis als rein moralisches Verhältnis angeprangert wird, gegen das dann eben auch ein bloßer Wille politisch wirksam werden kann, wenn er sich den Ausbeutern einfach mal so entgegenstellt. Das ist Proudhonimus pur. Und der ist längst auch in die Formationen der Gewerkschaften und in die Errichtung des sogenannten Sozialstaats eingegangen. Aber das bleibt für den Gegenstandpunkt bloße Heuchelei; die damit aufgefangenen existenziellen Probleme und Notwendigkeiten interessieren eine Ideologiekritik nicht.
Der Wille wird selbst als das Subjekt eines gesellschaftlichen Umsturzes angesehen, dem sich Marx immer deutlich entegegengestellt hatte:
"Es ist falsch, die Proletarier als eine geschlossene Gesellschaft zu unterstellen, die nur den Beschluss des Zugreifens zu fassen haben, um am nächsten Tag der ganzen bisherigen Weltordnung insgesamt ein Ende zu machen. Die Proletarier kommen aber in der Wirklichkeit erst durch eine lange Entwicklung, zu dieser Einheit, eine Entwicklung, in der der Appell an ihr Recht auch eine Rolle spielt. Dieser Appell an ihr Recht ist übrigens nur ein Mittel, sie zu ... einer revolutionären, verbündeten Masse zu machen." Die deutsche Ideologie (Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 305)
Es konnten sich die Standpunktierer aus den Auseinandersetzungen der pluralistischen Standpunkte als Standpunkt mit dem Anspruch auf eine selbstverständliche, sich von selbst verstehende Allgemeinheit heraussetzen, als "stehender Punkt" einer Entgegensetzung, die sich gegen den "bürgerlichen Rechtsstaat" überhaupt als dessen wahres, weil unbürgerliches politisches Subjekt verabsolutiert. Es reicht hierfür, sich als ihm zuwider seiender Wille zu positionieren und sich darob aufs Beste als bloße politische Gesinnung zu verstehen, die durch ihre platte Wahrheiten überall einen Sinn machen kann, der ein totales Anderssein verspricht. Irrtümlicherweise sieht sich diese Gruppe hierin immer noch mit Karl Marx verbunden, der dereinst solche Positionen als "Revolutionsmacherei" bezeichnet und verhöhnt hatte. Und in der Tat bezieht sie gegen das Kapital eine Haltung, die Marx sehr ausgiebig an einem "Philosophen und Ökonom" namens Proudhon kritisiert hatte: Die Erfindung eines persönlichen Subjekts der Unmoral des Kapital- und Finanzmarktes, dem Kreditgeber, der für den Einsatz und die Verleihung von Geld Profit und Zinsen kassiert. Wer diess als persönliche Macht und Willkür aufbaut (siehe Personifizierung) und seinen "ernsten und ehrlichen Willen" dagegen hält, will eben ohne Vorschuss und Zins selbst den Mehrwert kassieren, den Geld als Geldbesitz nun mal immer auch machen kann.
Der Kampf der Leute vom Gegenstandpunkt ist daher auch nur ein Klassenkampf von Personen, die nicht um ihre gesellschaftliche Wirklichkeit kämpfen, sondern in ihren Geldverhältissen zwischen denen, die es haben, und denen, die es verdienen müssen die Position ihrer gesellschaftlichen Macht sicher zu stellen und durchzusetzen haben. Dies sind Personen, die sich schon in ihrer naivsten Gestalt ihres Geldeinkommens als politische Subjekte begegnen und von daher ihren politischen Willen zu beziehen haben.
Hierfür tritt der Gegenstandpunkt in Aktion. Vor allem die naiveren werden schnell auf einen falschen Willen hin abgegriffen und zerlegt, weil sie die wahren Verhältnisse nicht kapieren. Statt ihnen solche Wahrheit zu eröffenen und vor allem selbst daran zu arbeiten, werden diese mehr oder weniger direkt einer selbstverschuldeten Unmündigkeit bezichtigt, die von einer wirklichen "Unmündigkeit", sprich: Abhängigkeit vom Stoffwechsel, dem Selbsterhalt der Menschen abgehoben behandelt wird. Klassenfeindschaft gibt es daher nur in der Ideologiekritik, die Menschen einer Anpassung an die Macht bezichtigt. Jede noch aus Gewohnheit unreflektierte Formulierung gerät damit in die moralische Zange, wieweit sie schon Unterwerfung an den Willen des Gegners ist. Dieser falsche Wille war schon immer das feindliche Objekt der Wahrheitsvertreter, denen vor allem jede emanzipatorische Bewegung entgeht, weil sie sich ihr schon als bloßer Standpunkt einer ihr entgegengesetzten Gedankenabstraktion entziehen müssen, der das große Projekt Kommunismus durchzusetzen hat. Nicht die wirklichen Verhältnisse sind die Grundlagen des Widerstands, der nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch, also auch wissenschaftlich begründet sein muss (siehe theoretisches Bewusstsein), sondern das Ziel einer vorgestellten Wirklichkeit. Es stellt sich deren Idealiserung auch in ihrer Umkehrung als bloße Ideologie heraus.
Ist schon die herrschende Politik des Willens eine Tragödie der Macht, so ist die bloße Ideologiekritik hieran noch deren Verdopplung, befördert sie doch auch nur einen Gegenwillen, einen Gegenstandpunkt, der vor allem kräftiger sein muss, als der Wille der Macht, ohne einen Deut wirklicher zu sein. Jener mag zwar Ideen enthalten, aber er selbst ist nicht ideell, sondern stellt wirkliche Macht dar und weiß sie auch politisch zu handhaben und ist von daher angreifbar. Ein politischer Wille jedoch, der sich als solcher hiergegen verwirklichen will, hat seinen Grund nur in der Person und veranstaltet sowohl die Ohnmmacht der Betroffenheit, als auch die Kritik des Betroffenen in einem, befördert kritische Ohnmacht und also auch die Ohnmacht der Kritik. Im Grunde vermittelt er, dass jeder selbst schuld ist, wenn er nicht so ist wie der kritische Wille. Ideologiekritik, die nicht zur Sache kommt und sich in deren Analyse auch bewahrheitet, wird zur Chimäre eines kritischen Subjekts, das sich durch seine Kritik selbst schon befreit versteht, sie also garnicht nötig hat und selbst nur das Maß der Emanzipation für andere Menschen sein will. Um sich zu bestätigen, lauert es auf die Sprache, die es dann durch bloße "Hinterfragung" auch wacker zu zersetzen versteht.
Nicht der langwierige Prozess des Bewusstwerdens der eigenen Lage der Menschen und dem entsprechenden Handelns wird durch solche Kritik gebildet. Hinter einer Ideologiekritik, die sich als bloßer Wille herauskehrt, versteckt sich das Ziel, diesen Willen wie einen kategorischen Imperativ zu einer der Vorstellung von einer Revolution zu verallgemeinern, für die dann entsprechende Formation einer Avantgarde dieses Willens notwendig werden, eine Formation, die nur als politische Partei eines höheren und höchsten Willens funktionieren kann, mit all ihrem bürokratischen Drum und Dran des revolutionären Willens, der seinen Sinn nur durch die Ausschliesslichkeit ihrer Politik haben und finden kann und von daher sich jeder Ergänzungswirtschaft verweigert. Marx hatte dies als "Revolutionsmacherei" bezeichnet. Es befanden sich schon zu seiner Zeit die dem entsprechenden Bürokraten in den Behörden der proletarischen Organisation. Und sie finden sich auch in den Parteibüros der Revolutionen im 20. Jahrhundert.
"An die Stelle der kritischen Anschauung setzt die Minderheit [der Zentralbehörde des "Bundes der Kommunisten"] eine dogmatische, an die Stelle der materialistischen eine idealistische. Statt der wirklichen Verhältnisse wird ihr der bloße Wille zum Triebrad der Revolution. Während wir den Arbeitern sagen: Ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürgerkriege und Völkerkämpfe durchzuzumachen, nicht nur um die Verhältnisse zu ändern, sondern Euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähigen, sagt Ihr im Gegenteil: "Wir müssen gleich zur Herrschaft kommen, oder wir können uns schlafen legen." (Marx MEW 8, S. 412)