Uk1023

Aus kulturkritik

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Der nachfolgende Text ist eine Beschreibung der Argumentation in dem gleichnamigen Buch. (==> Verlagsinformationen hierzu <==)

123. Die Selbstbehauptung oder das 'Ich'

War bisher die Selbstwahrnehmung in der Selbstverwirklichung aufgegangen, so hat sie doch zugleich auch einen Mangel an eigener Gegenwärtigkeit entwickelt. Verwirklicht kann nur sein, was auch Wirkung hat. Das Selbst aber kann es nicht wirklich geben; es ist ein Abstraktion, in welcher diezwischenmenschlichen Beziehungen wirksam sind. Es sind Beziehungen, in welchen die Menschen sich selbst wie eine Sache zum Gegenstand machen und haben, sich einverleiben, weil und soweit ihre gesellschaftliche Gegenständlichkeit und Vergegenständlichung ihnen entzogen ist. Und so finden sie durch ihre Zwischenmenschlichkeit in zwischenmenschlichen Verhältnissen sich als eine gemeinschaftliche Substanz ihres Lebens wieder, die ihnen zu eigen ist, die jetzt aber zugleich auch die Form ihres Lebens bestimmt[[.]] In dieser Formbestimmung jedoch müssen sie das, was sie sind, zugleich zum Material ihrer Wirklichkeit machen und sich in dieser erleben. Dies macht den Sinn ihrer Selbstverwirklichung wesentlich aus. Und es ist ein Sinn, der außer ihnen ist und in dieser Äußerlichkeit von ihnen absieht, während sie darin ihre Absichten verwirklichen, ihre Selbstverwirklichung also die Wirklichkeit eines abstrakt menschlichen Sinns ist und diese durch die Verwertung seiner selbst im Zwischenmenschlichen sich vollzieht.

Es war der Selbstwert die wesentliche Identität dieser Beziehungen, welche die Absichten der Psyche antreibt. In ihm hat sich die Selbstachtung der Menschen zwischenmenschlich in dem Maß entäußert, in welchem sie füreinander da waren, um für sich da zu sein. Im Einzelnen können sie nichts anders sein, als das, wodurch sie als Mensch da sind, als in ihrem körperlichen Sein vermenschlichte Natur. In ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen jedoch eignen sie sich das Leben dieser an und für sich gesellschaftlichen Natur im Selbsterleben ihrer wechselseitigen Beziehungen an. Und dieses ist daher bestimmt durch die Menge ihres Selbsterlebens in Gesellschaft, durch die Dichte ihrer Anwesenheit.

Doch in der Dichte ihrer Selbstwahrnehmung, verausgabt sich ihr Sinn, die Substanz ihrer zwischenemenschlichen Bezogenheit in ihrer Getriebenheit durch den Mangel ihrer Abstraktion und verflüchtigt ihren Sinn, der immer wieder einverleibt werden muss, weil und sofern er keinen Gegenstand außer sich selbst hat. Der Selbstwert hat eben nur im Selbstgefühl seinen wirklichen Gehalt als seine Wirkung. Aber dieses Gefühl ensteht eben nur in Selbstbeziehungen, die nicht für sich sein und bleiben können, weil sie nur durch andere sein können und mit deren Einverleibung genährt werden müssen.

Selbstwert muss daher immer erzeugt werden, indem Selbstgefühle erzeugt werden durch irgendeinen Sinn, den sie haben. In dieser Gleichgültigkeit gegen ihren Gehalt muss die Selbstbeziehung sich beständig erneuern, indem sie sich auch selbst in ihren Beziehungen auf andere Selbstwert verschafft, sich also selbst durch andere verwertet. Die Selbstverwertung ist daher eine doppeltes Verhältnis zu sich und zu anderen im Zweck der Produktion von Selbstgefühlen, die sich dadurch zugleich selbst entleeren und ihre Not durch ihren Selbstverlust fortbestimmen. In der für sich selbst unsinnig gewordenen Selbstbeziehung verbirgt sich daher ein höherer Zweck: Die permanente Selbsterneuerung, die nötig ist, weil sich solche Beziehung permanent entleert.

Bei der Entwicklung von Selbstgefühlen in solchen Beziehungen ist Selbstverwertung unausweichlich, weil das in seiner wirklichen Gesellschaft isolierte Individuum in zwischenmenschlichen Beziehungen sie schon durch den Mangel ihres Selbstgefühls nötig hat. Es erscheint ihm nicht nur als nötiger Drang, unter die Menschen zu kommen, sondern auch als Trieb, sich in ihrer Anwesenheit zu vergegenwärtigen, denn es kann nur im Austausch mit ihnen für sich Substanz, also Sinn finden. Der in der Selbstbeziehung schwindende Selbstwert wird durch diese Vergegenwärtigung zu einem eigenständigen Lebenswert in zwischenmenschlichen Verhältnissen, die bestäng nach einer Einigung verlangen, einer Integrität der hiernach handelnden und liebenden Person. Man nennt diese im psychologischen Sprachgebrauch das ICH. In den bürgerlichen Liebesformation, wie sie in den Love-Stories ihrer Medien auch visuell gepflegt wird, wird dieses in seiner Entwicklung und Konflikte vielfach als die hohe Kunst der Selbstvergegenwärtigung dargestellt (siehe hierzu auch Liebe).

Die Absichten der Psyche begründen nun ein Verhältnis zu sich und anderen, in welchem Selbstwert dadurch entstehen muss, dass jeder sich und dem anderen Veräußerungen seiner Anwesenheit, eine Gegenwärtigkeit abverlangt, in der in zwischenmenschlichen Verhältnissen Menschen ihren Wert für sich, ihre Selbstachtung durch Selbstwert ersetzen und zu erhalten und zu vermehren suchen. Hierfür wird ein Verhalten erzeugt, welches die Selbstgefühle bestärkt oder verwertet, ja nach der Art der und Möglichkeit von zwischenmenschlichen Beziehungen. Weil Selbstwert nur in Selbstgefühlen überhaupt existieren kann, entscheidet die Form des Selbsterlebens, worin sie erzeugt werden und was die Selbstbeziehung aufbringen muss, um sich hierfür zu veräußern, Selbstwert für andere zu erzeugen, um für sich Selbstwert zu empfinden. Der Selbstwert wird damit zu einem sich selbst entfaltenden Prinzip der Selbstgefühligkeit, indem für eine höhere Erlebensdichte eine Menge Beziehungen entstehen müssen, um den Selbstwert für einander zu halten und zu befördern, durch eine Wirklichkeit der Selbstverwertung sich also zugleich zu veredeln. Es entstehen gegensinnige Positionen in diesem Verhältnis: Die eine Seite bestimmt die Absicht, die andere unterwirft sich ihr, damit beide füreinander auch wirklich da sein können. Im Prinzip geht es hierbei daher immer um eine Form der Selbstveredelung, wer auch immer davon reicher an Erfahrung werden mag und damit seinen Edelmut steigern kann.

Vorausgesetzt war diesem Verhältnis die Isolation der Menschen in zwischenmenschlichen Verhältnissen, praktisch die Tätigkeit und Bestärkung einer inneren Isolation, in welcher sich die Mensch von sich in ihrer Selbstwahrnehmung entfremden, indem sie ihre Beziehungen für sich in ihrer Selbstentfremdung verwerten. Es ist der Verwertungsprozess der Selbstbeziehungen, was die Erträge ihres Liebens und Lebens und Leidens bestimmt, die Verselbständigung ihrer Leidenschaften zur prozessierenden Selbstgefühligkeit, mit welcher auch ertragen wird, was dem weltlichen Leben, der Existenz in der gesellschaftlichen Wirklichkeit abgeht.

Selbstverwertung ist in ihrem Verhältnis auf andere die Verwirklichung einer Absicht der Selbstbeziehung, sich durch die Einverleibung fremder Anwesenheit in seiner Selbstbehauptung zu bestärken und hierdurch den eigenen Selbstwert, das Maß der Selbstvergegenwärtigung zu vergrößern, z.B. durch den Eindruck, den Reize auf die Wahrnehmung machen und Gefühle auslösen, welche die Selbstempfindung vergewissern.

Darin scheint dann der Mangel der zwischenmenschlichen Beziehungen, die Ermangelung an eigener Wirklichkeit endlich überwunden. Zur Selbstverwirklichung reichte die einfache Selbstwahrnehmung, die bunte Vielfalt der Selbstgefühle eben auf Dauer nicht aus. Ihr Streben und Wünschen kann in ihr nicht wirklich werden, ohne ihre Gegenwärtigkeit einzubüßen. Sie ist zur Selbstvergegenwärtigung gezwungen und muss ihre Äußerungen dahingehend verwerten, dass sie hierfür sich die Anwesenheit anderer Menschen zu ihrem Zweck einverleiben kann. Ihre Absicht, sich selbst zu verwerten, begründete sich aus ihrem Mangel, und dieser erfordert nun diese eigene Formbestimmung einer bipolaren Selbstwahrnehmung in ihrer fortschreitenden Abstraktion, die in der Individualpsychpologie mit der Funktionalität eines Ich beschrieben wird.

Diese Bezeichnung ist eigentlich falsch, weil sie substanzlos ist, doch gerade dies ist ja auch ihr realer Grund. Was Es war, soll Ich werden, hatte Sigmund Freud geschrieben. Nach dem, was bis hierher abgeleitet ist können wir sagen: Was die Menschen in ihrem abstrakten Begehren antreibt können sie nur durch die Vergegenwärtigung und Ausfüllung ihrer Selbstbeziehung erfüllen. Sie müssen zu Veranstaltern ihrer Wunschbilder werden und dies auch zwischen den Menschen durchsetzen.

Die Selbstbeziehung ist eine Beziehung, die nicht als die Beziehung eines wirklichen Subjekts existieren kann, wie es ein Selbst dem Begriff nach zu sein hätte. Ein solches Konstrukt hat für sich keine wirkliche Macht, weil es nur als abstraktes Medium zwischenmenschlicher Bezogenheiten existiert. Es bezieht diese Macht daher aus deren Wahrnehmungsverhältnissen, in denen sich die Psyche fremden Sinn einverleibt. Und darin begründet sich eine Umkehrung der ganzen zwischenmenschlichen Beziehungen zu einem Wahrnehmungsverhältnis von Personen, die sich nötig haben und im Grunde zugleich völlig gleichgültig zueinander sind. Mit dem unsäglichen Begriff Ich wird eine Beziehungsform gemeint und zum Subjekt verklärt, die in Wahrheit lediglichlich eine Objektform des Haben-Müssens ist, die Notwendigkeit zwischenmenschlicher Selbstermächtigung, die deren Beziehungen durch die Fähigkeit bestimmt, sie als subjektive Objektbeziehungen zu haben. Die Ich-Funktionen betreiben eine Selbstbeziehung, in welcher die Anwesenheit fremder Menschen zur Selbstbeziehung verdichtet wird, ohne diese hierbei abzustoßen zu müssen. Die Selbstbeziehung wird durch diese Funktionalität zur psychischen Aktionsform des reinen Habens.

Im Verhältnis der Selbstwahrmehmungen ist die Selbstverwirklichung der einen immer die Selbstentwirklichung der anderen, die Entgegenwärtigung einer anderen Wahrnehmungswirklichkeit. Ganz allgemein haben sich daher In der Selbstverwirklichung die Gefühle und Selbstgefühle der Menschen insgesamt wirklich aufgehoben und sich ihres Ursprungs auch enthoben, entleert, sich in einem Selbstwert gewonnen, der für sie keine lebendige Substanz mehr hat, nurmehr die bloße Form ihrer Beziehung begründen kann. Sie sind jetzt der Wahrnehmung des Menschen entzogen, ihm gänzlich fremd, ohne die Gemeinschaft ihrer Herkunft gegenwärtig. Wer sich ganz aus seinen Selbstgefühlen heraus verwirklichen will, der muss jetzt die Gefühle anderer Menschen nicht nur bestimmen, sondern auch für sich nutzen. Er muss darüber verfügen, muss versuchen, ihre Substanzen für sich zu wenden und zu verwenden. Denn er ist fortwährend getrieben, sich in seinen zwischenmenschlichen Beziehungen durch ein abstraktes Selbstgefühl zu gewinnen, seinen Selbstwert aus der Äußerung von zwischenmenschlichen Gefühlen zu entnehmen, sich daran zu messen und zu bereichern. Für sich ist ein solcher Mensch auf alles und jeden so bezogen, wie er mit allen und nichts in Beziehung treten kann. Seine Gegenwart ist davon bestimmt, wie er solche Beziehungen handhaben kann, wie er also die darin entstehenden Gefühle zu arrangieren versteht. Ihre allgemeine Gegenwärtigkeit ist das Medium einer Gefühlswelt, die sich immer selbst meint, indem sie sich bezieht. Die unterschiedlichen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung sind in Gegensätze geraten, worin die einen ihre Selbstgewissheit nur durch Selbstvergewisserung in den anderen haben. Diese haben aber umgekehrt gar keine Selbstgewissheit nötig, weil sie von der Selbstvergewisserung der anderen leben.

Die Leistung, die sie aufbringen müssen, um dieses Leben zu führen, besteht daraus, eine Gewissheit der Beziehung auf sie dadurch zu vermitteln, dass sie durch das Arrangement ihrer Anwesenheit den seelischen Bedarf der anderen erfüllen. Es sind ja keine wirklichen Bedürfnisse, sondern Verwirklichung von Gefühlen, um die es hier geht und um die herum die zwischenmenschlichen Gefühle nun treiben und betrieben werden.

Jede zwischenmenschliche Beziehung wird in solchem Betrieb ungegenwärtig, zu einem Akt bloßer Gewöhnung an die Selbstwahrnehmung, die dort veräußert wird. Das Resultat solcher Verhältnisse ist die Entgegenwärtigung ihrer sinnlichen Substanz und der Gewinn von Selbstwert durch die allgemeine und abstrakte Beziehung auf andere Menschen. Zunehmend in den Vordergrund wird daher die Kontrolle über diese Beziehungen treten, zunächst durch seelisch funktionelle Selbstbezogenheiten, die eine Beziehungshandhabe ermöglichen, die man Ich-Leistung nennen kann. Diese wird sich später dann zu einer Persönlichkeit entwickeln, die den Selbstwert durch eine in diesem Sinn pervertierte Selbstachtung bewirtschaftet, eine durch reine Egozentrik sich verhaltende und bestimmende Person.

Wir sind aber nun erst mal dort angelangt, wo sich die Selbstverwirklichung auch wirklich als Entgegenwärtigung zwischenmenschlicher Beziehungen überhaupt ereignet. Getrieben von der Nichtigkeit des Selbstwerts war eine Selbstvergegenwärtigung nötig geworden, worin die Aneignung fremder Wahrnehmung zur Selbstbestimmung gelangt. Er bildet seine zwischenmenschliche Wirklichkeit durch die Tätigkeit einer funktionellen Einheit aus, die in der Psychologie Ich genannt wird. Dieses Ich reflektiert sich am Geschick bzw. Ungeschick im Umgang mit dieser seiner beseelten Wirklichkeit, dem Walten und Beziehen psychischer Absichten. Es hat viel Erfahrung, doch keinerlei Substanz. Es arrangiert bestimmte Beziehungen und stößt andere ab und bildet Vorlieben nach Maßgabe seines Beziehungserfolgs. Die Psyche ist darin zwar der blinde Antrieb, das Verlangen, das arrangiert und im Erfolg bestärkt wird. Aber es hat sonst nichts mehr mit diesem Ich zu tun. Es handelt sich jetzt nurmehr um einen Betrieb, worin Wirklichkeiten der Selbstwahrnehmung in Beziehung sind.

Ein Mensch ist in diesen Verhältnissen das, als was er für die Wahrnehmung der anderen gilt. Und er schöpft seinen Selbstwert aus dem, was die anderen ihm an Selbsterleben ermöglichen, worin er also seine Geltung in der allgemeinen Selbstwahrnehmung überhaupt bewirkt. Die begehrliche Ästhetik in zwischenmenschlichen Beziehungen war zunächst nur ein Rückstand der Begierden, welche die Selbstwahrnehmung hervorgebracht hatte. Jetzt wird sie zum Inhalt der sich selbst bestimmenden Selbstgefühle, der beabsichtigten Selbstgefühle, die nichts anderes sind als eine durch Selbstvergegenwärtigung hervorgebrachte Gefühlswelt.

Das ganze Erkenntnisvermögen reduziert sich nun auf diesen Zweck. Das heißt, Gefühle selbst werden nur noch in der Form erkannt, wie sie zur Entfaltung der beabsichtigten Selbstgefühle dienlich sind. Nur was in diesem Sinn anwesend ist, wird überhaupt wahrgenommen. Die Anwenheit bestimmter Ereignisse wird in dem Sinn wahrgenommen, in welchem sie nichts mehr durch sich selbst, aber alles für die Selbstvergegenwärtigung erbringen. Es ist eine Egozentrik des Reizbedarfs entstanden, den das Verlangen nach bestimmten Selbstgefühlen erzeugt hat und wonach die Psyche durch ihre Erregungen getrieben ist. Das Verlangen nach bestimmtem Gefühl hat an und für sich aber nichts mehr mit dem Trieb zu tun, den die erregte Selbstwahrnehmung enthält. Aber der treibt alles aus der Wahrnehmung heraus, was dem Selbstgefühl nicht dienlich ist. Er ist zur negativen Formbestimmung dieses Gefühls geworden. Und nach seinem Prinzip der Negation, der Unberührbarkeit seiner Herkunft und der Erregung seiner Niederkunft verwandelt sich der Trieb zu einer Ichbezogenheit, die weder nur Selbstbeziehung noch Selbsterhaltung ist. Ein inneres Subjekt des Selbstgefühls ist entstanden, das für sich nicht wesentlich ist, weil es durch alle Wesen außer sich bestimmt ist. Es ist die Ichform des Selbstgefühls, das Selbstgefühl an und für sich, das die Wahrnehmung nun vollständig ausfüllt.

Was nicht hierfür reizend ist, wird schlicht nicht mehr in der zwischenmenschlichen Wahrnehmung aufgenommen; es wird lediglich als unnötiger Eindruck ausgegrenzt. Es beeindruckt, was ein Selbst vergegenwärtigt, das es an und für sich nicht gibt, das also völig substanzlos ist, das aber durch die Anwesenheit reizvoller Erlebnisse eine Ästhetik der Selbstwahrnehmung beibringt, wie sie auch beabsichtigt wird. Es geht bei dieser Ichbezogenheit um die Grundlegung einer ästhetischen Selbstbeziehung, welche die Selbstwahrnehmung ausfüllt und von daher den Wesenskern einer Persönlichkeit stiften wird, die sich nurmehr durch die Art und Weise ihrer Selbstvergegenwärtigung durch andere begründen wird. Es handelt sich hier also nicht um eine Selbstverliebtheit, einen Narzissmus, sondern eher um das Gegenteil, um eine Deinstleistung für das Selbst, dessen Funktionieren nun aus einer ästhetische Funktionalität besteht, welche Wahrnehmungen ordnet und für sich strukturiert, um sich in bestimmter Art und Weise zu äußern und in selbiger auch Äußerungen anderer zu beantworten. Die Leistungen, die hier erbracht werden müssen, sind lediglich die des Arragements von Selbsterlebnissen - Selbsterfahrungen und Selbstvergegenwärtigungen -, die Beziehungen ausfüllen, die ohne dies nichts wären. (1)

Die Selbstbeziehung erscheint von ihrer Getriebenheit nun befreit. Sie verwirklicht sich sowohl als ästhetische Selbstbeziehung, als Streben nach Genuss und Lust der Selbstwahrmehmung, wie zugleich aus der Ungewissheit eines Wesens, das darin und dafür noch keinen Sinn hat. Alle menschlichen Beziehungen sind darin untergegangen, dass Selbstvergegenwärtigung das höchst notwendige Bedürfnis der Selbstwahrnehmung geworden ist, weil die Selbstbezogenheit sich sonst in Nichts auflösen müsste. Sie muss ihren Stoff als menschliche Gegenwärtigkeit nun auch wirklich wahrmachen.

Die erste Bestimmung dieser Selbstvergegenwärtigung ist daher die Herstellung von Anwesenheit, die Vergegenwärtigen einer allgemein menschlichen Beziehung, deren Sinn nur dadurch entstehen kann, dass sich diese Anwesenheit in diesem Verhältnis sinnlich geltend macht, also auch empfunden wird - wenn auch nur als Empfindung des Verhältnisses selbst.

Die zweite Bestimmung ist die Abgrenzung von fremder Selbstwahrnehmung, die Ausgrenzung und Nichtigsetzung aller Wahrnehmung, worin man selbst sich nicht vergegenwärtigen kann, gefühllos ist.

Und die dritte Bestimmung besteht aus der Vervollständigung des durch Selbstvergegenwärtigung begründeten zwischenmenschlichen Verhältnisses, wodurch es zu einer Beziehung verdichtet wird, in welcher das Arrangement der Selbstwahrnehmungen endlich den Sinn erbringt, der zwar nicht unmittelbar sinnlich ist, aber durch die Vermittlung von Sinn diesen verdichtet und darin das Selbstgefühl erweitert.

Der erste Inhalt der Selbstvergegenwärtigung ist also die abstrakte Identifikation einer leeren zwischenmenschlichen Bezogenheit in einem Sinn, den sie durch bloße zwischenmenschliche Anwesenheit entstehen lässt. Die zweite Bestimmung ist die bloße Negation, das Nichtigsetzen aller anderen Selbstwahrnehmung als Fremdwahrnehmung. Und die dritte Bestimmung in diesem Verhältnis ist die Vervollständigung einer an sich leeren zwischenmenschlicher Bezogenheit zu einer im Gefühl verdicheteten Selbstvergegenwärtigung.

Die Menschen, die auf dieser Wahrnehmungsebene verkehren, konkurrieren um ihre Wahrnehmungsidentität wie andere um ihr Vermögen. Fast grotesk, ja wahnhaft, können solche Konkurrenzen erscheinen, wenn sie von außen betrachtet werden. Aber an sich ist die Nichtigsetzung aller fremden Selbstwahrnehmung ein konstitutives Moment der Selbstvergegenwärtigung.

Jede Einverleibung nährt sich durch Fremdes, füllt sich mit Fremdem und erfüllt sich durch Entfremdung. Die Selbstverwirklichung hat sich als Selbstentleerung herausgestellt, da die Gefühle, die darin auftreten und verwirklicht werden, zugleich die Empfindungen aufheben, auf denen sie gründen. Es war durch die Selbstverwirklichung der Psyche eine Gefühlswelt entstanden, die sich als Welt toter Empfindungen herausgestellt hat, eine gegen die entleerten, in sich nichtigen Sinne negative Welt.

Darin sind die Sinne der Wahrnehmung nun auch nicht mehr nur abstrakt, sondern verlassen. Sie sind zwar weiterhin anwesend, aber gänzlich leer. Genau dies macht ja auch Verlassenheit aus. Somit tritt ein Verlangen auf, das sich alleine gegen diese Verlassenheit bestimmt. Es sucht in seiner Empfindungslosigkeit Sinn, ohne den es völlig depriviert ist. Man könnte auch sagen, es sucht seinen eigenen Stoff, seinen Körper.

Die Regungen von einst werden hierdurch zu leeren Erregungen, zu einem abstrakten Verlangen nach Sinn, das als bloße Unruhe einer an und für sich leeren Begehrlichkeit auftritt. Das Selbstgefühl hat seine abstrakte Selbsterneuerung beständig nötig - je leerer es ist, desto heftiger sein Verlangen. Die Einverleibung bestimmt sich dadurch jetzt selbst unendlich fort, wird zu einem unendlichen Einverleibungsstreben, zu einer allgemeinen Getriebenheit aus ihrer Entleerung heraus, so dass sie nicht mehr zu sich findet und sich nur durch fremden Leib ernähren kann.

Darin hat sich nun ein unendliches Verlangen nach Verzehr von erlebter Körperlichkeit gegründet, eine Erlebensgier. Der unruhige Geist entwickelt einen abstrakten Sinn für Körper und Stoffe, weil er nur darin zur Ruhe kommt, zu einer leiblich bedingten Identität findet, wenn er diese in der verlangten Form erlebt. Seine Unruhe treibt ihn immer wieder dorthin und seine Befriedigung bestimmt im bloßen Zeitverlauf wieder seine darauf folgende Unruhe. Er fühlt sich zum Leib getrieben wie durch einen inneren Trieb.

Nicht vom natürlichen Körper selbst kommt dies, sondern aus der selbstverwirklichten Wahrnehmung, die in ihrem Kreisen um sich selbst nur unruhig bestehen kann. Es ist eine Wahrnehmung, die sich im eigenen Erleben auffrisst und daher nur noch nach außen treiben, nach unendlich bestimmter Befriedigung streben, also nur triebhaft sein kann.

Das betrifft alle Sinne, nicht nur die eindeutig sexuellen, sondern auch die haptischen, ästhetischen usw. Ob Menschen sich zu Menschen, zum Einkaufen oder zur Einverleibung von Sachästhetik (z.B. Schuhe) getrieben fühlen, ist lediglich eine Frage des Triebinhalts, nicht der Getriebenheit als solche. Die ist ja lediglich die Sinnesform, die durch sich selbst bestimmte und sich selbst begehrende sinnliche Abstraktion. Die aber kann niemals von ihrem Objekt lassen, denn alleine darin besteht die Körperform ihres Lebens. Die Unendlichkeit triebhaften Verlangens resultiert also unmittelbar aus der sinnlichen Selbstentfremdung, welche die Selbstverwirklichung hervorbringt.

Die Wahrnehmungsorgane werden nun selbst zum Organ der Selbstverwirklichung, nicht als ihr Organ, sondern als Organ, das ihren abstrakten Sinn in sich aufhebt, das sich als Naturstoff des Mangels an Sinn zeigt. Alles, was keinen wirklichen Sinn mehr hat, strebt nach Sinnlichkeit schlechthin. In der Ermangelung konkreter Sinnlichkeit bekommt der Körper selbst den Sinn, der nur die Abwesenheit von Sinn darstellt: Das Getriebensein zu einer sinnlichen Befriedigung. Die Psyche hat hierbei ihren Geist verloren. Sie sucht nurmehr die schlichte Anwesenheit von Sinn, der sich als ihr Objekt ihr ergibt, an dem sie sich begeistern kann. In seiner Einverleibung schafft sie einen kurzen Frieden für sich. Doch ihre immer stärker werdende Sinnentleerung verlangt immer mehr Sinn für sie. Im Prinzip der Vermehrung ihrer Befriedigung glaubt die Psyche an die Potenzierung ihrer Befriedigung, an ihre Erlösung und Selbstverwirklichung. Damit steigert sich mit jeder Befriedigung ihre Entleerung wie auch ihr Glaube. Der Trieb nach Befriedigung wird zur Wirklichkeitsform aller Selbstbezogenheit.

Doch dieser Trieb zielt nicht auf Lust, sondern auf Sättigung. Das Lustprinzip von Sigmund Freud ist eine ideologische Verzerrung dieses Verhalts. Die Psyche ist nicht lustig, sie ist unbedingt und verfolgt ihre Notwendigkeit unerbittlich, ohne sich ihrer selbst gewiss zu sein. Es ist ihr Widerspruch, sich unbestimmt in der vollen Bestimmung ihrer Form, in den Erregungen ihrer Organe verhalten zu müssen. Das ist, was die Psychoanalyse mit der bestechenden Selbstgerechtigkeit des aufgeklärten Seelenfreunds zu vernebeln versucht. So wird jedeR PsychoanalytikerIn zum Anwalt ihrer Sinnentleerung und verdichtet diese auch noch zu einer geballten Ladung Mythologie. Darin wird jedes Gefühl der Erleichterung vom Druck der Mangelempfindung emporgejubelt zum menschlichen Wesensbild, so wie ein gelöschter Durst nach einer Dürrezeit einem gläubigen Menschen zum göttlichen Labsal gerät. Nichts ist schlechter für das Erkenntnis- und Kritikvermögen.Die Psychoanalyse hat für derlei Verdummung einen gewaltigen Beitrag geleistet.

Die Psyche für sich erscheint nun bunt und vielfältig, so ihr ihre Befriedigung gelingt. Sie hat zweifellos einen Geist, der aus vielerlei Erleben resultiert. Darin sind Begeisterungen lebendig, die aus dem Erleben von Menschen resultieren, deren Leben sie reflektiert und in sich trägt. Sie ist nun wirklich die private Form begeisternder Erlebnisse. Wie ein Tourist im eigenen Land durchstreift sie die Körper und Herzen der Menschen, fügt sie in sich zusammen und erscheint selbst als ein überaus liebenswertes Wesen, das gerne selbst das Wesen aller Liebe wäre. Indem sie Menschen als sinnliche Basis ihres Selbsterlebens wahr hat, kann sie sich im Prinzip geistig unendlich ausdehnen und reflektieren und darin auch glücklich sein. Sie wird sich in ihrem geistig erscheinden Wesen auch gerne bilden und die Welt in dieser Form nachvollziehen, wie sie ihr erscheint. Solche Psyche ist das Herz des Bildungsbürgers, der die Welt als Gleichnis seiner selbst zu verkörpern versteht. So gediegen er erscheint, so unendlich hungrig und begierig ist er auch.

Denn seine Begeisterung für sein Leben hat einen Grund, der nicht sehr grundlegend ist: Die Psyche glaubt sich in ihrer Befriedigung wirklich, indem sie darin nach ihrer Wirklichkeit sucht. Doch diese ist in Wahrheit das vollständige unwirklich Sein aller Sinne, ihre unendliche Vereinung, vereinte Sinnlichkeit mit allem, was außer ihr Sinn hat. Sie ist getrieben, sich in der Einverleibung dieser Sinne zu gestalten und durch deren Beherrschung zugleich eine Macht über das zu gewinnen, was sie selbst nicht ist. Alles was Sinn hat, soll ihr unterworfen werden. Das hat sie nicht im Sinn, sondern in ihrem Gefühl, in dem Mangelgefühl, das nicht als Gefühl des Mangels auftritt, sondern als bloße Begierde, Sinn zu gewinnen, indem sie ihn sich einverleibt. Alles Sinnliche erscheint ihr als ihr Objekt und zugleich als objektive Erlösung ihrer Begierde, als Sättigung ihres Verlangens, Hoffnung auf Wiedererlangung ihres Gemüts, dem Glück ihres Innenlebens, das allerdings keinen konkreten Sinn mehr erkennen lässt. Man müsste ihn erst erfinden, um das so Gefundene dann zu erklären.

Wohl von da her war Sigmund Freud auf die Annahme verfallen, es handele sich um Wünsche, welche die Psyche antreibe, und die solange an ihrer Realisierung scheitern, solange sie nur der Lust ihrer Befriedigung folgen. Dass die Antriebe ihrer Absichten einer Entzweiung entspringen hat er in seinerm dualistischen Denken nicht begreifen können. Er war darin ganz phänomenologisch geblieben. Von daher ergab sich der große Kontrahent zum Lustprinzip: Das Realitätsprinzip. Doch ohne die innere Notwendigkeit der Begierden zu begreifen, ihre Not sichtbar zu machen, der sie selbst entspringen, kann das Realitätsprinzip letztlich nichts wirklich erklären. Freud musste diesen Ansatz wegen seiner infiniten Grundlage mehrfach revidieren und endete in der fatalen These von einem Todestrieb, mit der er dann die Zerstörungswut seiner Zeit, das Unbehagen in der Kultur zu erklären versuchte. Der Wunschbegriff für die Substanz der Libido war ein vollständiger Fehlgriff.

Die Psyche weiß nicht, was sie entzweit hat, weil sie unbewusst und unbedingt in ihrem Verlangen ist. Sie hat ihre Herkunft, die Gegenwärtigkeit ihrer Selbstgefühle verloren und begehrt nach ihrer Einheit, nach einer seelischen Identität in der Gegenwärtigkeit des Eindrucks, den sie machen kann, um sich in anderen Menschen zu vergegenständlichen, ihre Selbstvergegenwärtigung durch andere zu erlangen. Und sie findet diese, indem sie Ereignisse produziert, in denen sich die Selbstgefühle versammeln, worin sie ihr Gemüt wahrhat. Sie ist von einem Glauben angetrieben, der sie immer hoffen lässt, die Wirklichkeit ihres Gemüts zu finden, sich in der Welt aufgehoben zu wissen. Es treibt sie zu einer Wahrnehmung der Wirklichkeit, die vor allem ihrer Absicht entspricht, Sinn für sie hat, gleich, was sie sinnlich wirklich ist.

Das macht ihre Wahrheit wie ihre Täuschung aus. Psyche erkennt nicht wirklich, sie erkennt, worauf sie es absieht, aber nicht, wovon sie absieht. Von daher ist sie getrieben gegen alles, was ihre Absicht hindert, sich wirklich wahr zu machen. Das macht ihre Absicht selbständig zu einer unbedingten Lust des Erlebens: Sie treibt dahin, worauf sie lustig ist, worin sie sich wirklich glaubt, wo sie ihre Identität mit der Welt vermeint und darin ihrer Absicht, ihrem Streben nach Sinn, zur Verwirklichung verhelfen will.

Doch Glaube hilft nicht, Glaube treibt zu allerlei Unsinn. Und so ist die Lust oft gar nicht so lustig, weil sie betrieben ist durch einen Sinn, der außer sich geraten ist. Die Psyche betreibt den Leib vor allem dadurch, dass sie in ihm Frieden sucht, der wiederum nur als Prinzip der Befriedigung möglich scheint. Was sie bewegt ist die Sinnlosigkeit ihrer Wahrnehmungen und Gefühle, weil sie sich in ihrem Selbstgefühl ihrem eigenen Erleben enthoben haben. Sie hat vor allem Lust, das zu erleben, was sie nicht kennet und auch nicht im Mindesten erkennen muss und was sie aus dem Bedürfnis ihrer Selbstgefühle begehren muss: Die Einvernahme fremder Sinne zum Zweck des Selbsterlebens.

Und wo sich die Sinne selbst allgmein fremd werden, wo ihre Zerteilung und Vereinzelung sich ausbreitet, da breitet sich vor allem die Psyche ihrer Träger aus. Ohne einen wirkliche Beziehung zueinander müssen sie für das Sinnenleben einvernehmlich werden, quasi geschäftsführend für den Sinn ihres Lebens werden, um dem Bedürfnis nach Selbsterleben, der Lust der Sinne folgen zu können.

Wo Sinne zu wechselseitigen Objekten eines sinnlichen Bedarfs werden, sind sie in die Form der Objektivität versetzt: fremde Sinne, welche nur vom Standpunkt des Erlebens, also nicht im Bezug auf ihre Tätigkeit, wahrgenommen werden. Das ist ein notwendiges Resultat der Selbstwahrnehmung, die sich über die Wahrnehmung erhoben hat. Das Prinzip der Befriedigung ist nicht der Psyche vorausgesetzt, wie das von der Psychoanalyse gern begriffen wird, die in der Psyche ein ontologisches Gebräu naturbedingter Bedürfnisse vermutet und in deren Triebhaftigkeit also auch nur die tierische Natur des Menschen am Werk sehen kann. Doch solche Triebe unterscheiden sich von denen der Lust darin, dass sie selbst sinnlich sind und ihrer Tätigkeit nachgehen, wie sie nötig ist. Dazu sind die Spiele des Psychenlebens nicht vonnöten. Es ist in der Tat erst die bürgerliche Kultur, welche aus ihnen ein Luststreben gemacht hat. So irrt Sigmund Freud auch darin, dass die Kultur eine Sublimation der Triebe sei, ihre Formveränderung zum Zweck eines höheren Lebens. Kultur liegt der Modifikation solcher Triebe zur selbständigen Erlebensweise zugrunde, macht deren Formbestimmung aus der Notwendigkeit menschlicher Beziehungen darin aus.

Die Psyche folgt ihrer Lust auf unmerklichen Ebenen und strengt sich hierbei auch wirklich an, wie ein Manager der Ereignisproduktion, der zwar nicht weiß, was wird und was sich von ihrem Verlangen wirklich realisieren lässt, der aber alles tun muss, damit die Produktion läuft. Das beständige Erzeugen von Gemütslagen, Stimmungen und Unterwürfigkeiten in menschlichen Beziehungen dient vor allem dem Glauben, im Erleben ihrer Einverleibung Frieden zu finden, ohne wirklich leben zu müssen. Das ist das Resultat einer permanenten Lebensverweigerung, in welche die Selbstgefühle geraten waren und im Leben fremder Sinnlichkeit Frieden finden müssen. Das ist, was notwendig zur Befriedigung treibt, Befriedigung des Triebes nach Einverleibung, der hier zum Gleichnis eines Friedens gerät, welches den Glauben hieran nicht erfüllen kann, und daher um so heftiger auf Befriedigung drängt. Es ist gleichgültig, ob es sich um die Einverleibung von Geschlecht, Nahrung oder Menschen handelt. Was dies alles als Momente und Eigenheiten des menschlichen Lebens wirklich ist, das spielt hier keine Rolle mehr. Der Trieb besteht aus einem Prinzip der Entwirklichung, das lediglich eine selbständige Erlebenswelt privater Persönlichkeiten zu errichten sucht.

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123.1 Die einfache Selbstveredelung (Die Produktion von Selbstwert)

Die Psyche spekuliert auf die Leiblichkeit ihres Gemüts. Ohne Mut für sich selbst, erlebt sie sich durch die Sinne, die ihr geboten sind, die sie begehrt und sich einzuverleiben versteht. In der Wechselseitigkeit, in der sie dies nun betreibt, ist eine Teilung der Sinne vorausgesetzt, die hierdurch selbst in einem objektiv notwendigen Verlangen zueinander sich befinden. Wäre diese Teilung nicht durch die Form der Wahrnehmung begründet, so würden sie dieses Verlangen auch selbst verspüren und von selbst zur Vereinigung streben. Dies wäre lediglich ein Lebensmoment.

Aber durch die Form der Selbstwahrnehmung, wohin es die Wahrnehmung gebracht hatte, wird es zur Sache der Psyche, sich ihre Sinne zusammenzusuchen, die sich dadurch bereichern können, dass sie sich aus der Teilung heraus wieder vereinen und sich vervollständigen - nicht aber wie es ihnen geboten ist, sondern wie es die Psyche nötig hat. Das Glück der Psyche beruht auf der Umkehrung ihrer Not, auf der Entfremdung der Sinne, der Selbstentfremdung der Menschen, deren Resultat sie ist. So ferne sie sich sind, so nah ist ihnen das leibliche Verlangen ihrer Psyche. Gerade aus der Ferne wird das leibliche Leben zum Gegenstand der Selbstwahrnehmung schlechthin, weil und sofern es dabei nicht wirklich erlebt und erfahren wird. Was sich darin wirklich an Sinn findet, bleibt der Psyche verborgen und steht manchmal im Konflikt zu ihr. Wo Sinne wirklich ineinander gehen, wirkliche Gestalt finden, da ist die Psyche mit ihrem Latein am Ende. Ihre Bestimmung ist konservativ: Die Einverleibung entfremdeter Sinnlichkeit. Sie treibt sich in der Welt um wie ein Schlossgeist, der keine Ruhe findet und hie und da Glück oder Schrecken verbreitet, um sich daran vorübergehend zu befriedigen.

Sie selbst lebt nicht wirklich; sie begehrt den Leib ihres Glaubens zu ihrer Selbstverwirklichung, die Erfüllung ihrer Hoffnung auf ihr Leben als ihre Wirklichkeit. Es ist diese Not der Psyche, die nach wirklichem Sinn verlangt. Wovon sie im wirklichen Leben abgesehen hat, das wird für sie nun übermächtig, zur Notwendigkeit ihrer Konzentration auf das leibliche Wohlergehen, welche alleine in der Einverleibung wirklicher Sinne zu seinem Frieden kommt, befriedigt ist.

Die Selbstwahrnehmung ist von daher gezwungen, sich selbst zu überhöhen, sich selbst eine Sphäre zu verleihen, in welcher sie auf die Nöte der Selbstwahrnehmungen hinazuschauen. Sie muss sich selbst veredeln, um für sich Selbstwert zu behalten; sie muss sich aus ihrer eigenen Nichtigkeit gegen andere hervortun, um dort, wo sie nichts ist, fortzubestehen. Sich selbst aber kann man nur adeln, indem man sich auf hochwertige Bedürfnisse bezieht, deren Befriedigung nur durch die Umstände einer höheren Selbstwahrnehmung möglich erscheint, die also danach begehren, was ihnen höhere Zustände des Gemüts und der Selbstwertigkeit bescheren. Die Menschen selbst erfahren darin keinerlei höhere Differenzierung sondern sehen sich durch die Umstände ihrer Beziehungen selbst schon als höher begabt und von besonderer Güte, wenn diese vielfältig sind oder zmindest so zu sein scheinen. Dies taugt zur Bildung einer Persönlichkeit, die sich aus den kulturellen Fähigkeiten ihrer Beziehungen heraus bewertet weiß und beziehen will, sich also als Persönlichkeit mächtiger Bezogenheiten herauszustelen vermag.

Aber das ist auf dieser Ebene noch nicht so einfach, wie dies später unter den Bestimmungen des ästhetischen Willens einer heilen Welt erst möglich ist (dazu mehr im 3. Buch). Hier können sich die Menschen ihre Sinne nur persönlich und wechselseitig zur Verfügung stellen und bleiben sich auch im Wesentlichen notwendig fremd. Sie affirmieren ihre Selbstentfremdung, indem sie einander Sinn geben. Zugleich schaffen sie Vertrauen, indem sie sich in ihrer Sinnlichkeit kennenlernen und daraus die Altäre höherer Verbundenheit zimmern, aus diesen ihre Persönlichkeit begründen. Die Wechselseitigkeit ihrer Einverleibung erzeugt eine Bindung, die unbedingt und unbewusst ist, die aber alle Ungewissheit aufzulösen scheint. Sie müssen sich hierbei allerdings in die Lage versetzen, im Bezug auf andere selbst gerecht zu werden. Sie müssen sich also in dem Sinn bestärken, worin sie zum einen sich besonders gerecht werden, sich also für sich selbst besondern, und zugleich diese Besonderung als besondere Beziehung auf andere zu bewahrheiten.

Diese besondere Bezogenheit gelingt nur dadurch, dass die Selbstvergegenwärtigung durch sie bestimmt wird. Jede Beziehung wird daher zu einem Akt der Selbstveredelung, in welcher sich die Menschen allseiteig vor allem selbst gerecht werden. Es ist der verwirklichte Moralismus, in welchem sich die Menschen füreinander bestätigen und zugleich die allgemeine Entwirklichung ihrer Selbstwahrnehmung, die hierbei vonstatten geht. Mag es zunächst auch nur die Absicht enthalten, die in jedem Tratsch vorkommt: Das schlecht über andere Reden um gut für sich selbst da zu stehen. Es geht auf Dauer wesentlich weiter: Indem die ganze Selbstvergegenwärtigung hiervon kontrolliert wird, erscheinen sich die Menschen als Inviduen wie die Überlebenden eine Kampfes um die eigene Wahrheit.

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123.2 Die Selbstvergegenwärtigung (Die Kontrolle der Selbstbestätigung als Selbstbehauptung)

Die bürgerliche Persönlichkeit entwickelt sich aus den zwischenmenschlichen Verhältnissen ihrer Selbstbezogenheit, die einerseits besändige Selbsterneuerung durch eine Selbstwert verschaffende zwischenmenschliche Beziehungen erfordert, zum anderen einen Edelmut in der Selbstwahrnehmung erzeugt, der sie ideell über alle anderen Persönlichkeiten erhebt und zur Grundlage ihrer Egozentrik wird. Diese Form der Wahrnehmung kann die Subjektivität, die sie unterstellt, nicht wirklich einlösen und wird selbst zum Objekt ihrer Verhältnisse, das allerdings als sich selbst erzeugendes Objekt unendlich viel subjektive Macht nötig hat, in der Notwendigkeit ihrer Selbstveredelung also immer objektiver werden muss, um sich selbst zu erneuern. Von daher fühlt sie sich in der Wirklichkeit ihrer Verhältnisse nicht nur existentiell schon durch ihre ökonomische Lage bedroht, sondern muss sich auch immer gegen Anzweifelung ihrer Selbstverwertung schützen, gerade wo in ihr der Selbstzweifel immer wieder hochkommt und sie sich permanent vor den Abgründen ihrer Selsbtwahrnehmung, in der Lebensangst um ihre Identität zu bewahren hat. Selbstbehauptung ist ihr daher um so nötiger, je weiter die Selbsterneuerung ihres Selbstwerts in ihre zwischenmenschliche Lebensverhältnisse vorgedrungen ist. So ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade prominete Persönlichkeiten immer wieder in tiefe Krisen um ihren Selbstwert geraten und auch in der Statistik der Depressionen überdurchschnittlich vertreten sind.

Die erste Folge der Selbstverwertung war der Mangel an eigener Wirklichkeit, also Ermangelung an Selbstwert, denn die Selbstachtung wird darin aufgezehrt und muss sich daher auf Dauer ohne Wirkung vergegenwärtigen. Weil ihr die Äußerung fehlt, kommt ein ihr äußerliches Moment hinzu, das in dieser Beziehung entstanden war: Innerhalb der psychischen Verhältnisse fühlt man sich wertlos,gerade weil man objektiv darin durch die allgemeine Selbstveräußerung zur Selbstveredelung gezwungen ist. Die Selbstverwertung lebt immer auch mit ihrer Kehrseite: dem Selbstverlust. Durch Selbstbehauptung wird daher die Zufuhr von Selbstwert aus und in diesen Verhältnissen abgesichert. Sei erfordert ein hohes Maß an Selbstinszenierung.

Selbstbehauptung ist von daher und der Form nach ein Resultat der Selbstverwertung, ergeht aus ihrer Formbestimmung, womit sich die PsycheAchtung für sich selbst durch eine entsprechende Selbstdarstellung ausweitet. Sie wirkt also durch einen behaupteten Selbstwert auf ihre Verhältnisse ein, der darauf beruhen, dass sich Achtung hierfür durch ein bestimmtes Handeln und Verhalten herstellen lässt, dass eineAchtung für sich selbst außer sich erwirkt werden kann, als eine entäußerte Selbstachtung durchsetzbar ist (siehe hierzu auch ICH). Das Resultat ist ein Selbstbewusstsein, das auf Stolz beruht, also wesentlich narzistisch ist und sich durch zwischenmenschliche Beziehungen insymbiotischer Selbstbehauptung am Leben hält.

In der Erzeugung von Selbstwertgefühlen werden zunehmend alle zwischenmenschlichen Ereignisse einbezogen, die durch Entfernung und Verkörperung von fernen Lebenserfüllungen bestimmt werden. Alle Menschen verkörpern ihre Lebensbilder undLebenswerte in mehr oder weniger guter Gestalt - etwa so, wie Touristenattraktionen zur Zeit der Saison herausgeputzt werden. Sie drücken sich nicht nur hierin mehr oder weniger verquer aus, sie handeln auch danach, fällen ihre Entscheidungen, was ihre menschlichen Beziehungen betrifft. Und letztlich mischt sich in diese Welt natürlich alles ein, was einem Menschen inne ist. Es entsteht in der Selbstwahrnehmung eine Gier der Selbstbestätigung, die immer mehr etwas zu erfüllen hat, was ein an und für sich leeres Leben ausfüllt. Natürlicherweise kann Leben nur in lebenden Organen erweckt werden. Und so wird die Gier nach Selbstbestätigung zwangsläufig und zunehmend vom Triebleben und den hierauf gründenden Selbstgefühlen bestimmt. Das Selbstwertgefühl gerät in den Sog der Triebe und ihrer Befriedigung und macht die Menschen, die zweifellos und immer körperlich leben, von der Art und Weise ihres körperliches Seins, ihrem Körpererleben, abhängig. Ihr Körper selbst wird hierbei zu einer wirklichen Macht persönlicher Abhängigkeiten. Die Erlebnisse, die sie hierbei erzeugen, werden tragend für ihre ganze Selbstwertigkeit, die bestimmende Stimmung ihrer Psychen.

Die triebhafte Selbstwahrnehmung ist allerdings auch auf der Flucht vor ihrer Wirklichkeit, die eine reine Leere ist, ein Nichts an Wahrheit und alles an Erlebnishaftigkeit. Um sich nicht zu verlieren, muss Eindruck auf das Selbstgefühl unendlich produziert werden, indem jede Wahrnehmung allein der Selbstwahrnehmung unterworfen wird, ihr gehorchen und ihr Sinn verschaffen muss. Hierfür wird der Gegenstand der Selbstwahrnehmung, der Mensch, nicht nur als körperlicher Mensch sondern vor allem als Erlebnisraum des Körpers wahrgenommen, als Sache, die reine objektive Sinnhaftigkeit in räumlicher Ausdehnung darstellt. Nicht was er als Körper ist, sondern wie sich ein Mensch darin zu Hause fühlt, verschafft ihm den Selbstwert, den er sich ergattert. Es ist kein wirklicher Körper, sondern ein Körper als Umhüllung seiner Erlebenssucht, der ihm das erbringt, ein Körper als Lebensraum seiner Selbstbezogenheit.

Sein Selbstwert steigt unermesslich, soweit er sich körperlich am Leben fühlt, wenn auch mit einem Körper, der nicht seine Beziehung und Geschichte verkörpert, aber für ihn als Körper dadurch lebt, dass er mit ihm seine zwischenmenschlichen Beziehungen erlebt. Körperlichkeit wird zum einfachsten Lebensraum, zum lebenden Lebensumstand der Selbstgefühligkeit. Er wird geschmückt wie eine Wohnung und dramatisiert sich selbst in seiner Ausdruckskraft auf Schritt und Tritt oder auch mit Behang und Piercing oder auch nur durch Schminke. Jedenfalls bekommt der Körper einen Appeal, der nicht auf bestimmte Partner gerichtet ist, sondern auf körperliches Selbsterleben überhaupt. Der Körper wird zum Träger des Selbstwerts und erlebt auch im Körper seine hervorragende und alles verschlingende Selbstwertigkeit.

Das versachlicht ihn so, wie er auch als Sache wahr gehabt wird. Die Wahrnehmung selbst wird hierüber versachlicht, also selbst wie eine objektive Notwendigkeit vollzogen, von jeglicher Erkenntnis enthoben. Was sich körperlich regt, das verlangt Erfüllung und indem es erfüllt wird, regt sich die Erregung, die Gier nach mehr. Je leerer die Wahrnehmung für den wahrnehmenden Menschen wird, je weniger Wahrheit sie nimmt, indem sie erlebt, was ihrem Selbstwertgefühl dienlich ist, desto gieriger wird sie nach der Einverleibung von gerade dem Sinn, den sie selbst nicht mehr hat. So subjektiv ihr Streben erscheinen mag, so objektiv notwendig ist es doch dadurch bestimmt, dass die Menschen ihr Selbstwertgefühl gerade dort verlieren, wo sie es zu gewinnen scheinen. Nichts bleibt ihnen daher erspart, um sich mit Leben im Selbsterleben zu füllen, um die Leere, die sie für sich dabei erzeugen, ebenso beständig auch hierdurch aufzuheben.

Die private Persönlichkeit entsteht aus der Fähigkeit, sich in wechselseitiger Beziehung Selbstwert durch körperliche Selbstgefühligkeit einzuverleiben, sich darin und dadurch selbst zu behaupten, dass sie alle Gefühle zu diesem Zweck kontrolliert. Sie ensteht dadurch, dass sie sich in dem zu vergegenwärtigen vermag, was ihre Selbstwahrnehmung füllt, dass sie sich also auch so einbringt, dass sie sich in ihrer Selbstbestimmung erlebt, während sie andere wahrnimmt. Es ist ein unerkennbares Geschäft, das lediglich aus den Absichten besteht, die sich im Nachhinein ergründen lassen, wo sich Selbstwahrnehmung nicht mehr erklären lässt. Und es ist ein wechselseitiges Geschäft das unterstellt, dass alle Beteilten ihren Selbstwert darin finden, mal mehr und mal weniger, mal besser und mal schlechter.

In der Gesellschaft der Selbstwertigkeiten wird einverleibte Sinnlichkeit zum persönlichen Maßstab der Beziehungen und allseitiges Lebensmoment der Selbstbezogenheit, Stoff des eigenen Lebens im ästhetischen Erleben der Beziehung der Selbstwertigkeit. Nur hierdurch, also durch die Kontrolle der Form, worin sich die Selbstwahrnehmungen entwickeln, wird das Selbstgefühl solcher Persönlichkeiten zu einem Sinn für sich, Selbstbehauptung durch die Kontrolle der Gefühle, durch Lebenstil, Lebensart oder kurz: Lifestyle. Diese Kontrolle wird selbst zu einem ästhetischen Bedürfnis, welches Lebensformen herzustellen sucht, durch welche diese Formen der Selbstbehauptung zur Gewohnheit werden, einen Sinn der Form selbst gestalten.

In diesem Sinn bildet sich eine Abstraktion von sich selbst wie eine Verkörperung von Lebenswerten, eine Form eigener Sinnlichlichkeit durch Erleben von dem, was darin lebenswert erscheint. Die Form selbst wird darin zu einem Lebeninhalt, nicht ausdrücklich gewollt, wohl aber beabsichtigt durch eine innere Notwendigkeit, welche die Form durch ihren eigenen Mangel zum Antrieb der Persönlichkeitsbildung macht. Wie jede Habsucht, so muss auch die Gier nach Selbstwertigkeit in einer unendlichen Kontrolle des Lebens sich verwirklichen, indem sie bestrebt ist, sich selbst und andere so in den Griff zu bekommen, dass der Selbstwert schließlich irgendwann als Persönlichkeit funktionieren kann. Darin reift die Persönlichkeit als Lebensverhältnis zu sich selbst, das sich wie ein Selbst für sich verhält.

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123.3 Der Kampf um die Wertschätzung (oder die Notwendigkeiten der Selbstachtung)

Es ist das Dilemma der Selbstachtung, dass sie sich in der Selbstverwertung immer wieder aufheben muss, weil sie sich darin durch die sich verhaltenden psychischen Absichten wertlos erlebt und zur Aufhebung ihrer Minderwertigkeit Selbstwert bilden muss, der die Selbstachtung aufbraucht. Indem Menschen in zwischenmenschlichen Beziehungen Sinn finden und äußern, sich aber zugleich zur Bildung von Selbstwert Substanz entziehen, sich in ihrer Selbstbehauptung also Sinn einverleiben, den sie nicht haben, wohl aber wahrhaben, bewegen sich die sogenannten Ich-Funktionen nur um dies, um dieses Dilemma der bürgerlichen Psyche überhaupt leben zu können. Von daher kann die Auffassung von Sigmund Freud immerhin illustrativ sein: Die Menschen machen Umwege über ihre Kulturleistungen, um ihre Wünsche zu erfüllen und ihre Liebe zu verwirklichen. Was er aber nicht sieht: Es bleibt in dieser Kultur immer eine ohnmächtige Liebe, eine Liebe, die das nötig hat, was sie schon aufgehoben hat. Innerhalb dieser Kultur ist Selbstachtung die unendliche Notwendigkeit eines permanenten Selbstverlustes.

Der Trieb nach Lusterfüllung ist die verselbständigte Absicht der Psyche als reiner Antrieb ihrer Sinne, als Begierde, sich ihre Objekte möglichst umstandslos einzuverleiben. Demaber widersprechen die Umstände, die den Menschen in seiner Habsüchtigkeit beherrschen, ihm seine Ohnmacht vorstellen. So erzeugt die Selbstverwirklichung letztlich ihr eigenes Gegenteil der Wirklichkeit, die sie für sich selbst erreichen wollte. Mit dem selbstsüchtigen Sein für das Luststreben entschwindet die Achtung vor sich selbst, weil das Subjektive darin objektivgeworden ist: Zur platten Notwendigkeit einer Befriedung, die keineBefriedigung verschafft.

Das Bestreben misslingt daher zwangsläufig. Was sinnlich für sich völlig unmöglich wäre, die Verschmelzung gegensinniger Bedürfnisse, wird durch den Trieb der Psyche bezwungen und zum Anreiz geistiger Kräfte verkehrt, welche zu einer Befriedigung treiben, die auch vor sich selbst bestand hat, die also nichts herabsetzt, nur weil es übermächtig erscheint und die nichts außer Kraft setzt, was die rein psychisch gewordenen Beziehungen antreibt. Der Trieb hat keinen anderen Grund, als den Körper selbst, worin sich allerhand Gefühle und Empfindungen herumtreiben, ohne Sinn zu finden. In ihrer Identitätslosigkeit findet sich der Körper nicht mehr nur als Mittel, sondern erscheint selbst als Zweck seines Treibens, als Antrieb seiner Beziehungen, worin er nicht nur diese, sondern vor allem sich selbst begeistert. Er treibt dahin, dass jeder Sinn als Vorgriff auf das wirkliche Erleben gilt, dass er aufreizt und antreibt, um sich selbst begeistert zu erleben, was immer dies dann auch sein mag.

Er treibt um wie ein völlig selbständiges Bedürfnis, das sich seines wirklichen Mangels nicht mehr besinnt, das nach Lebensstoff überhaupt verlangt wie nach der Luft zum Atmen. Es geht dabei nicht allein um ein geschlechtliches Bedürfnis sondern um ein Verlangen nach menschlicher Verschmelzung überhaut, nach Einverleibung von Leben schlechthin. Alles Lebende erregt die Sinne, ohne dass sie sich selbst darin wirklich regen können. So körperlich diese Erregung aufscheint, so geistig ist sie dennoch in ihrem Grund und Inhalt. Darin wirkt eine seelische, mehr oder weniger unbewusste Kraft, die es zu einer Verwirklichung ihrer seelischen Absichten treibt, die nun auf die Selbstachtung zielen. Im Kampf um diese Achtung treffen sich die Menschen in einer nru relativen Wirklichkeit, welche Selbstverwirklichung darin aufhebt, dass sie diese unnötig macht, ihre sinnliche Spannung in sich vereint, auflöst und bestärkt. Die Sinne selbst werden jetzt zur Wirkungsstätte der Psyche, die aus einem Mangel an Leben getrieben ist und erleben will und alles dafür tut, ihren Frieden mit sich darin zu finden. Der Kreis der Selbstliebe schließt sich eine einem Altruismus, der einen höheren Zweck verfolgt als der des Eigennutzes und doch die höchste Form des Eigennutzes ist, weil er die Selbstbestärkung außer sichn ahebn und zugleich sein will. Das Angetriebensein in ein er Kreisbewegung zwischen einen Sein für sich und einem Sein für andere, dies Triebhafte der Bedürfnisse ist Ausdruck der Notwendigkeit der Psyche, zum Leben durch Erleben zu kommen, zum Leben verurteilt zu sein, und dies - wie durch einen inneren Drang bestimmmt - erleben zu müssen.

An und für sich bewegt sich alles Leben in der Geschichte, die es selbst wesentlich zum Inhalt hat, aus den Existenzen und Sorgen und Genüssen und Ärgernissen usw., die sich darin im Beziehen von allem Lebenden ergeben. Hier geht es nicht um solches Leben, sondern um das Erleben einer Getriebenheit, die der Psyche entspringt, weil diese selbst schon dahin getrieben war, sich aus ihrer Wirklichkeit herauszusetzen. Der Grund, der zu solcher verselbständigten Geisteswelt geführt hatte, erscheint daher nun als verselbständigte Körperwelt, die keinen Frieden finden kann, wiewohl sie unentwegt nach Befriedigung strebt.

Das Prinzip des Triebes ist die Befriedigung einer Erregung, welche aus der Psyche kam, sich aber nicht seelisch zu vermitteln vermag. Die Trennung von Körper und Geist hat die Psyche darin vollzogen, dass sie ihr Selbstgefühl nirgendwo anders als in ihrem Körper finden kann, also im körperlichen Vollzug, der aus der Psyche nötig ist, aber nicht als ihr Leben verwirklicht werden kann. Schließlich hat sie sich zum Wesen des Selbstgefühls entwickelt und kann daher auch nur darin ihre Wirklichkeit finden.

Was sie in ihren Stimmungen und Launen nur noch vom Leben wahr hat, muss sich in ihr wenden zu einer platten Ebene des Erlebens von Befriedigung, der Friedensstiftung ihres Lebensmangels.

Von da her hat sich der Trieb als Resultat der Psyche ergeben, als ihre höchste Wirklichkeitsform. Sigmund Freud, der ihn ihr vorausgesetzt sah, verharrte noch ganz im Denken der Aufklärung, welche zuvorderst die sinnliche Basis der Erkenntnis in einer ihr vorausgesetzten Natur vermeinte. Solche Aufklärung ist die verfängliche Weltsicht des Bürgertums, das nicht begreifen kann und will, dass die Natur im Menschen vollständig aufgeht und sein Geist eine hiervon unabtrennbare Eigenschaft ist. Die vermenschlichte Natur ist als natürlicher Mensch nicht gespalten in Sinn und Geist. Wenn sie gespalten erscheint, so durch die Lebensverhältnisse, die Menschen als gesellschaftliche Verghältnisse entwickelt haben. Die Verselbständigung ihrer Sinne zu Trieben entspricht daher vorzüglich der Verselbständigung ihres Reichtums zu Kapital.

Die Psyche hat sich damit selbst nun vollständig in das Prinzip ihrer Veräußerung gestellt: Je mehr ihr an wirklichem Leben ermangelt, desto notwendiger wird der Trieb zu ihrer Befriedigung und desto geringer wird ihr Erkenntnisvermögen gegen die Objekte ihrer Begierde. Das sogenannte Lustprinzip (Sigmund Freud) bringt nicht das Glück, das darin versprochen ist und an das die Psyche glaubt. Im Gegenteil: Im Verhältnis zu den einverleibten Objekten wird auch die Psyche immer substanzloser und muss früher oder später ihre Sinnentleerung als ihre selbsterzeugte Gegebenheit erkennen.

Der Prozess der Selbstverwirklichung kann sich nur in Momenten der Lust, des Glücks und der Begeisterung für das eigene Leben erweisen. Aber dahin kann das triebhafte Begehren nur zufällig und Hin und Da kommen, nicht wirklich sich darin einfinden. In der Tat erzeugt es ganz allgemein das Gegenteil: Sinnentleerung. Je mehr die Einverleibung in die Selbstgergenenständlichung modifiziert, muss sie ihr Gemüt aus der Wirkung ihrer Selbstgestaltung gewinnen. In ihrem Luststreben scheint immer wieder nur die Leere ihrer Sinnlichkeit auf, vor allem in der Unendlichkeit ihres Befriedigungsstreben, ihrer Getriebenheit. Auf Dauer ergibt sich das Resultat aller Bestrebungen, welche die Selbstverwirklichung angetrieben hatte, als ihr eigenes Gegenteil: Als Selbstentwirklichung. Um selbst für sich wirklich zu werden, treibt es die Menschen zu allerlei Unsinn, damit sie darin lustig bleiben und weiterhin ihre Lust bewahren können.

Es war der Ausgangspunkt, dass die Psyche ihre Selbstvergegenwärtigung nur in anderen erlangen kann und diese findet, indem sie Ereignisse produziert, in denen sich die Selbstgefühle der zwischenmenschlichen Beziehungen versammeln, worin sie ihr Gemüt wahrhat. Nun hat sich das Verhältnis umgekehrt: Indem die Psyche in dieser Versammlung nur ihre Wirkung finden kann, also sich allgemein zu erkennen in anderen Menschen bestätigt sieht, wird sie blind für ihre Selbstwahrnehmung. Sie gerät in eine Selbsttäuschung, indem sie durch ihre Wirkung auf andere bestärkt wird.

Von daher entwertet ihr Luststreben jeden Sinn. Was solcher Selbstverwirklichung dient, erzeugt nur unruhige Geister und unendlich hungrige Körper, die in Wirklichkeit gar nichts für sich selbst bleiben, geschweige denn etwas werden, worin sich die Selbstbezogenheiten wirklich zusammenfinden können. Für die Psyche als bestimmte Form des Selbstwerts wird dies selbst unsinnig. Die Psyche erlebt sich so auch bald insgesamt als sich selbst inadäquart, als minderwertig, so sie sich nicht in eine Gesamtheit des Erlebens begibt, in eine Selbstbezogenheit ihrer Ästhetik. Ihre Absicht wird von daher zu einem Willen, der sie als ästhetischer Wille ihrer Notwendigkeiten, als Begehren nach einer Ganzheit ihrer Gefühle, nach einer persönlichen Selbstwahrnehmung, welche ihre bloße Begehrlichkeiten überwindet und ihre Wahrnehmungen und Triebe zu handhaben versteht, ohne den Gespaltenheit ihrer Erlebnissen weiterhin ausgesetzt zu sein, ohne sie erleiden und erkennen zu müssen. Erst in einer solchen Selbstwahrnehmung, die als Resultat der Selbstverwirklichung erscheint, werden sich die Momente des Seelischen, dessen selbständig gewordene Geistes- und Körperformen, auf irgendeine Art und Weise und in der besonderen Formation ihrer Lebenszusammenhänge zusammenfinden in dem, was das auf dieses Weise formbestimmte Leben in sie einprägt - als bestimmter Charakter der Selbstverwirklichung und Selbstwahrnehmung, einer Gegenwärtigkeit seiner selbst, welche schon in der Wahrnehmung sortiert und ordnet, was zur eigenen Wahrnehmungsidentität genommen wird und was nicht. Es ist die erste Stufe der Bestimmung einer ausgeschlossenen Wahrnehmungen, einer Wahrnehmung, die fremd empfunden wird, weil sie der eigenen Wahrnehmungsidentität zuwider ist. Von daher ist die Selbstkontrolle der Ausgangspunkt und die Grundlage für die Verwirklichung eines ästhetischen Willens, der in der Selbstvergegenwärtigung einer persönlichen Wahrnehmung entsteht. Er ist die wesentliche Substanz, welche sich wie ein Resultat der Selbstfindung aus den Prozessen der Selbstverwirklichung ergibt: Die selbst gewollte Wahrnehmung einer Vergegenwärtigung, die man durch sich selbst nur in der Wahrnehmung - also durch ein Arrangement der Empfindungen und Gefühle - haben kann. Damit wird schließlich alle Nichtigkeit, welche die Selbstgefühle unter der Bestimmung des Selbstwerts haben, überwunden und sie erscheinen wie ein Mehrwert der Selbstwahrnehmung im Selbstgefühl. Es geht dabei allerdings nicht einfach frei und zufällig zu; schließlich geht es um eine Selbstüberwindung, welche mehr für die Selbstwahrnehmung erbringen muss, als die wirkliche Wahrnehmung von sich selbst haben kann.

Der Bedarf nach Selbstwert hat sich im Willen der Selbstwahrnehmung verselbständigt, bleibt zwar abhängig von den Umständen jedmöglicher Selbstvergegenwärtigung, muss sich aber zugleich ihrem Aufwand entziehen, um sich durch den Adel seiner ästhetischen Gegenwart hiervon zu emanzipieren. In der edlen Selbstvergegenwärtigung sind alle Selbstbeziehungen unterworfen, die darin ihren Wert suchen. Der Selbstadel ist die höhere Form der Einverleibung ästhetischer Beziehungen. Doch er hat den großen Mangel, sich nicht durch sich selbst erfüllen und erhalten zu können. Er muss sich als mächtige Selbstbeziehung aus der Einverleibung ohnmächtiger Selbstwahrnehmungen durchsetzen, also wirklichen Selbstwert gegen sie veräußern.

Die Selbstvergegenwärtigung hat damit erst einen wirklichen Sinn bekommen: Sie bestimmt sich aus der wirklichen Entfremdung von der Welt, um die Selbstentfremdung zu verwirklichen. Alle Gefühle zur Welt werden zum Selbstgefühl einer Selbstüberhebung über diese, um die Selbstentfremdung als Selbstverwirklichung zu vollziehen. Indem die Gefühle dem Inhalt nach das negieren, was sie wahrhaben, werden sie selbst zum Mittel dieser Verkehrung, zur Empfindung einer negierten Selbstwahrnehmung. Als Empfindung können solche Gefühle ihren eigenen Ursprung überwinden und sich gegen alle andere Wahrnehmung behaupten und verallgemeinern.

Das Selbst, das es an und für sich nicht wirklich gibt, wird dadurch wirklich, dass es diese Verkehrung in den Wahrnehmungsverhältnissen betreibt. Es nimmt sie so wahr, dass das eigene Selbstgefühl mächtiger wird, als das Gefühl für Wirklichkeit schlechthin sein kann. Die Selbstveredelung bleibt damit nicht einfach eine passive Beziehung auf sich selbst; sie wird zum Akteur aller Selbstvergegenwärtigungen, welche aus der Selbstüberwindung hervorgehen.

Dabei werden dann alle zwischenmenschlichen Ereignisse zum Stoff einer Selbstwirklichung, die sich im Grunde nur aus der Abgrenzung aller Störungen der Selbstwahrnehmung heraussetzt, indem sie Ort und Raum der Selbstwahrnehmung bestimmt, wie auch die Art und Weise der Begegnungen selbst.

An sich ist die Selbstvergegenwärtigung nichts anderes als eine durch Selbstentfremdung notwendig gewordene Gegenwart einer Wahrnehmung, die nichts Wirkliches mehr wahrnimmt. In der edlen Formation eines Narzissmus erhebt sie sich aber nun über die Wahrnehmung überhaupt, indem sie die Beziehungen, worin sie stattfindet, als ausschließliche Selbstwahrnehmung wahr nimmt und diese als Möglichkeit zur Selbstveredlung nutzt, um die Wahrnehmung überhaupt über sich hinwegzutäuschen. Die über alles erhabene Selbstwahrnehmung unterwirft in ihrer Eigenliebe alle Wahrnehmungen einer Selbstbezogenheit, die nichts anderes außer sich selbst wahrhaben darf, wiewohl sie daraus besteht, dies wahrhaben zu müssen. Sie leidet an den vielen Fremdheiten und übermächtigen Eindrücken aus einer Welt, die nicht die ihre sein darf und also auch nichts für sie sein kann. Somit hat sie sich in einer Welt wahr, die nicht wahr sein kann.

Notwendig war die veredelte Selbstbeziehung durch die Verkehrung der Wahrnehmung geworden, die zur Folge hatte, dass ihre Inhalte durch ihre eigenen Erregungen bestimmt wurden. Jetzt bestimmt sie selbst die Inhalte dessen, was sich in ihr regen soll. Die Selbsterregung ist der Grund für ihre Wahrnehmung geworden, die nichts anderes mehr für sich gewahr haben will, als was sie als eigene Regungen nötig hat. Menschen, die sich zum Beziehungsfokus anderer Menschen gemacht haben, können sich durch deren Beziehung auf sich erregen und diese Selbsterregung wieder als Lohn ihrer Regsamkeit darstellen. Narzissmus ist nicht einfach eine Selbstbespiegelung, sondern ein Beziehungsgeschäft, das gegen eine schlechte Welt jenseits der Selbstbeziehungen abgeschlossen wird und sie ausschließlich macht. Dieses Verhältnis verteilt Macht und Ohnmacht der Selbstwertigkeiten ja nach Wirkung auf die Güte der zwischenmenschlichen Beziehungen, die im Narzissmus vereint sind. Allerdings ist deren Einigkeit höchst brüchig, denn die Hochs und Tiefs dieser Beziehungen eröffnen Abgründe, die durch nichts erklärbar sind, weil sie unter sich nichts haben können.

Alle Momente dieser Beziehungen unterliegen jetzt ihrer Besonderheit als selbstermächtigte Wahrnehmungsidentität. Ihr Narzissmus beruht also nicht auf einer bloßen Selbstsucht, sondern auf der Notwendigkeit, sich über die Wahrnehmungswirklichkeit selbst zu stellen, um die Selbstentfremdung leben zu können, die sie zugleich dadurch verneinen, dass es die Welt sein muss, die sie beherrscht. Aber die Welt, das sind zugleich sie selbst.

Die Psyche muss sich zum Erhalt ihrer Selbstbehauptungen nun gegen die sie hierbei störenden Wahrnehmungen verhalten und das ausschließenen, was sie in Frage stellen könnte, was sie also wahr hat und nicht wahrnehmen darf, weil ihr nun hoch entwickelter und in der Symbiose ihrer Selbstbehauptungen verselbständigter Narzissmus jeden Zweifel fürchtet, weil er unbrüchlich, also unbezweifelbar sein muss, denn er gründet gerade darauf, das ihre symbiotische Selbstbehauptung aus den Einverleibungen ihrerzwischenmenschlichen Verhältnissen zehrt und deren Widersprüche zugleich aufzulösen hat und sie entgegenwärtigen muss.

Entgegenwärtigung entsteht aus der Entwirklichung eines Verhältnisses, das sich widerspricht. Sein Grund zeigt sich nicht, sondern setzt sich hinter dem Rücken der Beteiligten durch und verlangt nach einer Gegenwärtigkeit, die substanziell grundlos erscheint. Vergegenwärtigung soll das abwesend gemachte der Form nach herstellen, ist das zur Anwesenheit bringen eines abwesenden Sinns, der im Gedächtnis sein muss, weil er die Form dieses Verhältnises als bestimmte Form wahrhat, als diese aber nicht erkennen kann.

So wird eine objektive Formbestimmung dadurch zu einer subjektiven, dass sie in ihrer psychisch gewordenen Absicht nach Vergenwärtigung strebt. Was eine Seele zu ihrer Selbstvergegenwärtigung nötig hat, wird hierdurch zu einem psychischen Verhältnis, das sich ihrer Selbstwahrnehmung entfremdet. Durch den Drang nach deren Vergegenwärtigung, wenn er zum Trieb wird, wird das Gedächtnis zum Ort einer negativen Bestimmtheit der Wahrnehmung und vor allem der Empfindung. Die Psychologie spricht dann von Verdrängung.

Die von der Psyche ausgeschlossene Selbstwahrnehmung treibt nun ihre Blüten aus der Form dessen heraus, was sie außer sich von sich selbst in ihrer Wahrnehmung ausgeschlossen hat. In Wahrheit treten hieraus nämlich nicht einfache Selbstbestätigungen hervor, sondern ganz im Gegenteil: Verneinungen. Aber ganz von ihrer narzistischen Bestätigungssucht beherrscht muss die Psyche nun auch diese beherrschen. Sie muss abwehren, was ihrer Beziehungen auf andere als Form ihrer Selbstbeziehung zur Folge hat: Sie muss die Wahrheit dieser Wirkung unterbinden.

Wir hatten bereits die ersten Bestimmungen der Selbstvergegenwärtigung des Narzissmus oben erwähnt: Die Nichtigsetzung aller dem Narziss fremden Selbstwahrnehmung. Diese geschieht aber nicht einfach durch wegsehen, sondern muss von einem Selbst betrieben werden, das in der Lage ist, fremde Selbstwahrnehmungen so zu nutzen, dass sie zum Inhalt des Selbstgefühls werden. Das war ihre zweite Bestimmung. Diese versetzt die in der seelischen Beziehung schon angelegte Egozentrik in die Notwendigkeit, sich gegen die Wirkungen fremder Gefühle überhaupt zu wehren, indem diese den eigenen Gefühlen unterstellt und als solche empfunden werden. Es findet damit eine Wendung in der Wahrnehmung selbst statt: Als Inhalt eigener Gefühle wird das Fremde dadurch zu eigen gemacht, dass es in seiner Wirklichkeit negiert wird, dass also alle Wirkung, die es hat, als Wirklichkeit einer an und für sich fremden Wirklichkeit empfunden wird und sich hierdurch ein Selbstgefühl errichtet, das gegen alles Fremde immun ist, sich als eine allgemein besonderte Selbstwahrnehmung verhält. Die Selbstentfremdung der Wahrnehmung erscheint nun dadurch als Selbstverwirklichung, dass die Wirklichkeit als Macht der Entfremdung empfunden wird.

Im Grunde handelt es sich um eine Verkehrung aller Wahrnehmungsinhalte zu Objekten der Selbstwahrnehmung, die mehr oder weniger vollständig von den wirklichen Inhalten der zwischenmenschlichen Beziehungen, auf denen sie beruhen, absehen und sich doch gerade hierzu verhalten. Sie müssen sich dahin entwickeln, diese Beziehungen selbst zum Mittel einer verkehrten Selbstwahrnehmung werden zu lassen, weil sie nicht wahrnehmen können, was sie durch sich wahrhaben. Dieses Nichts, das sie geadeltn haben, erbringt zugleich ihren Zerfall, wenn sie in ihren Beziehungen erkennen müssen, dass da etwas ist, das nicht wahr sein darf.

Die von Sigmund Freud beschriebenen Abwehrmechanismen sind nichts anderes als die Form, mit solcher Erkenntnis umzugehen. Aber nicht eine verborgene Absicht betreibt eine Verdrängung oder Verschiebung oder Verkehrung der Beziehungsinhalte in der Wahrnehmung, sondern die Notwendigkeit der Selbstvergegenwärtigung in Verhältnissen, worin sie selbst nur durch Selbstgewinn zu bewähren sind. Eine Verdrängung erfolgt also nicht aus gierigem Bedarf, sondern aus dem Selbsterhalt einer notwendig gewordenen Selbstentfremdung.

Die Menschen müssen sich daher gegen die Wahrheit zur Wehr setzen, die nicht sein darf, weil nicht sein kann, was Nichts ist. Und dies erfordert einige Wahrnehmungskunst, die sich in den ästhetischen Figurationen der Wahrnehmung bis zum Wahnsinn verselbständigen kann (hierüber mehr im 2. Buch). Doch zunächst handelt es sich lediglich um eine Bedrängung der Wahrnehmung, die sich aus der Verdrängung ihrer Inhalte ergibt und bis zu deren Verkehrung in ihr Gegenteil reicht.

Die Verdrängung einer Wahrnehmung wird durch einen Gegensinn betrieben, der als eigenständige Wahrnehmungsform gegen einen Inhalt auftritt, der wahr gehabt wird, aber nicht wahr sein soll, um eine notwendige Selbstbehauptung nicht zu gefährden. Dieser Gegensinn wird in der Absicht betrieben, diese Wahrnehmung durch eine Vorstellung auszuschließen, die sie verstellt und verkehrt. Er bezieht seine Substanz aus dem abwesenden Sinn einer Symbiose, der durch diese Vorstellung vergegenwärtigt wird. Es handelt sich also um eine in sich verkehrte Selbstvergegenwärtigung, die sich dadurch beweist, dass es Angst macht, ihre Absicht zu erkennen. Diese Verkehrung zu bearbeiten erfordert die Verarbeitung der Angst als Ausdruck einer symbiotischen Selbstbehauptung.

Verdrängen kann man etwas oder jemanden, indem man es oder ihn in den Hintergrund drängt, ausschließt oder ersetzt. Es ist lediglich die Art, worin sich die Erzeugung einer Abwesenheit unterscheidet. Aber seine Anwesenheit, die damit ja nicht ausgeschaltet ist, wirkt dennoch ganz verschieden, je nach dem, in welcher Form sie fortbesteht. Im Hintergrund wirkt sie durch den Vordergrund hindurch, also durch das, mit was sie verstellt ist. Als Ausgeschlossenes wirkt es durch die Grenzen hindurch, durch die Mauern, die es verheimlichen, unheimlich machen. Im Ersatz wirkt es unmittelbar durch Täuschung, also dadurch, dass es sich als etwas anderes dasrstellt, als es in Wahrheit ist. In diesen Unterschieden wirken die Verdängungsmechanismen, die allerdings etwas ganz anderes sind, als eine Mechanik es sein kann, denn sie stehen in einer dialektischen Beziehung, in der substanziell eine Form durch das bestimmt ist, was sie nicht sein kann und dennoch sein muss, was ihren Inhalt ausmacht (siehe Formbestimmung). Es ist die doppelte Bestimmung des Verhaltens, das sich in seinem Verhältnis verfangen hat, in dem was unmöglich sein kann, obwohl es wahr ist. Es erscheint daher in einer verkehrten Form, in einer Verkehrung seiner Wahrheit als Täuschung.

Wenn die eigene Gegenwärtigkeit durch Erinnerungen, Gefühle oder Ereignisse bedrängt wird, die für sie nicht wahr sein dürfen, weil sie auf deren Verdrängung beruht, so kommen diese nicht als solche wahrnehmbar für die Selbstwahrnehmung auf, sondern dadurch, dass sie diese Gegenwärtigkeit als solche beeinflussen oder blockieren, sich als Entgegenwärtigung bemerkbar machen, die sinnliche Wahrnehmung selbst beeinträchtigen oder sogar ganz ausschalten. Die Verdrängung beruht darauf, dass eine Wahrheit vergegenwärtigt wird, weil sie der Selbstwahrnehmung widerspricht, weil sie das wäre, was für ihren Narzissmus nicht gelten darf. Sie beruht also auf der Selbstwahrnehmung einer Unwahrheit, welche sich im Narzissmus zu sich selbst verhält. Sie ist die leibhaftige Kritik des Narzissmus. Und diese macht den verdrängten Gehalt der Selbstwahrnehmung aus - nicht direkt als Inhalt, sondern als bloßer Sinn des Ungegenwärtigen in der Form der Selbstvergegenwärtigung, also in der Art und Weise ihrer Beeinflussung.

Die narzistische Identität ist von dieser Seite her recht mühsam. Immer wieder geraten Gefühle in die Wahrnehmung, die sie nicht wahrhaben kann. Deren Verdrängung blockiert gerade die wesentliche Absicht der narzisstischen Wahrnehmung, sich durch Selbstveredelung zu vergegenwärtigen. So werden diese Gefühle (und Erinnerungen) als Verräter behandelt und geahndet. Es kostet Kraft und Ausdauer und verlangt vor allem eine Selbstkontrolle, die über ihren ursprünglichen Zweck, die Selbstwahrnehmung auf ihre Selbstverwirklichung auszurichten, hinausgreift. Von daher sind verdrängte Gefühle Kraft zehrend und beeinträchtigen die Fähigkeit, sich als das zu vergegenwärtigen, was der Selbstverwirklichung dienlich ist. Sie bewirken immmer wieder die Krisen der Selbstverwirklichung und können auf Dauer ein Desaster auslösen, besonders wenn sie den Lebensraum der Menschen selbst bestimmen (siehe Buch 2, z.B. Familie und objektives Selbstgefühl).

Der Grund für die Selbsttäuschung der Wahrnehmung ist ein wesentlicher Mangel der Selbstwahrnehmung: sie hat sich selbst wahr und muss ihre Wahrheit zugleich meiden. Es ist die durch eine Empfindung negierte Gefühlsidentität, die durch das ausgeschlossen wird, was darin wahrgehabt ist. Die Psyche schließt sich als Gedächtnis der Selbstgefühle gegen diese Wahrheit ab, um ein Selbstgefühl zu bewahren, das sich nicht mehr bewähren kann, das also eine Psyche gegen diese Wahrnehmung bewahrheiten muss, die durch diese in Frage gestellt ist. Sie erzeugt daher eine Fehlleistung, die im Grunde nur ihre eigene Wahrheit alseine Täuschung herrichtet, mit der die Wahrnehmung reibungslos intakt zu bleiben scheint, während sie allerding ihre Gegenwärtigkeit in dem Maße verliert, wie sie hiermit ihre Gewissheit sich entfremdet. Ihre Gegenwart wird durch die psychischen Absichten bestimmt, die sich gegen ihre Wahrnehmung als Ganzes richten.

Diese Fehlleistungen werden in der Psychoanalyse als Verdrängungsmechanismen beschrieben, die sich dort allerdings nicht stimmig erschließen lassen, weil sie bloß aus dem Subjekt der Verdrängung begriffen werden, meist als Verstoß gegen selbvst gesetzte Tabus oder Moralvorstellungen. Die bekannten Fehlleistungen bestehen als Verkehrung ins Gegenteil, Verschiebung oder Projektion, Ungeschehen machen, Vergessen. Durch diese finden Reaktionsbildung statt, die sich als Konversion und Regression erkennen lassen. Was bei Freud noch substanziell als triebökonomischer Gewinn verstanden wird, wird von anderen Autoren immer substanzloser aufgefasst. So werden diese Mechanismen bei anderen Autoren auch als Aggression, Isolation, Sublimation, Rationalisierung, Kompensation beschrieben.

Die Psychoanalyse sieht Verdrängung in einem rein subjektiven Zweck des Erlebens begründet, nämlich der Unlust-Vermeidung, in welcher aber zur Aufrechterhaltung der Verdrängungsarbeit Energie verbraucht würde. Sie ist hiernach eine zrikulär gewordene Unlust zugunsten einer ihr fremd gewordenen Lust, also nicht durch eine widersprüchliche Erkenntnisse begründet (siehe hierzu den Widerspruch von Empfindung und Gefühl oder dem Wahrnehmen und dem Wahrhaben). Weil sie darin nicht den Ausschluss eines unmöglich gewordenen Bewusstseins begreift, kann sie auch nicht die Unmöglichkeit einer Gewissheit in bestimmten zwischenmenschlichen Verhältnissen auffassen. Verdrängung ist nach ihrer Auffassung ein rein innersubjektiver Vorgang, der sich gegen bestimmte Wirkungen der Wahrnehmung verhält. Daher begründet sie das Interesse an der Abwehr bestimmter Erlebensweisen, die durch Verdängungsmechanismen sich erklären ließen (z.B. Verkehrung ins Gegenteil, Ungeschehen machen), durch ein innerpsychisches Triebgeschehen, dem eine Person nicht gewachsen sei. Nicht die Verhältnisse bestimmen damit eine Wahrnehmung so, dass sie sich dagegen setzt, was sie wahrhat. Stattdessen soll es die Psyche selbst sein, die durch die Verschiebung von verdrängten Wahrnehmungsinhalten in unbewusste Bereiche des psychischen Apparats (Freud) , die lediglich durch Introspektion zugänglich sind, sich vor ihrem Begehren schützt. Es würden hierdurch Verhaltensweisen bestimmt, die alleine der Integrität der Psyche dienen, also dazu da sind, das Ich funktional zu halten.

Weil das Unbewusste nach dem Verständnis der Psychoanalyse als Trieb einen eigenen innerpsychischen Machtbereich mit entsprechenden Mechanismen errichtet, der durch den Notwendigkeit einer Not bei der Realisierung eines unmöglichen Wunsches quasi automatisch in Gang gesetzt wird, um letztlich einen Triebkonflikt zu beherrschen, sei seine Abdrängung von den Ich-Leistungen nötig. Die Verdrängung ist hiernach ein Begriff konflikthaften Begehrens, welcher aufgelöst werden müsse durch Bewusstsein und Selbstdisziplin (Funktionen des sogenannten Über-Ichs) und Selbstbescheidung, die zu einer Versöhnung gegensätzlicher Persönlichkeitsanteile in einem Menschen nötig sei. Was die Selbstverwertung in zwischenmenschlichen Verhältnissen objektiv aufzwingt, wird somit als Kraftakt der Selbstbeschränkung für notwendig gehalten. Darin verbirgt sich der Zynismus der Psychoanalyse gegen den Schmerz der Erkenntnis (s.a. Verzweiflung), wie er ihr in der ganzen Fassung des Verhältnisses von Bedürfnis (Begehren) und Wirklichkeit (Realität) zugegen und wie er als Zwangsverhältnis von Geist und Sinn der ganzen Aufklärung zu eigen ist.

Die Selbstvergegenwärtigung hat nun Folgen für die Selbstwahrnehmung in der Verkehrung ihrer sinnlichen Substanz: Ihr Sinn hat seine materielle Natur verloren und erscheint nun selbst als Ausdruck ihrer Absichten, wirkt sozusagen rein psychisch. Die Wahrnehmung wird durch eine Selbstwahrnehmung bestimmt, welche nur noch nach ihrer Verkehrung verlangt. Die Wahrnehmung selbst kann ihr nur folgen, weil sie verkehrte Selbstwahrnehmung ist, die ihre Verwirklichung in der Wahrnehmung suchen, finden und empfinden muss.

Es handelt sich hierbei um eine völlig normale Verrücktheit: Jede Empfindung wird gefühlsnotwendig, wird also schon unmittelbar selbst zur Gefühlsempfindung. Menschen empfinden ihre Beziehung auf andere Menschen schon unmittelbar als das, was sie von sich darin vergegenwärtigen, - empfinden also nichts. Und sie kommen damit auf sich als einen Menschen zurück, der sich im Grunde völlig fremd geworden ist, in dem er empfindet , was er für sich ist, was er also nicht ist, weil er für sich nicht wirklich und also nur in der Wahrnehmung sein kann. Es mag da Schmerzen, Ärger, Bedrohung, Freude usw. geben; doch die empfinden sie nicht mehr als Gefühl, das sie haben. Es ist ihre ausschließliche Gegenwart, totales Selbstgefühl als Gefühlsempfindung ihrer Welt.

Ihre Beziehung auf diese verläuft durch eine ungeuerliche Maskerade, die dadurch zu einer eigenen Wirklichkeit wird, dass sie der Welt ein Gesicht zeigt, in welchem das steht, was Wirkung macht, - nicht einfach Eindruck, sondern wirklich auf diese Beziehungen insgesamt so wirkt, wie sie für den Menschen hinter der Maske sein müssen, dass er damit auch leben kann. Die Wirklichkeit wird hierdurch zu seiner ausschließlichen Wirklichkeit, in der er nicht mehr wahrnimmt, wie er sich wahrhat, wie er davon sich gefangen nehmen und beherrschen lässt. Im Gegensteil: Er sieht sich gänzlich eins mit seiner Welt, entlastet von der Mühsal der psychischen Sorgen und meisterlich in seiner Selbstbeherrschung. Soweit solche Beziehung auch wirklich funktioniert ist sie allerdings rein ästhetisch, also selbst Wahrnehmungsform - eben eine Maskerade, die ihre Welt zu dem macht, was sich im Grunde von selbst ausschließt, und damit zugleich ausschließt, was keine sich adäquate Maske hat. Es sind keine Minderwertigkeitsgefühle, durch die es sich ausgrenzt, sondern schlichte Unmöglichkeit, sich auf das zu beziehen, was in Wirklichkeit nicht sein kann. Wer in dieser Maskerade nicht mitmacht, ist außen vor.

Die vollständige Selbstentfremdung, wie sie durch Selbstveredlung angelegt und verstetigt wird, entsteht nicht durch die Beziehungen, auf denen sie beruht. Diese haben immer noch den Mangel einer Wirklichkeit an sich. Und diese verunmöglicht es, den allgemeinen Narzismus in der Wahrnehmung auch vollständig durchzusetzen. Sie stört eben permanent. Von daher wird sich die Selbstwahrnehmung erst vollständig fremd, indem sie sich selbst ästhetisiert, indem sie also jenseits aller Beziehungen auf Menschen ihrem abgehobenen Wesen in seinem Edelmut verfällt. In einer permanenten Selbstbereinigung verschaffen sich Menschen das Gesicht, durch welches sie sich in ihrer Selbstveredelung dadurch wahrhaben wollen, dass sein Abbild Wirkung hat, zu zwischenmenschlicher Wirklichkeit wird, wenn also das, was Menschen von sich wahrnehmen, gewendet ist in eine Wirklichkeit, in der allgemein das zum Ausdruck kommt, was sie von sich wahrmachen müssen, um ihre durch sich selbst beschränkte Einzelheit in ihrer persönlichen Allgemeinform wahrhaben zu können.

Erst in der Maske ihrer Edelmütigkeit finden sie für die Verwirklichung ihrer Gefühlsempfindungen die nötige Allgemeinheit für sich, aus der sich nun ihre Person zu klären vermag. Diese Klärung wäre ein bloßer Selbstverlust, wenn sich nicht die ganze Wahrnehmung hiernach personifizieren würde. Die bürgerliche Persönlichkeit entsteht aus der allgemeinen Objektivation ihrer Selbstgefühle zu einer Seinsweise ihrer Selbstveredelung, also als eine nur auf sich selbst zurückfallende Wahrnehmung, durch die sie ihrer Gegenwärtigkeit durch die Einverleibung veräußerter Selbstgefühle erlangt, aber zugleich ihre Wahrheit verkehren müssen, um sich in diesem Verhältnis auch zu finden und zu bestärken. Jede Gewissheit beschränkt sich somit unmitelbar nur auf das Selbstgefühl einer Selbstveredelung und wird hierdurch zu einer ungebrochenen Selbstüberhebung über alle Wirkungen, welche diese Welt hat. Der Gewinn an dieser verkehrten Welt ist immerhin dann das Gefühl einer Selbstbestimmtheit, einer autarken Wahrnehmung, die sich nicht mehr mitteilen muss, so dass ihr gelungen ist, sich selbst zu vergessen, also vor allem vergessen hat, dass sie sich garnicht mehr mitteilen kann. Die Psyche hat somit ihre eigenen Grundlagen, das Gedächtnis ihrer Gefühle aufgehoben.

(1) Diese Leistungen sind wohl das, was Freud Ich-Leistungen nannte. Man könnte auch sagen, dass das Selbstwertgefühl nun in der Form eines Ichs sich fortentwickelt. Aber die Ich-Psychologie sucht dem Ich immer eie positive Sustanz anzudichten, um ihm ein apartes Wesen zu verleihen. Gerade da aber widerspricht sie sich. denn wenn die Nedtivität des Ichs selbst nicht begriffen ist, wird man nach der Substanz seiner Tätgkeit endlos suchen müssen. Die Selbstverwirklichung resultiert eigentlich auf einer Entwirklichung, die aber als eine Wirklichkeit durch die sogenannten Ich-Entwicklung aufgefasst wird. Doch ein solcher Begriff bleibt widersinnig, behauptet er doch implizit, dass diese Entwicklung im Menschen selbst sich ereignen würde und daher eine unmittelbar menschliche Substanz habe. Die aber war schon im Es vergeben, und so würde sich das Ich also doch nur hieraus speisen können, nur dessen Vollstrecker und dennoch Kontrolleur sein können, um höhere Befriedigungsformen, Genuß der Kultivation beizubringen - so Freud. Doch damit führt er eine gänzlich neue Substanz ein, die vom Kulturbegrifff abhängig ist. Und es düfte demnach auch keine negative Gewalt der Kultur geben; jedes Ich müsste sich hiergegen sträuben. Doch das Gegenteil war in den Kriegszeiten des 20. Jahrhundertzs der Fall. Die Menschen fanatisierten sich gerade hin zur Vernichtung. Folgerichtig scheiterte Freud in der Erklärung von Krieg und Rassismus und musste deshalb einen Todestrieb einführen - ein Zerwürfnis der gesamten Ich-Psychlogie.

Doch der größte Irrtum der Psychoanalyse ist nicht dies, sondern die Dichotomie eines quasi naturhaften Es, welches den ganzuen psychischen Apparat (Freud) bestimmen würde. Was hier einem Es zugeschrieben wird ist nicht Grund sondern Folge der sogenannten Ich-Funktionen. Erst im Nachhinein ihrer Wahrnehmungstättigkeit - und nicht dem vorausgehend . verselbständigt sich ein Lusterleben als Beziehungsform, die wie eine Kraft der Natur über die Menschen kommt, obgleich sie nichts anderes ist als die Kraft ausgeschlossener Gesellschaftlichkeit der menschlichen Sinne. Dazu nun mehr.

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