Verblendungszusammenhang

Aus kulturkritik

"Verblendungszusammenhang ist ein Grundthema europäischer Dichtung und Philosophie seit den homerischen Epen. Im frühgriechischen Denken bezeichnet das von dem Verb abgeleitete Verbalnomen Verwirrung zumeist einen Komplex von zusammengehörigen Vorstellungen: die von Göttern gesandte Verwirrung der Sinne – die dadurch ausgelöste Fehlhandlung des Menschen – der daraus resultierende Schaden. Der Begriff Verblendungszusammenhang wird gebildet, indem in unterschiedlicher Weise vom erwirkten Schaden und Unheil her auf deren Ursachen reflektiert wird." (entnommen aus Schwabe online)

Verblendungszusammenhang ist ein in der Nachkriegszeit besonders von Theodor W. Adorno ersatzweise und alternativ zur Befriedung und Entfremdung verwendeten Begriff, der eine Verblendug der Menschen durch die "Falschheit" der Medien und der Kommunikationsindustrie begründen sollte (siehe auch politische Ästhetik). Es ist die bescheidene Behauptung, dass die Täuschungen der kapitalistischen Verhältnisse keinen wirklichen Grund haben, der vor allem durch die Vereinzelung der Menschen begründet und perpetuiert werden, dass sie lediglich eine Störung der Wahrnehmung wären, die sich durch die Einwändungen einer kritischen Theorie auflösen ließe. Sein Anliegen war die Aufhebung der Verblendungen, die er als Grund der Illusionen des bürgerlichen Bewusstseins ansah und durch deren Kritik am Subjekt (siehe Subjektkritik) mittels einer kritischen Theorie (siehe auch Ideologiekritik) durch die Veränderung des bürgerlichen Bewusstseins ein wahres Bewusstsein über das "wahre Leben" gegen das verstümmelte Selbstbewusstsein der bürgerlichen Subjekte über eine Position der "negativen Dialektik", der systematisierten "Falschheit" des bürgerlichen Bewusstseins zu schaffen (siehe auch Selbstgerechtigkeit), dem die revolutionäre Aufhebung einer verblendenden Kultur nötig gemacht werden sollte um hierdurch den Kapitalismus aufzuheben. Diesem Glauben war schon Marx in seinen Frühschriften entgegengetreten (siehe auch Proudhonismus):

"Herr Proudhon ist von Kopf bis Fuß Philosoph, Ökonom des Kleinbürgertums. In einer fortgeschrittenen Gesellschaft und durch den Zwang seiner Lage wird der Kleinbürger einesteils Sozialist, anderenteils Ökonom, d.h., er ist geblendet von der Herrlichkeit der großen Bourgeoisie und hat Mitgefühl für die Leiden des Volkes. Er ist Bourgeois und Volk zugleich. Im Innersten seines Gewissens schmeichelt er sich, unparteiisch zu sein, das rechte Gleichgewicht gefunden zu haben, das den Anspruch erhebt, etwas anderes zu sein als das rechte juste-milieu. Ein solcher Kleinbürger vergöttlicht den Widerspruch, weil der Widerspruch der Kern seines Wesens ist. Er selber ist bloß der soziale Widerspruch in Aktion." (MEW 4. S. 557)

Was Adorno aber im Wesentlichten betrieb war die Verwechslung – bzw. Gleichsetzung – von Bewusstsein und Kultur. Damit war ihm die Möglichkeit entgangen, seine "Kulturkritik" der Philosophie zu entziehen. Ganz im Gegenteil: Er vertauschte die Elemente (siehe Täuschung) der bürgerlichen Kultur in eine neuartige Interpretation eines hegelianischen Selbstbewusstseins einer ästhetischen Theorie, die vor allem darüber hinweg sah, dass die Wahrnehmung selbst zur Elementarform der bürgerlichen Kultur geworden war. Die Kleinbürger der Mittelschicht waren 1947 mit den Wiederaufbau der Finanzindustrie über den Marshallplan der USA, mit der "Befreiung" der Nationalsozialisten aus ihrer selbst verschuldeten Dummheit zum Edelmut der Genügsamkeit eines erneuerten Schuldgeldsystems konvertiert. So waren sie mit ihrem "Endsieg" in den Nachkriegsjahren zu Bildungsbürger geworden, deren Lebenswerte im Dazwischensein von der Verbildlichung ihrer Lebensvorstellungen und ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeit (siehe hierzu auch Verrücktheit) auf dem Warenmarkt (siehe Warentausch) sich auf das Sowohl-Als-Auch ihrer Einkommen wie Ausgaben beschränkt (siehe hierzu auch Bildungsbürger), spekulieren schon durch ihren Geldbesitz auf eine unbeschränkte Existenz, die sich um sie selbst, also um ihr Geld zwischen seinem Wert und seinem Tauschwert – sprich: Preis ihrer Existenz – abspielt. Im Zweck einer ausgeklügelten Selbstveredeluung entecken die gehobenen Kulturkonsumenten (siehe hierzu auch Kulturbürger) darin schließlich die Mysterien des Schönen und Guten als die Mimesis einer besonderen Phänomenologie, woraus sich das Bedürfnis nach einer Veränderung der Welt, und daher vor allem eine radikale Kritik des Kapitalismus ergeben würde. Doch:

"Die Forderung, das Bewußtsein zu verändern, läuft auf die Forderung hinaus, das Bestehende anders zu interpretieren, d.h. es vermittels einer anderen Interpretation anzuerkennen.“ (Karl Marx, MEW 3 S.20)

Mit der Selbstoptimierung in zwischenmenschlichen Verhältnissen der Selbstverwertung entsteht früher oder später durch die Interpretationen des Pragmatismus eine Scheinwelt von narzisstischen Persönlichkeiten der Literaturkonsumenten des Bildungsbürgertums, die über ihren Geldbesitz ihre persönliche Selbstveredelung zu einem besonderen sozialen Status als Monaden des Konsumismus aufwerten können. So ensteht schließlich mehr oder weniger zwangsläufig in der Konsumkultur ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen eine Selbsttäuschung über deren zwischenmenschlichen Gehalt (siehe hierza auch Substanz). Und wo dies zur Gewohnheit wird (siehe auch Wohnen), entsteht eine Kultur der Verblendung, die aich über viele LebensVerhältnisse des Konsumiereens erstrecken können (siehe auch Tittytainment).

"Auch die Nebelbildungen im Gehirn der Menschen sind notwendige Sublimate ihres materiellen, empirisch konstatierbaren und an materielle Voraussetzungen geknüpften Lebensprozesses." (MEW 3, S. 26 f)

Adorno befand diese allerdings nicht als Ausdruck eines kleinbürgerliches Lebensverhältnisses bgründet, dem auch er und seine Negative Dialektik unterzogen ist. Er befand die "Verblendung" der Menschen durch eine gesellschaftlich institutionalisierte Kommunikationsindustrie begründet, wodurch das Leben der Menschen verfälscht werde - also ein an und für sich richtiges Leben zu einem falschen Leben verbildet würde. Damit kam er dem Vorwurf an eine Warenästhetik nahe, der in der linken Bewegung der 1968er Studentenbewegung verallgemeinert und auch auf das 1. Kapitel des "Kaptals I" von Marx bezogen wurde (siehe hierzu Warenfetischismus), bis heute noch in einer so genannten Subjektkritik aufgehen soll (siehe auch Wertkritik).

Der Begriff Verblendungszusammenhang unterstellt einen Zusammenhang von Blendungen, Überreizungen oder Täuschungen, über Bilder und Sprache, unterstellt also ein mediales bildungsbürgerliches Subjekt, ein mediales bürgerliches Subjekt der Kommunikationaindustrie, das ein Blendwerk produziert und zusamenhält. Der geblendete Mensch gilt hierdurch als das Objekt einer Produktion von Blendungen. Diese sind ihm damit als ihm selbst äußerlich durch ein fremdes Interesse unterstellt, das seine persönliche Wahrnehmung "erfolgreich" entstellt (siehe auch Dummheit). also nichts mit den Widersprüchen, Irrtümern und Vertauschungen in seiner gegenständlichen Wirklichkeit zu tun haben, sondern durch die Reize und Ereignisse bewirkt wird, die ihn nicht nur blenden, sondern in ihrer allgemeinen Wirkung vor allem nachhaltig verblenden.

Verblendung ist im Grunde ein religiöser Begriff und als solcher ein Grundthema der europäischen Geistesgeschichte, die schon Homer in seinen Epen thematisiert hatte, - der Begriff für eine Strafe Gottes gegen die Leugnung oder Verwerfung "göttlicher Wahrheiten": "Wen der Gott verderben will, den schlägt er zuerst mit Blindheit." (Tragödie von Sophokles: Antigone). Der Begriff entwickelte sich über die Theologie bis zur modernen Philosophie der Aufklärung zu einem Apell an die Vernunft, mit der die Kategorien einer gesellschaftlichen Moral zu begründen sei (siehe hierzu Kategorischer Imperativ). Die geisteswissenschaftliche Wortbedeutung reichte von "Verwirrung der Sinne" und "Wahnvorstellung" über "Blindheit des Geistes" und "Gottlosigkeit" bis hin zur modernen Deutung als "Realitätsverweigerung"

Von daher deutete Martin Heidegger Verblendung seinsgeschichtlich als eine Seinsvergessenheit, als Überdruss verwahrloster Geister, die versäumt hätten, der Frage nach dem Sinn von Sein nachzugehen und durch das Verfehlen einer angemessenen Interpretation des Daseins schuldig geblieben seien. Seinsvergessenheit bestehe als "Verblendung gegen die äußerste Not des Seins in der Gestalt der herrschenden Notlosigkeit inmitten aller Bedrängnis des Seienden", die deshalb der Eigentlichkeit des Seins nicht entsprechen könnten und ihre Philosophie daher in ihrer "humanistischen Geschwätzigkeit" (siehe hierzu Humanismus) verenden müsste, denn sie sei nichts anderes als ein "lauteres Nichts" (Heidegger in "Sein und Zeit"). das in seiner "entbergenden Unverborgenheit" begriffen werde müsse (siehe hierzu Fundamentalontologie).

Adorno versuchte dagegen das Wesen von einem gesellschaftlichen Wahn der Verblendung ideologiekritisch zu beschreiben. In seinem Gemeinschaftswerk mit Horkheimer, der "Dialektik der Aufklärung", wollte er damit einen Rückfall der historischen Aufklärungsprozesse in Mythologie diagnostiziert haben, den Adorno allerdings auch selbst vorzüglich mit der Wendung einer in der Modernen entfremdeten Wahrnehmungsidentität zu seiner Position einer negativen Dialektik getrieben hat. Er sah den Verblendungszusammenhang aus der Geistesgeschichte der Gesellschaft begründet und suchte deren Aufhebung und Ende in der Frage, inwieweit die Kunst in der Lage sei, Verblendung zu "durchschlagen". Seine aus der Hegelschen Dialektik entwickelte negative Dialektik versteht er als "Abdruck des universalen Verblendungszusammenhangs und dessen Kritik", und von daher als Methode der Verkehrung einer verkehrten Wirklichkeit, der gedoppelten Negation einer philosophischen Entkehrung (Negation der Negation), die sich der Analyse konkreter Verhältnisse durch die unmittelbare Praxis eines "richtigen Lebens" und einer dem entsprechenden Subjektkritik der schlechten Wirklichkeit eines falschen Lebens entziehen könne

Mit diesem Begriff wollte Adorno aber zugleich eine Brücke zur Marxistischen Theorie des Warenfetischismus schlagen - gerade eben so abstrakt wie er diesen verstanden hatte. Hieraus leitete er seine Subjektkritik als Kritik des bürgerlichen Subjekts überhaupt ab. Das konnte er allerdings nur in der Rationalität (siehe hierzu Vernunft) des Kulturbürgertum seiner Zeit verorten und beklagte demzufolge vor allem ihr "Banausentum", den Wildwuchs ihrer Einfälle und Beziehungen. Er beschrieb daher auch nur die Auswirkungen eines durch Täuschungsmanöver der Kulturindustrie geblendeten Bewusstseins in einem gesellschaftlichem Ausmaß, das die Selbstentfremdung der Menschen und ihrer Gesellschaft aus ihrem "falschen Bewusstsein" erklären wollte (siehe hierzu auch Kommunikationsindustrie). Seine Kulturkritik sah die Menschen dem hoch entwickelten Blendwerk einer Industrie unterworfen, durch welche sie den verdinglichten Verhältnissen einer Warengesellschaft willfährig geworden seien, deren Beschädigungen sie an sich selbst nicht mehr erkennnen, weil ihre Gesellschaft, ihr Leben und ihre Wahrnehmung noch falsch und hierfür noch nicht entwickelt sei, weil es noch keine "wahre Gesellschaft" geben würde und daher Menschen durch Reizüberflutungen, Konsumstimmulation und Werbung auch falsch erzogen, ihr Erkenntnisineresse verblendet und ihr Bewusstsein "fetischisiert" werden würde (siehe hierzu Adorno). Doch gerade Marx war es, der sich mit seiner 3. Feurbachthese den erzieherischen Absichten sozialistisch anmutender Theorie entgegengestellt hat, weil damit Gesellschaft in gegensätzliche "Wahrnehmungswelten" zerteilt und mächtige Wahrnehmungsidentitäten gegen ohnmächtige erhoben und zu einem übermächtigen Machwerk verabsolutiert, zu einem gesellschaftlichen Überbau verfälscht und verselbständigt werden:

"Die materialistische Lehre, daß die Menschen Produkte der Umstände und der Erziehung, veränderte Menschen also Produkte anderer Umstände und geänderter Erziehung sind, vergißt, daß die Umstände eben von den Menschen verändert werden und daß der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie kommt daher mit Notwendigkeit dahin, die Gesellschaft in zwei Teile zu sondern, von denen der eine über der Gesellschaft erhaben ist. (Z. B. bei Robert Owen.)" (3. Feuerbachthese, in MEW 3, Seite 5)

Das wesenseigene Erkenntnisinteresse des bürgerlichen Subjekts hat keinen monokausalen "guten Kern", der von einer "schlechten Umwelt" bedroht, bedrängt und verkehrt wird. Und es ist auch nicht wesentlich der Wolf der anderen, wie es Hobbes beschreibt. Es ist immer zunächst ein Resultat seiner individuellen wie gesellschaftlichen Geschichte und ihrer Bedingtheit, aus der es sich nicht so einfach durch metaphysische Spitzfindigkeiten seiner Selbsterkenntnisse [[emanzipieren kann. Deutlich wird dabei aber, dass es schon durch dieUmständeder Wahrnehmung, denBedingungenderSelbstwahrnehmungselbst schon negative oder positive Bestrebungen gibt, die sie außerstande versetzen, auf eine allgemein vermittelbare gesellschaftliche Wahrheit zurückzukommen. Dasbürgerlichen Subjektist und bleibt eben derKleinbürger, der seinen Himmel auf Erden haben will, und der seine Tugenden gegen dasBöseder Welt zu wenden sucht und für seinen Frieden jeden Krieg riskiert. Die Tugenden des Friedens sollen den kriegerischen Tugenden der Verderbnis, der Raubsucht, Gewalt und List aufewig(sieheReligion) widerstehen (siehe hierzu auchheile Welt).]]

Mit seiner Theorie eines Verblendungszusammenhangs wendete sich Adorno freilich gegen Blendwerke der Kultur, setzte aie aber mit dem Ganzen der bürgerlichen Gesellschaft gleich, um über die sachlichen Verhältnisse des Warentauschs von Karl Marx eine theoretische Grundlage für seine philosophische Beziehun gswelt einer kritischen Theorie zu entlehnen. Er verfälschte hierüber den von Marx beschriebenen Warenfetischismus zur Tatsache eines fetischisierten Bewusstseins. das durch seine Fixierungen an die gesellschaftlichen Autoritäten selbst als subjektiver Fehler der Menschen zum Grund wirklicher Widersprüche verkehrt wurde (siehe Personifikation), sich nicht aus einer wirklichen Widersprüche heraus begründen sollte, wie sie notwendig als gesellschaftliches Verhältnis der Sachen und sachliches Verhältnis der Personen erscheint (siehe notwendiger Schein) . Er reduzierte ihre Verhältnisse zu einer äußerlichen Wahrheit, die eine Verdinglichung darstelle, welche einem geblendeten Bewusstsein gegenüberstünde, so als wäre dieses unmittelbar autoritär in gleicher Weise zu beeindrucken wie die Psyche der "verdinglichten" Menschen (siehe hierzu auch autoritärer Charakter, Psychokratie). Adorno wollte mit seiner negativen Dialektikund einer dem entsprechenden Subjektkritik suversive Kuluren gründen und das fetischisierte Bewusstsein aufheben, zugleich auf diese Weise auch eine theoretische Aktualisierung des Begriffs vom Warenfetischismus von Karl Marx erreichen (siehe hierzu auch Wertkritik)

Zugleich verschaffte Adorno mit dieser Version von dem Begriff des Warenfetischismus eine eigenständige Bewusstseinsdimension, und das war auch sein ausdrückliches Anliegen. Leitete Marx diesen Fetischismus noch als notwendigen Schein einer Verkehrung der sachlichen und der persönlichlichen Beziehungen in der bürgerlichen Gesellschaftaus der Verkehrung der relativen und der allgemeinen Wertform ab, so wurde durch den Verblendungszusammenhang bei Adorno hieraus eine unmittelbare Täuschung des Bewusstseins, die sich als Zusammenhang eines verkehrten Bewusstseins auch selbständig verhalten könne, eben als gesellschaftlich produziertes Blendwerk, das quasi analog zu den Verkehrungen der gesellschaftlichen Versachlichung sich im Bewusstsein durch die Möglichkeiten und Mittel einer Kulturindustrie fortbestimme. Dies habe sich in der Massenunterwerfung im Nazismus erwiesen und den Totalitarismus als politische Konsequenz eines popularisierten Bewusstseins aufgezeigt

Indem der Verblendungszusammenhang, den die Kulturmächte erzeugen würden, bekämpft werde, würde daher auch die Verdinglichung des Bewusstsein bekämpft, totalitäres Bewusstsein unmöglich. Die Menschen sollten sich ihrer Kultur bewusst werden, ihre Wunden erkennen, die dort zugefügt werden, um aus eigenem Leiden sich ihres falschen Lebens bewusst zu werden. Hierfür allerdings sei die Kritik des verkehrten Lebens absolut nötig. Allerdings kann Leben überhaupt nicht als Falschheit Gegenstand der Kritik sein, ohne dass die Kritik selbst falsch wäre. Der Verblendungszusammenhang rekuriert implizit auf eine äußerliche Negativität, durch welche die Menschen wieder zwangsläufig exculpiert werden, die dem gänzlich entgegensteht: Die Kulturindustrie. Wenn diese die Verfälschungen produziert, so müsste sie auch als äußere Macht bekämpft werden. Das aber steht bei Adorno selbst im Widerspruch seiner "Minima Moralia". Denn durch eine fremde Macht ist die Unterwerfung des Bewusstseins unter diese Verhältnisse nicht begreifbar, andererseits aber kann es auch nicht die Anpassung der eigenen Bedürfnisse an sie sein (siehe Fetischisierung). In diesem Widerspruch zereibt sich die Theorie Adornos, dessen Gegenstand der Kritik einmal eine Kulturmacht ist, er also die Unterwerfung des Menschen unter die Tauschverhältnisse beklagt, den Menschen zugleich aber auch den Verfall an deren Falschheit (Täuschung) anlastet. Eine wirkliche Analyse der gegenständlichen Verhältnisse bleibt dabei außen vor und reduziert sich auf eine Kulturkritik, die ganz davon absieht, dass die Menschen diese Verhältnisse insgesamt zur wirklichen Lebensgrundlage haben und nicht per Bewusstsein hiervon absehen können. Die Täuschung des Bewusstseins lässt sich durch Kritik aufheben, nicht aber die Kultur oder der Warentausch - schon garnicht das Leben als solches. Eine Kritik des Falschen kann letztlich nur Kritik einer Entfremdung sein, einer Dinghaftigkeit, die ein Unding ist

Der Begriff Verblendungszusammenhang ist auch schon in sich absurd, behauptet er doch, dass Verblendung einen Zusammenhang haben könne - hier wohl als Kapital gemeint. Doch gerade hiergegen wandte sich die Marxsche Theorie, gegen die Auffassung von höheren Mächten des Bewusstseins, welche den Menschen quasi von außen Fehler zumuteten. Dies war längst als Ausfluss einer theologischen Implikation begriffen, dem esoterischen Subjekt schlechthin, welches nicht als Ausdruck gesellschaftlicher Mystifikationen begriffen, sondern selbst als agierender Mythos verstanden wird.

Mit dem Begriff der Verdinglichung wollte Adorno auf Marx bezogen sein. Doch was dieser als Versachlichung der Menschen durch die Verkehrung ihrer Sachen als Warenfetischismus, als ihr subjektives Objektsein beschrieb, wurde durch Adorno den Menschen zum Vorwurf gemacht und von der wirklichen Versachlichung der Menschen durch die Vermenschlichung ihrer Sache abgesehen, wie sie Marx in der Analyse der Warenform als Verkehrung der gesellschaftlichen Verhältnisse erbracht hatte, wie sie aus der Wertform von ihm entwickelt worden war. Darin wurde das sachliche Verhältnis der Menschen nicht als Bewusstsein, sondern als wirkliches Verhältnis der Sache, als Verhalten der Sache zum Menschen entwickelt und als ihm entfremdet und über sie mächtig erklärt. Dies also hatte Adorno darin missverstanden, dass Menschen sich selbst zur Sache machen ließen, also nicht wirklich als Objekte einer sachlichen Macht existieren müssten, würden sie sich aus diesem Verhältis heraushalten, würden sie einfach "richtig" leben. Er wollte dieses Verhältnis nicht als geschichtliche Form eines gesellschaftlichen Stoffwechsels anerkennen, als wirklich verkehrtes Lebensverhältnis, das durch die Menschen umzukehren wäre, indem sie einen durch ihre Geschichte entstandenen Widerspruch von Form und Inhalt des gesellschaftlichen Reichtums, ihrer darin verkörperten Enteignung auch körperlich aufheben, sondern als falsches Verhalten der Menschen zur Sache, als Fehler ihres Bewusstseins ansehen, das durch ein "unverblendetes", ein wahres Bewusstsein eine Selbstveränderung der Menschen bewirken sollte - und geriet damit selbst unversehens in die Nähe jener Phänomenologie der "Seinsvergessenheit" des von ihm scharf kritisierten Martin Heideggers mit verheerenden Folgen in der antikapitalistischen Diskussion.

Das Kapital hat keine eigenständige Bewusstseinsmacht nötig, die auch noch durch es versammelt und als Kulturindustrie zusammengebracht werden müsste. Ihm genügt die politische Macht des Kapitals, um die Menschen zu verdingen und die Unfähigkeit des bürgerlichen Verstandes, seine im Warenfetisch fixierten Widersprüchlichkeiten zu durchbrechen. Doch diese Unfähigkeit bedarf keines psychologisch zu verstehenden Vorwurfs, sondern eines Wissens, das aus einer Analyse der Verhältnisse hervorgeht und zu erarbeiten gerade Sache der Intelligenz wäre, die sich durch den Verblendungsvorwurf aus diesen Verhältnissen herausnimmt (siehe hierzu auch die sogenannte Wertkritik).