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Der nachfolgende Text ist eine Beschreibung der Argumentation in dem gleichnamigen Buch. (==> Verlagsinformationen hierzu <==)
10.1 Einleitung in eine Persönlichkeitstheorie der Selbstverwertung
Menschen äußern ihr Leben, indem sie ihre Sache erzeugen und gestalten, indem sie ihre Sinne als Welt für sich vergegenständlichen und somit auch ihre Fähigkeiten und Eigenschaften zu ihrer Sache machen. Es ist ihre eigene Lebensgestaltung, die sie in dieser Welt bilden und aneignen, und durch die sie zugleich das Material ihres Leben, ihre Natur bereichern und durch ihre Lebensäußerungen zum sinnlichen Reichtum ihrer Kultur aufbereiten und fortbilden. Durch deren vielfältige Inhalte differenzieren sie ihre Lebensverhältnisse und vertiefen, entwickeln und bilden ihre Lebensweise mit ihrer Lebensproduktion fort.
Wo Menschen sich nicht mehr über ihre Sache, ihrem Erzeugnis, dem Gegenstand ihrer Tätigkeit beziehen können, weil diese ihnen mehr oder weniger fremd geworden ist, beziehen sie sich aufeinander als Mensch unter Menschen. Ihre Lebensäußerung findet so ihren Sinn in ihrem zwischenmenschlichen Leben, im Erleben von Menschen. Und soweit menschliches Lebenzwischen den Menschen aus ihrem Erleben von Menschen bezogen und daher substanziellin Erlebnissen wahrgehabt wird, ereignet es sich in den Verhältnissen ihrer Wahrnehmung. Was sie darin wechselseitig miteinander zu tun haben, das ist die Aneignung von dem, was sie von ihrem Menschsein im anderen Menschen finden, was ihnen durch ihre Selbstwahrnehmung in zwischenmenschlichen Beziehungen zu eigen wird. Der Sinn, den sie in den Ereignissen ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse finden, besteht daher in der Empfindung ihres Erlebens.
Ereignisse sind Augenblicke der Begegnung, in der sich Menschen ihr Leben in den Gelegenheiten ihrer Lebensverhältnisse sich so zu eigen machen, wie deren Gegebenheiten es ihnen objektiv erlauben. Der objektive, der gegenständliche Reichtum dieser Verhältnisse, das gesellschaftliche Vermögen, erscheint jenseits seines sachlichen Gehalts in der bloßen Form seiner gegenständlichen Vermittlung als Geldbesitz, also in der Form der Lebensmittel und Genussmittel als Waren auf den Märkten, die rein zufällig durch das allgemeine Kaufmittel Geld zwischen Angebot und Nachfrage gegeben und vermittelt werden und im unentwegten Wechsel ihrer Zirkulation die Ereignisse und den Ort ihres Auftretens bestimmen, daher wie zufällig in Raum und Zeit auf- und untergehen. Der ungeheuere sinnliche Reichtum, die subjektive Vielfalt der menschlichen Beziehungen, der sich in ihren Begegnungen und Auseinandersetzungen unter dieser Bedingung entfaltet, reduziert sich im bloßen Erleben daher immer sogleich auf die Gelegenheit, durch die sie objektiv bestimmt sind: auf den Zufall ihrer Anwesenheiten, eben so wie diese im Einzelnen da sind, sich ereignen und in isolierten Ereignissen wahrgenommen werden. Es sind die Begebenheiten in einer allgemeinen Vereinzelung, die ihre gesellschaftliche Wirklichkeit verloren hat, die so für wahr genommen werden. Es ist das Dasein eines isolierten Lebens, wie es unmittelbar und unverbunden individuell erscheint, ein Geschehen ohne Geschichte - eben so, wie es sich an Ort und Stelle ergibt. Hierfür ist es gleich, was es begründet hat, weil es sich körperlich nur als Wahrnehmung hinterlässt und sich nur in ihrer Erinnerung aus ihrem Gedächtnis bewahrheiten kann. Dort wo Ereignisse die Wahrnehmung der Menschen bestimmen ist es die Wahrheit ihrer zwischenmenschlichen Existenz, wie sie sich in ihren Empfindungen bildet und sich in ihren Gefühlen auch fortbilden und einbilden kann.
Hierauf gründen die Selbstgefühle, die in zwischenmenschlichen Beziehungen entstehen. Im Erleben der Menschen unter Menschen erkennen sie vor allem das, was in solchen Ereignissen zwischen ihnen geschieht, was sie von einander und durch einander in dem aneignen und sich einverleiben, was sie von sich in der Anwesenheit von anderen Menschen verspüren, was sie also für sich empfinden und fühlen, wenn sie unter Menschen sind und zwischen ihnen verkehren. Es ist das, was sie von einander als Mensch in ihrem zwischenmenschlichen Erleben wahrhaben und was sie von sich und für sich durch andere erkennen. Es sind ihre substanziellen Erkenntnisse, die sie für ihr Leben hieraus beziehen. Es ist ihre Lebenswahrheit in den Augenblicken ihrer Beziehungen, soweit sie darin auch wirklich selbst vergegenwärtigt sind, soweit sie sich darin wiederfinden und empfinden. Doch weil und soweit diese Empfindungen nur in ihnen bleiben, kann solche Selbstvergegenwärtigung auch nur die Wahrheit ihrer Wahrnehmung in und durch ihre Erlebnisse sein. Darin bewahrt und bewährt sich ihre Beziehung aus der Objektivität zwischenmenschlicher Ereignisse zu ihrer Subjektivität als Inhalt ihrer Erlebnisse.
Was sich aus den einzelnen Erlebnissen bewahrt, vereint sich zu einer Wahrnehmung im Allgemeinen als Bewährung ihrer Empfindungen durch Gefühle, die sie in den Ereignissen ihres Lebens als dessen Sinn nicht nur finden, sondern auch im Gefühl ihres Lebens äußern, also durch ihr Lebensgefühl für sich wahr haben und in ihren Lebensverhältnissen wahr machen, als ihre Kultur erzeugen und reproduzieren. Diese Wahrnehmung ist daher so subjektiv wie objektiv, enthält also auch in ihrer Vereinzelung die Beziehung auf das Ereignis als ihre Empfindung, die als Gefühl in der Erinnerung so verbleibt, wie sie in ihrer Kultur objektiv ist. Sie ist daher die Elementarform der zwischenmenschlichen Beziehung, die sich als Lebensform ihrer Gefühle, als Kultur der zwischenmenschlichen Wahrnehmung in und durch ihre Individualität überhaupt fort bestimmt.
Jede Kultur ist subjektiv das, was Menschen sinnlich gebildet, was sie durch ihr Leben selbst gestaltet haben, was in ihren Sitten und Gebräuchen, in Kunst und Unterhaltung, in Glaube und Wissenschaft, in ihren Gütern und Werkzeugen von ihrem Menschsein, dem Leben von und für Menschen geäußert ist. Indem Kultur das darstellt, was dessen Sinn gesellschaftlich ausmacht, besteht sie als Subjektivität ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse, als ihre menschliche Natur im Sinn ihrer Bedürfnisse und in der Art und Weise, wie Menschen sich in ihren Gegenständen, in den Produkten ihrer Tätigkeit auch erkennen können, wie sie sich selbst wahrhaben in dem, was sie wahrnehmen. Die Bedürfnisse ihrer Tätigkeit sind die Basis einer jeden Sinnbildung.
Jeder menschliche Sinn entsteht und besteht darin aber nicht einfach individuell, sondern in seinem ganzen Lebenszusammenhang. In der hier zu analysierenden Kultur besteht er vor allem in der Wahrnehmung selbst, in der Form von Erkenntnissen, die Menschen für sich haben und worin sie auch bei sich bleiben, soweit sie durch ihr Erleben bestimmt sind. Dieser Sinn ist gesellschaftlich zwar nur in den Gefühlen der Individuen wirksam. Ihre Natur verwirklicht sich aber in den Verhältnissen ihrer Empfindungen, in denen sie ihn als Ereignis für sich finden. Die Kultur, mit der wir es hier zu tun haben ist also die Kultur der Ereignisse - eine so genannte Eventkultur. Die Wahrnehmungen darin sind die Resultate einer mehr oder weniger beabsichtigten Ereignisproduktion, einer Veranstaltung von Kultur. Und darin kann ein gegenständlicher Sinn, der Sinn einer Tätigkeit für seine Bedürfnisse ersetzt, selbst zu einem Bedürfnis nach Sinn wirklich werden. Und wo diese gesellschaftlich untergegangen sind, verbleibt dieser allein als Sinn für die Gegenstände des Konsums der Produkte, der sich in einem purem Kulturkonsum äußert, sich in und mit der Ästhetik seiner Kultur verwirklicht .
Indem die Menschen unter der Bedingung der Kapitalverwertung ihren Sinn füreinander durch Geldbesitz veranstalten und wahr haben, beziehen sie sich hierüber auch auf sich, nehmen sie sich selbst objektiv bedingt wahr. Indem sie diesen Besitz nutzen, leben sie durch einander im Nutzen von einander, im Konsum ihrer Kultur. Im Geldbesitz, der über die Mittel ihrer Reproduktion hinausgeht, also einen Mehrwert für ihre Freizeit darstellt, erheben sie sich selbst über ihre Lebensnotwendigkeiten, wodurch sie sich hiervon befreit fühlen. Diese Freiheit ist allerdings sowohl durch das Quantum dieses Besitzes beschränkt, dem Inhalt nach also nur ein Quantum von Möglichkeiten der Selbstwahrnehmung, und davon bestimmt, was andere für sie, für ihre Reproduktion und Freizeit erzeugt haben. Sie werden in solchen Verhältnissen selbst zur Körperform eines Mehrwerts, bilden einen Sinn, der mehr wert ist als ein anderer, und der ihnen zu einem Selbstwert verhilft, der sie über alle Nichtigkeiten und Minderwertigkeiten des gewöhnlichen Lebens hinweg trägt. Objektiv ist das der Sinn eines kapital-notwendigen Wertwachstums, durch den sie gesellschaftlich bestimmt sind und hierdurch die Zusammenhänge in ihren Bedürfnissen so finden und empfinden, wie sie durch deren Kulturereignisse bestimmt werden. Im wirklichen Leben der Menschen ist dieser Zusammenhang aber nichts anderes als eine Fiktion, die als Sinn und Zweck eines fiktiven Kapitals herrscht - als Glaube an eine Zukunft von Spekulationen, vor denen die Menschen in ihre Lebensburgen flüchten, um sie dort schließlich für sich auszufüllen. In ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen vollzieht sich ihre Sinnbildung durch die Sinnbilder dieser Kultur als Lebenszusammenhang kultivierter Ereignisse in den Bedürfnissen der Menschen selbst, in dem abstrakten Verlangen des Menschen nach dem Menschen.
Die bürgerliche Kultur wird damit zur unmittelbaren Kultur des Kapitals und verfüllt das Vakuum der stofflich gegenständlichen Lebensverhältnisse der Menschen mit einem Sinn, der für sich stehen muss, weil, sofern und soweit die Verhältnisse des Kapitals durch sich sinnlos geworden sind. Von daher handelt es sich hier um die politische Kultur einer durch ihre Kapitalverhältnisse bestimmten Gesellschaft, deren Sache ihr abhanden gekommen ist, weil sie sich nur mehr durch ihren Geldbesitz und seiner Finanzaristokratie als Feudalkapital fort bestimmt. Die Frage ist hier, was die Gesellschaftlichkeit dieser Kultur dann überhaupt ausmachen kann.
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111.0 Gesellschaft und Kultur
Der Mensch erkennt sich im Menschen sagt Goethe. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen (MEW 1, S. 378f) sagt Marx. Menschliches Leben ist so natürlich, wie Menschen Sinn durch und für ihre Natur haben. Ihr Leben ist nicht unmittelbar das Leben der einzelnen Menschen, wie man es wahrnimmt, weil natürliches Leben immer schon das Leben der Menschen mit und in ihrer Natur so ist, wie sie es wahrhaben - und weil das menschliche Leben als das Leben eines gesellschaftlichen Naturwesens nicht vereinzelt sein kann. Weil Menschen von Natur aus immer in Gesellschaft sind und sich in Gesellschaft mitteilen und also ihre Mittel teilen, ihr Leiden und ihre Tätigkeit durch ihr gesellschaftliches Leben vereinen, sich durch ihr Zusammenwirken ergänzen und leiden können, ist auch immer schon das gesellschaftlich, was ihre einzelne Wahrheit ausmacht. Was für sie wahr ist, was die Wahrheit für sie ist, die sie nehmen von dem was sie wahrhaben, das ist die Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Beziehungen, worauf sich ihre Erkenntnisse gründen und wodurch diese letztlich auch begründet sind. Und die können ja letztlich nur natürlich sein.
Das klingt einfach. Doch so unmittelbar wie sie sich aufeinander beziehen, so vermittelt sind die Verhältnisse, die sie hierbei eingehen. Was ihre Wahrnehmung subjektiv ausmacht und worin sie objektiv bestimmt ist, das geht in der Beziehung zwischen dem Erleben und Ereignen nicht so einfach zusammen, weil ihr Leben sich nicht einfach ereignet, nicht so zufällt, wie es schon ist, sondern so erlebt wird, wie es sich zu eigen werden kann. Die Lebensäußerungen werden in ihrer Aneignung immer erst durch ihre Vermittlung wahr. Und wenn diese den Menschen in den Ereignissen ihres Lebens auch zufällig erscheinen mag, so bewahrheitet sich in ihrer Wahrnehmung dennoch immer ein ganzer Lebenszusammenhang.
Das Erleben hat daher eine ganz eigenartige Wahrheit, weil sich darin Leben eben nicht nur reflektiert, sondern zugleich über sich hinaus geht, wo und wenn es sich ereignet, wenn es also gesellschaftlich in Form gebracht wird. Worin sich Menschen in und durch ihr Leben wirklich erkennen, das kann nicht irgendeine Wahrheit haben und kann auch nicht einfach für wahr zu nehmen und für sich schon wahr zu haben sein. In der Ungewissheit ihrer unmittelbaren Bezogenheit ist diese nur eine bloße Möglichkeit der Erkenntnis. Sie hat ihre Gewissheit, ihre bewussten Inhalte, die gültige Bestimmtheit ihres wissenden Seins durch alles, was in irgendeiner Form darin von ihrer Natur erkennbar ist. Und es scheint von da her nur beliebig zu sein, welches Wissen sich gesellschaftlich verwirklichen und also objektivieren lässt, weil und soweit ihre Verhältnisse ihnen gleichgültig sind, weil und solange sie in ihrer Wirklichkeit für ihr gesellschaftliches Verhalten gleiche Geltung für sich haben, für sich also unwirklich bleiben.
Aber in einer so gleichgültigen Beziehung bleiben die Menschen auch sich selbst gleichgültig, ohne Wahrheit. Es bliebe ihre Wahrnehmung die beliebige Kognition einer formalisierten Natur, menschliches Leben lediglich selbst nur die Körperform von Ereignissen, wie sie sich als solche in Tomogrammen, chemischen Analysen oder genetischen Bestandteilen zerlegen und in ihren funktionellen Assoziationen zwischen Ereignissen und ihren Bedeutungen zeigen ließe. Leben wäre selbst nur ein Lebensumstand, ein gegen sich selbst äußerliches, entäußertes Leben, das sich nicht wirklich erkennen, seiner selbst niemals gewiss werden könnte und sich leibhaftig fremd bliebe. In bloßer Selbstentfremdung würde es sich in den Gedankenabstraktionen diverser Geistes- oder Naturwissenschaften auflösen und für beliebige Verwendungen nützlich machen. Ganze Industrien leben davon, dass sie die chemischen, biologischen, produktiven und kommunikativen Bestandteile des Lebens neu zusammenstellen und in dieser Form auf den Markt bringen. Doch ein bewusstes Leben ist immer wissendes Sein, nicht ohne Gewissheit, - Bewusstsein nicht ohne Sinn.
Leben ist immer körperlich und steht von daher auch in der Natur seiner Körper in einem Lebenszusammenhang. Und gerade weil Wahrnehmung ihren Körper niemals wirklich verlassen kann, weil sie eben nicht nur eine Vision oder Vorstellung sein kann, ist sie nicht ohne ihre Lebensverhältnisse zu verstehen, ist sie immer zugleich gesellschaftlich - nicht als bloßer Naturkörper, sondern als gesellschaftlicher Sinn ihrer Kultur, auch wenn er im einzelnen Menschen nur vereinzelt erkennbar ist, seine Vereinzelung politisch bestimmt ist. Immer erinnert sie sich an das, was sie hiervon verinnerlicht hat, bewahrt sich in der Wahrnehmung, was sie wahr hatte, auch wenn sie ihre Form verändert, selbst wenn und wo sie verrückt wird. Man kann Wahrnehmung eben nicht einfach ohne Folgen unterdrücken oder verdrängen. Deshalb kommt niemand an der Wahrheit seiner Wahrnehmung vorbei. Und deshalb kommt auch niemand an der Kultur vorbei, die sich in und durch ihre Wahrheit äußert.
Lebendige Wahrnehmung kann also nicht irgendein beliebiges Auffassen, willkürliche Reflexion von etwas sein, das Menschen einfach mal so zur Kenntnis nehmen und als ihre Erkenntnis vermeinen können. Die Wahrnehmung hat ihr Sein - das heißt: sie ist - durch die Sinnlichkeit ihrer Gegenstände ebenso wahr, wie durch die körperliche Existenz des wahrnehmenden Menschen. Sie selbst existiert in und durch ihre Sinne in der Welt ihrer Gegenstände, die sie wahrhat, durch ihre gesellschaftliche Vergegenständlichung in der gegenständlichen Welt ihrer Lebensvermittlung, ihrer Selbsterkenntnis als Erkenntnis ihrer Welt.
Diese entwickelt sich mit der Form des menschlichen Lebens, in der Art und Weise der gesellschaftlichen Verhältnisse, dem Entwicklungsstand der gegenständlichen Lebensäußerung der Menschen, der Lebensform ihrer Äußerungen als menschliche Kultur, wie immer deren geschichtliches Dasein sich mitteilt und wie unvermittelt dieses auf sie bezogen sein mag. Menschen haben darin nicht äußere Gegenstände, sondern sich in einer gegenständlichen Welt wahr, also auch sich selbst als Gegenstand ihrer Tätigkeiten und ihres Leidens, ihrer Selbsterzeugung durch ihre Arbeit und ihrer Selbsterkenntnis in ihrer Wahrnehmung. Ihr Lebensgenuß ist ihre Tätigkeit, die sie leiden können, die ihre Gegenstände und Kulturgüter erzeugt, in der sie ihr Leben wiederfinden und empfinden. Doch in einer selbständigen Welt ihrer Wahrnehmungen kann dies nicht für sich bleiben, was es ist. Darin ist ihr Leiden verselbständigt und der Welt seiner Entstehung entfremdet.
Mit der Veräußerung ihrer Tätigkeit auf den Märkten der Welt, mit der Entäußerung ihrer Produkte von ihrer Produktion, mit der Entfremdung des Menschen von seiner Tätigkeit und seiner Gesellschaft, der Trennung der Arbeit von den Bedürfnissen der Menschen, ist daher nicht nur der Arbeitsprozess von der Selbsterzeugung der Menschen getrennt, sondern auch die Wahrnehmung von ihrer Selbsterkenntnis der Menschen als Produzenzen ihres Lebens. Von daher bleibt auch eine Wahrnehmung, die sich dieser Trennung unterwirft, sich gegen ihre Entfremdung von dem, was sie wahr hat behauptet, eine Selbstbehauptung, die sich gegen ihr Erkenntnisvermögen stellt und sich daher notwendig fremd bleibt, sich in einer Art und Weise behaupten muss, durch die sie niemals auf sich zurückkommen kann. Sie kann sich in dieser Behauptung aber nicht aus der Erkenntnis ihres Lebenszusammenhangs heraussetzen und in ihrer Wahrheit sich nicht von ihren Lebensbedingungen unterscheiden, ohne sich von sich selbst abzuscheiden, ohne sich auf ihre Selbstbehauptung zur reduzieren, sich durch sich selbst nur erklären und klar bekommen.
Doch in ihrer Natur bleibt sie sich immer auch ohne Bewusstsein selbstgewiss, wenn auch nur zu sich, also gegen ihre gesellschaftlichen Beziehungen gekehrt, in sich verkehrt. Doch mit Bewusstsein wird sie gesellschaftlich mächtig und kann sich daher auch gegen ihre Abgeschiedenheit, gegen ihre Formbestimmung verhalten, diese zum Gegenstand ihrer Kritik machen, indem sie sich von der Form ihrer Gegebenheiten selbst unterscheidet, sich inhaltlich auf diese bezieht und ihre Zerteilung zu einer eigenen Gewissheit bringt, sich als Teil eines Ganzen begreift und somit sich in der Ergänzung ihrer Beziehungen auch entwickelt, selbst ganz wird. Die Emanzipation aus ihrer Formbestimmung beginnt mit der Erkenntnis der inhaltlichen Zusammenhänge ihrer Wahrnehmungen und wird sich daher auch notwendig gegen ihre Entfremdung verhalten, wo sie die Wendbarkeit ihrer Not erkennen kann, für sich subversiv wird. In ihrer Kultur findet sie das Material, die Mittel ihrer wahren Selbsterkenntnis und kann darin zugleich die Möglichkeiten und Wege ihrer Befreiuung finden, sich durch die Freiheit ihrer Empfindungen auch gegen die politische Formationen ihrer Kultur wehren und hierin auch die wahren Inhalte ihrer gesellschaftlichen Beziehungen entdecken und sie mitteilbar machen. Kulturkritik ist nichts anderes als diese Mitteilung in der Wendung gegen die politischen Formationen der Kultur.
Soweit die Wahrnehmung sich aber als Behauptung zu verwirklichen sucht, sich als Haupt ihrer Selbstverwirklichung versteht, reduziert sie sich auf ihre Selbstwahrnehmung und bleibt dabei eine Wahrnehmung, die nicht erkennt, was sie wahr hat, weil sie sich selbst in eine abstrakte Einheit des Zusammenhangs ihrer Lebensverhältnisse versetzt, sich selbst so wahrhat, wie sie diese für wahr nimmt. Sie kann nur die Gegebenheiten so nehmen, wie sie vorausgesetzt sind und ihr voraussetzungslos erscheinen. Sie kann sich daran nur so gewöhnen, wie sie ihre Lebensräume bewohnt und kann ihre Gegenstände daher auch nur so hinnehmen, wie sie ihr gegeben zu sein scheinen. Sie bestärkt und fixiert sich an die Macht, die ihre Verhältnisse schon dadurch inne haben, dass sie ihre Lebensbedingung sind, ganz gleich, wie sich ihr Leben darin geäußert und veräußert hat, ganz gleich, wie und wodurch sie sich selbst entäußert, sich von ihrem eigenen Leben entfernt und entfremdet haben. Solche Wahrnehmung bestärkt sich in der Abstraktion von sich selbst und verkörpert praktisch, wodurch sie objektiv durch das bestimmt ist, was sie nötig hat, was ihre blanke Notwendigkeit zum Leben ist. Und sie verleugnet damit die Freiheit, die sie durch ihr Leben selbst schon, durch die Intelligenz ihrer Natur, durch ihre natürliche Intelligenz hat. Indem sie sich in ihrer Selbstbezogenheit, in der sie ihre unmittelbare Wahrheit vermeint auf sich selbst reduziert, reduziert sie ihre Wahrnehmung auf die Bedingungen, die ihr gestellt werden. Es ist im Allgemeinen das Geldverhältnis, die existenzielle Notwendigkeit einer marktwirtschaftlichen Produktionsweise, in der sich die Abstraktionen ihrer Selbstwahrnehmung auch gesellschaftlich aufheben, Menschen für sich so abstrakt werden, wie es ihre Lebensverhältnisse auch wirklich sind. Darin schließlich kann sich jede Erkenntnis nur selbst schon nichten, bzw. schon aufheben, bevor sie wirklich wahr sein könnte.
In solchen Verhältnissen bestätigt sich Wahrnehmung nur in der Verwirklichung ihrer Selbstwahrnehmung, in ihrer Selbstverwirklichung, und wird sich gerade hierdurch nicht mehr wirklich ihrer selbst gewahr. Denn in der Selbstverwirklichung wird die Selbstwahrnehmung in dem Maße aufgehoben, in dem sie sich ihrer selbst in ihren Gefühlen vergewissert, ihre Wahrnehmung auf die Bedeutung ihrer Selbstgefühle, auf die Gewissheit ihres Selbstwerts reduziert. Und dieser kann in Wahrheit nur die Ungewissheit ihrer Existenz sein. So kann darin auch kein wirklich gegenständliches Lebensverhältnis der Menschen wahr sein, sondern nurmehr ein Verhältnis zwischen den Menschen, das seine Substanz aus einer zwischenmenschlichen Wahrheit dieser Gefühle bezieht, aus der Art und Weise, wie sie sich leiden oder nicht leiden können, wie sie sich anregen oder meiden, sich selbst zum Gegenstand für andere machen oder sich von einander ausschließen, um ihre Selbstbehauptung ausschließlich und selbstgerecht zu machen. Aber wie auch immer Selbstwahrnehmung ihrer selbst gewahr wird, sie besteht im Zwiespalt zwischen sich und den anderen: ausschließlich zwischen den Menschen.
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111.0.1 Zwischenmenschliche Verhältnisse
Obwohl Gesellschaft sich zu allererst aus den Produktions- und Reproduktionsverhältnissen des menschlichen Lebens begründet, so sind zwischenmenschliche Verhältnisse doch auch gesellschaftliche Verhältnisse, die auf diesen beruhen. Jedoch stellt sich in ihnen Gesellschaft nicht einfach sachlich und als unmittelbare Kultur ihrer Lebenstätigkeit über die Befriedigung ihrer Bedürfnisse durch den Nutzen ihrer wirklichen Gegenstände dar. Es ist eine Gesellschaft von Selbstwahrnehmungen und Selbstbehauptungen unter Menschen, die darin nach ihrer Selbstverwirklichung drängen, einem Geltungsstreben folgen, das inwendig eine Konkurrenz ihrer Selbstwahrnehmungen betreibt. Was der oben dargestellte Gegensatz von Ereignissen und Erleben in jedem Menschen gesellschaftlich betreibt, ist der Zwiespalt, den er in seinen Beziehungen auf andere hat, soweit er darin wirklich gegenwärtig, voll und ganz er selbst sein will. Dieses Geltungsstreben kann sich allerdings nur in einem Moment seiner Selbstwahrnehmung erfüllen, denn wirklich ganz kann er nur in Gesellschaft sein.
Die zwischenmenschliche Beziehung der Selbstverwirklichung besteht daher selbst in dieser Zwiespältigkeit, also aus dem Zweifel in der Unmittelbarkeit ihrer Verhältnisse, die nicht so wahr sein können, wie sie wahrgenommen werden. Es gibt eben keine unmittelbare Wahrheit, keine sinnliche Gewissheit, wo die Vermittlung selbst objektiv existiert, wo Verhältnisse sich vermitteln lassen müssen, um Sinn zu finden und deshalb durch die Form ihrer Begegnung hierdurch bestimmt sind. Aus der Getrenntheit ihrer menschlichen Beziehungen, aus ihrer Verbundenheit in der Ausschließlichkeit ihrer Selbstbehauptung kann sich nur ihre wechselseitige Fremdheit vergegenständlichen - eben weil sie sich vertrauen müssen. Und im Ausschluss bleibt den Menschen auch ihre eigene Beziehung nicht nur auf andere sondern auf sich selbst wesentlich fremd.
In ihrer Selbstentfremdung verlieren sich ihre Empfindungen im Ungewissen. Sie reduzieren ihre Regungen auf bloße Erregungen eines Verlangens nach Gewissheit, das für sie keinen unmittelbaren Sinn hat, weil sie sich selbst darin nur in ihrer Selbstwahrnehmung austauschen, sich vertauschen, sich anstelle von anderen Menschen wahrnehmen und vermitteln müssen, weil sie sich nur durch andere auch selbst wahrhaben können, weil sich ihr gesellschaftliches Verhältnis darin nur im Wesen eines wechselseitigen Andersseins, in der Abwesenheit ihres Menschseins in den Ereignissen ihres Lebens geltend machen kann. Anwesend ist nur das, was sie für sich und von sich durch andere wahrhaben. Wahr kann nur ihre Wahrnehmung an und für sich sein.
Für sich genommen ist jedes zwischenmenschliche Verhältnis im Wesentlichen das Verhältnis eines vermenschlichten Nutzens, worin die Menschen sich gegenseitig zum Gegenstand ihrer Selbstwahrnehmung machen und haben, weil und soweit ihre gesellschaftliche Gegenständlichkeit und Vergegenständlichungabwesend, ihnen entzogen ist, sie ihr Leben getrennt von dieser und gegen sie bilden und entwickeln. Sie werden selbst zu Objekten ihrer Beziehung, weil sie sich nur als diese wahrhaben und nützen können. Und sie begründen daher in diesen Verhältnisse nurmehr eine Gesellschaft von Objekt-Objekt-Beziehungen, in denen sie wechselseitig als Subjekte gegeneinander so fungieren, wie sie in den Ereignissen ihrer Lebenswelten sich positionieren, welche Positionen sie darin einnehmen oder zugewiesen bekommen.
Ein Ereignis mag zwar ein Moment von Geschichte sein. Aber Ereignisse selbst machen noch lange keine Geschichte. Geschichte entsteht in ihrem Sinnzusammenhang, im Verhältnis von Grund und Folge. Ereignisse mögen zwar verursacht sein, stehen in ihrer Wirkung aber für sich. So mag zwar alle Geschichte, die hierbei entsteht, voller Ereignisse und Erlebnisse sein und sich von daher lebendig vorkommen, sie verbleibt aber lediglich als Erzählung, in der diese Ereignisse in ihrer Erinnerung aufgezählt werden. Ihr Zusammenhang ist eben so zufällig, wie diese in einem bestimmten Lebensraum zugefallen sind. Wer ihn nicht teilt, wird diese Erzählung kaum verstehen können.
Eine Kultur, die sich in zwischenmenschlichen Verhältnissen bildet, besteht daher aus vielerlei Wahrnehmungen und Selbstwahrnehmungen, die sich im Erleben zwischen den Menschen so ergeben wie sie sich ereignen und also im Gedächtnis auch so erinnert werden. Solche Wahrnehmungen reflektieren ihre Ereignisse so, wie sie in ihrer Wirkung schon gewollt und bemessen sind, für die Erkenntnis also schon in dem Augenblik vergangen sind, in dem sie entstehen, und also enden, ohne etwas anderes zu hinterlassen, als den Moment der Wahrnehmung selbst, der ihre Gefühle begeistern mag und ihre Erinnerung füllt, der aber sinnlich für sie nicht gegenständlich bleiben kann, solange sie sich nicht in einer Lebensform für ihre Gefühle verpflichten (siehe hierzu Band 2: Die Zwischenmenschlichkeit der Selbstvergegenwärtigung). Ohne dies abstrahieren sie von jeder Geschichte und bestehen nur in dem fort, worin sie schon bei ihrer Entstehung nicht wirklich begründet sein können, also im Grunde ihre Lebenswirklichkeit darin aufheben und nur in der Form erinnert werden kann, wie sie vergangen sind.
Ihre Geschichte besteht lediglich aus dem Nacheinander von Ereignissen, der Genealogie ihres Erlebens. Sie bezieht sich auf keine Gegenstände, sondern auf Ereignisse, wie sie im bloßen Erleben stattfinden, ohne dass sie irgendeinen Zusammenhang erkennen lassen außer dem, was die Form dieser Verhältnisse so darstellt, wie sie sich als Erbfolge des Erlebens generieren lassen. Diese Form ist die unmittelbare Lebensform einer umstandslosen Begegnung, durch die Menschen sich erleben, also sich als Menschen wahrhaben, ohne wirklich menschlich da zu sein und die Umstände ihrer Wahrnehmung zu begreifen. Ohne Bewusstsein hierüber sehen sie sich in ihrer einzelnen Selbstwahrnehmung allgemein bestärkt, ohne dass sie sich als Mensch wirklich anders mitteilen können, als durch ihr bloßes Dasein in einem zeitlosen Raum.
Lediglich in ihren Wahrnehmungen und Selbstwahrnehmungen lässt sich erkennen, was die Menschen voneinender durch ihre Zwischenmenschlichkeit wahrhaben, was sie existenziell im Sinn haben, ohne dass sich ihr Sinn wirklich äußert, ihr Tun und Treiben kein gegenständliches Leben, keine wirkliche Geschichte hinterlassen kann und ihre Unwirklichkeit sie antreibt, ihre Sinne fortwährend einzuholen, indem sie beständig außer sich gehen um sich an das zu erinnern, was sie mit und durch andere Menschen erlebt haben. Es ist, als ob die Menschen geradezu getrieben sind, für einen Sinn zu leben, der zwischen ihnen äußerlich und menschlich zugleich ist, und der sie nicht inne halten lässt, weil er keine Form außer sich hat, und der ihre Beziehung zugleich nur entäußern kann, weil er inhaltlich nicht wirklich da ist und sich von daher eine Form des Zwischenmenschlichen geben muss, die ihrer wirklichen Wahrnehmung fremd bleibt.
Wie kann sich ein solcher Sinn bilden, wie kann seine Bildung durch etwas geschehen, das die Menschen in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen nur für sich wahrhaben, und durch den sie andere wahrnehmen, ohne dass es wirklich für sie wahr sein kann? Was kann diese Sinnbildung ausmachen, was kann dies sein, das sich in solchen Verhältnissen bildet? Was kann zwischen den Menschen menschlich sein ohne dass es wirklich gegenständlich da ist?
Es ist ja eigentlich ein Widersinn des Wortes selbst, dass es zwischen den Menschen menschlich sein soll, wenn sie selbst dazwischen und außer sich zugleich sind. Es ist ein absoluter Widerspruch, der Widerspruch einer Lebensäußerung, die keine sein kann, weil sie unmittelbar nur verinnerlichen kann, was sie nur außer sich ist, sich zum Inhalt machen muss, was sie nicht ist, zugleich äußerlich aber für sich keinen Bestand hat, nicht wirklich gegenständlich ist oder wird, weil sie für sich nur wahrhaben kann, worin sie sich in anderen Menschen erscheint.
Im Zwischenmenschlichen gewinnen die Menschen ihre Wahrheit, indem sie einander für ihre Wahrnehmung nutzen, ihre Empfindung im anderen Menschen finden (emp-findung = zu Ende finden), sich durch andere Menschen finden und sich in dem erkennen, was sie mit der Wahrheit der anderen teilen, was sich ihnen miteilt, ohne wirklich als andere Wahrheit erkennbar zu sein. Worin sie sich achten, was ihre Selbstachtung ausmacht, ist die Selbstwahrnehmung ihrer Empfindungen, die sie wechselseitig durch einander haben, worin sie sich in dem finden, durch das sie für einander da sind. Das ist nicht einfach ein Verhältnis von Zwischenmenschen, sondern ihr wirklich zwischenmenschliches Verhältnis, ein sinnliches Sein durch andere in der Erfahrungswelt ihrer Selbstwahrnehmung, in ihrem Lebensraum, den Grenzen ihrer Kultur, in der Begrenzung ihrer politischen Form. Sie begründen sich darin sinnlich durch ihr wechselseitiges Dasein, durch ihr Sein für andere, durch ihre zwischenmenschlichen Empfindungen, in denen sie Achtung für sich erfahren, indem sie sich fremde Wahrheit aneignen, fremd bestimmte Wahrnehmung für sich wahr machen. Diese Selbstwahrnehmung ist somit zur Substanz ihres zwischenmenschlichen Lebens geworden. Indem sie sich durch andere so substantiviert, wie sie diese für sich erlebt hat, wie fremde Menschen also durch sie gewesen sind, werden sie sich selbst wesensfremd, sind außer sich nur ohne sich und können für sich nur durch andere sein (siehe Selbstentfremdung).
Diese Substanz ihrer Selbstwahrnehmung kann natürlich keine Wahrheit an sich sein. Die gibt es sowieso nicht. Es ist eine bestimmte Form ihrer Wahrheit, die so ist, wie sie diese nehmen können: die formbestimmte Wahrheit ihrer Wahrnehmung. In zwischenmenschlicher Beziehungen empfinden die Menschen ihre Wahrheit, die sie für sich haben müssen, in dem, worin sie sich in anderen Menschen erscheinen, in der Wirkung, die sie durch ihr zwischenemenschliches Verhalten haben und so fühlen, wie sie sich darin auch wahr haben und wahr machen. Ihre Selbstachtung ist daher beschränkt durch die Achtung, die sie anderen Menschen erweisen können und hieraus Achtung für sich beziehen. Dies ist eine Achtung, in der sie selbst der Wahrnehmung anderer Menschen unterworfen sind, worin sie also einen Selbstwert erlangen, indem sie anderen ihre Wertschätzung bieten. Und das kann nur ein Lebenswert ihrer zwischenmenschlichen Kultur sein. In ihrer Selbstwahrnehmung können sie sich also auch nur so achten, wie sie diese Kultur für sich wahrhaben und in ihren zwischenmenschlicher Beziehungen wahrnehmen. Was sie subjektiv hervorbringen, ist von daher schon objektiv bestimmt, bevor sie es überhaupt äußern können.
Dieser Widersinn des Zwischenmenschlichen verrät, dass sich Menschen in dem Sinn wahrnehmen, den sie in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen menschlich nicht wirklich für sich haben können. Er deckt auf, dass ihre Verhältnisse eben durch die Abwesenheit wirklich gesellschaftlicher Beziehung bestimmt sind und führt damit in die Erklärung einer Selbstwahrnehmung ein, die sich zwischen den menschlichen Beziehungen begründet, in denen Menschen jenseits aller gesellschaftlichen Wertverhältnisse sich einen Selbstwert verleihen, der ihre ganze Selbstwahrnehmung so bestimmt, wie sie in ihrem Lebensraum sich ereignen und erlebt werden kann. Er erhält sie wirklich selbständig als Mensch und betreibt als Basis ihrer Entwicklung ihre Selbstwahrnehmung wie ihr Selbstverständnis und entfaltet hieraus ihre zwischenmenschliche Erlebenswelt.
Der Widerspruch der zwischenmenschlichen Verhältnisse klärt also sein Wesen darin auf, dass Menschen nicht sein können, was sie sind, dass sie subjektiv nur anwesend machen können, was ihnen objektiv entzogen ist, dass sie sich hierfür gegenseitig nutzen müssen, um als Mensch gegenwärtig zu sein. Sie selbst können sich zwischen ihrem Menschsein nur als Objekte begegnen und müssen sich hierzu äußern, um subjektiv überhaupt für sich da sein zu können. Um sich zwischenmenschlich zu beziehen, müssen sie außer sich für sich sein können. Um sich zu äußern, müssen sie sich in ihrer Entäußerung wahrhaben.
Im Selbstwert veräußert sich, was Selbstachtung aufgeben muss, um in der Bezeihung der Wahrnehmung zu sein und zu bleiben und was hierdurch zur bloßen Selbstwahrnehmung geronnen ist, weil es keine Verwirklichung durch seine Tätigkeit finden kann und in seiner Leidensform aufgeht, wo es als einverleibte Wahrnehmung verharrt. Darin vermitteln sich die Selbstgefühle von Menschen in zwischenmenschlichen Verhältnissen so, wie sie sich in ihrer Selbstwahrnehmung gelten und durch ihr Geltungsbedürfnis wahr machen. Ihr Selbstwert stelt also dar, wie sie sich selbst darin optimal fühlen, sich selbst verwerten können.
Selbstgefühle entstehen also in zwischenmenschlichen Verhältnissen aus der Notwendigkeit einer Selbstachtung, die durch die Gefühle anderer Menschen aufgehoben wird, die also ihren Sinn in einer Selbstwahrnehmung aufheben muss, der alle Sinne in dem Selbstwert beisammenhält, der sie in diesen Verhältnissen vereint, worin sie zum Ausdruck kommen, ihre Lebensinhalte verwirklichen, ihre Lebensinhalte verwirklichen können. Ein Selbstgefühl ist das durch andere beeindruckte Gefühl, die Erinnerung eines Eindrucks, auf den sich sein Selbstwert als abstrakte Notwendigkeit einer bedrängten Selbstachtung bezieht. Was die Gefühle aus ihren Empfindungen entwickelt haben, ist in zwischenmenschlichen Verhältnissen durch das eindrückliche Verhalten der Zwischenmenschen durchbrochen, voneinander getrennt und im Selbstgefühl wieder vereint, soweit sich darin ein Selbstwert aus diesen Verhältnissen beziehen lässt.
Das Zwischenmenschliche vergemeinschaftlicht darin ein objektives Subjekt, durch das sie voneinander getrennt und angezogen zugleich sind. Es ist ihre Beziehung in dem, was ihren Schmerz ausmacht: Dass sie nämlich subjektiv in dem getrennt sind, durch was sie sich aufeinander objektiv beziehen. Es ist die in ihnen gebrochene Subjektivität, durch die sie sich verbunden fühlen in einen Sinn, der sich dadurch auf andere Menschen bezieht, dass er von ihrer wirklichen Subjektivität absieht. Ihre zwischenmenschliche Beziehung ist darin getrieben, sich in dem zu vereinen, was sie zugleich auseinandertreibt. Sie ist daher nur abstrakt sinnlich. Sie ist eine Beziehung in Verhältnissen, die sich durch einen abstrakt menschlichen Sinn bestimmt.
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111.0.2 Die Lebenswelt abstrakter Sinnlichkeit
Die Verhältnisse zwischen den Menschen sind durch ihr Erleben vermittelt und haben von daher auch die Mittel ihrer Entfaltung und Entwicklung durch ihre Mitte. Und diese besteht aus dem Sinn, der zwischen ihnen in Beziehung ist: Der Sinn ihres Elebens. Er ist relativ dürftig gegen sein wirkliches Leben, denn er setzt zum einen Ereignisse voraus, die sich jenseits der Lebensproduktion ergeben und wird zum anderen auch für ihre Jenseitigkeit so geschaffen wie ihre Erlebnisse für die Selbstwahrnehmung sein müssen. In der Kultur der Ereignisproduktion entfaltet sich eine Sinnlichkeit, die eine Welt schafft, wie sie sein muss, um in einer Welt zu leben, die nichts mehr für sie sein kann. Der abstrakt menschliche Sinn bleibt daher auch immer der Sinn einer Parallelgesellschaft, also einer Gesellschaft, die ihre eigenen Gründe und ihr eigenes Wohl und Wehe hat.
Auch hier sind die Menschen Subjekte wie Objekte ihrer Verhältnisse und kommen darin wechselseitig auf ihre Subjektivität, auf sich durch ihre objektive Vermittlung zurück. Der Objekivität der zwischenmenschlichen Kultur ist zwar Geldbesitz als Medium ihrer Selbständigkeit und ihrer Freizeit vorausgesetzt. Aber für die Menschen vermittelt sich darin nicht ihr Geld, sondern der Sinn, den sie für ihr zwischenmenschliches Erleben durch ihre Wahrnehmungen und Selbstwahrnehmungen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen haben, bilden und entwickeln.
Als Subjekte wie Objekte ihrer Wahrnehmungen finden die Menschen an einander das, was sie durch einander auch von sich verspüren. Aber was sie aneinander finden kann nicht zugleich das sein, was sie durch einander fühlen, da sich das Gefühl erst aus den Empfindungen nach ihrer Geschichte an Erfahrung ergibt. In ihren Verhältnissen vereint sich daher, was die Menschen zwischen Vergangenheit und Gegenwart durch einander erfahren haben und was sie zugleich voneinander trennt, weil und wo Ihre Gefühle als Mittel und Zweck ihrer Beziehung zu ihrem Lebensverhältnis wurden. Weil und sofern sie keine wirkliche Geschichte mehr bilden können, bildet sich in ihrer Selbstwahrnehmung eine Welt voller Geschichten in ihrer Zwischenmenschlichkeit aus, in der eine Zusamengehörigkeit des Erlebens entsteht und besteht, worin die Menschen vor allem den Sinn füreinander finden können, den sie durch einander, durch ihre bloße Anwesenheit schon abstrakt haben, ohne sich seiner wirklich gewiss sein zu können.
Die Erlebnisse der Menschen, wie sie in zwischenmenschlichen Beziehungen zustande kommen, vollziehen sich daher in einer Welt voller Gefühle, die ihre Gewissheit ausschließlich in der Form ihrer Verhältnisse haben und worin jedes Gefühl aus Empfindungen entsteht und jede Empfindung im Gefühl auch den Sinn ausdrückt, der sich darin gefunden hat. Was sich aber im Gefühl findet und ereignet ist nicht das, was die Empfindung der zwischenmenschlichen Ereignisse ausmacht. Im Gefühl gestaltet zwar die Empfindung ihre Erinnerung, verliert sich aber auch darin, soweit und sofern das Gefühl nicht auf das Ereignis zurückkommen kann, das es erinnert. Es erfährt seinen Sinn aus dessen Erleben und reflektiert dies in sich, muss aber zugelich von seiner Sinnesform abstrahieren, um als Gefühl auch für sich zu bestehen, bestehen zu bleiben. So stellt sich die äußere Vermittlung der zwischenmenschlichen Ereignisse auch in der Trennung zwischen ihren Empfindungen von ihren Gefühlen dar. Was bleibt, ist ein Bild, in welchem beides vereint erscheint, und das auf seinen Sinn mal im Einzelnen, ein ander mal im Allgemeinen zurückkommen kann. Jedes Gefühl kann daher leicht in die Irre gehen.
Nur in der Bestimmung ihrer Form, in der Formbestimmung ihrer Verhältnisse können ihrer Gefühle überdauern, sich in der Absehung von ihrem sinnlichen Gehalt bewahrheiten und bewähren. Was in der Sinnbildung der Menschen gesellschaftlich und damit gegenständlich entwickelt wurde, stellt sich in der Sinnbildung ihrer Gefühlswelt, der Wahrnehmungswelt ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse nur abstrakt vermittelt dar als Vergegenständlichung der Wahrnehmungen von Menschen, die so in ihren Gefühle füreinander sind, wie sie einander in den Ereignissen dieser Verhältnisse gewahr werden und ihre Wahrheit füreinander finden, sich in der zwischenmenschlichen Beziehung auf andere für so wahr empfinden, wie sie für sich sein können, wie sie darin eben vorkommen. Es ist ein tautologisches Verhältnis und zugleich das Verhalten einer Tautologie, die Form ihrer allgemeinen Selbstbeziehung, durch die bestimmt ist, was sie überhaupt nur sein kann.
Doch was macht diese Form aus, die nicht nur Form der Inhalte ihrer Beziehungen ist, sondern zugleich auch Form durch sich ist, durch die Gegenständlichkeit vieler Selbstwahrnehmungen, durch ihre allgemeine Selbstvergegenständlichung als Körper der Wahrnehmung? Es ist die bloße Anwesenheit von Menschen, die durch diese Form aufeinander bezogen sind, durch die sie allgemein zu dem werden, was sie im einzelnen abstrakt gegen sich und für sich sein müssen. Es ist die Reduktion ihrer Selbstwahrnehmung auf das, was sie nur durch die Anwesenheit von Menschen, also durch diese und für sich ohne jeden konkreten Sinn und doch körperlich da ist.
Ihr wirklicher Sinn bleibt bei sich in einem sinnlichen Vakuum, einem Körper, der unentwegt seinen Sinn für andere aufheben muss, um für sich sinnvoll unter anderen als Gegenstandeiner allgemeinen Selbstwahrnehmung zu sein. Er wendet sich gegen alle, durch die er bestimmt ist und bleibt doch ein besonderer Sinn, der sich nicht in seinen Verhältnissen verwirklichen kann ohne sich entäußern zu müssen. Er wird gegen sich gewendet und treibt gegen andere. Die Menschen in solchen Verhältnissen sind daher auch wirklich getrieben, sich in ihren Selbstwahrnehmungen zu vereinen, in denen sie ihre Selbstbezogenheiten verwirklichen, dem Geltungsstreben ihrer Selbstverwirklichung Folge leisten müssen, um sich verwirklichen zu können.
Es ist der Trieb ihrer Zwischenmenschlichkeit, der sie verbindet und sie als Mittel sucht, sich durch sie vermittelt, um seine Empfindung im Nichts der Verbindlichkeiten zu finden, die sich aus der Form dieser Verhältnisse, aus ihrer Formbestimmung ergibt. Aus ihm bestimmt sich die Abstraktion aller sinnlichen Beziehung, die sich darin findet, die Substanz eines abstrakt menschlichen Sinns, die Begriffssubstanz der zwischenmenschlichen Verhältnisse überhaupt.
In ihren zwischenmenschlichen Beziehungen bilden die Menschen hieraus einen eigenständigen Zusammenhang ihrer Gefühle, der sich getrennt von seinen Empfindungen zugleich wie ein Inneres ihrer Empfindungen je nach ihren Erfahrungen, nach den Ereignissen ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse zusammenfindet. Wiewohl die Menschen nur aus diesen Verhältnissen einen bestimmten Gefühlszusammenhang bilden, erscheinen sie sich in diesen für sich selbst mit einem innersten Wesen begabt, mit einer Seele versehen, die ihre originellste Eigenheit aus dem See ihrer Gefühle bezieht. Und die stellt von da her auch die einzigartige Geschichte ihrer Individualität dar.
Was für ihre Lebensverhältnisse stimmen mag, wird auf diese Weise aber nicht nur als ihr individuelles Wesen in diesen für wahr genommen, sondern schließlich auch hergenommen, um sie als Persönlichkeit ihrer Individualität wahr zu haben und sich auf diese zwischenmenschlich zu beziehen. Sie wird zum Gegenstand der Empfindungen, die sich darin allgemein beziehen und selbst zum Gefühlsinhalt der Wahrnehmungen, zur Substanz der Selbstwahrnehmung im Allgemeinen werden. Und wo dieses allgemeine Wahrnehmen selbst wahrgehabt wird, ist der Sinn der Lebenszusammenhänge auf sich selbst verwiesen, wird er zu einem Sinn, der überhaupt nur in Wahrnehmungsverhältnissen existiert, worin sich jedes Individuum im einzelnen auf das bezieht, was sich darin ganz allgemein verhält, sich einzeln in einem allgemeinen Verhältnis darstellt. Das bildet sich im Einzelnen und erfährt darin zugleich seine Bildung im Allgemeinen, in dem seine Empfindungen und Gefühle in einem Selbstgefühl aufgehen, das hierdurch allgemeine Gültigkeit bekommen hat. Solche Sinnbildung erscheint daher zunächst wie die Beziehungsform einer Tautologie in einer Welt, in der alles für sich bleibt, um allgemein in Gesellschaft zu sein, um Gesellschaft als Gemeingefühl wahrzumachen, das ihre Gemeinschaft aus individuellen Gefühlszusammenhängen durch Selbstgefühle bildet, die darin in eine objektive Beziehung zueinander versetzt und somit für sich selbst gegenständlich sind.
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111.0.3 Zwischenmenschliche Individualität
Wo die Menschen ihre sinnliche Gewissheit, die Wahrheit ihrer Wahrnehmungen, nur in sich und durch sich in der bloßen Anwesenheit von Menschen finden können, beziehen sie sich durch die Räumlichkeit ihres Daseins. Jedes besondere Selbstgefühl macht sich im Raum gemein mit anderen Gefühlen - umso intensiver, je dichter die Anwesenheiten sich ereignen, je öfter oder näher sie sich begegnen. Der abstrakt menschliche Sinn ihrer Verhältnisse findet daher sein Maß im Ausmaß solcher Ereignisse, der Dichte dieser Anwesenheiten. Und was die Menschen dabei für sich finden, das empfinden sie durch andere in der gesellschaftlichen Form ihrer Beziehungen.
Jeder Mensch ist ein Individuum seiner Gesellschaft so, wie er sich darauf sinnlich, also körperlich beziehen kann. In der bürgerlichen Gesellschaft ist er auf den Nutzen der dort vermittelten Gegenstände, auf die Gebrauchswert ihrer Waren bezogen. Hier wird er auch zum Individuum der Selbstwahrnehmung in einem allgemein bestimmten Lebensraum. Sein Gefühl für sich mag ihm als sein besonderes Selbstgefühl erscheinen, weil es ja immerhin auch seine Erinnerung an sich und für sich ausmacht. Aber zugleich vergegenwärtigt er oder sie es als Mensch unter Menschen, deren Zusammenhänge im Leben zwischen den Menschen nur von den Ereignissen abhängen, die sich in diesem Raum zutragen. Jedes Erleben bezieht sich daher auf die gesellschaftliche, also politische Form der Lebensräume - z.B. Familie, Gemeinde, Kommune, Land, Nation usw.. Das macht die Selbstgefühle, wo sie allgemein werden, in ihrer Individualität höchst widersprüchlich, ist doch damit ein jeder in seiner Wahrnehmung sowohl sinnlich wie politisch zugleich bestimmt. Was an und für sich nichts miteinander zu tun hat, muss er als die Lebensbedingung seiner Selbstwahrnehmung anerkennen. Unversehens geraten politische Bestimmungen in seine Selbstgefühle. Das war ja auch schon mit der Möglichkeit von Selbstgefühlen mit ihrer Formbestimmtheit gegeben. Jetzt wird es notwendig, weil der Raum nicht nur als eine Abstraktion in der Vorstellung existiert, sondern wirklich alle Beziehungen in der Ausdehnung ihrer Vielfalt und Dichte bestimmt.
Ein Selbstgefühl soll ja auch eigentlich eine Beziehung im Gefühl zu sich selbst bezeichnen, unterstellt also schon eine ihm äußer Reflexion. Für sich verstanden ist dies aber schon rein sprachlich ein Unding, behauptet das doch eine Beziehung, - das ist eine Verbindung verschiedener Subjekte - die zugleich nicht als Beziehung durch Unterschiedenes besteht, sondern durch ein Selbst begründet sei, das unterschiedslos und also ununterscheidbar objektiv sich reflektieren könnte. Es wäre ein Widersinn des Wortes, hieße das doch, dass man selbst doppelt existiere, denn Beziehung gibt es nur zwischen eigenständigen Wesen, also z.B. mindestens zwischen zwei Personen. Hier geht es aber um das, was sich darin gleichbleibt.
Nun wissen wir, dass es sich um die Dichte der Beziehungen, um das Ausmaß ihrer Lebensräume handelt, in dem diese stattfinden, sich ereignen. Was die Menschen als Individuen in diesem Raum finden, was also ihre Empfindung an Sinn findet, ist das, was als Ereignis darin stattfindet und auch immer wieder nötig wird. Worauf sonst sollten Menschen sich in ihren Gefühlen beziehen, wenn sie sich darin in ihrer je eigenen Notwendigkeit nur äußerlich, also sich selbst unendlich unterschiedslos, also gleich bleiben müssen? Es wäre das Selbstgefühl im Allgemeinen eine Selbstvertauschung, eine bloße Selbsttäuschung, die Scheinwelt von Selbstigkeiten vieler Personen, wenn es dies Unterschiedene im Gleichen nicht doch auch wirklich geben würde, eben in einer Selbstempfindung durch andere, in den Empfindungen von Menschen als Seinesgleichen und doch Anderes, als Empfindung in zwischenmenschlichen Verhältnissen, die darin Sinn finden, dass die Menschen sich wechselseitig ihr Leben in ihren Erlebnissen einverleiben.
Wie Menschen sich hier in anderen finden, so reflektiern sie sich als Mensch, der sich darin gefunden hat, und so sind sie als Mensch zugleich auch nur menschlicher Körper ihrer eigenen Lebensverhältnisse. Es ist das unentwegte Wiedererkennen seiner selbst in anderen Menschen, das genau so unentwegt enttäuscht wird, wie es sich durch andere auch begeistern kann, weil darin eben nur gefunden werden kann, was man von sich selbst darin auch wirklich wahrhat. Und das kann nicht unmittelbar menschlich sein, weil menschliche Wahrheit unmittelbar gewiss sein muss, also keine Gewissheit durch andere Menschen finden noch durch sie haben kann, weder vermitteltbar noch unmittelbar ganz gewiss ist. Nur eines ist gewiss, dass sich die Gefühle in ihrem Selbstgefühl finden, sich dort treffen und verallgemeinern, weil sie darin in der Masse sich gegen ihre Ungewissheit bestärken und ihre Wahrnehmung in der wechselseitigen Bestärkung der Gefühle in Gang halten.
Weil jede menschliche Empfindung von daher immer schon so gesellschaftlich ist, wie der einzelne Mensch in Gesellschaft sich bewahrheiten kann, so ist er das auch im Gefühl. Doch er kann sich nur wirklich bewahrheiten, wenn sich die Gefühle in Selbstgefühle vermengen und sich darin der Wahrnehmung ihrer selbst versichern, ohne über das Wahrnehmen hinauszugehen, ohne Erkenntnis ihrer Verhältnisse bleiben. Weil die Empfindungen sich nur darin letztlich ihrer Wahrnehmung versichern können, empfindet sich jeder Mensch auch so fremd, wie Gesellschaft menschliche Entfremdung in ihren Selbstgefühlen aufhebt und fortträgt und eine Vergewisserung vermittelt, die nur davon abhängt, wieweit sich Empfindungen in den Gefühlen der Menschen und von daher in einem Selbstgefühl mitteilen und verselbständigen kann.
Wahrnehmung, die sich durch die Verhältnisse ihrer Gefühle selbst zum Gegenstand wird, wird zu einem Ding ihrer selbst, enthält sich selbst als Lebensbedingung, in welcher alle Lebensbedingungen sich ihrer selbst versichern, die darin zur Wirkung kommen und also eine eigene Wirklichkeit bilden. Die Kultur im allgemeinen jenseits ihrer gesellschaftliche Formbestimmung enthält noch alle Sinnbildungen der Menschen durch die Gegenstände, die sie darin herausgebildet haben. Die Kultur der Zwischenmenschlichkeit kennt diese Gegenständlichkeit aber nur, soweit sie hiergegen noch zwischen den Menschen existiert, soweit sie sich auch noch auf die sinnlichen Gegenstände der gesellschaftlichen Produktion zwischen den Seiten ihrer Existenz bezieht. Gegenständlich sind ihre Erkenntnisse einerseits durch die Vielfalt ihrer Wahrnehmungen, durch das Erleben ihrer Empfindungen und andererseits durch das, was sie andererseits in ihren Gefühlen für sich selbst wahrhaben.
In solcher Kultur ist aber die menschliche Erkenntnis zwischen ihren Empfindungen und ihren Gefühlen so geteilt, wie auch die Gegenstände durch die widersprüchliche Form der menschlichen Arbeit vor ihrer Selbsterfahrung schon geteilt sind. Was die Menschen durch einander von sich hierin erkennen ist nicht das, was sie in ihren Selbstgefühlen erkennen können. Jede Erkenntnis besteht daher im Zweifel zwischen ihrer Gewissheit und ihrem Gefühl - und zweifelhaft sind die Erkenntnisse im Ganzen, die dies sich nicht bewusst machen. Ohne Bewusstsein von sich ist jede Erkenntnis ganz von der gegenständlichen Welt ihrer Lebensproduktion getrennt und als Wahrnehmung für sich selbst aus ihrer Selbstwahrnehmung verselbständigt, abgehoben, selbst nur abstrakte Erkenntnis. In dieser Beziehung ist sie nur aus zwiespältiger Wahrnehmung in ihrem Selbstzweifel wahr, die als in sich schon gespaltene Wahrheit unablässig zwischen ihren Empfindungen und Gefühlen vermitteln muss. In dieser Gespaltenheit ist jeder einzelne Mensch zugleich allgemein gesellschaftlich, kann sich aber als allgemeiner Mensch auch nur abstrakt in seiner Einzelheit verstehen.
Im Einzelnen oft der Verzweiflung nahe finden die Menschen in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen dennoch ihr Glück in ihrem Zusammenhalt, wo sie ihre Trennungen durchbrechen. Aber als Ganzes von dieser Welt getrennt, also in sich geschlossen und durch sich von der Welt ausgeschlossen, kann Selbstwahrnehmung nur noch auf die Allgemeinform der Gegenstände einer Waren produzierenden Gesellschaft, auf Geldverhältnisse verweisen und setzt eine Wahrnehmungswelt voraus, die ihre Substanz aus den hochentwickelten Formationen des Geldbesitzes bezieht. Geld macht zwar nicht glücklich, aber durch Geldbesitz wird ein Glück in Selbstgefühlen möglich, das ohnedies nicht sein kann. Aber wo Erkenntnis auch ohnedies möglich ist, da hat sie keine Selbstwahrnehmung nötig.
Von daher sind die Selbstwahrnehmungen in solcher Gesellschaft total, eine Welt für sich, elementare Lebensform, die immer nur den Schmerz überwinden kann und aufheben muss, der aus ihren Trennungen und Ausschließlichkeiten besteht. Es ist ihr ästhetischer Drang, der ihn überwindet, das Maß und Ziel ihres Strebens nach Einheit, der Trieb nach Vereinigung in ihrer Selbstverlorenheit, nach der Insel der Glückseligen. Allgemein reflektieren sich in den zwischenmenschlichen Verhältnissen der Menschen Gefühle durch einen Wert, den diese für die einzelnen Menschen haben, durch einen gesellschaftlichen Selbstwert, dem gegenüber jede einzelne Selbstwahrnehmung nur unvollständig, nur mangelhaft erscheinen kann, weil darin ihre ozeanische Seele erscheint, die doch nur einen profanen Körper haben kann. Gesellschaftlich vermittelt sich im Selbstwert ein Lebenswert von Gefühlen, welche die Selbstwahrnehmungen in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen im Maß ihrer Aneignung und Einverleibung bestimmen. Und die Erzeugung von Selbstwert wird unter diesen Bedingungen umso nötiger, je mehr die Menschen in den gesellschaftlichen Verhältnissen ihrer Lebensproduktion, in ihren Verhältnissen von Arbeit und Bedürfnis an Wert verlieren, je größer also der Mehrwert ist, der ihrer Lebenszeit entzogen wird und je isolierter sie sich geben.
So scheinen Gefühle sich auch in und durch ein Wesen der Menschen zu gestalten, sich auszubilden, das schließlich nur die zwischenmenschliche Wahrheit einer allgemein ausgemachten Individualität sein kann, die zugleich hiervon getrennt in jedem Einzelwesen existiert. Sie erscheint in ihrer Ausschließlichkeit zugleich als Allgemeinheit ihrer Verhältnisse, als die selbständige Besonderheit einer allgemein persönlichen Subjektivität, die in ihrer Isolation schon wie die aller Menschen seelisch begabt ist, auch wenn sie für sich nur das sein kann, was sie in ihrer Empfindung in diesen Verhältnisen allgemein wahr hat. Doch als besonderes Wesen unterscheidet sie sich in einem abstrakt besonderten Gefühl für sich wie das Selbstgefühl eines seelischen Wesens, das nicht nur im einzelnen, sondern allgemein subjektiv ist, als allgemeine Subjektivität seiner zwischenmenschlichen Beziehungen wirkt, welches seine Individualität im Füreinander oder Miteinander oder Gegeneinander der Menschen zwischen den Menschen bestimmt zu sein scheint.
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111.0.4 Getriebene Menschen und der Trieb ihrer Verhältnisse
Was soeben wie das Selbstgefühl eines seelischen Wesens beschrieben wurde, ist eine Anleihe aus einer etwas altertümlichen Assoziation zum germanischen Wortgebrauch von Seele, die deren Ungewissheit, ihre Ahnungen illustrieren soll, ihre Ahnenschaft aus den endlosen Gewässern ihrer Landschaften, aus den Seen verbildlicht, in denen ihre Ursprünglichkeit vermutet wurde. Natürlich gibt es keine wirkliche Seele und also auch keine Seelengemeinschaft. Wohl aber gibt es Seelenherrschaft.
Was zunächst vielleicht nur als Ausdruck einer vergemeinschafteten Ideologie verstanden werden könnte, ist ein konkret und praktisch wirksamer Gemeinsinn, der keine einzige konkrete Beziehung zwischen den Menschen aufweisen kann, sich aber in allen zwischenmenschlichen Verhältnissen verwirklicht. In seiner individuellen Erscheinung, in seiner zwischenmenschlichen Subjektivität sind die Menschen sowohl Konkurrenten ihrer Selbstwahrnehmung und zugleich verschmolzen in ihren seelischen Abhängigkeiten, im Widerspruch mit sich selbst: Sich selbst haben sie ausschließlich wesentlich wahr und doch gleichgeltend mit allen anderen, die sie in ihren Gefühlen nur abstrakt wahrhaben können. Nur sich selbst können sie in ihrer Wahrnehmung bestimmt erkennen und sind in Wahrheit zugleich gleichgültig gegen alle anderen. Sie reflektieren diese lediglich in ihrem Geltungsstreben, das von ihrer Selbstwahrnehmung betrieben wird.
Menschen können in ihren Gefühlen eben nicht wirklich gleich und durch diese auch nicht gleichgültig sein. Wie auch sollten sie sich durch ihre Gefühle aufeinander beziehen und darin zugleich ihre Besonderheiten geltend machen können? Das setzt voraus, dass jeder einzelne Mensch eine Empfindung für einen anderen Menschen hat, auf den er oder sie sich bezieht, diese aber für sich behält und sich auf ihn als Objekt seines ganz eigenen für sich bleibenden Gefühls bezieht, das aber nur durch diese ausschließliche Beziehung ist, worin solche Empfindung ihre Wahrheit hat und zugleich nimmt. Es ist eine Widersinn in sich.
Und so ist in der Tat nicht nur ihre Beziehung auf andere, sondern auch ihre Selbstwahrnehmung hierin gespalten, denn erst durch dieses Objektsein sind sich die Menschen auch wirklich gleich, weil jeder im Gefühl nur wahr für sich bleibt, während sie einander in ihren Empfindungen unbestimmt wahrnehmen. Und indem sie hierbei alle für sich objektiv bleiben, verhalten sie sich sich allgemein als Objekte ihrer Wahrnehmung und haben sich auch nur in ihrer Objekt-Objekt-Beziehung wahr. Und wiewohl sie sich wechselseitig in ihren Empfindungen völlig subjektiv begegnen, beziehen sie sich doch nur durch ein Subjekt, das außer ihnen in jedem allgemein in seinem Gefühl für sich objektiv ist, das sie subjektiv bezogen sein lässt, weil und indem es ihrer wirklichen Beziehung im Allgemeinen fremd bleibt. In ihren Selbstgefühlen objektivieren sie ihre zwischenmenschliche Individualität, die sich in der Produktion von Ereignissen verwirklicht, die ihnen dem entsprechende Empfindungen beibringen, worin sich ihre Absichten äußern. Tatsächlich bestimmen im Einzelnen ihre Absichten ihre Wahrnehmungen, indem sie die Ereignisse hierfür initiieren.
Die Ereignisse des Erlebens sind für die Selbstverwertung, was die Märkte für die Wertrealisierung der Produkte sind. Daher ergeht es der Selbstverwirklichung ähnlich, wie der Verwirklichung des Werts durch deren Angebote auf den Märkten. Sie werden ökonomisch zu der Konkurrenz gezwungen, die sie zwischenmenschlich auch um ihren Selbstwert durch das Arrangement ihrer Absichten betreiben. Es verwirklicht sich das bürgerliche Subjekt daher nicht nur auf den Märkten als Geldbesitzer, sondern auch zwischen den Menschen, die es zu objektiven Persönlichkeiten ihrer Verhältnisse macht. Die Zwischenmenschen beziehen sich daher in ihren Gefühlsverhältnissen über eine schon gebrochene Einfühlung, weil sie in Wahrheit gleichgültig für einander und für sich vollkommen bestimmend, selbstbestimmte Persönlichkeiten durch ihre Wahrnehmung sind. Weil sie ihr persönliches Gefühlsleben als ein seelisches Wesen für sich und gleich jedem Menschen haben, beziehen sie sich selbst als Mensch überhaupt nur durch ihre Selbstwahrnehmung, in der sie ihr persönliches Menschsein zugleich auch wahrhaben. Ihre zwischenmenschliche Beziehung ist ausschließlich persönlich und soll zugleich allgemein, zugleich also in dieser Ausschließlichkeit in allen gemein wahr sein. Doch was ein in sich geschlossenes Ganzes sein soll, das für sich selbst abwesend, in seiner Wirklichkeit also unwesentlich ist, bezieht seine Wahrheit aus dem Widerspruch seiner Wahrnehmung durch die Anwesenheit von hieraus bestimmten Beziehungen, die es in zwischenmenschlichen Verhältnissen für sich gewinnen muss.
Die Kultur des bürgerlichen Besitzstands, des Geldbesitzes, resultiert aus der Teilung der Arbeit, die in der Formbestimmung ihrer Zwischenmenschlichkeit ihren Sinn nicht nur durch Mitteilung, sondern durch die wirkliche Teilung ihrer Erkenntnis entwickelt und ist damit zum Sinnstifter einer abstrakten Sinnlichkeit geworden, der sich über die Abwesenheit von Sinn begründet, entwickelt und ausbreitet, selbst also nur noch abstrakt menschlichen Sinn verallgemeinern kann. Es ist die Kultur des Kapitals, das sich hier in den Menschen selbst als deren soziales Allgemeinwesen im Gemeinsinn eines abstrakten Reichtums niederlässt und sich über die Anwesenheit und Dichte der Selbstwahrnehmungen der Menschen versinnlicht und nach dieser verlangt. Das Verlangen nach ihrer Ästhetik ist der Tribut, der den Verlust an konkreten Lebenszusammenhängen ausgleicht. Und das ist der Springpunkt der Kritik der politischen Ästhetik: Der Trieb des Kapitals, der die gesellschaftlichen Zusammenhänge auf ihreabstrakt allgemeine Einheit zurückführen und sie der Tendenz nach auf ihre Reproduktion reduzieren muss, tritt in der Selbstwahrnehmung als Trieb einer Ästhetik auf, durch den die Selbstwahrnehmungen sich zusammenfinden und sich auf das körperliche Dasein ihrer Kultur reduzieren müssen. Der Fortschritt des Kapitals in seinem Wertwachstum reduziert sich somit zugleich auf die Reaktion seiner Kultur, wird reaktionär.
Mit der allgemeinen Selbstreflektion in ihren Selbstgefühlen, werden die Gefühle selbst zu einer gesellschaftlich bestimmenden Macht. Es vereint sich darin das Bestreben eines ganzen Verhältnisses, um zu sich durch eine gesellschaftliche Vermittlung zu kommen, die in einem abstarkt Allgemeinen versöhnt werden sollen, zum einen im Wertwachstum der politische Ökonomie, und zum anderen in der Veredelung der Selbstgefühle in der politische Kultur. Beides ist in seinem Streben logisch darin gleich, dass es sich um eine regressiven Selbstentfaltung ihrer Entwicklung handelt, um die Reduktion ihrer Inhalte in einer bloßen Quantifizierung ihrer Form durch die Formbestimmung ihrer Begriffssubstanz, der Abstraktionin und durch ihre Substanz. Dieser Trieb vergesellschaftet die Selbstwahrnehmung zu ihrer Welt, zu einer Welt, worin die Selbstgefühle begeistert zusammenkommen und sich in ihrem abstrakten Sinn auch wirklich einfinden und einfühlen, einander fremd und in ihrer Haptik doch eng vertraut, gerade dort, wo sie weder einen wirtschaftlichen, noch einen kulturellen Sinn und Zweck mehr finden können und sich substanziell aufbrauchen. Der allgemein abstrakte Mensch mag sich dann immer noch ungebrochen als Subjekt der Welt wahrnehmen, während er seinen Trieben gehorcht und ihnen hörig wird, die aber immer schon ihren Zerfall betreiben, weil sie schon vor aller Erfahrung nur gebrochene Verhältnisse wahrhaben können.
Was die Verwertung des Kapitals den Menschen an Arbeitszeit abverlangt, das verlangt dieser Trieb in der Verdichtung von Lebensraum. Was die Arbeit durch den Warentausch als abstrakt menschliche Arbeit gesellschaftlich verwirklicht, das verwirklicht die Wahrnehmung durch ihrezwischenmenschlichen Verhältnissen in einem abstrakt menschlichen Sinn. In dem Maß, wie sich der Sinn aufhebt, den Menschen für ihr gegenständliches Leben haben, wird sich der Sinn, den sie für sich haben, gegen sie selbst wenden. Er wird sie zwischenmenschlich erschöpfen weil und soweit sie ihn nicht als den Unsinn widersinniger Lebensverhältnisse begreifen und also ihren Widersinn ad ultimo forttreiben. In ihren Krisenzuständen fallen die politischen Formationen der Wirtschaft und die der Kultur zusammen und vernichten sich selbst in ihrer fatalen Verschmelzung, in Rassismus, Faschismus und Barbarei.
Es ist das, was Individualpsychologie überhaupt nicht begreifen kann und schon in ihrem Ansatz noch nie verstanden, aber in allerlei Tendenzen mythologisiert hat. Inzwischen versucht sie selbst sich aus dem Individuum zurückzunehmen indem sie die Mystifikationen einer symbolisierten Systematik durch die Gewächse der Systemtheorie darüber ranken lässt und durch Figurationen der Wahrnehmung einzurenken versucht, was innerlich zerbrochen ist und seinen Zusammenhang überhaupt nur in äußerer Gestalt finden kann, in dem, was die Wahrnehmung schlechthin immerhin strukturell beeindruckt, dem Reiz ihrer Ästhetik, auf den sich das Erleben in seinem größten Drang reduzieren lässt.
Die Individualpsychologie hat vielerlei Begriffe für dieses einzelne Allgemeinwesen, das Seelenwesen, das sie aus dem sakralen Kontext einer übernatürlichen Inspiration (Atem Gottes oder Geist der Ahnenwelt) herausgenommen und zur Psyche erklärt hat. Aber auch so profan wird deren Bezogenheiten aus einem voraussetzungsloses Wesen innerster Antriebe eines Menschen verstanden, aus dem sich ihre Bezugnahmen praktisch nur metaphysisch erklären lassen - als Libido, Archetypen, Gestaltungswille, Verhaltensorgan, Lebensmuster usw.). Und so erscheint die Individualgeschichte vor allem als Entfaltungsprozess dieses Wesens, aus dem sich seine Gefühle begründen und von daher schon idealisiert sind, durch sich selbst vermittelt und sich auch seelisch vermittelnd.
Wir haben die Wahrnehmung im Zusammenhang mit ihren Ereignissen analysiert und kommen nun zum Kern ihres inneren Verhältnisses: in die Verhältnisse der Menschen zu sich selbst und zu anderen Menschen, die ja überhaupt erst die Wahrnehmung an und für und durch sich selbst bestimmen können. Wie und warum also kann eine Wahrnehmung schon sich selbst verhalten und in Verhältnissen aufgehen, die ihre Ereignisse nicht nur selbst bestimmt, sondern ihre eigenen Grundlagen zu ihrer inneren Notwendigkeit werden lassen, zu einer Selbstentfremdung treiben, in der die Menschen keinerlei Ereignisse also solche mehr wahrnehmen können, weil die Wahrnehmung selbst ihr einzig wirksames Ereignis ist? Wie können sich Verhältnisse in der Wahrnehmung selbst bestimmen? Bisher war nur gesagt, dass sie durch Ereignisse beigeführt werden, die für die Wahrnehmung notwendig und von daher beabsichtigt wurden. Jetzt geht es darum, wie sich die Wahrnehmung vom Inhalt der Ereignisse ablöst, ihr selbst gleichgültig wird, was siese im einzelnen ausmacht, wie hieraus eine Formbestimmung der Wahrnehmung für sich entstehen kann, was die Wahrnehmung ist, die sich nur noch auf sich selbst bezieht, was also die Formbestimmung der Selbstwahrnehmung ausmacht.
Wir wissen nun, dass objektive Wahrnehmung, dass Ästhetik überhaupt durch eine Trennung von Empfindungen und Gefühlen sich verselbständigen kann, dass sie aus ihr so hervorgeht, wie sie die Ereignisse selbst verursachen konnte. Nun geht es also darum, was hierbei die Wahrnehmung auf sich selbst bezogen ist. Zum einen ist sie ja weiterhin natürlich und doch gesellschaftlich zugleich, Sinn der sich nur durch seine Begeisterung für Menschen auf sich gesellschaftlich beziehen kann. Es wird sich zeigen lassen, dass die Erlebnisse zwischen den Menschen auch unabhängig von den einzelnen Ereignissen sich durch den Eindruck von Menschen, den sie auf die Wahrnehmung machen, begeistern lässt, dass sie ganz eigentümlichen Reizen folgt, die sich aus ihrem zwischenmenschlichen Erleben ergeben und worin sich doch zugleich das ganze gesellschaftliche Elend dieses Erlebens vollzieht, das alleine durch das Geltungsstreben nach Selbstwert begründet ist.
Nach dieser Analyse können wir nun also mit der Darstellung der Zusammenhänge in der Selbstwahrnehmung der Menschen, mit den Verhältnissen in der Verwirklichung ihres Selbstwerts beginnen und dessen dialektische Verhältnisse beschreiben.
Weiter mit Buch I: 10 Einleitung in eine Wahrnehmungstheorie des Selbstgefühls