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Aus kulturkritik

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0. Skizzen zu einer Kritik der politischen Kultur

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts war durch die bis dahin furchtbarsten Kriege bestimmt, die aus den ökonomischen Krisen der bürgerlichen Gesellschaft und dem Zusammenbruch ihrer Geldwerte erwachsen waren. Sie haben in ihrer letzten Konsequenz die Unfähigkeit bürgerlicher Politik aufgezeigt, die Geldverhältnisse so zu regeln, dass sich der Lebensstandard der Menschen mit dem Fortschritt ihrer Produktivität dauerhaft verbessern könnte. Politik, wie sie sich in der Begründung der Marktwirtschaft noch als Instrument des Wohlstands durch die Minderung ihrer Krisenhaftigkeit zum Schutz der gesellschaftlichen Verhältnisse verstand, zeigte sich mit dem Anwachsen der Produktivkraft und ihrer Verwertung ganz schlagartig nicht mehr in der Lage, die Verhältnisse zwischen Produktion und Konsumtion durch ihre Finanzpolitik so zu regeln, wie es ihre Ökonomen immer wieder versicherten. Es hatten sich hiergegen die realwirtschaftlichen Grenzen des Kapitalismus für sein Wertwachstums offenbart, durch die sein gesellschaftliches Wachstum zunehmend blockiert wurde. Die Geldverhältnisse scheiterten an ihrem eigenen Verwertungstrieb, dem weder die sachlichen Bedingungen der Nationalstaaten, noch deren Bevölkerungsdichte hinreichte, um sich noch marktwirtschaftlich zu rentieren. Die begrenzten Lebensverhältnisse der Bürger der Nationen reichten nicht mehr aus, um die Geldwerte ihrer Währungen in der Zirkulation einer vervielfachten Wertmasse zu nutzen und realwirtschaftlich abzudecken. Sie wurden schließlich durch die Globalisierung des Kapitals überwunden, durch die das Siechtum der nationalstaatlichen Marktwirtschaften in den 1970ger Jahren aufgehalten werden und der Kapitalismus in eine neue Ära eintreten konnte.

Das internationale Kapital hat sich hierdurch die Nationalstaaten subsumieren können, die inzwischen wie Betriebswirtschaften bestrebt sind, gegeneinander zu konkurrieren und ihre Wertverhältnisse durch massive Kreditaufnahmen bei einem weltweiten Bankensystem, das ihr Vermögen weit übertrifft, zu einem Wertwachstum zu optimieren, das fortan ihre Bürger in die Pflicht nahm und nicht nur ihre Arbeit, sondern nun auch noch ihre Einkommen durch anwachsende Gebühren vereinnahmte. Nur noch durch Staatsverschuldungen konnten die Ausgaben der Staaten zur Finanzierung seiner Aufgaben und Leistungen mehr oder weniger gut sicher gestellt werden. Was aus der Produktion von Warenwerten nicht mehr zu ziehen war, wurde über die Zirkulation des Geldes über die Verpreisung von bloßen Eigentums­titel, also aus rein politischen Ansprüchen gezogen. Die Mieten, Steuern, Sozialabgaben und sonstige Gebühren schnellen seitdem in die Höhe, während zugleich die Lebensarbeitszeit zunimmt. Deren Ausbeutung hat sich somit verdoppelt.

Es war dem Kapital bei hochentwickelter Industrialisierung und dem enormen Wachstum seiner Produktivkraft eben nicht mehr möglich die produzierte Wertmasse innerhalb der nationalen Grenzen realwirtschaftlich umzusetzen, d.h. in produktive Investitionen und Ausweitung des Lebensstandards der Menschen und des nationalen Bankensystems in Wert zu halten. Die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft, das Zusammenwirken von Nationalstaat und Wirtschaft war am Ende. Das Weltkapital griff immer mehr in die eigenen Regularien ein und unterwies die nationale Politik in die Regularien eines Bankensystems, das ein weltweites Schuldgeldsystem entwickelte, um durch die Wettverhältnisse in den Kasinos des Finanzkapitals das immer fiktiver werdende Kapital in Wert zu halten.

Doch die Krisen des Kapitalismus waren damit nicht überwunden. Im Gegenteil. Zum Ende des Jahrhunderts der Weltkriege drohten die Verwertungsprobleme des Kapitals die Kreisläufe von Produktion und Konsumtion durch ihre nun weltweite Trennung völlig aufzulösen und die offensichtliche Kluft zwischen Arm und Reich in jeder Beziehung dysfunktional zu machen. Die Krisen wurden zu Weltwirtschaftskrisen des ganzen Geldsystems und seiner Banken.

Die Nationalstaaten mussten sich deshalb vor allem den Problemen des internationalen Kapitals, das vorwiegend aus fiktivem Kapital besteht, zuwenden, um überhaupt den eigenen Markt auf den Finanzmärkten der Welt zu halten. Die deutliche Analyse von zwei gründlich recherchierenden Wirtschaftsjounalisten zeigten das Dilemma der Globalisierung schon im Jahre 1996 in ihrem Buch "Die Globalisierungsfalle"1 auf, worin sie die zu erwartenden sozialen Zustände auf den Arbeitsmärkten und dem absurd gewordenen Kapitalumschlag und seinen politischen Folgen aufzeigten.

"Dem sozialen Erdbeben wird das politische folgen. Sozialdemokraten oder soziale Christen werden so schnell keine neuen Triumphe feiern. Statt dessen wird sichtbar, wie immer mehr Wähler die stereotypen Formeln der Globalisierer wirklich ernst nehmen. Nicht wir sind es gewesen, die ausländische Konkurrenz ist schuld, erfährt der Bürger in jeder zweiten Nachrichtensendung aus dem Mund derer, die seine Interessen vertreten sollten. Von diesem - ökonomisch falschen - Argument ist es nur ein kleiner Schritt zur offenen Feindschaft gegen alles Fremde. Längst suchen Millionen verunsicherter Mittelstandsbürger ihr Heil in Fremdenhaß, Separatismus und der Abschottung vom Weltmarkt. Die Ausgegrenzten antworten ihrerseits mit Ausgrenzung." (Globalsierungsfalle, 1996, s.o.)

Es war deshalb auch schon in den Konferenzen der Wirtschaftsführer (z.B. San Franzisco 1994) für das nötige Krisenmanagement über die Funktionalisierung der Arbeits- und Konsumgewohnheiten der Menschen nachgedacht und politische Richtlinien entwickelt worden, die sich sowohl der Gefahr eines Zusammenbruchs der sozialen Strukturen als auch der ökonomischen Verwertungslage entgegenstellen könnten. Der kapitalistische Verwertungsprozess kann aus seinen Krisen immer nur durch erweiterte Wertbildung, durch Wertwachstum funktionalisiert werden, also durch menschliche Arbeit, die neue Geldwerte "schöpft", und aus einer Marktausweitung, die eine umfasendere Anwendung dieses Geldes ermöglicht. Das Problem war aber jetzt, dass die Produktion von Sachwerten, lso die so genannte Realökonomie nicht mehr entsprechend werthaltig ist, dass der Umfang der Produktion durch ihre Automation nicht mehr genügend Menschen binden und abhängig machen kann, um dieses Wertwachstum zu sichern.

Es sollte die Arbeitsbelastung über Dienstleistungen verstärkt werden, die keine sachliche Produktform haben, um Geld einzunehmen, das sich nicht mehr auf den Warenmärkten als Zahlungsmittel realisieren musste, um als reiner Mehrwert für den Kapitalmarkt gehalten zu werden, und es musste ein Markt hierfür geschaffen werden, der solche Dienste benötigt. Aber die bisherigen Dienstleistungen hatten nur in der Werbe- und Unterhaltungsindustrie noch hinreichendes Potenzial zur Marktausweitung. Und da wurde eine "Lösung" gefunden, die dem technischen Potenzial jener Zeit entsprach, in der Arbeitsprodukte durch relativ wertlose Medien und Datenträger auch kopiert und deren Verwertung also schon durch ihre Vervielfältigung immateriell beschleunigt und ausgedehnt werden konnte wie ein Teilprodukt der gesamten gesellschaftlichen Produktion, wie eine Transportindustrie der gesellschaftlichen Arbeit zum Selbsterhalt des ganzen Systems. Damit konnte schließlich eine Wertmasse jenseits der Realökonomie in Wert gehalten werden, deren materielle Produktform vernachlässigt werden kann.

Der Konsum sollte daher von einer Absatz- und Unterhaltungsindustrie weiter getrieben werden, um jenseits der sachlich gegenständlichen Produktformen einen Werbungs- und Dienstleistungsmarkt zu intensivieren, der durch unterhaltsame Ereignisse, durch kulturelle Events die Menschen bei Laune halten sollte - Tittytainment wurde das zynisch genannt2. Es sollte also Kultur genutzt werden, um durch einen Geldumlauf jenseits der Warenmärkte Geld in Wert zu halten. Und es sollte Kultur genutzt werden, um die Menschen von ihren wirklichen Lebensverhältnissen abzulenken und süchtig zu machen nach dem Stoff einer völlig verselbständigten Konsumwelt.

Und das wurde dann auch wirklich zu jenem hinterhältigen Konzept, das auch für das ganze System Hinterhältigkeiten bot, durch die sich Menschen auch kulturell zu Sache machen konnten oder mussten. Die Nationalstaaten, denen die sozialen Krisen und die Kosten ihrer Befriedungsleistungen vor Augen standen, wollten das politisch natürlich fördern und so konnten dem auch ihre Volkswirtschafter zustimmen, um einem "Weltrettungsprinzip des Kapitals" Folge zu leisten, das als "alternativlos" verabsolutiert wurde. Was die bürgerliche Marktwirtschaft nicht mehr bringen konnte, sollte durch Kultur mit einer weltweiten Werbe- und Kommunikationsindustrie erbracht werden, die Menschen sozial befrieden konnte, allerdings auch zu einem Medium einer besseren Selbstverständigung wurde. Sie wurde somit zielstrebig zu einer politischen Macht entwickelt, die seitdem tiefer denn je in die Menschen und ihre Natur vorgedrungen ist. Die Entwicklung der Computersysteme und des Internets wurden als Technologie gegen Absatzkrise und gesellschaftlicher Verödung mit hohem Aufwand genutzt und auch staatlich subventioniert und weltweit installiert. Und damit entwickelte sich zugleich ein Potenzial menschlicher Verständigung, das durchaus in der Lage ist, die Macht zu hinterfragen, die damit transferiert wird.

Denn Kultur ist menschliche Subjektivität, Ausdruck der menschlichen Naturmacht, Sinn ihrer Lebensverhältnisse, den nur die Menschen selbst bilden und gestalten können. Als Kultur einer politischen Macht wurde sie dazu bestimmt, menschliche Natur auszubeuten, um den Niedergang der gesellschaftlichen Lebenszusammenhänge in den Krisen des Kapitals aufzuhalten, um dessen politische Existenz zu sichern. Doch Kultur hat immer einen Sinn, auch wenn der durch das Erleben einer Eventkultur selbst nur abstrakt vorkommt. So oder so wurde damit Verbindung geschaffen, die sich auch von selbst fortentwickeln kann, wenn sie einen fruchtbaren Boden in den Menschen findet.

Mit dem Niedergang der bürgerlichen Gesellschaft durch die Globalisierung des Kapitals haben die überkommenen Lebensverhältnisse aber erst mal auch an Sinn für die Menschen verloren und sie selbst zu Bürgen eines immer absurder werdenden Wirtschaftsverhältnisses bestimmt, eines Wertwachstums, das sich gegen sein Wirtschaftswachstum positionieren musste. Politisch sollte Kultur sie wie Süchtige beisammen halten, ihrem Zweifel an ihren Existenzgrundlagen vorgreifen und wurde so durch die wirtschaftspolitische Unterstützung aus den Thinktanks der Wirtschaftsführer zu einer wirtschaftlichen Macht, die Sinn stiften sollte, wo die existenziellen Lebensverhältnisse der Menschen immer sinnentleerter werden, wo sich deren Wirklichkeit, ihr wirklicher Gegenstand verflüchtigt, wo das ganze Leben der Menschen sich nicht mehr in ihrer Gesellschaft wiederfindet, wo ihre Arbeit nicht mehr den Bedürfnisse der Menschen entspricht und wo die lebendige Arbeit immer wertloser und das lebendige Bedürfnis immer unwirklicher wird, wenn das Wertwachstum nur noch die Interessen des Geldbesitzes befriedigen kann.

Solche Verhältnisse sind widersinnig, weil hierdurch gesellschaftlich real produzierte Werte entwertet werden, weil eine gesellschaftliche Produktion nichtig wird, welche Werte erzeugt, die keinen wirklichen Aufwand mehr darstellen, die nurmehr Lebenszeit verbraucht, um ihren Wert "in Gang" zu halten und fremdes Eigentum als Eigentums­titel zu bedienen, den Titel eines politischen Rechts zu bestärken, das ausschließlich politische Macht darstellt und vollstreckt.

Eine hierfür bestimmte Kultur muss Sinn für Menschen und durch Menschen schaffen, der nicht aus ihrem gegenständlichen Reichtum, aus dem reichhaltigen Zusammenhang ihrer Gesellschaft, aus dem sinnlichen Reichtum ihrer Sachen, ihrer Bedürfnisse und Arbeiten kommt, sondern sich selbst unmittelbar nur aus dem ergeben kann, was sie als Menschen im Sinn für einander und durch einander erleben und beziehen und zugleich für sich suchen, um außer sich zu sein. Auch im Erleben ist es ihr lebendiger Sinn, aber auch ein Sinn, durch den ihrer selbst nicht gewiss zu werden können, den sie empfinden, obwohl sie ihn in dieser Gesellschaft nicht wirklich finden können, durch den sie sich lebendig fühlen, wenn sie ihre Verhältnisse mit anderen nutzen und aufbrauchen und in ihren Beziehungen ihre Beziehungslosigkeit als Event ihrer Erregungen im Anschein unermüdlicher Regsamkeit gestalten und abführen.

Solche Event-Kultur ist die Kultur vereinzelter Menschen, die ihre Gesellschaft in Ereignissen suchen, in denen sie sich abstrakt verbunden fühlen, wenn der Sinn, den sie von Natur aus als Mensch für sich haben, ihre Empfindungen bestimmt und zusammenhält. Solche Gefühle von Verbundenheiten jedweder Art vertauschen ihre Empfindungen in einen Sinn für gesellschaftliche Beziehungen, wie sie dem vereinzelten Einzelnen in zwischenmenschlich begründeten Ereignissen zukommen. Und dieser wird gebraucht und entleert, indem sie ihn in ihrem Zusammenwirken auf die körperliche Natur ihres Erlebens reduzieren, ihn in ihrer gesellschaftlichen Isolation durch ihren abstrakt menschlichen Sinn entwirklichen, das heißt gesellschaftlich wirkungslos machen, indem sie seinen gesellschaftlichen Inhalt in den Substanzen ihres persönlichen Lebens aufbrauchen.

Der durch seine Unwirklichkeit potenzierte Mangel an menschlicher Verbundenheit ist eklatant - und so auch das Gefühl hierfür, das vor allem daraus besteht, wertlos beziehungsweise minderwertig zu sein. Ohne irgendeine Art menschlicher Verbindlichkeit versackt jede Regung in innerer Leere und verlangt nach einer Verbundenheit, die es nicht mehr wirklich gibt. Dem Sog des inneren Vakuums muss etwas entgegengestellt werden, auch wenn es nicht wirklich Sinn macht, wenn es nur überhaupt Sinn verspricht. So machen sich Sehnsüchte und Ursprungsromanzen und Gefühle der Gotteskindschaft wieder breit und Erweckungsbewegungen, Sekten und alle anderen Formen des allgemeinen Selbsterlebens sind heftig im Kommen. Re-Ligio, die Rückbeziehung einer Verbundenheit schlechthin muss sein, wo sonst nichts ist, wo nur noch pure Abstraktion herrscht. Es ist der Anschein einer Sinnhaftigkeit, die nicht nur sinnlose Verhältnisse verfüllt, sondern in ihrer Scheinhaftigkeit ihre Unwirklichkeit verdoppelt und Wirklichkeit zerstört.

"Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen, heißt Wirklichkeit zerstören." (Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III, Werke Bd. 20, S. 331)

Der Verbrauch von Leben entspricht dem Zwang der politischen Ökonomie des Kapitals, der die Arbeitszeit der Menschen nicht nur zur Mehrwertbildung aufzehrt, sondern zugleich Konsumwelten ihrer Freizeit hervorbringt, die ihre Sinne entleiblicht und enteignet und ihre ganze Lebenszeit und ihre Lebensräume bestimmt, in denen sie mit ihrem gesellschaftlichen Verkehr auch sich selbst verkehren. Die Krisen der Mehrwertproduktion erscheinen daher nicht mehr unmittelbar als wirklich gesellschaftliche Krisen. Sie finden zwar nach wie vor in den Handelsbeziehungen des Geldes, aber zunehmend auch in den unmittelbar scheinenden Verhältnissen der Menschen, in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen und in ihnen selbst statt. Sie stellen sich schnell auch in ihrer Kulturform dar. Die gesellschaftliche Geschichte wird zur Krisengeschichte der Individuen3, deren Lebensformen ihre Lebensinhalte bestimmen, um ihre Regungen zu beleben, den Verlust an Lebendigkeit mit einem Gewinn an Erleben auszufüllen, das erregend ist und sie in ihren Beziehungen animiert. Auf diese Weise werden die Lebensäußerung der Menschen überhaupt in den zwischenmenschlichen Verhältnissen ihrer Kultur formatiert, worin sich die allgemeine Entäußerung ihres Lebens in der Ästhetik ihrer Kultur wahrmacht, die von da her politische Wirkung hat, politische Kulturist.

In der Entäußerung hat jedes Subjekt seine Subjektivität verlassen und wird sich selbst in der Widersinnigkeit seiner eigenen Wirklichkeit fremd. Seine Geschichte geht daran zugrunde und Scheinwelten übernehmen darin ihre Macht, pervertieren ihren Sinn durch die Formbestimmungen, die sich darin bilden. Und deshalb muss das Ende einer jeden Geschichte richtig beschrieben sein, um deren formelle Fixation zu erkennen und die Möglichkeit der Erneuerung ihres Inhalts in ihrer Aufhebung zu beginnen, um ihren Fortschritt in dem zu begreifen, was zu neuer Wirklichkeit drängt und aus der heraus sich eine den wirklichen Menschen endlich adäquate gesellschaftliche Form erkunden lässt. Es geht in diesem Buch um die Aufklärung einer Widersinnigkeit, die weder als Gesellschaftstheorie, noch als eine Wirtschaftstheorie, noch als bloße Kulturtheorie erkennbar machen könnte, was für die Menschen aus ihren wirklich gesellschaftlichen Beziehungen entstehen und am Ende dieser Geschichte den Anfang einer neuen bilden, neue Gesellschaftsformen begründen kann.

Eine Kritik der politischen Kultur ist daher nicht einfach Ideologiekritik. Sie kann ohne die Darstellung und Analyse ihres gesellschaftlichen Zusammenhangs und Zerfalls nicht auskommen. Weder die bloße Kritik ihrer abstrakten Bindekräfte, noch die bloße Interpretation ihrer Widersprüche kann den Sinn entdecken und eröffnen, der im Begriff steht, seine Geschichte zu verlieren. Die Widersprüche der derzeitigen gesellschaftlichen Form des Kapitalismus zeigen sich eben nicht mehr vollständig in den unmittelbar ökonomischen Formationen einer Klassengesellschaft, sondern auch in den kulturellen Gegensätzlichkeiten der persönlichen Verhältnisse und Beziehungen der Menschen. Immer mehr Menschen fallen nicht nur in Billiglohnverhältnisse und damit zugleich in eine Welt, die nicht nur vom Reichtum an Geld ausgeschlossen werden, sondern die zugleich in ihren kulturellen, also unmittelbar sozialen Bezieungen verarmt. Keine Arbeitskultur stellt sich mehr dem Reichtum entgegen. Und das Kapital kann sich feiern als alternativloser Gigant über alle Lebensverhältnisse, der sogar auch Arbeitslosigkeit mindert, weil die Armen in ihrer totalen Ausweglosigkeit auch für Löhne arbeiten, durch die sie sich nicht ganz reproduzieren können, aber immerhin sozial eingebunden sind. Die Masse der Arbeitslosen hat durch Mindestlöhne abgenommen, während die Armutsquote durch deren Ausweitung weiter steigt4. Anwachsende Altersarmut ist die Konsequenz.

Was die Masse bringt, wird dem Einzelnen entzogen. Was im Allgemeinen immer qualitätsloser wird, bestimmt die Eigenschaften und Fähigkeiten eines jeden Lebens. Die einzelne Arbeit muss immer effektiver, produktiver und unabdingbarer werden, während damit Bedürfnisse entstehen, die für immer weniger Menschen befriedigt werden können. Die Diskrepanz erscheint selbst als Unvermögen der Kultur, dem einzelnen verfügbar machen zu können, was er durch seine Fähigkeiten und Eigenschaften beibringt, weil in der Masse alles zu einer qualitätslosen Allgemeinheit zerrinnt. Arbeit ist auf diese Weise inzwischen auch weltweit zum Objekt einer kulturellen Erpresssung geworden, zu einem Verhältnis zwischen massenkultureller Einvernahme und monokultureller Abhängigkeit.

Das Auseinanderfallen der gesellschaftlichen Lebensformen ist weltweit offensichtlich, eröffnet aber auch schon in ihrem Zerfall die Perspektive neuer gesellschaftlicher Lebensformen, die Potenziale einer Subversion der herrschenden Geldmacht, das Leben in den Nischen und durch Arbeitsformen in kommunalen und regionalen Strukturen, wenn sie politisch geschützt werden. Auch unter dem Druck fremder Gewalten sind es die gesellschaftlichen Verhältnissen und Beziehungen und Formen, welche die Menschen verbinden und daher auch fortschrittliche gesellschaftliche Lebensverhältnisse und Kulturen werden können. Die Gewissheiten ihres inneren Reichtums - das Wissen um ihren Sinn und ihre Kraft - wird sich gegen die Verkehrungen und Täuschungen ihrer gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse durchsetzen, wenn hieraus ein allgemeines Bewusstsein entsteht, Gewissheit des Lebens im Widersinn seines Daseins. Hierin zeigen sich die Potenziale der bisherigen Geschichte, die technischen, menschlichen und sozialen Errungenschaften, die den Kapitalismus zum Untergang treiben, zugleich als die Substanzen, durch welche sich eine neue gesellschaftliche Form durchsetzen wird, wenn die Menschen ihren fortschrittlichen Gehalt nicht nur erzeugen sondern auch voll und ganz für sich nutzen, wenn sie ihre Bereicherung durch ihr gesellschaftliches Zusammenwirken erkennen und sich hierdurch die kulturelle Einfältigkeit ihrer Lebensverhältnisse überwinden und aufheben lässt.

Im Gemäuer ihrer Lebensburgen, in ihren isolierten Lebenswelten als Kleinfamilie, Ich-AG, Alleinerziehende, Billiglöhner usw. können Menschen nur ihre Isolation vervollständigen und verfestigen. Die darin nötige Selbstaufgabe und Selbstlosigkeit vervollständigt die schlechte Unendlichkeit einer Gesellschaft, die vom einzelnen Individuum alles verlangt und sich zugleich abwesend gibt. Das entwickelt sich in überforderten Menschen leicht zu einer Selbstgerechtigkeit, deren Lohn nur Lebensangst sein kann, die sich selbst vertieft - Angst um die eigene Existenz, Angst vor der Konkurrenz, Angst voreinander, miteinander und durcheinander. Indem sie sich in die isolierte Subjektivität ihrer Kultur, in ihre Lebensburgen und Parallelwelten flüchten, um darin ihr Leben zu verwirklichen, verlieren sie das, was sie leben lässt: Die Freiheit ihrer Selbsterzeugung und Selbstachtung.

Es ist leicht zu verstehen, dass das Private immer ein Rückzug ist, eine Reduktion des Lebens, in dem Gesellschaft nur als äußerliche Bedingung genutzt, nicht aber menschliche Wirklichkeit geschaffen werden kann. Die Erwartungen an sie erweisen sich als Enttäuschung, weil sie auf Täuschung, auf Tauschverhältnissen beruht. Und deshalb wird sich die bisherige Geschichte auch nicht durch politische Forderungen, nicht durch bessere Gedanken, nicht durch schönere Vorstellungen und Ideen und dementsprechenden Ideologien, sondern nur in ihrer Wirklichkeit dadurch ändern, dass Menschen in einer Art und Weise zusammenfinden, die gesellschaftlich längst möglich und notwendig und für sie auch unmittelbar sinnvoll ist. Über die modernen Medien der Information und Kommunikation können sich immer mehr Menschen mit ihrer Zeit und Wirklichkeit befassen und auseinandersetzen und sind nicht länger abhängig von Herrschaftswissen und dessen kulturellen Institutionen. Voraussetzung für eine wirkliche Erneuerung ist, dass der gesellschaftliche Verfall dem entsprechend auch von ihnen beantwortet werden kann - dass sie sowohl ihre Subsistenz zu ihrer eigenen Sache machen (siehe hierzu z.B. Ergänzungswirtschaft) und ihre Entwicklung durch ihre gesellschaftlichen Potenziale auch wirklich antreten können (siehe auch internationale Kommunalwirtschaft). Darin werden die ökonomischen Verhältnisse in Lebensgestaltungen aufgehen, wenn sie auch als menschliche Kultur verwirklicht werden.

0.1 Zum Verhältnis von Kultur und Ökonomie

Einer Ökonomie entspricht immer eine bestimmte Kultur, weil sie wirtschaftlich immer praktisch wirksam ist und im Gebrauch der Dinge, also in ihren stetigen Gebrauchswerten beides zugleich, sinnvoll und nützlich sein soll. Ohne Sinn verliert sich jeder Gebrauch in seiner Beliebigkeit und ohne Kultur ist auch nichts wirklich dauerhaft von Nutzen. Denn Kultur ist der existierende Lebenszusammenhang von Geist, Gestaltungskraft, Erfindungsreichtum, Liebe und Sinn, den die Menschen entwickelt und ihren Produkten gegeben haben und geben und als solchen auch pflegen, sich darin verhalten und miteinander umgehen. Sie ist Geschichte und Gegenwart in einem, geschichtliche Gegenwart ihrer Arbeiten und ihrer Bedürfnisse, die darin verwirklicht sind. Aber wo sich Arbeit und Bedürfnis voneinander trennen und Kultur selbständig wird, verliert sich ihr Gegenstand in den Sphären isolierter Subjektivität.

Objektiv begegnet man dem durch Kulturkritik, durch die Kritik ihrer politischen Form, ihrer Formbestimmung. Die Kritik der politischen Kultur geht also nicht gegen die menschlichen Gebilde und Gefühle und Bedürfnisse, die in der Kultur objektiv werden, sondern gegen die Formationen ihrer Beziehungen, gegen die Entwertung des menschlichen Lebens durch die Verwertung seiner Lebensäußerungen, gegen den Zwang zur Selbstverwertung der Menschen, die ihre Selbstachtung im Einzelnen wie im Allgemeinen aufheben müssen, nur um existieren zu können. Kulturkritik richtet sich gegen die Verwertung von Leben überhaupt und auch gegen die Kulturverhältnisse der Menschen, soweit sie darin um einen Selbstwert zu konkurrieren haben, der ihre Selbstentfremdung betreibt.

So stellt sich das Wertverhältnis ökonomisch wie kulturell als Entfremdung des Menschen von sich, seiner Gesellschaft und seiner Arbeit dar, die nur durch die Aneignung des eigenen Lebens und dessen natürliche Verhältnisse aufgehoben werden kann. Die Kritik der politischen Kultur kann daher nur in Einheit mit der Kritik der politischen Ökonomie darin aufgehen, dass die Menschen ihre wirklichen Lebensverhältnisse finden, empfinden, begreifen und sich darin als deren Subjekte erkennen.

"Der Mensch verliert sich nur dann nicht in seinem Gegenstand, wenn dieser ihm als menschlicher Gegenstand oder gegenständlicher Mensch wird. Dies ist nur möglich, indem er ihm als gesellschaftlicher Gegenstand und er selbst sich als gesellschaftliches Wesen, wie die Gesellschaft als Wesen für ihn in diesem Gegenstand wird.Indem daher überall einerseits dem Menschen in der Gesellschaft die gegenständliche Wirklichkeit als Wirklichkeit der menschlichen Wesenskräfte, als menschliche Wirklichkeit und darum als Wirklichkeit seiner eignen Wesenskräfte wird, werden ihm alle Gegenstände als die Vergegenständlichung seiner selbst, als die seine Individualität bestätigenden und verwirklichenden Gegenstände, als seine Gegenstände, d.h. Gegenstand wird er selbst. Wie sie ihm als seine werden, das hängt von der Natur des Gegenstandes und der Natur der ihr entsprechenden Wesenskraft ab; denn eben die Bestimmtheit dieses Verhältnisses bildet die besondre, wirkliche Weise der Bejahung. Dem Auge wird ein Gegenstand anders als dem Ohr, und der Gegenstand des Auges ist ein andrer als der des Ohrs. Die Eigentümlichkeit jeder Wesenskraft ist grade ihr eigentümliches Wesen, also auch die eigentümliche Weise ihrer Vergegenständlichung, ihres gegenständlich-wirklichen, lebendigen Seins. Nicht nur im Denken, sondern mit allen Sinnen wird daher der Mensch in der gegenständlichen Welt bejaht." (Karl Marx, MEW 40, S. 578f.)

Viele Autoren haben schon darauf hingewiesen, dass sich die Krisen der modernen Gesellschaften nicht mehr alleine in ökonomischen Kategorien begreifen lassen, dass besonders seit den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und dem internationalen Terrorismus eines religiösen Fanatismus klar geworden ist, dass mit den Krisen des Kapitalismus auch soziale, kulturelle und psychische Kräfte am Wirken sind, die alleine erst das erklären können, was sie an Irrationalitäten, an sozialer und psychischer Verelendung in den bisher bekannten Ausmaßen mit sich bringen und sich in dementsprechenden Selbstermächtigungen in Rassismus, Antisemitismus und Antiislamismus kanalisieren.

Aber das Verhältnis von Kultur und Ökonomie ist dennoch weitgehend unbearbeitet, bzw. positivistischen oder metaphysischen, vor allem phänomenologischen Erklärungsansätzen überlassen. Schon in den Grundfragen herrscht Unklarheit darüber, ob Kultur etwas in sich Ganzes oder nur Überbau von anderem, Erscheinungswelt ökonomischer Verhältnisse, deren bloße Widerspiegelung ist. Als eine in sich geschlossene Ganzheit hätte sie eine eigene Substanz, die sich von der ökonomischen unterscheidet und eine eigene Begrifflichkeit nötig hat.

Sinnfällig wird diese Fragestellung aber schon, wenn man die Wirtschaftlichkeit eines Verhältnisses aus seinem Nutzen, die Kultur aus seinem Sinn begründet versteht. Beides kann nicht dasselbe sein, ohne einander aufzulösen, nichtig zu machen - ähnlich wie Oscar Wilde schon festgestellt hatte: "Kunst kann nicht nützlich sein!" Und diese Feststellung eröffnet eine gedanklich Beziehung von Sinn und Nutzen, wodurch sowohl die Ökonomie als System der Effizienz im Nutzen des Produkts, als auch die Kulturwissenschaft als Wissenschaft der Sinnlichkeit der menschlichen Kultur, als Bewusstsein einer gesellschaftlichen Subjektivität in ihren Kulturgütern herausgestellt ist. Die Diskussion um Ökonomie und Kultur, wie sie schon auf einer allgemeineren Ebene um den Gebrauchswert geführt wurde, unterstellt also eine gesellschaftliche Beziehung von beidem, von Produkt und Kulturgut, die nicht in den Gegenständen der bürgerlichen Gesellschaft selbst, nicht in den isoliert entstehenden Sachen, über die sich Menschen beziehen, ins Verhältnis gesetzt werden kann. Die Diskussion muss also um das Auseinanderfallen von Sinn und Nutzen im Kapitalismus gehen.

Besonders unter Marxisten war Kultur allerdings bisher meist nur als Phänomen, bestenfalls als bürgerlich verselbständigte Sphäre, als "Überbau" von Ökonomie aufgefasst worden, für die es nur bedeutend sein kann, sie auf ihre Basis, auf ihre ökonomischen Bedingtheit zurückzuführen. Kultur sollte sich demnach aus den Produkten der Wirtschaft erklären lassen, sobald sie sich über ihren Nutzen erheben, etwa wie eine Mythologie der Sache, die unnütz wäre. Aber gerade dies hatte den Marxismus auf ein Bewusstsein reduziert, das die Erscheinungsformen der kulturellen Verhältnisse - besonders der zwischenmenschlichen, seelischen und massenpsychologischen - nicht mehr hinreichend erklären oder auf sie eingehen konnte. Das Unvermögen, Faschismus, Rassismus und Antisemitismus zu begreifen, beweist das ebenso, wie die völkische Begrifflichkeit, der sich auch Marxisten in der Arbeiterbewegung kritiklos zugewandt hatten und die auch oft ein geradezu verächtliches Verhältnis zur kulturellen Tradition der bürgerlichen Geschichte hervorgebracht hatte. Um aber den modernen Kapitalismus, besonders die Auswirkungen der Globalisierung, die fortschreitende Kulturenteignung, überhaupt hinreichend beschreiben zu können, ist eine substanzielle Kulturtheorie, die sich zugleich ökonomisch begründen kann, unabdingbar. Ohne diese würden die wesentlichen Phänomene der Postmodernen nur rechten Strömungen überlassen werden, die zwar gesellschaftliche Zerstörung erkennen und aufgreifen, diese aber nur durch eine politische Gewalt der Nationalstaaten beantworten können. Gerade weil sie kulturell nur in ihrer Egozentrik kritiklos verbunden sind, können sie den bürgerlichen Staat auch nur als verallgemeinerten Zweck ihres Egos sehen und in ihm die Gesinnungsmacht einer allgemeinen Kulturproduktion ihrer Selbstwahrnehmung beantwortet wissen wollen. Ein Kulturstaat bleibt die furchtbarste Konsequenz dieser Fehleinschätzung, weil hierdurch menschliche Kultur von den Menschen getrennt und für den politischen Staat funktionalisierbar wird.

Die politischen Erfordernisse zur Bewältigung der ökonomischen Krisen, die Abgaben, die immer weniger Sinn machen, die staatlichen und kommunalen Anforderungen an die Bürger und Bürgen der institutionalisierten Politik, die Vernichtung von Infrastrukturen und Wirtschaftskreisläufen, die Verarmung der sozialen und kommunalen Lebensgrundlagen, die eine Gesellschaft zu gewährleisten hätte, evozieren bei großen Teilen der Bevölkerung in der unmittelbaren Gewalt ihrer Verlusterfahrungen ein verkehrtes Bewusstsein in ohnmächtiger Reaktion, die ihrer Empörung eine ebensolche Gewalt zu verleihen sucht, wie sie erfahren wird. Die politische Rechte wird sich daher vor allem in die Institutionen des Staates zu infiltrieren suchen. Und sie nimmt diese Verhältnisse zur Begründung ihres Hauptanliegens, der Schaffung eines nationalen Kulturstaats her, den sie schon immer mit den Mitteln der repräsentativen Demokratie über die Kanäle und Medien der Meinungsbildung und dem Populismus personifizierter Macht auch herstellen kann.

Dass Kultur auf Ökonomie gründet, schon immer ihr sinn­bil­den­des Moment war, bleibt aber eben doch eine Binsenweisheit; dass sie aber nicht bloße Reflexion ist sondern durchaus eigene Substanz hat, die sich nicht nur existenziell, sondern unmittelbar auch im Menschen und zwischen Menschen so real wie auch politisch entfaltet, ist bei weitem nicht hinreichend untersucht - vielleicht auch aus der Furcht, in die verschwurbelte Begrifflichkeit der konservativen Kulturkritik (z.B. Martin Heidegger) zurückzufallen oder die verschrobenen Versuche einer Psychoökonomie fortzusetzen (z.B. Wilhelm Reich), weil deren erkenntnistheoretische Implikationen, ihre "triebökonomische" Ideologie, noch nicht überwunden sind. Ohne deren Kritik aus einer neuen Analyse heraus wäre ihrem objektiven Individualismus, ihrem humanistischen Radikalismus subjektiv nichts zu entgegnen, ihr Naturalismus nicht zu überwinden und radikaler Humanismus nur noch die Eigenschaft gutmütiger Seelen. Aber gerade darin besteht ein wesentlicher Irrtum: Humanismus ist kein theoretisch anerkennungswertes oder abzuweisendes Implikat, sondern der Springpunkt wissenschaftlichen Erkenntnis, das Begreifen dessen, was nur menschlich erscheint, um sich unmenschlich zu verwirklichen. Kritische Theorie vollzieht darin ihr Erkenntnisinteresse und widersetzt sich von daher jedem Wissenschaftsverständnis, das nur auf sich selbst zurückkommt, um sich die menschlichen Lebensverhältnisse in einer Idee, einer philosophischen Interpretation adäquat zu machen, zu funktionalisieren und unterzuordnen. Was im Menschen greift, muss nicht menschlich sein, weder seiner Natur entsprechen, noch seinem Geist, noch seinem Verlangen, vor allem nicht seiner konkreten Sinnlichkeit. Gerade deshalb ist jede Form einer Systematik des Naturmystizismus auf jeder Ebene, besonders auf der einer Evolutionstheorie oder Systemtheorie überhaupt deutlich zu kritisieren. Die subjektivierte Entfremdung, die Selbstentfremdung des Menschen von seiner Gesellschaft und seiner Geschichte bliebe in solcher Fassung unauflösbar und entpolitisiert.

Gerade diese Vorstellungen als Determinismus bzw. Funktionalismus des herrschenden Systems vom Standpunkt des menschlichen Lebens, also objektiv begründet herauszuarbeiten, um die Bedrängungen des Lebens überhaupt zu erkennen, macht die Sprengkraft unserer Zeit: Kultur selbst ist zum Mittel des Kapitals geworden, nicht äußerlich als Manipulationsmittel durch Verblendung für einen fremden Zweck (siehe "Verblendungszusammenhang" nach Adorno), nicht als Sinnfrage phänomenologischer Sinnsuche (als Frage nach dem "Sinn des Seins" nach Heidegger), sondern als selbständige Vermittlungsform menschlicher Beziehungen zwischen den Menschen, als Sinn, der von der kapitalistischen Wirtschaftsform bestimmt ist und von dem abstrahiert, was die Menschen füreinander und für sich und also in ihrer Gesellschaft wirklich sind. Solange die ökonomischen Verhältnisse des Nutzens von den kulturellen Verhältnisse ihrer Sinnbeziehungen getrennt bleiben, bleiben auch die ökonomischen Potenzen des gesellschaftlichen Reichtums in ihrer gesellschaftlichen und daher auch gesellschaftsverändernden Kraft politisch blockiert. Was den Menschen durch die fremde Aneignung ihrer Lebens- und Arbeitszeit durch die Mehrwertproduktion des Kapitals an Selbstachtung genommen wird, was sie minderwertig macht, wird subjektiv unbewusst in ein Geltungsstreben gewandelt und in einer Kulturform fortgesetzt, die ihre zwischenmenschlichen Beziehungen bestimmt und sich in einer Konkurrenz um ihren Selbstwert umsetzt. Bei einer Kritik des Kapitalismus geht es daher nicht einfach nur um die Kritik der politischen Ökonomie, um eine Kritik des Wertwachstums, sondern auch um die Kritik der politischen Kultur, um eine Kritik der Selbstverwertung, die der ökonomischen Form dieser Gesellschaft notwendige Folge ist.

0.2 Die politische Kultur des Kapitalismus

Eine Wirtschaftsform, die sich nicht in der gesellschaftlichen Wirtschaftlichkeit menschlicher Arbeit begründet, sondern Macht aus dem Privatrecht des Eigentums, aus dem Rechtsverständnis des Privateigentums bezieht, ist notwendig selbst politisch, politische Ökonomie, deren Wirtschaftlichkeit politisch durch die Rechtsform ihrer Produkte und Produktion, also durch ihre gesellschaftliche Verfassung beschränkt ist. Aber Kapitalismus ist dennoch eine Wirtschaftsform, die in ihrer Entstehung ihrem Inhalt nach durch ihre Produktivkraft durchaus wirtschaftlich war und ist, die aber in der Geschichte seiner Marktwirtschaft sich zu einer politischen Machtstruktur des Kapitals entwickelt und vervollständigt hat, die sich durch ihr Wertwachstum zunehmend gegen sinnvolle wirtschaftliche Verhältnisse wendet. In der Phase der Globalisierung hat sich diese politische Macht zudem substantiviert zu einer kulturellen Macht, zu einer Verfügungspotenz, die sich über Geldbesitz gegen die Grundlagen menschlicher Kultur, gegen Mensch und Natur richtet: gegen Ressourcen, Landschaft, Gesundheit, Infrastruktur und gegen das gesellschaftliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Menschen überhaupt.

Mit wachsender Produktivkraft wird die Verwertungsmacht des Kapitals im selben Maß gewaltiger, in welchem die Menschen und ihre Arbeit durch die Beschleunigung ihrer Zeit, durch industrielle Automation entwertet werden. Nicht nur die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse, sondern auch die Gesellschaft als Kulturform für sich, als sozialer Lebenszusammenhang, wird unter einen Verwertungsdruck gestellt, der sich in ihren zwischenmenschlichen Verhältnisse darstellt und darin als eine zwischenmenschlichen Allgemeinheit wirksam wird, die sich für die Menschen durch die Konkurrenzen ihres Geltungsstrebens als ein Machtverhältnis von Mensch zu Mensch erweist. Soweit ihr Leben von solcher Zwischenmenschlichkeit abhängig ist, weil sie es als Einzelwesen nicht mehr wesentlich gestalten können, weil ihr praktisches Leben weitgehend nicht nur durch die Bestimmung ihrer Zeit, sondern auch durch ihren Lebensraum gestaltet wird, entwickelt sich die Abhängigkeit von ihrer Gesellschaft als kulturelles Verhältnis und wird nun auch zu einem räumlichen Mittel dieser Politik, das sie als Bewohner einer Nation, einer Region und einer Kommune zu einem ihnen fremden Zweck benutzt. Nicht nur um sie in einer Ökonomie zu verdingen, sondern auch als Konsumenten einer Produktion, die für ihre Kultur und Geschichte keinen Sinn mehr hat und deren Arbeitsabläufe im Allgemeinen selbst nurmehr sinnentleert sind, wird ihr Lebensraum selbst zur Existenzgrundlage von Arbeitsverhältnissen, Infrastrukturen und Konsumgütern, zu denen sie keine wirkliche Beziehung mehr haben können. Es verbleibt ihnen eine unsinnige Reproduktion von gewohnten Gegebenheiten in beständig wechselndem Glanz und Design, welche ihnen die Reize ihre Selbstwahrnehmung vermitteln. Sie selbst gestalten in Ermangelung wirklicher Beziehung eine Ästhetik des Erlebens, in der sich jedes Individuum, welches Objekt dieser Verhältnisse ist, wie ein abstrakt allgemeines und also totales Subjekt vorkommen kann, während es nur dem Folge leistet, was ihm objektiv vorgegeben ist.

Auf diese Weise entsteht eine politische Kultur, der Tendenz nach eine Staatskultur, die in ihrer Frühform im letzten Jahrhundert zum Faschismus führte, sich heute aber eher als eine Kultur der freiwilligen Selbstunterwerfung entwickelt. Sie benötigt hierzu als soziales Bindemittel Unterhaltung und Selbststimulation, um aus beliebigen Wirklichkeiten psychische Sensationen zu bereiten, die sich in den Arenen der Öffentlichkeit auch öffentlich vermitteln lassen - gerade weil sie dort bloße Ereignisse in Veranstaltungen sind, deren Gehalt nicht wirklich wahr sein kann, die aber als separate Subjektivität eine ihnen fremde Kraft vermitteln, ihre Selbstentfremdung erlebbar machen. So wird eine Bühne des herausgekehrten Lebensalltags zu einer Eventkultur bereits geboten, bevor ihrer bedurft wird, dem Bedürfnis schon eine Befriedung verschafft, bevor es sein wirkliches Verlangen, die Notwendigkeit seiner Beziehung und Befriedigung erkennen kann.

Kultur ist so zu einer Mythologie des besonderen, weil abgesonderten Individuums geworden, das sich in jeder Geste wiederfinden muss, weil und sofern es seine Verlassenheit nicht mehr erkennt. Es kann sich durch die Selbstverwertung seiner Person zum Übermenschen einer bürgerlichen Persönlichkeit herauskehren, die ihre Beziehungen durch ihre Selbstwahrnehmung und Selbstgerechtigkeit gestaltet. Aber seine Beziehungen werden zugleich von eben solchen Persönlichkeiten bestimmt, weil sie zum selben Zweck deren Selbstgefühle bedienen müssen, die sich durch sie und gegen sie akkumuliert haben.

In der Kultur des Kapitalismus finden dieselben Klassenkämpfe statt, wie in seiner Ökonomie. Der Edelmut einer besonderen Klasse, dem Geldadel und dem gehobenen Bürgertum entspricht die Unterwerfung der Zwischenmenschen unter ihre Lebensbedingungen un Urteile. Das soziale Elend besteht aus der Isolation, der Abtrennung und Abstoßung von gesellschaftlichen Beziehungen durch psychische und ideologische Lebensbewertungen, durch die Einverleibung eines fremd gemachten und fremd gehaltenen Lebens, das dekultiviert wird, um dem Selbstwert der bürgerlichen Persönlichkeit zu dienen und ihm nützlich zu sein. Alles was Leben ausmacht wird aufgezehrt von den Lebensvorstellungen, wie sie in den Einrichtungen der bürgerlichen Kultur vorherrschen.

Und sogar ganze Gesellschaften stehen wie ökonomische Klassen zueinander, wenn die Werkbänke der Dritten Welt die Existenzmittel der Dienstleistungsgesellschaften zu Spottpreisen liefern müssen, damit sie ihre reichhaltige Kulturen bewahren können, auch wenn sie darin menschlich verarmen. Die Verarmung der Menschen ist das Prinzip des Kapitals, denn Armut verschärft Konkurrenz und Konkurrenz verschafft Mehrwert.

Und sie bietet zugleich eine Fülle an Wahrnehmungen und Gefühlen. Weil Armut in ihrer Ursprünglichkeit auch noch natürliche Reize aufzuweisen hat, weil sie an die organischen Grundlagen des Lebens erinnert, wird sie gegen die Langeweile der Geldbesitzer auch noch zum Kulturobjekt ihrer Begierden. Und das "hilft allen", denn das lässt sich auch als Objekt eines weltweiten Tourismus verramschen, durch den die Kulturen der Verarmung, Bräuche und Landschaften noch zu einer temporären Idylle romantischer Illusionen werden.

Ökonomie trifft auf Kultur, wo immer globale Märkte vorherrschen. Darauf vermittelt sich weder Ökonomie als solche, noch Kultur als solche. Sie stellen die Vermittlungsform von beidem weltweit als Einheit ihres Verwertungsprozesses dar. Mit der Globalisierung des Kapitals hat sich der Kapitalismus um eine Fiktion bereichert, die sich in der Kultur wie in den Casinos des Finanzkapitals immer mächtiger durchsetzt, weil durch fiktives Kapital die chronisch gewordene Krise der kapitalistischen Überproduktion aufgelöste ist.

Mit der Aufzehrung ihrer gesellschaftlichen Substanz gerät auch die Kultur in den Strudel der Wertschöpfung. Wert und Mehrwert entsteht zwar nur durch menschliche Arbeit. Aber Investitionen in neue Ausstattung und Technik lohnt nicht mehr, wenn die Produkte durch Automation immer wertloser werden. Und zugleich wird die Armut der Menschen zu einem ungeheuerlichen Produktivfaktor, wenn sie billiger als Maschinenarbeit geworden ist. Die politische Abhängigkeit der Armen ist ein vorzüglicher Wertspeicher für die Reichen, verschafft er ihnen doch die politische Sicherheit zur Wertbildung, zur Ausbeutung von Arbeitskraft in Raum und Zeit, weil ihre Preise deren Wert schier endlos bestimmen können, indem sie ihre Märkte über die ganze Welt ausdehnen und ihre Arbeit grenzenlos beschleunigen. Das ins Abseits gestürzte "Humankapital" ist immer noch besser als teure Technik, weil es mit unbezahlter Arbeit zugleich den Warenumsatz vermehrt und weil aus seiner Armut erneute Armut, erneuerte Abhängigkeit, eine potenzierte politische Macht der Preisbildung über das ganze Lebensverhältnis immer ärmer werdender Menschen erfolgt.

Auch in der Kultur stellt sich die Spaltung der Menschen, ihre Kluft zwischen Arm und Reich dar. Während die Überreizung der Wohlhabenden ihre menschliche Verarmung vorantreibt, betreibt die Verarmung des kapitalistischen Humankapitals die Verelendung der menschlichen Arbeit und Gesellschaft schlechthin. Ihre Arbeitsstätten verstecken sich hinter dem Hochglanz exklusiver Einkaufstraßen in den Bruchbuden vorindustrieller Werkstätten in den ärmeren Regionen der Welt und den Gettos armseliger Wohnstätten von Arbeitssklaven. Aber es ist nicht der Mangel an Geld, der solche Armut ausmacht, sondern die allgemeine Armseligkeit eines Lebensverhältnisses, das kein Leben mehr bestärken kann, weil es dieses unentwegt verbraucht. Armut wird in ihren verschiedenen Gestaltungen allseitig zur Armseligkeit einer Kultur, die keinen Sinn mehr für die Menschen hat, weil sie sich darin nicht mehr wirklich sinnlich äußern können.

Deshalb wird Kulturkritik zu einem immer wichtigeren Moment einer Gesellschaftskritik, die zugleich eine vermittelte Kritik der politischen Ökonomie ist. Die Grundlagen hierfür sind daher sowohl kulturtheoretisch als auch wirtschaftstheoretisch. Darin wird sich die Kritik der politischen Ökonomie zwangsläufig mit der Kritik der politischen Kultur verbinden, denn diese Kritik hat die Beziehung zu verwirklichen, die durch die Abstraktionen ihrer politischen Formationen den Menschen fremd geworden ist. Und sie kann den Weg bereiten, durch den politische Ökonomie und politische Kultur sich aufheben, wenn sie zu einer ökonomischen Politik finden können, wenn die Kritik das erreicht, was sie doch substanziell schon enthält und was noch ganz unwirklich ist: Die Einheit von Sinn und Nutzen in einem wirklich gesellschaftlichen Lebensverhältnis der Menschen. Es ist lediglich die Kultur des Kapitals, die sie daran hindert.

0.3 Der Trieb des Kapitals und seine Kulturveranstaltunge

Der Kapitalismus galt als der Auftakt einer Geschichte, die durch die gesellschaftliche Entwicklung der Arbeit immer mehr Bedürfnisse befriedigen kann und durch die Verbesserung ihrer Produktivkraft ungeahnte Möglichkeiten der Reichtumsbildung für die Menschheit schafft. Und es gibt auf dieser Grundlage tatsächlich große Entwicklungen, technische Revolutionen, die durchaus in der Lage wären, die Beziehungen der Menschen zu vertiefen, das Bedürfnis des Menschen nach dem Menschen zu verweltlichen und die Mühen und Beschwerlichkeiten des Alltagslebens deutlich zu mindern.

Doch der Kapitalismus ist ein Pakt zwischen Himmel und Hölle. Und so hatte das schon der Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe in seinem Faust bereits im 18. Jahrhundert nach Christus bestens beschrieben. Im zweiten Teil dieses Werks sind auch schon die Sphären des Finanzkapitals anzutreffen, dessen Funktionäre im Himmelreich ihres Glaubens an die Allmacht des Geldes ihre Probleme mit der Verselbständigung des Kreditsystems, mit ihren Hoffnungen auf die Aneignung eines Mehrwerts, mit ihren Spekulationen im Handel mit Geldwerten bekommen und denen von dort her auch nur noch entsprechend teuflische Lösungen einfallen können.

Tatsächlich hat ein Geldbesitzer weit mehr Macht als der durch seine Arbeit sich veräußernde Mensch, denn letzter ist nur ein Verkäufer auf dem Markt der unbeschränkten Möglichkeiten. Wer Geld hat ist ein Marktsubjekt und kann das alles kaufen was angeboten und auch speziell für seine Bedürfnisse produziert wird und der deshalb auch mehr bekommen kann, als das, was ihn bloß am Leben hält. Wer seine Sachen oder seine Arbeitskraft verkaufen muss, weil er nichts anderes zum Verkauf besitzt, ist das Objekt der Begierden, der Marktsubjekte, die dafür natürlich so wenig bezahlen wollen, wie irgend möglich. Käufer und Verkäufer stellen auf dem Markt die gegensinnigen Positionen einer Macht dar, die über ihr Wohl und Wehe entscheidet und schon in ihrer Logik durch ihr Wachstum an Macht gewinnt, indem sie die Ohnmacht bestärkt. Denn das Geld als Kaufmittel ist weit mächtiger als es Geld als bloßes Zahlungsmittel überhaupt sein kann.

Andererseits hatte Geld in der bürgerlichen Gesellschaft aber auch nur so viel Mehr an Wert, wie es auch ein Mehr an Arbeitsaufwand transportiert. Während die Menschen für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen und dafür bezahlt werden, um ihren gesellschaftlich bestimmten Lebensstandard durch das Zahlungsmittel zu erhalten, erarbeiten sie über die bezahlte Arbeit hinaus - also über die Länge eines Arbeitstags für ihren gsellschaftlich bestimmten Lebensunterhalt hinaus - einen Mehrwert, den die Geldbesitzer durch unbezahlte Arbeit einnehmen und als ihr privates Kaufmittel nutzen und verhandeln.

Doch wie sollten die Menschen einen Mehrwert aus unbezahlter Arbeit für Produkte bezahlen können, die auf den Märkten zusammen mit den Lebensmitteln angeboten werden, die sie bezahlen müssen. Es mag zeitweise kleine Verbesserungen ihres Lebensstandards durch Lohnerhöhungen geben. Doch durch die Erhöhung der Preise und Gebühren werden diese schnell wieder aufgehoben. Nicht das Wachstum an Lebensstandard bestimmt die Warenmärkte, sondern das Wachstum an Geldmasse, welche die Preise bestimmt. Was die Arbeit an Wert schafft, wird je nach Anteil an einer verfügbaren Geldmenge zwischen Angebot und Nachfrage ausgepreist5. Die Verkäufer sind von der Geldmenge bestimmt, welche die Käufer zu Händen haben. und das ist eine Menge, die sich nach dem erzeugten Mehrwert, also nach der unbezahlten Arbeit richtet.

Angebote von Gütern aller Art gibt's im Überfluss, weil hier das Kapital vor allem das Problem hat, seine Wert-Produktion in Gang zu halten und deren Krisen zu überwinden, die sich aus dem Gegeneinander von Mehrwert und Arbeitslohn in der Unüberschaubarkeit der Konkurrenzverhältnisse ergibt. Das Kapital muss immer sehr viel mehr Wert besitzen, als es für die Existenzerhaltung der Menschen in Umlauf bringt, nicht nur um neu zu investieren und die Entwicklung der Produktion zu bestimmen, sondern vor allem um seine Risiken auf den Märkten zu beherrschen. Aus dem Unvermögen, den Wert des Geldüberschusses in den Preisen zu ermitteln, weil dieser immer erst im Nachhinein aus der Konkurrenz der Verkäufe als Profit ergeht, ist es getrieben, überall so viel Geld einzuhanden, wie es nur kann. Solange Waren auf den Märkten gehandelt und mit Geld bezahlt werden besteht die stetige Unsicherheit darüber, was überhaupt den Geldwert halten kann. Der Markt treibt bei seiner Wertrealisierung zu einer Verwertung der Produktion, durch die immer mehr Mehrwert angeeignet werden muss. Und diesem Verwertungtrieb folgend muss immer mehr Wert produziert werden, um seinen Wert überhaupt zu erhalten und abzusichern. Das kann es aber nur durch gesteigerten Konsum. Es ist nicht neu, was als Problem auf der Ebene der Konsumtion auftritt. Sie ist der Ort, wo Krise sichtbar wird und wo sie auch nur noch durch Kreditierung und Verschuldung überwindbar erscheint:

"Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde." (Karl Marx, MEW, Bd. 25, S. 501).

Nichts wäre dem "Trieb des Kapitals" lieber, als eine allgemeine Sucht der Menschen nach unendlich vielen Produkten, die durch eine immer selbstlosere und geringerwertige Arbeit verdient werden müssten, also eine hohe Abhängigkeit enthalten. Massenkonsum ist so auch zum Hauptmerkmal des Kapitalismus geworden, der sich durch den Wertimport aus armen Ländern dahin gewendet hat, den Konsum in den reichen Ländern anzufachen, auch wenn dieser dort keine gesellschaftliche Substanz hat, nicht unbedingt jene Bedürfnisse befriedigt, die in diesen Ländern aus dem gesellschaftlichen Sein und seinen inneren Notwendigkeiten entstehen.

Um wirkliche Bedürfnisse geht es dabei ja längst nicht mehr, wo vor allem Geld den Zusammenhang der Menschen stiftet. Im Konsum sind für den Geldbesitzer alle Bedürfnisse gleich, weil sie alles kaufen können, was ihnen beliebt. Doch die Verkäufer, die Arbeitskräfte und Lieferanten, die ihnen durch ihre Angebote erst den Reichtum ermöglichen, die sie für das Wertwachstum nützen, müssen sich an den Preisen ihrer Selbsterhaltung orientieren und können nicht ein unendlich nötiges Wertwachstum bedienen, also einer systemnotwendigen Profitrate nicht wirklich dauerhaft entsprechen.

Denn je intensiver die Produktion durch ihre Technologie und Automation wird, desto wertloser wird menschliche Arbeit pro Produkt. Das allgemeine Prinzip der Entwicklung widerspricht seiner einzelnen Realsisierbarkeit. Der Arbeitsaufwand zum einzelnen Selbsterhalt der Menschen wird daher immer geringen, so dass der allgemeine Mehrwert, der aus dem Existenzdruck der arbeitenden Menschen zehrt, immer größer werden müsste, um den Geldwert im Großen und Ganzen auch in Wert zu halten. Denn je mehr produziert wird, desto größer wird die zirkulierende Geldmenge. Und je fortgeschrittener das Wertwachstum ist, desto dringender ist der Absatz von Produkten, die ihren Wert verlieren, wenn sie unverkäuflich werden. Was die Verwertungsrate, die Mehrwertrate verlangt, lässt dann die Profitrate fallen.

So hat nicht nur der Absatz, sondern auch das Kapital seine Krisen und der Geldwert würde sich sukzessive erschöpfen, wenn die Geldbesitzer ihr Geld nicht in eine eigne Welt abführen würden, um über die Finanzwelt auf den Märkten der Wertpapiere und ihrer Derivate ihr fiktiv werdendes Kapitals in Wert zu halten. Das fiktive Kapital, also das Kapital, das keine Anwendung findet wiewohl es aus Arbeit entstanden und für irgendeinen Markt gedacht war, erzeugt eine ganz eigene Art der Anwendung eines Geldbesitzes: Die Spekulation.

Auf den Börsen tummeln sich die Geldbesitzer, die ihr Geld verkaufen, bzw. "anlegen", um durch Spekulation, durch Wetten auf eine möglich Zukunft einer positiven Geldverwertung "Gewinne" auf dem Kapitalmarkt zu machen. Zunächst war es die Investition in Produktionsmittel, durch welche gesteigerte Produktivität Konkurrenzvorteile und Wachstum beibringen konnten. Doch dieses Wachstum geht immer wieder schnell unter, sobald diese Mittel zum Durchschnitt werden. Das große Problem des Kapitalismus, dass mit einem reellen Wirtschaftswachstum der Marktwert der Arbeit immer geringer wird und deshalb die Produktmasse immer größer werden muss, um dagegen zu halten, kann damit auf Dauer nicht behoben werden. Das gegenläufige Verhältnis von Wertschöpfung und Preisbildung lässt sich daher nur aus der Verwertung des Kreditsystems, also durch die Verselbständigung der Spekulation, durch die Spekulation auf den Geldverleih, in einer weltweiten Finanzwirtschaft, also in einer Wertmasse halten, der Geld als Kaufmittel für eine potenzielle Produktivität anbietet und einsetzt, die in der Lage sein soll, Geld als Zahlungmittel für einen Mehrwert auf einem höheren Niveau einzunehmen. Die Wirkung des Geldes ist damit verdoppelt und Verselbständigt durch die Verpflichtungen, die Schulden mit sich bringen: Sie müssen sowohl den Umsatz von Geld erst verdienen, der zugleich eine Mehrarbeit für den Preis des Geldes verlangt. Das Verhältnis des Geldes zur Produktion ist darin also geradezu umgekehrt, als es als Vorschuss in eine reelle Produktion war6. War es ursprünglich ein Kaufmittel für Investitionen in den Arbeitsprozess und dessen Produktivkraft, das als Zahlungsmittel der arbeitenden Menschen und Lieferanten zurückkam und Mehrwert aus unbezahlter Arbeit erwarb, so wird es jetzt als Kaufmittel angeboten, um aus Erwartungen in die Anwendung von Kapital den Schuldnern die Pflicht aufzuerlegen, unbezahlte Arbei beizuschaffen, um durch Geld "Frischgeld", also ein reales Zahlungsmittel aus den Erlösen zukünftiger Arbeit beizuschaffen. Dieses wird nicht für die Produktivität der Arbeit benötigt, sondern nur für die Wertsicherheit des Geldumlaufs, für seine Zirkulation. Das Verhältnis von Produktion und Zirkulation der Werte und damit auch der Preisbildung kehrt sich um, verkehrt sich gegen ihre realen Grundlagen. Dafür gibt es keinerlei realen Wert außer den Bewertungen eines Glaubens an die Zukunft in bestimmten Verwertungslagen und dem Potenzial politischer Gewalt, durch die Schulden eingetrieben werden können - also durch eine Staatsgewalt, die selbst durch ihre Staatsverschuldungen an diese Spekulation gebunden ist.

Das damit begründete Schuldgeldsystem sichert sich hierfür selbst auch noch in einer Kette von fiktiven Finanzverbindlichkeiten, z.B. über Kreditversicherungen ab, um über die Bewertung von Eigentumstitel und Lizenzen zu einem Vielfachen des real produktiven Kapitals anzuwachsen. Allein aus der bloßen Rechtsform solcher Titel soll es das abdecken, was an fiktivem Kapital in Wert gehalten und zur Mehrwertbildung verwendbar sein kann. Geld wird auf diese Weise durch die Preisverhältnisse der Geldzirkulation und ihrer Verwertbarkeit durch Einnahmen in Wert gehalten und wird daher inzwischen in großem Stil in Eigentumstitel investiert, die nur noch wenig mit Produktion zu tun haben und sich von ihr auch entziehen, um sich ihrer Kosten zu entledigen7.

Mit der Globalisierung und also dem Freihandel von Geld wurden die Grenzen der bürgerlichen Produktion überschritten und über die Geldzirkulation die Ausbeutung der Menschen und ihrer Lebensgrundlagen verdoppelt. Der ungeheuerlich auswachsende Geld­markt wurde schließlich durch die Ideologie des Neoliberalismus verschleiert, indem der Geldreichtum der Wenigen als potenzielle Bereicherung der Weltbevölkerung ausgegeben wurde8. Und diese Theorie sollte die für den Geldmarkt erweiterte Theorie des Liberalismus sein, wie sie schon im 18. Jahrhundert von Adam Smith für die Marktwirtschaft überhaupt formuliert war. Und die war ebenso falsch wie das von ihm begründete Verständnis des Liberalismus:

"Es ist die große Vermehrung der Produktion in allen möglichen Sparten als Folge der Arbeitsteilung, die in einer gut regierten Gesellschaft jenen universellen Reichtum verursacht, der sich bis zu den niedrigsten Bevölkerungsständen verbreitet." (Adam Smith: Wealth of Nations)

Richtig davon ist lediglich, dass die Teilung und Zersplitterung der Arbeit in isolierte Einzelarbeiten Wertwachstum dadurch erzeugt, dass deren ökonomischer Zusammenhang den Menschen entzogen wird und einen Geldwert als eigenständige Macht über die Produktion hervorzaubert, mit der es dann so scheint, als ob Geld mehr Geld erzeugen könnte. Aber es bleibt immer noch das konkrete organische Verhältnis der Produktion und der Verteilung ihrer Produkte, was die wahren Abhängigkeiten der Welt ausmacht und bestimmt. Und der Verhältnisschwachsinn des Liberalismus und seines "Freihandels" dient lediglich der Täuschung über die wirklichen wirtschaftlichen Abhängigkeiten, die in der Aufspaltung von Käufer und Verkäufer, von Geldbesitzer, welche die Preise bestimmen, und den Lieferanten, welche die Werte beibringen. Nur so können sich Verwertungsverhältnisse weltweit entwickeln, welche zur Existenzbedingung gegensinniger Abhängigkeit werden: Die wirtschaftliche Macht, die Produktivität und Kaufkraft entscheidet, was Menschen erbringen müssen, um an einem Verhältnis teilzunehmen, in dem sie ihren Lebensunterhalt nur dadurch halten können, wenn sie andere bereichern. Organisch bewirkt dieses Verhältnis auf Dauer eine Geschichte der Bereicherung der Reichen, die im Grunde nur noch an der Verarmung der Armen interessiert sein kann. Der Zusammenschluss der EU-Länder auf einer rein ökonomischer Basis der Geldverhältnisse hat zur Genüge bewiesen, dass damit die Gläubigerstaaten die Schuldnerstaaten ruinieren.

Was das Geld als selbständiges Kaufmittel durch seinen Trieb zum Wertwachstum bewirkt, ist für den Produzenten von Wert der Verlust an Kraft, Ressource und Selbstbestimmung, das unentwegt Geld als Zahlungsmittel beischaffen muss, sodass sich hierdurch eine potenzierte Verarmungsspirale für die Objekte des Handels weltweit ergeben, die nicht nur die Verhältnisse in Europa zerstört, sondern auch weltweit Hunger und Elend produziert.

Was als Ware abgesetzt wird und auf den Warenmärkten zirkuliert unterscheidet sich daher auch wesentlich von dem Geld, dessen einziger Gebrauchswert nur noch die Vermehrung von Geld sein kann, die durch unbezahlte Mehrarbeit und Lohnabgaben für Gebühren wie z.B. Steuer und Mieten eingezogen wird. Über den Weltmarkt konnte die Verselbständigung der Geldmärkte und das dem entsprechende Schuldgeldsystem sich zu einer völlig absurden Geldmacht entwickeln, das wie ein Feudalkapital die Welt beherrscht, das einfach alles aufkauft, womit sich Lohnabgaben erpressen lassen, z.B. durch Immobilien, Land oder durch eine so genannte Public Private Partnership. Ganze Länder sind durch ihre Armut dazu bestimmt, ihre Ressourcen, die Potenziale ihrer Selbsterhaltung und Entwicklung zu verkaufen, um nur noch ihre Schuldentilgung und die Zinsen hierfür zu finanzieren. Der Gläubiger sind zu einer eigenen Weltmacht geworden und ihre Geldeintreiber, die Finanzpolitiker und Banken der reichen Länder haben die Austeritätspolitik zum Hebel der Spekulation auf dem Weltmarkt gemacht, wodurch vor allem genau das zerstört wird, was Gesellschaft ausmachen kann.

Die Auswirkungen hiervon sind allerorten zu sichten. Was aber im Augenschein nicht unmittelbar zu erkennen ist, sind die politischen, ökonomischen und kulturellen Folgen für das Leben der Menschen. Denn der damit einhergehende Lebensentzug findet nicht mehr nur in der Lebenswelt der Arbeit der Menschen durch die Ausbeutung ihrer Arbeitszeit, die Enteignung, Einhegung ihrer Lebensgrundlagen statt, sondern auch durch einen Lebensentzug, der jeden produktiven Einsatz, jedes politische oder ökonomische Engagement der Menschen ad absurdum führt und der daher nur noch durch ihre gesellschaftliche Sinnentleerung, durch die ihnen auch im einzelnen der Sinn für ihre Lebensverhältnisse genommen wird und die ihre kulturelle Verödung in ihrem ganzen Lebenszusammenhang betreibt und schließlich auch in ihnen selbst stattfindet. Widerstand hiergegen muss daher mit der Analyse der Vernichtungsspiralen dieser neuen Form des Kapitalismus, dem globalisierten Machtsystem des Feudalkapitalismus beginnen.

Für eine solche Geldmacht ist die Ergreifung jedweder Lebensnotwendigkeit und Neugierde ergiebig, durch welche die Bevölkerung wie die Kinder einer großen Familie gehalten werden kann. Aber im Unterschied zu dieser beruhen die Verhältnisse auf bloßer Volksherrschaft für ein Wertwachstum, das nicht nur die Arbeit der Menschen für sich nutzt, sondern auch ihre Lebensverhältnisse selbst zu bestimmen sucht. Denn wer über Eigentumstitel die gesellschaftliche Abhängigkeiten der Menschen ausbeutet, der benutzt nicht nur ihre Zeit für sich, sondern auch ihren Raum. Und dieser lässt sich nicht tauschen; - er kann nicht als Ware übereignet werden. Doch gerade damit lässt sich Lohn erpressen, der durch die politische Macht der Lebensstrukturen der Menschen, der Staaten, Regionen und Gemeinden selbst zur absoluten Lebensbedingung wird. Soweit die Menschen darin auch absolut abhängig sind, müssen sie alles erbringen, was nötig ist, um sich darin zu erhalten. Und dabei funktioniert Politik, auch wenn sie nur repräsentativ auftritt, nach wie vor durch das Prinzip der Herrschaft überhaupt: Teile und herrsche und zerteile und werde unüberwindbar. Verschaffe den Untertanen Brot und Spiele, und sie werden dir dies als Wohltat danken und deine Macht bestärken - die Macht, die deine einzige Sicherheit ist9.

War in der bürgerlichen Gesellschaft der Geldbesitz noch an die Warenproduktion gebunden, - wenn auch schon selbständig als kreditgebendes Finanzkapital, doch immer auf eine Mehrproduktion innerhalb der Staaten und ihren Industrieen bezogen, - so steht solches Kapital jetzt als Übermacht einer ungewissen Zukunft durch die davon abgelösten Schuldbeziehungen über allem als allgemein politische Pflicht über dem Leben aller Menschen, selbst schon dem ungeborenen. In einer noch viel radikaleren Form als in jeder bisherigen Gesellschaftsform ist das gesellschaftliche Leben der Menschen durch diese politische Macht und Vermittlung ohnmächtig geworden. Und die Menschen, die dies als ihre Alternativlosigkeit verinnerlichen und empfinden verhalten sich auch zu sich selbst in einer dem entsprechenden Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Zwängen, die sie als Bürgerinnen und Bürger ihrer Nationalstaaten zu befolgen haben. Ohnmacht verlangt Schutz und Schutz bietet die Selbstbehauptung einer Kultur, in der jeder über sich selbst stehen und verfügen kann wie über eine Sache. Von daher haben die Menschen begonnen, über ihre zwischenmenschlichen Beziehungen so zu verfügen, als ob sie damit über ihr ohnmächtiges Leben als einzelne Persönlichkeit im Bündnis mit ihresgleichen heraustreten könnten. Doch der Zwiespalt ihrer Vereinzelung wird hierdurch nicht gesellschaftlicher, sondern nur zu einer Masse von Einzelheiten.

Was sie hierbei veranstalten ist insgesamt der Versuch, sich in einer Kultur zu retten, zu verbarrikadieren und auf hohem Niveau zu vereinsamen und das Leben anderer Menschen zu nutzen, um sich selbst noch lebendig zu fühlen, um sich Leben in jedem Ausdruck einzuverleiben und selbst als Objekt dieser Verhältnisse sich Objekte ihres Erlebens zu verschaffen. Der Unterworfene will selbst unterwerfen, um sich zu verwirklichen, will bestimmen, wo er sich unbestimmt erfährt und will Herr sein, wo er Knechte finden kann. Jeder fühlt sich mächtig, wo er Urteile sprechen kann und ohnmächtig, wo er sie an sich erfahren muss. Egozentrik und Selbstgerechtigkeit erzeugt Beziehungen, die keine sind und Beziehungslosigkeit wird mächtig in dem Maß, wie dabei der Sinn hierfür verloren geht. Was sich jeder an Sinn durch seine Selbstbezogenheiten zufügen will, das verliert er in der Beziehung zu anderen Menschen. Aber jeder wird darin zu einem objektiven Subjekt, das den anderen als sein Objekt auch subjektiv dulden muss. Jeder nutzt dem anderen, um sich selbst zu nutzen. Die wechselseitige Nutzung des Lebens verschafft aber Befriedigung nur in sehr erregten Verhältnissen, in einem Streit um die Bewertung der eigenen Subjektivität, so objektiv eben, wie diese aufgestellt ist.

Die zwischenmenschlichen Beziehungen geraten als Objekt-Objekt-Beziehungen somit zu einem Kampf um ihren Selbstwert, zur Konkurrenz um die eigene Subjektivität. Und diese ist endlos, wo alles objektiv bestimmt ist, wie es subjektiv sein können soll. Die Eindrücke, die dabei entstehen, mögen zwar sehr erregend sein, doch nur die Herstellung von Ereignissen für das Erleben, für die Selbstwahrnehmung der Menschen, kann Erregungen steuern und abführen. Hierfür genügen nicht die Augenblicke von Begegnungen. Hierfür muss eine ganzes Kulturverhältnis existieren. Ein Erlebnispark mag auch kurz mal solche Beruhigung verschaffen. Auf Dauer aber sind es die Verhältnisse, in denen Menschen ihre zwischenmenschlichen Beziehungen wie eine gelungene Aufreihung von Kulturereignissen gestalten können oder ihnen gestaltet wird und ihre Subjektivität entstellen und entziehen.

Die öffentlichen Medien und Veranstaltungn werden zu wichtigen Trägern der menschlichen Beziehungen überhaupt, weil sie die Inhalte objektivieren, die dem Mangel an subjektiver Erfahrung entsprechen. Im Sportstadion entstehen Verbindungen und Bündnisse, weil sie Lebensäußerungen erlebbar machen und vermitteln, die es sonst nirgendwo mehr gibt, - und die Geschichte machen auch wo sich diese nur aus Ereignissen und durch deren Tabellierung herstellt. Die Medien und Bühnen veräußern Gefühle, die Frieden in die heimlichen, anheimelnden und unheimlichen Regungen vermitteln, weil sie die Zäune und Wände des Privaten überwinden und schafffen somit einen Frieden, der sich ohne sie nicht mehr einfinden würde. Die Vereinsamung der Menschen scheint durch solche Befriedung zum Großteil aufgehoben, denn durch ihre öffentliche Kultur können sich Menschen subjektiv beisammen halten, wo sie objektiv zueinander durch die Abwesenheit einer wirklichen Gesellschaft bestimmt sind. So werden Selbstwahrnehmungen objektiv, Information, Kunst, Tradition, Sport, Religion usw. zu einem objektiven Bestimmung ihrer Wahrnehmung überhaupt, bevor zu erkennen wäre, was dies begründet, denn in dieser Subjektivität sind alle zugleich und gleichsam deren Objekte.

Solche Objekt-Objekt-Beziehungen schaffen die Grundlage des Erlebens von Befriedigung als Befriedung ihrer gesellschaftlich erregten Leere. Die Erlebensgier verwirklicht sich als Befriedungssucht, indem sie tatsächlich Frieden stiftet, wenn sie innere Erregung auflöst, tatsächlich Menschen zusammenbringt, indem sie deren Erlebnisse zu einer Gemeinschaft kürt und tatsächlich gleich macht, was gegensätzlicher nicht sein kann. Was Unruhe stiften könnte, wird runter- und weggespült, indem "Positiverfahrung" durch alle Medien und Gratifikationseinrichtungen gesellschaftlich verfügbar gemacht werden, wofür sich eine ganze Kommunikationsindustrie einsetzt und eigene Gewinne schöpft.

Der ganze Unfrieden hat in solcher Welt doch eigentlich auch nur einen Grund: Die Herrschaft einer Allgemeinkultur, in der jeder wie alles seinen Wert erfährt, wenn er sich selbst entsprechend verwerten lässt. Das Herrschaftsprinzip bleibt dabei unbenommen und ein Herr braucht seine Diener. Wenn aber jeder zum Diener des anderen geworden ist, dann wird sich der Friede auch leicht dadurch herstellen, wenn das Herr- und Knecht-sein in jedem steckt. Von daher ergibt sich die Möglichkeit einer allgemein beherrschbaren Emanzipation der zwischenmenschlichen Persönlichkeiten, ein Widersinn in sich, aber eben doch ein kultureller Ausgleich der Geschlechter und Generationen, und zugleich eine Vertiefung ihrer Abhängigkeit vom Großen und Ganzen.

Nicht deshalb alleine wurden die reichen Länder zu Dienstleistungsgesellschaften, aber als diese passen politische Kultur und politische Ökonomie doch ganz gut zusammen, gut für eine Zeit, in der die Realwirtschaft abgewickelt wird und von daher Dienste als Einkommensmöglichkeiten Ersatz bieten, die keine oder nur kurzfristig existierende Produkte erzeugen. Und da hat man auch viel zu tun, wenn eine Welt der Beglückung durch Erleben an Raum gewinnt - auch wenn diese Welt nur die Scheinwelt einer Gesellschaft ist, die sich nicht wirklich gesellschaftlich entwickeln kann, weil ihre Geschichte nur noch aus Ereignissen in einer Event-Kultur besteht.

0.4 Die Dienstleistungsgesellschaft des Fiktiven Kapitals

Das Verhältnis von Warenproduktion und Privateigentum hat sich durch die Globalisierung des Kapitals und seiner Casinos, mit der Entwicklung eines Feudalkapitalismus umgekehrt. Das alles bestimmende Privateigentum sind nicht mehr nur die Werte, die in Produktionsmitten aufgehäuft sind oder in den Tauschverhältnissen der Waren zirkulieren, sondern vor allem die politischen Rechte des Privateigentums als Lebensgrundlage der Menschen, als Formation ihres Lebensraums, ihres Wohnens, ihres Verkehrens, Kommunizierens usw., die stetige Einnahmen aus Gebühren und Steuern beziehen, also als Lohnabzug zurückgewonnen werden, teils durch Privatbesitz, teils durch den Staat, der damit seine Verschuldung bei dem Weltkapital unterhält. Diese Rechte verschaffen die verbleibende Wertsicherheit eines Produktionsverhältnisses, das durch die Entwicklung seiner Produktivkraft schon weit über sich hinausgewachsen ist.

In der Geldzirkulation zwischen Wertproduktion und Wertrealisierung existiert daher ein fiktives Kapital, das als wirklich handelbare Vorstellung einer Verwertungsoption auftritt, indem es als Wertpapier auch den Besitzer wechseln kann, als Zahlungsverpflichtung des Geldumlaufs unter bestimmten Umständen einen höheren Preis im Verkauf des Wertpapiers einbringen kann, als der staatlich gesicherte Zinsfuß für einen Kredit im Maß der Durchschnittsprofitrate einbringen würde - nämlich dann, wenn aus dem Eigentumstitel als Wertpapier ein intensiverer Geldumlauf betrieben werden kann, als durch den Kredit für produktive Kapitalinvestitionen per Zins zu bekommen ist. Dann steigt die Nachfrage nach dem Wertpapier, das wie eine Zahlungssicherheit zur Minderung des Marktrisikos (z.B. als Staatsverschuldung) gehandelt wird, weil und wenn Geld als Kredit in realökonomische Investitionen keinen dem enstprechenden Mehrwert realisieren kann. Man könnte auch sagen, dass der Geldwert durch Schulden nicht nur "kaltgestellt" wird, sondern durch reinen Geldtransfer eine eigens durch sich bestimmte Preisbildung in Gang setzt. Geld das hier eingebracht wird und sogar Geld, das der Geldzirkulation entzogen wird, sichert eine Preisbildung, die völlig unabhängig von realen Produkten bestimmt ist, eine bloße Bewegung der Geldmenge bewirkt, die sich nur noch am Finanzmarkt, z.B. am Zustanbd seiner Wettverhältnissen in den Casinos der Geldspekulanten orientiert. Selbst wo Geld in Steueroasen oder in Betrug und Korruption verschwindet, ist das für diese Art von Wertversicherung günstig. Kein Wunder, dass das nicht so konsequent verfolgt wird, wie beispielsweise der Ladendiebstahl einer Schachtel Zigaretten.

Das darin transferierte Geld entstammt eben nicht mehr der Produktion von Waren, sondern der Zirkulation des Geldes durch seinen Gebrauchswert, aus Geld mehr Geld zu machen. Das wird inzwischen gehandhabt wie eine Geldindustrie, die ihre "Produkte" als Wertpapiere anbietet, die ihren Rohstoff aus den Währungssystemen der Welt bezieht - heraushebelt sagt man dort. Nicht die Produkte der reellen Industrie machen ihren Wert aus, sondern die internationalen Wertverhältnisse zwischen den Unterschieden der nationalen Produktivität, also dem Wertmaß der Währungsverhältnisse selbst wo diese durch nominell gleiche Bezeichnungen (z.B. Euro) verschleiert sind.

Nicht mehr die Gebrauchswerte der Waren und nicht mehr ihre Produktion sind die Grundlage des Wertwachstums, sondern die Verwertungssysteme ihrer Bezahlung, wenn sie schon mal existieren und produktiv amortisiert sind. Und das ist entscheidend. Ganz unabhängig von der Mehrwertproduktion ist die Geld- und Warenzirkulation allerdings nie, weil durch die Beschleunigung der Zirkulation von freien Geldwerten der Umsatz und damit auch die Produktivität, also auch die Zeit, in der Waren nachgefragt werden, beschleunigt, Arbeitszeit also verkürzt werden könnte und auch die Arbeitskosten durch Pflege und Wartung von Maschine und Mensch gesenkt werden können. Doch dies alles bleibt nur innerhalb des Warenumschlags und der darin herrschenden Konkurrenzverhältnisse. Die Bewegung von Geld und Waren ist für das Wertwachstum nur von Bedeutung, wo sie durch den Finanzmarkt, durch Wertpapiere und deren Derivate veranlasst werden. Und hieraus begründen sich Gesellschaften, die ausschließlich oder zum großen Teil aus Verhältnissen bestehen, die sich im Wert ihrer Dienstleitungen verhalten, unterhalten und beziehen, die also Dienstleistungsgesellschaften sind. Darin existert Geld vorzüglich auch jenseits der Realwirtschaft als Wertspeicher in quasi zwischenmenschlichen Entlohnungsverhältnissen, im Lohn von Mensch zu Mensch, der seinen Mehrwert am Quantum des Lohnüberschusses über der bloßen Reproduktion bemisst. Darin unterscheiden sich die Dienstleistungen, wo sie der stofflichen Reproduktion dienen (z.B. Transport und Verkehr) und denen, die sich aus der Geldzirkulation über Agenturen, kulturellen Ereignissen und Ausstattungen (z.B. Werbung, Miete, Kommunikation, Mode, Schmuck, Unterhaltung) beziehen lässt. Und letztere sind geeignet, sich jenseits aller Notwendigkeiten des gesellschaftlichen Stoffwechsels auszuweiten und sich nach der Lage ihrer Verhältnisse (z.B. Marktplatz, Wohnort, Informations- und Kommunikationsbedarf), also nach ihrem Lebensraum bewerten zu lassen.

Was also das Finanzkapital auf den Börsen bewegt, wenn die Investitionen in die Realwirtschaft nicht mehr zum Wirtschaftswachstum taugen, ist ein Kapital, das eine Glaubensgemeinschaft seiner Fiktionen zusammenhält. Nicht materielle Produktion bewirkt das nötige Wertwachstum, sondern die Werterhaltung eines Geldes, das bloße Abhängigkeit vermittelt und unentwegt politische Macht über sie erlangen muss, um durch die Geldzirkulation internationalen Mehrwert zu extrahieren, der neben der unbezahlten Arbeit der Menschen auch noch aus ihren Lohnabgaben gewonnen wird, in denen unbezahlte Arbeit aus dem Wertverhältnis zwischen den Nationen vermittelt sind.

Das setzt den Reichtum einer Produktion und ihres Wertverhältnisses auf der ganzen Welt voraus, die durch die Produktivität der Industrienationen den Selbsterhalt der Menschen schon wie von selbst erledigt, die also Geld in Umlauf hat, das quasi den Lebensstandard der Menschen und des Kapitals praktisch automatisch halten kann und von daher das Kapital in Lohnform, das variable Kapital, wie ein Kapital seiner Existenzgrundlagen, wie das konstante Kapital seines Anlagevermögens bewahren kann. Von daher gibt es in diesen Ländern vor allem Produktionsmittel, die sich zur Spekulation auf billige Einnahmen aus den weniger oder gar nicht industrialisierten Ländern eignen und deren Mehrwert über die Löhne und Geldwerte der Bevölkerung von Dienstleistungsgesellschaften im Nachhinein der Produktion eingezogen werden können, also eben aus den Preisen der Gebühren Wert bezieht, den die Institutionen und Eigentumstitel aus den Veräußerungen der ärmeren Länder einnehmen können. Deshalb liefert zum Einen die Abhängigkeit der armen Länder den Grundwert des Privateigentums, der Selbsterhaltung in ihrer Privatform, während die Bevölkerung der reichen Länder ihre Abgaben aus Dienstleistungen beziehen und vermitteln, die sich durch Gebühren und Besteuerungen in Wert halten müssen und auch einen eigenen Mehrwert einbringen können, indem sie ihre Anwendungen ausdehnen.

Und nur soweit sich der Geldwert in Dienstleistungen sozusagen von Mensch zu Mensch bewegen lässt, die beschäftigt, die sie konsumieren und sich dabei auch ausdehnen kann, sind die Wertverhältnisse in diesen Gesellschaften opportun. Dies Ganze verschafft aber einen eigentümlichen gesellschaftlichen Frieden, der zwar keinen Sinn macht, der aber die Verhältnisse im Großen und Ganzen, die Revenue des Kapitalverhältnisses schlechthin in Funktion hält. Es ist eine Gesellschaft des Mehrwerts, die aus ihrer eigenen Sattheit heraus ihre Beziehungen als Dienst am Ganzen stiftet, das allerdings mit den Verhältnissen auf dem Weltmarkt steht und fällt. Mit solchem Frieden jonglieren die Wirtschaftsakteure auf einem Hochseil das nur durch ihr fiktives Kapital gespannt bleibt.

Denn dieses Kapital existiert tatsächlich jenseites der konkreten Dienstleistungsverhältnisse nur als bloßes Schuldgeld ohne eine wirklich konkrete Beziehung zu den Lebensverhältnissen der Menschen, auch wenn es diese vollständig bestimmen kann. Es bewegt sich nicht wirklich wie einfache Kredite zwischen Gläubiger und Schuldner, zwischen dem Geldverleiher und der Schuldentilgung. Es ist lediglich eine Geldmasse, die zwar Verpflichtungen enthalten und erzeugen, aber kein dem entsprechendes Wertwachstum erbringen kann, das diese tilgen würde. Solches Kapital bewegt Geld in Summen, die nur noch auf die Finanzpolitik der Nationalstaaten zielen. Die Verhältnisse in den hiervon abhängigen Nationen sind von den Verhältnissen der Finanzmärkte bestimmt. Es kann sich dabei kein lebendiges gesellschaftliches Verhältnis mehr entwickeln, keine Kultur entstehen oder fortbilden. Das Hauptproblem dieser Gesellschaften ist daher die Kultur selbst, die ein Vakuum entwickelt, das nicht friedfertig sein kann. Von daher haben Dienstleistungen nicht nur einen ökonomischen Wert, indem sie Geld zwischen den Menschen hält, sondern auch einen kulturellen Wert, der dem Selbstwert der Menschen dienlich ist, die ihre Selbstachtung bereits aufgegeben haben.

Dienstleistungen sind Hilfreichungen, die durchaus wechselseitig sein können, ohne irgendeinen Wert zu transportieren. Wenn die Menschen einander frisieren oder schminken oder unterhalten, muss kein Wertträger getauscht werden. Dies geschieht erst, wenn sie einer Produktion, ihrem Vertrieb und Handel, einem Haushalt oder einer Person zu Bewältigung seiner Aufgaben dienen und hierfür bezahlt werden. Darunter fallen z.B. Transporte, Werbung, Kommunikation, Unterhaltung, Körperpflege, Bankangelegenheiten, Eventmanagement, Friseure, Therapeuten oder Reinigungsfirmen. Dienstleister arbeiten entweder als Unternehmen oder Freischaffende und Selbständige, doch oft ohne ein Produkt herzustellen. Meistens arbeiten sie, um ein Zwischenprodukt zu liefern oder bestehen aus einer Hilfeleistung für einen Betriebsablauf oder einer Pflege zum Unterhalt von Menschen, Infrastrukturen oder Betriebseinrichtungen. Wertmäßig ist überhaupt nur von Bedeutung, ob solche Dienste der privaten Reproduktion nützen, oder einer wirtschaftlichen Verwertung von Kapital. Wirklichen Mehrwert bringen sie bei, wenn sie beides in Einem von Nutzen, wenn sie selbst produktiv durch den Einsatz in einer Kultur der Befriedung sind.

Die gesellschaftliche Funktion neuer Technologien tendiert immer mehr dazu, sich als Befriedungstechnologie gegen Sinn­entleerung, als Überlebenstechnologie der Gleichgültigkeit selbst anzubieten. Nicht die Befriedigung von menschlichen Bedürfnissen in ihren wirklich gesellschaftlichen Lebensverhältnissen ist ihr wesentlicher Zweck, sondern deren Beherrschung durch die Befriedung ihrer selbstbezüglichen Lebensformen, durch die Füllung einer endlosen, weil immer wieder hervortretenden Erregung ungestillter Regungen in der Impertinenz eines unerfüllten Lebens, das seinen Frieden in seinen Lebensburgen sucht. Die tragenden Lebensereignisse der Menschen entstehen nicht mehr durch geschichtliche Tätigkeit und Sinnbildung, durch ihre wirkliche, nicht bloß funktionale Beziehung, nicht durch gegenständliche Arbeit oder aus dem gesellschaftlich wirksamen Vermögen der Menschen selbst. Sie ereignen sich eher wie Zufälle, die unmittelbar wie bloße Begebenheiten in Erlebnissen wahrgenommen werden, die dem zufallen, der eben mal Glück und Erfolg hat oder auch nicht.

Die Kultur des Erlebens, die Eventkultur ist die Kultur des Geldverkehrs, die Kultur von Dienstleitungsgesellschaften, in welchen Geldbesitz die ausschließliche Lebensbedingung und Geld ausschließliches Kaufmittel ist, das die Menschen in einer unendlich scheinenden Welt von beliebigen Lebensmöglichkeiten zusammenhält. Daher erscheint ihnen ihr Leben ohne Zusammenhang, als Zufall bloßer Wirkungen, die sie mit Glück auch selbst bestimmen können. Hier wird gelebt, um zu erleben, genommen, was zu kriegen ist. Hier herrscht der blanke Konsum - nicht nur der von Lebensmitteln, sondern auch ein Konsum der Lebensgestaltung selbst, Kulturkonsum. Erleben ist dabei selbst Handelsware geworden. Was an ihm noch gesellschaftlich ist, muss exklusiv und damit verkäuflich gemacht, gekauft oder gemietet werden - vor allem auch die Geräte und Lizenzen, mit denen es ermöglicht wird, auch wenn es oft nur auf dem Bildschirm geschieht.

Mit Unterhaltung wird positiver Umgang beigebracht, Moral und Sitte in eine sich aus dem Erlebnis selbst verstehende Prominenz gehoben. Selbstdarstellung, die unmittelbar vielleicht peinlich wäre, erscheint im Internet oder auch sonst wo im "öffentlichen Raum", auf den Boulevards oder in Talk-Shows zur öffentlichen Belustigung oder Ereiferung freigegeben. Sie wird zum Kick der besonderen Originalität, die jeden anspricht, weil sie jedem entspricht. Der einzelne Mensch wird zum gemeinen Menschen, zu einem gleichgeschalteten Individuum, das sich in seinem Selbsterleben zugleich originell vorkommen kann, gleich, ob es von seinen Todessehnsüchten oder seinen Liebesnächten berichtet. Was befriedigt, das verschafft auf jeden Fall Zufriedenheit. Und das vor allem ist die Botschaft, welche die zeitkonformen Medien zu vermitteln haben in einer Welt, die aus bloßer Gewohnheit besteht, einem Wohnraum, der zugleich eine Lebensburg gegen die wirkliche Welt ist.

Solche Kultur macht alles zum Mitmenschen, auch das Unbegreifliche oder Unbegriffene, macht vor nichts und niemanden halt, weil sie dem Trieb der Eingemeindung aller Seelen folgt. Das Einzelne vereinzelt in seiner Isolation, das Gemeine wird total in seiner Öffentlichkeit. Ob Hitler oder Einstein, alles lässt sich als Person, als bloße Maskerade der menschlichen Natur auch in ihrer schrulligsten Form aufreizend machen, wenn man so will. Und die Schrulligkeit des Besonderen und Absonderlichen macht die einzige Bewegung aus, die der Selbstunterwerfung und auch der obsoletesten Selbstlosigkeit noch einen aparten Sinn verleiht. Alle können sich durch die Personifizierung ihres Lebenszusammenhangs wiederfinden in der Zwischenmenschlichkeit einer Gemeinde potenzieller Genies, die sich ihrer Übermenschlichkeit gewahr werden, wenn sie ihre Beziehungen in einem Gemeinsinn verwirklichen können, der sich über sie längst erhoben hat und sie für ihr Überleben mit dem gemeinen Übermenschen, dem Helden ihrer Vorstellungskraft vermählt. Der muss verkörpert werden, wo immer es geht, um dem Leben Sinn zu verleihen, wo es nichtig wird - um ein Leben einverleibter Sinne zu schaffen, wo Leben sinnentleert ist.

Das Kapital hat somit nicht nur die räumliche Form des Kapitalismus und damit die bürgerliche Gesellschaft aufgehoben, sondern auch einen neuen Lebensraum erschlossen: Die unmittelbare Körperlichkeit der Menschen. Es hat ihr gegenständliches Verlangen nach Produkten zur Erhaltung und Entfaltung ihres Lebens zu einem Bedürfnis des Selbsterlebens gewendet, worin sich eine Welt voller Selbstwahrnehmungen entfaltet hat, die dem einzelnen Individuum vor allem Selbstwert - bzw. Minderwert - vermittelt und von da her die zwischenmenschliche Beziehung der Menschen bestimmt. Ihre Kultur gilt ihnen nurmehr als das, was sie ihnen in solcher Beziehung wert ist.

Durch zwischenmenschliche Verhältnisse bekommt Gesellschaft einen gesellschaftlichen Sinn, der ihre Ungegenwärtigkeit sinnvoll macht, einen allgemeinen politischen Inhalt, der sich als Geschichte der allgemeinen Selbstwahrnehmung gestaltet und allgemein Sinn dadurch hat, dass sich darin die Menschen selbst nützlich sind, dass sie sich beeindrucken und sich hierfür auch ausdrücken und gestalten. Es ist der Sinn eines allgemeinen Anreizes, die Ästhetik einer Wahrnehmung, die für die Selbstwahrnehmung Wirkung hat und also auch gesellschaftlich wirksam ist. Solche Wahrnehmung entfaltet sich als politische Prominenz einer Beziehungswelt, die schließlich auch zunehmend die Kultur der Menschen politisiert. Gerade wo Politik nicht mehr zu einer wirklich gesellschaftlichen Entwicklung beitragen kann, wird politische Kultur zum Leitfaden allgemeiner Selbstverwertung und Selbstwertigkeit, welche Gesellschaft ersetzen soll.

Es bildet sich auf sublime Weise eine Kultur-Elite, die einfach ganz so ist und sein will, "wie wir alle", eine Elite, die uns alle sich einzuverleiben sucht, indem sie sich als Live-Style und Live-Line für alle präsentiert, als ein Leben, das man sich ereignen lassen kann, wie man will. Leben selbst wird zu einer Veranstaltung. Es wird in die Arena oder auf eine Bühne gezerrt, wo das vorstellbar Einzelne das wirklich Gesellschaftliche dominieren, wo das Private öffentlich werden kann, wenn öffentliches Leben als Erlebnis geboten wird. So wird das Ereignis produziert und trainiert, um ganz plötzlich und unmittelbar das Leben der Menschen zu beherrschen.

Ihre Geschichte wird selbst zu einer Ereignis-Konstruktion der menschlichen Kultur. Sinnbildung reduziert sich daher auf das, was sie sein muss, um Geschichte zu machen, die keinen Sinn haben muss, wenn sie durch die Aufreihung einer Ereignisfolge, durch ihre Genealogie Geschichte ersetzen kann. Wie in den Tabellen einer sportlichen Liga, einer Show oder eines Hits hat solche Konstruktion eine öffentliche Wirkung, die schier alle Mängel wirklicher Beziehungen zu befrieden vermag.

Es zeigt sich Leben, wohin man schaut. Man könnte meinen, eine "unsichtbare Hand" hätte alles im Griff und würde das Nötige sich fügen lassen, wie auch in der Marktwirtschaft sich alles durch die Konkurrenzen fügt, die das Verwertungsprinzip befolgen müssen. Ereignisse bestimmen das Leben, wie die Waren den Markt. Und es setzt sich blindlings durch, was gerade günstig ist. Die Ereignis-Kultur oder Eventkultur ist tatsächlich nicht von irgendwelchen Erlebnismanager für gehobene Kulturregsamkeiten erfunden worden, sondern ein eigenes gesellschaftliches Gebilde, das sich innerhalb der einstigen Industrienationen durch eine Kommunikationsindustrie in dem Maße herausgebildet hat, wie gegenständliche Arbeit, gesellschaftlich wirklich produktive Arbeit, also die Arbeit zur Erzeugung sinnvoller Gegenstände, auslagert - beziehungsweise unnötig macht.

So erscheinen sich auch die Menschen selbst in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen ereignishaft, sich selbst als Begebenheit von Menschen, die sich treffen und für ihr Leben dadurch bedeutend werden, dass sich in ihren Beziehungen reizvolle Ereignisse entwickeln, Reize, welche die Einöde unendlicher Gegebenheiten und Gewohnheiten durch besonderes Erleben auflösen. Das einzelne Geschehen wird in seiner Einzelheit so bedeutungsvoll, als wäre seine Unbestimmtheit eine Dimension des Übermenschlichen, als stünde es in keiner Geschichte, keinem Zusammenhang, keiner sinnvollen Beziehung. Geschichte selbst wird durch Momente ersetzt, zum Fragment eines Ganzen, das es nirgendwo wirklich gibt.

Dies zeigt sich auch in den Individualgeschichten, in denen unrealisierbare Bedürfnisse aufblühen und verwelken, deren Sinn sich in einem universellen Verlangen auflöst, das kein Anfang und kein Ende kennt, weil er selbst ohne Grund, also bodenlos ist. Solche Fragmentierung vollzieht sich in Flüchtigkeiten, weil sie eine Flucht vor Bindungen jedweder Art nötig haben, denn ohne Sinn kann nichts wirklich wahr, und also nur zweifelhaft sein. Solche Beziehungen scheinen in ihrer Beziehungslosigkeit zu einer allgemeinen Lebensform geworden zu sein, notwendige Lebensbedingung für Menschen, welche keine andere gesellschaftliche Wirklichkeit mehr haben, als die der Zwischenmenschlichkeit, dem zwischen allem Menschlichen sein.

Dazwischen müssen sich die Menschen an ihrem bloßen Menschsein orientieren, dessen abstraktes Wesen sie unendlich antreibt, um das zu empfinden, was sich nirgendwo wirklich finden lässt, damit sie das fühlen können, was ihnen Selbstwert verschafft. Die Suche nach Glück und der Verlust an eigener Wirklichkeit gehen Hand in Hand und bewegt die Menschen, macht sie beweglich und flexibel, verbieglich, um alles zu bekommen, was sie nicht wirklich erreichen können. So wie jede Dienstleistung eine gewisse Flexibilität verlangt, verlangen die hieraus bestimmten zwischenmenschlichen Verhältnisse eine Veredelung durch die Selbstverwertung ihrer Flexibilität. 

"In seinem viel beachteten Buch Der flexible Mensch liefert Richard Sennett (1998) eine wenig positiv gestimmte Analyse der gegenwärtigen Veränderungen in der Arbeitswelt (Sennett, Richard: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus) Der "Neue Kapitalismus" überschreitet alle Grenzen, demontiert institutionelle Strukturen, in denen sich für die Beschäftigten Berechenbarkeit, Arbeitsplatzsicherheit und Berufserfahrung sedimentieren konnten. An ihre Stelle ist die Erfahrung einer "Drift" getreten: Von einer "langfristigen Ordnung" zu einem "neuen Regime kurzfristiger Zeit" (S. 26). Und die Frage stellt sich in diesem Zusammenhang, wie dann überhaupt noch Identifikationen, Loyalitäten und Verpflichtungen auf bestimmte Ziele entstehen sollen. Die fortschreitende Deregulierung: Anstelle fester institutioneller Muster treten netzwerkartige Strukturen. Der flexible Kapitalismus baut Strukturen ab, die auf Langfristigkeit und Dauer angelegt sind. "Netzwerkartige Strukturen sind weniger schwerfällig." An Bedeutung gewinnt die "Stärke schwacher Bindungen", womit zum einen gemeint ist, "dass flüchtige Formen von Gemeinsamkeit den Menschen nützlicher seien als langfristige Verbindungen, und zum anderen, dass starke soziale Bindungen wie Loyalität ihre Bedeutung verloren hätten" (S. 28). Die permanent geforderte Flexibilität entzieht "festen Charaktereigenschaften" den Boden und erfordert von den Subjekten die Bereitschaft zum "Vermeiden langfristiger Bindungen" und zur "Hinnahme von Fragmentierung". Diesem Prozess geht nach Sennett immer mehr ein begreifbarer Zusammenhang verloren. Die Subjekte erfahren das als Deutungsverlust: im flexiblen Regime ist das, was zu tun ist, unlesbar geworden" (S. 81). So, entsteht der Menschentyp des flexiblen Menschen: ein "nachgiebiges Ich, eine Collage von Fragmenten, die sich ständig wandelt, sich immer neuen Erfahrungen öffnet - das sind die psychologischen Bedingungen, die der kurzfristigen, ungesicherten Arbeitserfahrung, flexiblen Institutionen." (Heiner Keupp in "Niemand kann seinem Schicksal entgehen .." (Alibri-Verlag 2004, S.32 f)

Durch ihre Flexibilität können sich die Menschen nun auch selbst als ausschließliche Kultursubjekte erscheinen, die keine gesellschaftlichen Beziehungen über ihre Bedürfnisse nötig haben. Und darin identifizieren sie sich mehr oder weniger bewusst mit dem, was von ihnen objektiv verlangt wird.

Weil die Menschen in der ungegenständlichen Welt eines zwischenmenschlichen Geldverhältnisses sich selbst als nichtig empfinden, suchen sie nach Selbstwert, der sie zu einem Selbstgefühl erhebt, das deren Beschränktheit überwindet. Und das hat hat Folgen und dem entsprechende Wirkung in den zwischenmenschlichen Verhältnissen selbst. So gründet das Verlangen der Menschen nach einander wesentlich auf einer Selbstwahrnehmung, vermittelst derer sie sich wechselseitig beeindrucken, soweit sie in der Lage sind, diese lebbar zu machen, und das heißt: zum Erleben zu bringen. In den zwischenmenschlichen Beziehungen regt sich das Leben der Menschen, aber in seiner Gegenstandslosigkeit wird es zur Selbsterregung gebracht und erzeugt Reize, welche die Menschen vor allem nur auf sich selbst zurückwerfen.

Der Gegenstand solcher Beziehungen ist der Mensch für sich. Und von daher hat er zu sich selbst ein ästhetisches Verhältnis. Dieses soll Erlebnisse verheißen, die Frieden stiften, wo Unzufriedenheit über den Verlust gegenständlicher Wirklichkeit herrscht. Und darin wird die Selbstwahrnehmung einzig in ihrem Selbstwert befriedigt, im Beisichsein erhabener Selbstgefühle. Darin ist eine Selbsterregungen lebendig, die sich zu Hause fühlt, wenn sie befriedet werden. Wie das Bedürfnis, so hat sich somit auch das zwischenmenschliche Erleben dem Verlangen nach menschlicher Wirklichkeit entzogen. Durch das expandierende Selbsterleben werden wirkliche Bedürfnisse nicht nur ersetzt, sondern gehen zugleich auch wirklich zunichte. Ihre Gegenstände mögen nach wie vor den Notwendigkeiten des Stoffwechsels folgen; ihr Sinn aber besteht nicht mehr hieraus, weil dessen wirkliche Kultur in übermäßiger Wirklichkeit verausgabt ist. Die Gegenstände der Selbstwahrnehmung sind nurmehr reizvoll, bewegen daher also selbst keinen menschlichen Sinn, auch wenn sie ihn ästhetisch in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen beleben.

In zwischenmenschlichen Verhältnissen können die Menschen nicht wirklich Subjekte ihres Lebens sein, weil sie sich zueinander gegenstandslos verhalten, also kein Wesen außer sich haben und daher in Wahrheit unwesentlich füreinander sind. Wo sie sich selbst zum Gegenstand ihrer zwischenmenschlichen Lebensverhältnisse machen, benutzen sie ihre menschliche Natur objektiv und verleiben sich darin eine Gegenwart ein, die sie nicht gestalten können, die aber sehr wohl ihr Leben in der Form ihrer Anwesenheit gestaltet. So subjektiv sie sich darin fühlen, so objektiv ist hiergegen ihr wirkliches gesellschaftlichen Verhältnisses, in welchem die Abwesenheit eines gesellschaftlichen, des menschlichen Wesens beängstigen muss. Ihr zwischenmenschliches Verhältnis vollzieht sich darin, dass sie sich entgegenständlichen, während sie sich in ihrer wechselseitigen Einverleibung vergegenwärtigen. Ihre Entgegenständlichung widerfährt ihnen als ihre Entgegenwärtigung, als Objektivierung ihrer sinnlichen Beziehungen, als abstrakt menschlicher Sinn, und von daher ihrem Wesen nach im Prozess einer Selbstentfremdung.

An und für sich ist Zwischenmenschlichkeit ein Gefühlsverhältnis von Menschen jenseits ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeit, ein Verhältnis, worin sich die Menschen in ihrer bloßen Individualität als Mensch getrennt von menschlicher Wirklichkeit, also von dem gesellschaftlichen Verhältnis der Menschen abgeschieden wahrnehmen und dieses als ihre Gesellschaft erscheint. Während sie die Produkte einer ihnen fremden Gesellschaft erzeugen und konsumieren und diese als ihren existenziellen Lebensgrund wahrhaben, gelten sie sich nur in dem Gefühl, das sie durch andere für sich haben - in ihrem Selbstgefühl - als Mensch und dieses daher auch als Form menschlicher Objektivität.

Als Kulturform vergehen ihre gesellschaftlichen Verhältnisse in den unendlichen Möglichkeiten des Befriedigungserlebens, in unendlich gewordener Individualität, und die Selbstwahrnehmung der Menschen wird zur Wahrnehmung einer leeren Selbstbezogenheit als Form ihrer Befriedung. Was Kulturgut der Menschen ist, wird zum Massenartikel eines Marktes, der lediglich Geldüberfluss bedient. Ihre Geschichte kann daher auch nur als Geschichte einer gigantischen Selbsttäuschung verlaufen, einer Vertauschung von Mangel und Überfluss, von Bedürfnis und Selbsterleben - kurz: Einer menschlichen Verarmung inmitten des Reichtums. Es ist daher nötig, den Menschen in den Momenten dieser Täuschung selbst zu entdecken, Verfälschungen und Verkehrungen seines Lebens nachzuvollziehen und zu analysieren oder kurz: Menschliches Leben in der Verschrobenheit dieser Welt des Geldes aufzuweisen und dessen Verhältnisformen in dessen Verhältnissen nachzuvollziehen und seine Formbestimmtheit bloßzulegen. Um den Entfaltungsprozess dieser vertauschten Wahrnehmung der Selbstwahrnehmung soll es hier gehen. Von daher müssen wir dort beginnen, wo die verbliebene menschliche Substanz dieser Verhältnisse noch wahrzunehmen ist: In der Kultur.

0.5 Die Verwertung der Selbstwahrnehmung

Der durch Befriedung erzeugte Friede hat eine Kehrseite, die ihn nicht zur Ruhe kommen lässt: Er bestimmt die Selbstwahrnehmung der Menschen so objektiv, dass sie subjektiv im Grunde nur sein können, was sie in einer Weise so friedfertig macht, dass sie als Funktionäre ihrer Lebensverhältnisse sich selbst objektiv erleben und ihre Lebensbedingungen von daher ihnen unmittelbar sinnlich unkenntlich werden. In einer Dienstleistungsgesellschaft des globalen Kapitals verhalten sie sich wie Kleinbürger, die aber nicht mehr von ihrem Warenbesitz im Warentausch leben, weil sie vor allem international bewertetes Geld erwerben, das ihren nationalen Lebensstandard bestimmt.

Aber auch darin sind sie gespalten wie eh und je. Die Armen, die zu Billiglöhnen oft auf mehrere Jobs angewiesen sind, arbeiten oft nur noch, um sozial und kulturell nicht ausgeschlossen zu sein. Oft sind es Migranten, die auch politisch unter Druck stehen, ihre Arbeitssituation unter allen Umständen zu halten. Sie alle bilden ein Proletariat, das unterhalb des wirtschaftlichen Selbsterhalts, dem durchschnittlichen Lebensstandard auskommen muss, weil sie von kultureller Anpassung bedrängt sind und Gefahr laufen, aus ihrem Lebenszusammenhang und ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen herauszufallen. Kulturelle Macht wird von daher zu einem Bestandteil der Ausbeutungsverhältnisse des Kapitals.

Hiergegen aber sind die Menschen, die in ihrem Lohn über die Armutsgrenze hinaus kommen, schon durch den Anteil an Konsummöglichkeiten eines weltbürgerlichen Lebensstandards kaum mehr interessiert, ihre Lage zu verändern. Das nationale Wohlergehen auf den Weltmärkten erscheint ihnen als das Füllhorn ihrer Existenz, und so empfinden sie sich jetzt unter den internationalen Bedingungen des globalisierten Kapitals als Subjekte ihrer Staatszugehörigkeit und des in ihrem nationalen Lebensraum zirkulierenden Kapitals - und dieses konkurriert in den Casinos des internationalen Kapitals durch Wetten auf ihre Zukunftsperspektiven um seinen Wertbestand und treibt dort alle Preise in die Höhe, die durch Eigentumstitel zu erzielen sind.

So haben sich durch den politischen Wert der Kultur auch die arbeitenden Menschen selbst in kulturelle Klassen gespalten. Und damit sieht für sie nun sehr viel anders aus als unter den Bedingungen der bürgerlichen Gesellschaft: Es zirkulieren in den reichen Ländern Werte aus der unbezahlten Arbeit fremder Länder und Sitten. Objektiv steht eine Welt der Konsumtion zur Verfügung, die alle subjektiv mächtig erscheinen lässt, die daran teilhaben können. Ihre soziale und kulturelle Integration in solchen Reichtum macht sie abhängig. Sie leben von einem Kapital, das sie selbst für sich gelten lassen um sich damit selbst zur Geltung zu bringen. Sie bereichern ihre Selbstbeziehung durch einen Geldwert, dessen Entstehung sich in ihrem Land und Lebensraum nicht mehr darstellt.

Aber gerade in der Abhängigkeit sind sie mit sich selbst im Widerspruch, in ihrer Subjektivität hervon bestimmt und objektiv zugleich Konsumenten eines potenten Verwertungsverhältnisses. Sie haben alleine schon durch das Geld, das sie in der Tasche haben, Teil an einer Weltmacht des Kapitals. Und derart objektive Subjekte mögen zwar über ihre Lebensbedingungen bestens informiert sein und hierüber auch bestens kommunizieren. Aber bei alledem können sie kein Selbstbewusstsein entwickeln, weil sie sich selbst unter diesen Bedingungen nur bedingt erkennen können, solange sie sich darin selbst in Wert setzen, Wertschätzung einfordern und für sich darin zur Geltung bringen, ihre Verhältnisse aus ihrem Geltungsbedürfnis begründen.

Wo kein Selbstbewusstsein ist, muss Selbstwert herrschen - nicht, weil der Selbstwert Ersatz dafür wäre, sondern weil er Identität verschafft, wo es keine geben kann. Selbstbewusstsein als Wissen um eigenes Sein ist Resultat der Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben in den vorgefundenen gesellschaftlichen Lebensbedingungen, also einer Tätigkeit um seiner selbst willen: um Selbstachtung. Selbstwert dagegen ist die Grundlage und Behauptung einer Selbstverwirklichung, weil und solange in Wirklichkeit nur Wert herrschen kann. Selbstwert haben Verhältnisse nötig, worin Werte objektiv aufgehäuft sind, durch welche sich Menschen gesellschaftlich entwertet empfinden, weil sie darin nichts gelten können, weil sie darin in Wahrheit selbst nichts wert sind, keinen Wert haben können. Der Selbstwert ist also die Reflexion der Entwertung menschlicher Lebensverhältnissen, der Entwertung ihrer sachlichen Existenz, wie sie schon von Marx beschrieben worden war:

"Mit der Verwertung der Sachenwelt nimmt die Entwertung der Menschenwelt in direktem Verhältnis zu." (Marx in MEW 40, S. 511)

In den Verhältnissen des globalen Kapitals, also in den Verhältnissen, worin Geld schon als selbständige Form eines Mehrwerts zirkuliert, wird Wert dadurch vermittelt, dass durch den Mehrwert die Lebensverhältnisse der Menschen selbst wertbestimmt sind, dass die Menschen, die darin verkehren, durch das Wertverhältnis eines Wert­überschusses selbst entwertet und in sich verkehrt werden.

Es geht hier also nicht um die Verhältnisse des einfachen Warentausches, worin sich die Bedürfnisse der Menschen nur in ihrer allgemeinen Wertgestalt als Geld aufeinander und auf ihre Produktion beziehen und sich in ihrem gesellschaftlichen Interesse austauschen und vertauschen, sondern um die Verhältnisse, worin Geld nicht mehr als Wertmaß, sondern schon selbst ausschließlich - also total - als Maßstab der Verhältnisse (als Maßstab der Preise) fungiert. Dies sind Lebensverhältnisse im Kapital selbst, wie sie vornehmlich als Verhältnisse von ausschließlichen Dienstleistungsgesellschaften vorkommen.

Solange Menschen selbst Wertdinge erzeugen, können sie sich vom Wert auch unterscheiden; ihre Existenz ist zwar wertbestimmt, aber nicht sie selbst. Sie handeln ja nur damit und bleiben auch in den objektiven Wertbestimmungen Subjekte, weil sie nicht nur als Verkäufer, sondern auch als Käufer auf den Märkten auftreten. Erst wenn sie als Menschen selbst, also durch ihr Leben Wert darstellen, übereignen sie dieses dem Wert und bestimmen ihn zu ihrem Lebens­in­halt. Und weil Geld als Kapital tote Arbeit darstellt, versteinert sich hierin ihr Leben selbst zu einem toten Arbeitsprodukt.

Die Voraussetzung ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse ist jetzt die Abtötung ihrer gesellschaftlichen Tätigkeit, und reduziert sich von daher auf Wahrnehmungen, auf ein gesellschaftliches Verhältnis der Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung. Selbstwert entsteht in der Bewertung der eigenen Persönlichkeit inmitten einer Wahrnehmungswelt zwischenmenschlicher Beziehungen, also als Beziehung der persönlichen Eigenheiten auf eine darin vorgestellte Allgemeinheit wertvollen Menschseins. Und das ist eine Reduktion seiner Lebenswirklichkeit und kann also nichts sein, was einem Menschen wirklich etwas wert wäre, was ihm wirklich lieb und teuer ist, weil er es für sich so bewertet hätte. Ein solcher Selbstwert ist lediglich das, was soziale Minderwertigkeit ausschließt, in welche Menschen versetzt sind, wenn ihr Tun und Lassen beliebig ist, etwas das schlichte Wertschätzung verlangt, um überhaupt einen Sinn anmuten zu lassen. In solcher Beliebigkeit zerrinnt allerdings jede Selbstachtung, weil sie alles verschlingt, was Menschen hervorbringen, weil es im Grunde gleichgültig ist, was sie wirklich und in Wirklichkeit tun, wenn sie nur einen Sinn vermitteln, der nichts anderes als die Vermittlung selbst sein muss, eine Mitte im Nichts des Lebens.

Jeder Selbstwert ist ein Unding, ein Wert, den ein Mensch für sich selbst und durch sich haben soll - so, als ob das Menschsein für sich nichts wäre, eine bloße Möglichkeit, die man dennoch zu bewerten hätte, damit es überhaupt etwas ist.

Woraus sollte ein Wert bestehen, den Menschen haben und zu dem sie selbst sich nur relativ verstehen müssten? Sind es die Werte allgemeiner Vorstellungen, die als das Recht der Abstraktionen, der rechten Gesinnung von Allgemeinplätzen, verfasst sind? Jeder Wert für sich genommen ist nichts. Er kann sich nur an seinem Gegenteil, an seinem Unwert bemessen. Absolut - also ohne Relation - verstanden, ist ein solches Recht ein Widersinn in sich, der in seiner Abstraktion totalisiert ist, Es stellt sich als das Richtige, als "richtiges" Recht über das menschliche Leben überhaupt gegen ein unrichtiges, ein "falsches" Leben, als einen "Lebenswert", der sich aus dem Recht des Richtigen, aus einer übermenschlichen "Wahrheit" abzuleiten hätte. Wäre dieses der Selbstwert, den Menschen für sich haben und fühlen wollten, so wäre es alleine der Wert einer Vorstellung, nach der sie leben - einer Vorstellung allerdings, wie sie im Bildungsbürgertum weit verbreitet ist, auch wenn es deshalb nicht unbedingt an Gott glauben will.

Doch es wirkt wie eine Religion und ist auch eine sehr praktische Religion. Was einen Wert des Menschseins vorstellt, weil dieser sich aus einer bestimmten Bildung wie eine Einbildung ergibt, hat durch die zwischenmenschlichen Beziehungen tatsächlich eine wirkliche Wertsubstanz: einen Wert von Beziehungen, die für sich nichts anderes sind, als die Verwirklichung von Vor-Stellungen, von Selbstbezogenheiten, die nur durch den gesellschaftlichen Verkehr mit Fremden sich halten lassen, die jedem das Bild zurückvermiteln, das er durch andere für sich bewahrheiten kann. Weil diese Verhältnisse aber selbst ungegenständliche Dienstleistungen sind, worin jeder des andern Diener zu sein hat, bestehen sie hier allgemein durch die Eigenschaften von Menschen, durch ihre sinnlichen Fähigkeiten und menschlichen Qualifikationen als "Humankapital" für Dienstleistungen jedweder Art. Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen ereignen sich in der Verkehrung gesellschaftlicher Wertverhältnisse, die dadurch humanisiert werden, dass sich jeder dem anderen unterordnet, die Dienstleistungsgesellschaft wirklich zu einer Gesellschaft der Unterordnung wird, die jedem die Macht vermittelt, darin seine Ohnmacht auch beherrschen zu können.

Allgemein verhalten sich die Menschen hier nämlich zueinander wechselseitig durch ihre wirkliche Selbstbezogenheit, also dadurch, dass sie für sich eine Identität, eine von der Welt unterschiedene Subjektivität erst finden müssen, die in ihrer Dienstbeflissenheit gegen die objektiven Werte aufgehoben ist, sich einen Selbstwert verschaffen, der nur deshalb wertvoll ist, weil sie ohne diesen auch für sich selbst nichts wären, eigenschaftslos und ohne Wirkung, in allen Ereignissen ihrer Kultur nur von einem Widersinn unendlich scheinender Konsumwelten überflutet - weil sie also durch den Widersinn ihrer Gesellschaftsform unmittelbar bestimmt und in sich selbst widersinnig werden, wenn sie zu ihrem zwischenmenschlichen Verkehr nicht befähigt sind. Der gesellschaftlich nötige Dienst am Ganzen bleibt im einzelnen als ausschließliches Lebensverhältnis, das sich in seiner Isolation nur als Mangelgefühl der Selbstwahrnehmung ereignen könnte, als Gefühl für den gesellschaftlichen Unwert der zwischenmenschlichen Beziehung, als Minderwertigkeitsgefühl gegen das ganze gesellschaftliche Verhältnis. Es ist ihre blanke Not, welcher ihre in sich selbst isolierte Wahrnehmung ausgesetzt ist, die sie dahin treibt, sich durch einen Selbstwert über die für sie unwirkliche Wirklichkeit zu stellen.

Selbstwert ist also ein Wert, der nur unter bestimmten Lebensbedingungen entsteht und der in deren Wirklichkeit zugleich nichts sein kann. Er reflektiert lediglich, dass sich Menschen nicht wirklich als Menschen gegenüberstehen und nicht als Menschen zusammenwirken, dass sie sich als Menschen verdingen, um sich als Mensch für sich zu fühlen. Sie sind es sich schuldig, sich selbst als Mensch zu gelten, wo sie es nicht sein können. Und so wie sie sich gelten, so gelten ihnen eben auch alle anderen Menschen. Sie stehen selbst zwischen sich und ihrem Menschsein, weil sie im Gesellschaftsverhältnis des Geldbesitzes nur als Objekt seines Wertbestands, in der Funktion seimes Vewertungsinteresses als Zwischenmenschen existieren können.

Wo der Verwertungszusammenhang des Kapitals sich nicht mehr sachlich darstellt, setzt sich der gesellschaftliche Wert in den Geldverhältnissen durch und wirkt auf die Menschen durch die Entwertung ihrer Arbeit und ihrer Bedürfnisse und ihres Lebens überhaupt, so dass die Empfindung ihrer Minderwertigkeit zur Grundlage ihrer Selbstbewertung und also des Selbstwerts wird, den sie einander zufügen oder absprechen. Was auf den ersten Blick so nur als die triviale Erkenntnis einer Individualpsychologie erscheint, wird umfassender zu begreifen sein, wenn auch die Selbstwertbildung als ein gesellschaftlicher Prozess verstanden wird. In einer Gesellschaft, worin Menschen ihr Menschsein nur zwischen sich und unter sich erfahren können, stehen sie nicht nur zueinander, sondern auch zu sich und mit sich im Widerspruch, sind sie doch wechselseitige Lebensbedingung ihrer Selbstwahrnehmung. Sie leben bedingt, indem sie ihr Leben zugleich unbedingt zu verwirklichen suchen. Und sie erscheinen sich bedingungslos, während sie das Leben anderer Menschen bedingen. Sie sind beides, was alle sind: Durch einander bedingt, und zugleich gleichgültig gegen diese Bedingtheit. Sie eigenen sich das Leben anderer an und erleben sich dabei wertvoll. Sie sehen sich selbst verwirklicht, während sie sich das Leben von Fremden einverleiben und sie fürchten sich vor Fremden, die ihnen ihre Selbstenfremdung vor Augen führen, weil sie die in ihrer Wirklichkeit nicht leiden, also nicht wirklich leiden können.

Eine Dienstleistungsgesellschaft ist eine Gesellschaft von Fremden, die sich nötig haben, um sich selbst trauen zu können und sie vertrauen einander an, was sie nicht sein können. Es ist eine Gesellschaft der Verheimlichung und zugleich das Heim trauter Selbstverständlichkeiten. Weil sich die Menschen in dieser Selbst­entfremdung der Selbstwahrnehmung nur durch Selbstgefühle bewahrheiten können, die sie durch andere gewinnen, können sie ihre Selbstgewissheit auch nur außer sich wahrmachen.

Wenn Selbstwert als Begriff eines gesellschaftlichen Verhältnisses zwischenmenschlicher Beziehungen überhaupt bedacht wird, so verliert er schnell seinen individualpsychologischen Beigeschmack. In dieser Beziehung wird er zum Grund, worin Menschen sich ihrer selbst gewiss werden, weil sie sich bewerten müssen, wo sie nicht wirklich sein können, wo sie also selbst nur im Vergleich zueinander sich beziehen können. Ganz allgemein ist der Wert, den sie ihren Beziehungen beimessen, zugleich die Beziehungsgrundlage eines gesellschaftlichen Verhältnisses von Menschen. An ihm richtet sich aus, was ihre Beziehung ausmacht, was z.B. Liebe sei oder Hass oder Glück usw., wo Selbsterregung und Selbstverneinung herrschen. Die Ereignisse ihrer zwischenmenschlichen Lebenswelten müssen danach ausgerichtet werden, was der Tag hierfür erbringen kann, auch wenn es oft das ist, was sie in der Nacht zu fürchten haben.

Weil sie sich ihrer selbst nur in dem gewiss werden können, was sie an Selbstwert für sich finden, ist es notwendig, zu begreifen, was dieses Lebensverhältnis ist, worin Menschen sich nur in ihren Selbstwahrnehmungen bestätigt fühlen können. Es müssen dies Verhältnisse sein, worin ihre wirkliche Gegenwart sich auf ihr bloßes Dasein reduziert, weil sie in dieser Reduktion allgemein, allen gemein, also gleichgültig gegen sich und andere geworden sind und um ihre Identität kämpfen, wenn sie ihre Selbstbehauptung gegenseitig durchsetzen.

Solange sie dies Behaupten seiner selbst nicht als Ausdruck ihrer Ohnmacht begreifen, sind sie durch ihr darin ungegenwärtiges Sein an einem wirklichem Selbstbewusstsein gehindert und ihrem Geltungsstreben verfallen. Damit aber können sie sich nur in einer Selbstbezogenheit gewinnen, die sie als Hybris empfinden, die sie als ihre individuelle Originalität gegen ihre Beziehung auf andere küren, sich als ihr geistiges, seelisches oder gefühltes Wesen über alle Menschen hinweg verwirklicht sehen. Aus ihrer Selbstveredelung beziehen sie eine übermenschlich scheinende Kraft, durch die sie sich selbst am Leben fühlen können, auch wenn dieses aus bloßer Selbstbezogenheit durch andere besteht. Über ihren Selbstwert erfahren sie sich als eine Persönlichkeit in zwischenmenschlichen Verhältnissen, welche ihre menschlichen Beziehungen veräußert hat, um für sich wenigstens Mensch in der Gestalt einer privaten Persönlichkeit zu sein. Und gerade da, wo sie sich selbst als geglücktes Privatwesen erleben, werden sie über ihr gesellschaftliches Wesen getäuscht und früher oder später hiervon eingefangen.

Denn solche Persönlichkeit schleppt ihre eigene Bedingtheit unentwegt mit sich und leidet von daher an ihrer Selbsttäuschung, ohne begreifen zu müssen, was in ihr vertauscht ist. Sie ist das in sich selbst kreisende Resultat einer subjektiven Veräußerlichung, die zugleich objektiv ist. Nicht nur die Mittel ihrer Existenz, ihre Lebensmittel, stehen in fremder Verfügung und werden ihr lediglich unter bestimmten Bedingungen des Warenmarktes zuteil, sondern ihre ganze Lebenswelt einschließlich ihres körperlichen und geistigen Daseins als Mensch wird ihnen zur Belastung, zu ihrer Last. Ihr Leben selbst bildet sich in einer allseitig verfügten Welt, worin die Menschen sich nur als Menschen überhaupt erkennen und finden, empfinden und einfinden können, wenn sie ihr Dasein als solches und für sich verspüren und blind anerkennen, sich ihm verpflichtet fühlen, weil sie sich darin nicht mehr anders erkennen können, als sie sich selbst wahrhaben. Und sie müssen deshalb von ihrem Selbstgefühl leben, weil sie ohne dieses nicht wirklich, nicht wirkungsvoll sein können.

Diese doppelte Veräußerlichung menschlicher Verhältnisse ist nicht in den Menschen und nicht außer ihnen. Sie ist beides in einem und von daher als kultureller Prozess zu begreifen, worin Menschen Selbstwert in der Form ihrer Selbstwahrnehmung gewinnen, in welcher sie ihre Kultur außer sich erleben. Darin ist ihre Gesellschaft ihnen in doppelter Weise entfremdet: Einmal als organische Lebensbedingung ihrer Individualität, in der sie sich gesellschaftlich wahrhaben, und zugleich als allgemeine Entfremdung ihrer persönlichen Wirklichkeit, in der sie sich wahrnehmen. Wo sie sich als Mensch mit Menschen gegen ihre existenzielle Entfremdung verbünden könnten, müssen sie sich von ihnen zugleich abstoßen, um sich geltend zu machen, sich selbst zu ertragen, um sich vermittels der Egozentrik ihres Selbstwerts als private Persönlichkeit zu erhalten.

In der politischen Kultur des Geldbesitzes entwickelt sich somit eine doppelte Verneinung des gesellschaftlichen Lebens der Menschen, die dann aufgehoben werden kann, wenn sie ihre Lebensproduktion in den Kreis ihrer Wahrnehmung, in ihre ökonomische Reproduktion zur Freiheit vom Verwertungszwang des Kapitals versetzen und ihre Kultur als Gewinn einer Mehrproduktion ansetzen, über die sich nicht mehr unmitelbar im Mehrwert des Geldes, wohl aber durch die Vergesellschaftung der Selbstwahrnehmung, durch die Kulturgüter und Kultuereignisse verfügen lässt. Dies macht die zwischenmenschliche Kultur zum Gegenstand einer kritischen Theorie, die sich gegen die Selbstbegründung der auf diese Weise gebildeten Persönlichkeiten wendet, die darüber aufklärt, warum diese sich selbst niemals so wahrhaben können, wie sie sich wahrnehmen. Eine Persönlichkeitstheorie dieses Selbstwerts ist von da her eine Wahrnehmungstheorie der Selbsttäuschung. Sie muss erweisen, was darin vertauscht ist.

06. Eine Wahrnehmungstheorie der Selbsttäuschung

Über Wahrnehmung müsste man nicht nachdenken, wenn Wahrheit unmittelbar zu nehmen wäre, wenn unsere Tätigkeiten mit uns und durch uns vereint wären und alles Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken keine Fragen nach ihrem Sinn aufwerfen müssten, dies alles also unzweifelhaft wahr wäre. Weil dies nicht so ist, weil das, was ist, nicht wahr sein kann, so wie es ist, macht man sich zunächst Vorstellungen von dem, was der Grund hierfür sein könnte, was also "dahinter steckt" - was damit alles zusammenhängt. Eine Theorie will einen Zusammenhang ergründen, der darüber aufklären kann, wodurch etwas nicht so ist wie es erscheint.

Als Gegenstand einer Theorie wird Wahrnehmung als eine eigenständige Beziehung genommen, als ein ästhetisches Verhältnis, worin Menschen sich und andere - Menschen oder Sachen - als Gegenstand ihrer Welt für wahrnehmen, ohne ihrer Wahrheit gewiss zu sein. Darin machen sie ja immerhin ihre Lebensverhältnisse für sich gültig, ihr stoffliches Dasein ebenso wie auch ihre Verhältnisse untereinander und ihre Beziehungen zueinander. In der Wahrnehmung selbst verspüren sie aber auch schon einen Unterschied in dem, was ihrem Gegenstand entspricht oder auch nicht, was daran wahr, was unwahr ist. Im Ungewissen, im Zweifel müssen sie Gewissheit hierüber finden, weil sie im Zwiespalt kritiklos sich gegen sich selbst verhalten, sich seiner Doppelsinnigkeit unterwerfen, daran abstumpfen, sich verdummen und sich selbst fremd werden müssen.

Sie verhalten sich im Ungewissen ja auch selbst wirklich zu ihrer Welt und zu den Menschen. Indem sie dessen zwiespältige Bestimmtheit erkennen und für sich kritisch erschließen, seine Wahrheit begreifen, tragen sie deren Widersinn nicht einfach durch sich weiter. Aber sie werden diese zunächst auch als solche nehmen und verstehen müssen, wie sie diese auffassen, eben so, wie sie auf sie wirkt. Doch gerade diese Wirkung ist doppelbödig in dem, was sie darin als Gewissheit von sich wahrhaben und dem, was sie - eben ungewiss - für wahr nehmen. Von daher setzt Wahrnehmung auch immer schon das Verhältnis ihrer gesellschaftlichen Natur voraus. Die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft teilen sich in der Wahrnehmung auch kultuerell mit. Sie erscheint den Menschen selbst als die Kultur eines widersinnigen Verhältnisses, indem das Gewisse ihrer Empfindungen in ihren Gefühlen auch immer wieder ungewiss ankommt, sobald sie sich im konkreten Zusammenleben bewähren sollen. Doch gerade in den Gefühlen findet sich alle Wahrnehmung zusammen, die von Fremdem wie auch von Eigenem. Beides wird darin in einem erfahrung und jeder Mensch "macht sich so seinen Reim drauf".

Der Reim verschafft vielerlei Eigenheiten, die so schön wie auch hässlich sein können. Er bildet sich in der Wahrnehmung als Ästhetik einer Welt, in der die Empfindung, in der sie sich ihrer selbst gewiss sind, durch ihre Gefühle aufgehoben, durch das Ungewisse bestimmt sind, in der das Empfundene so gültig wird, wie es als Gefühl für die Menschen da ist. Die natürliche Folge von Empfinden und Fühlen kann sich zwar nicht ästhetisch begründen, aber Ästhetik kann aus beidem einen Zusammenhang stiften, wenn das, was als Gefühl aus den Empfindungen folgt, vor jede Empfindung gestellt wird, die das dann zusammenführt, was ihre Folge wäre, so aber schon zu ihrer Begründung taugt.

Solche Selbstbegründung verschafft immerhin Identität, wo keine wäre, vielleicht auch nicht sein kann, "Selbsterkenntnisse", die mit allem verträglich sind, was der Wahrnehmung entspricht, was also Wahrnehmungsidentität hat oder Identität überhaupt stiftet. Was sich in ihrer Ungewissheit zueinander verhält, auch wenn es nicht aus der Empfindung entstehen kann, sondern sich gegen sein Werden kehrt, verschafft immerhin eine "Ruhe der Erkenntnis", die objektiv verkehrt sein mag, aber subjektiv zufriedenstellt, wenn sie zu einer Selbstwahrnehmung gekehrt ist, in der sich ihre Verkehrungen durch ihre Selbstberuhigung, durch die Vertauschung ihrer Lebensformen aneinander begeistern können. Allerdings wird damit das Erkenntnisvermögen selbst widersinnig, leibhaftige Selbsttäuschung.

Selbsttäuschung lässt sich zwar immer auch irgendwann erkennen, besonders wenn sie gegenüber ihrem Leben selbst unangemessen ist. Aber ihre Auflösung verlangt die Erkenntnis ihrer Ungewissheit. Die Erkenntnis aus der Ungewissheit ist dadurch nicht einfach, weil sie als erstes deren Verkehrung selbst erkennen muss. Solange das Ungewisse herrscht und also Wirkung und Macht über die Menschen hat, ist ihre Wahrnehmung hiervon bestimmt, in einer fremden Bestimmung verbunden, die sich die Menschen erklären müssen, um sich über ihre Wahrnehmung aufzuklären. Die lange Geschichte der Kulturen hat sich darin entwickelt, sich über deren Rückbeziehungen auf ihr Menschsein - eben über ihre Re-ligionen - Gründe für ihr ungewisses Sein zu finden. Und solche Erklärung bestärkt dann vor allem die Lebenszusammenhänge einer abstrakt menschlichen Gesellschaft bis in unsere Tage - von den Naturreligionen bis zu den modernisierten Religionen, die immer noch ihre Ungewissheiten über ihre Natur hinaus, also übernatürlich erklärt wissen wollen.

Es geht daher auch hier weiterhin um die jahrtausende alte Frage der Erkenntnis, was denn nur dadurch sein kann, dass es nicht da ist, was also in seiner Abwesenheit Wirkung auf das Anwesende haben muss, seine Gegenwärtigkeit einbüßt, um für sich wahr zu sein. Es ist die Frage der Dialektik schlechthin - und diese stellt sich nun in der Wahrnehmung selbst, weil sie schon in ihr objektiv geworden ist. Die Geschichte ihrer Erkenntnis ist von daher selbst schon eine objektiv bestimmte Naturgeschichte: Die Erkenntnis, was sein kann und nicht sein soll, um wahr zu sein, die Durchdringung der Widersinnigketen als eine Kritik, die ihre gesellschaftliche Natur, ihre Kultur mit sich bringt und zu der Frage führt, was ihre Wahrnehmung überhaupt schon vor aller Erfahrung bestimmen kann. Es ist die Geschichte einer Kritik, die schon immer wieder mit ihrer Wahrnehmung hadern musste, soweit ihr darin Widersinniges widerfuhr, Unverständliches begegnete.

Daher kann es keine Determinanten dieser Geschichte, kein alles bestimmendes Sein, keine Ontologie geben, sondern lediglich eine Abfolge von materiellen Verhältnissen, deren Zusammenhang im Nachhinein in ihrer Begründung des einen zum anderen erkennbar werden. Von daher ist auch Geschichte zu verstehen als Abfolge von Erkenntnissen über sich selbst, die man als Geschichte der Selbsterkenntnis des Menschen verstehen kann, als Reifungsprozess der menschlichen Natur. Diese wurde von der Philosophie bisher allerdings nur im Glauben an die Unendlichkeit ihrer Selbstbegründung interpretiert, als Lebensweisheit im Wissen um eine Natur, die für sich nicht erkennbar sein soll, weil sie an sich nur eine Idee ihres Wesens oder ihrer Erscheinung sein könne, die durch sich selbst, bzw. durch geschichtsbildende Menschen ihre Naturnotwendigkeiten fortentwickelt habe, wie es z.B. vom dialektischen Materialismus behauptet wurde. Doch es gibt keine Naturnotwendigkeit, woraus sich diese Geschichte wirklich so begründen ließe, wie sie uns vor Augen steht. Es waren immer Kämpfe und Auseinandersetzungen der Menschen, auch wenn diese vor allem um das gingen, was ihnen als Fortschritt galt, Emanzipation aus der Mühsal des Notwendigen, Freiheit, die zweifellos mit ihrer Natur verbunden und selbst deren ureigenster Ausdruck ist.

Es ist die Geschichte der Auseinandersetzung über die Arbeit und ihre Aufwände und Aneignungsformen, und zugleich der Enttäuschung ihrer Verwirklichung, der Scheidung von Grund und Folge menschlicher Tätigkeit, von Subjekt und Objekt, von Sein und Dasein. Sie ist Bildungsgeschichte, Geschichte menschlicher Sinnbildung, die erst aufgehoben sein kann in einem wirklich gegenständlichen Sein, in einer Welt menschlich geschaffener Gegenstände, der gesellschaftlichen Wirklichkeit der Menschen - so, wie sie Sinn für diese hat, weil ihr Sinn durch sie geschaffen wurde. Sie ist daher auch immer schon Abweisung des Widersinnigen, das Heraussetzen eines inneren Widerspruchs aus sich selbst, aus seiner Tautologie, Veräußerlichung des Entäußerten, in welchem seine Ur-Sache mit seiner Wirkung, menschliche Wirklichkeit mit der Notwendigkeit einer Naturbeherrschung vertauscht und Gesellschaft nur aus der Täuschung hierüber bestimmt war. Es war aber kein natürlicher Widerspruch, der die Verhältnisse bestimmt hatte, wie Friedrich Engels und die Ortodoxie des stalinistischen Wissenschaftsverständisses mit ihrem Dialektischen Materialismus glauben machen wollten. Es war immer schon menschliche Naturgeschichte und damit auch eine Geschichte der Menschlichen Kultur.

Die bisherige Geschichte war durch jede Art der Gläubigkeit in einer Selbsttäuschung des Menschseins verfangen, und diese wurde durch Sklavenhaltung, Gottesgnadentum oder Parteidiktaturen zum Vorteil ihrer Aristokraten genutzt. Doch dafür gab es keinen materiellen Grund, keine materialle Notwendigkeit. Schon immer gab es hinreichendes Material, durch welches die Menschen ihren Selbsterhalt und ihr Werden zu ihrer Zeit und im Raum ihrer Dichte verwirklichen konnten. Das war es ja schließlich auch, woraus sie sich als menschliches Subjekt aus ihrer tierischen Subjektivität zu einem menschlichen Wesen mit der Ausbildung ihrer Naturmacht, also aus der Macht ihres Erkenntnisvermögens gebildet und objektiviert hatten. Es war dessen politische Formation und nicht dessen Material, das an der Macht war. Und die Macht von Menschen über Menschen hat sich mit der Entwicklung menschlicher Gesellschaftsformen zugleich durch die Täuschung über ihr Wesen eingeführt und abgesichert, durch Glaube, Religion und Mystifikation jedweder Art.

Es war allein der Widerspruch menschlicher Selbsterkenntnis, die eine Geschichte von Klassenkämpfen erbracht und diese zur "Lokomotive der Geschichte" (Karl Marx) gemacht, zur Änderung der überkommenen Lebensverhältnisse durch die Erkenntnis ihrer Substanzen gebracht hatten. Marxismus war von daher nicht nur Beschreibung ökonomischer Formationen, sondern immer schon auch Kulturkritik.

"Der Mensch erkennt sich im Menschen" sagt Goethe. "Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen" (MEW 1, S. 378f) sagt Marx. Menschliches Leben ist so natürlich, wie Menschen Sinn durch und für ihre Natur haben. Ihr Leben ist nicht unmittelbar das Leben der einzelnen Menschen, wie man es wahrnimmt, weil natürliches Leben immer schon das Leben der Menschen mit und in ihrer Natur so ist, wie sie es wahrhaben - und weil das menschliche Leben als das Leben eines gesellschaftlichen Naturwesens nicht vereinzelt sein kann. Weil Menschen von Natur aus immer in Gesellschaft sind und sich in Gesellschaft mitteilen und also ihre Mittel teilen, ihr Leiden und ihre Tätigkeit durch ihr gesellschaftliches Leben vereinen, sich durch ihr Zusammenwirken ergänzen und leiden können, ist auch immer schon das gesellschaftlich, was ihre einzelne Wahrheit ausmacht. Was für sie wahr ist, was die Wahrheit für sie ist, die sie nehmen von dem was sie wahrhaben, das ist die Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Beziehungen, worauf sich ihre Erkenntnisse gründen und wodurch diese letztlich auch begründet sind. Und die können ja letztlich nur natürlich sein.

Das klingt einfach. Doch so unmittelbar wie sie sich aufeinander beziehen, so vermittelt sind die Verhältnisse, die sie hierbei eingehen. Was ihre Wahrnehmung subjektiv ausmacht und worin sie objektiv bestimmt ist, das geht in der Beziehung zwischen dem Erleben und Ereignen nicht so einfach zusammen, weil ihr Leben sich nicht einfach ereignet, nicht so zufällt, wie es schon ist, sondern so erlebt wird, wie es sich zu eigen werden kann. Die Lebensäußerungen werden in ihrer Aneignung immer erst durch ihre Vermittlung wahr. Und wenn diese den Menschen in den Ereignissen ihres Lebens auch zufällig erscheinen mag, so bewahrheitet sich in ihrer Wahrnehmung dennoch immer auch ein ganzer Lebenszusammenhang.

Das Erleben hat daher eine ganz eigenartige Wahrheit, weil sich darin Leben eben nicht nur reflektiert, sondern zugleich über sich hinaus geht, wo und wenn es sich ereignet, wenn es also gesellschaftlich in Form gebracht wird, durch Ereignisse erst hergestellt, Leben im Sinn des Erlebens "geweckt" wird. So mag zwar eine Ungewissheit in einem Moment aufgelöst sein, auf Dauer ist sie dadurch nicht aufgehoben. Im Gegenteil: Das Erleben erweckt nicht nur Leben, sondern auch sich selbst. Gerade weil es nur durch die Nutzung der lebenden Sinne ist, verlangt sein Vergehen zugleich neues Erleben. Das Leben, das darin wahrzunehmen ist, ist immer auch schon vergangen, wo es sich ereignet. Es hebt keine Ungewissheit auf sondern vertieft sie. Was darin wahr und was verkehrt ist, wird gleichgültig, wo jeder Anfang schon aus seinem Ende bestimmt, also nur "irgendwie da ist".

Wenn und worin sich Menschen in und durch ihr Leben wirklich erkennen, das kann nicht irgendeine Wahrheit haben und kann auch nicht einfach für wahr zu nehmen und für sich schon wahr zu haben sein. In der Ungewissheit ihrer unmittelbaren Bezogenheit ist diese nur eine bloße Möglichkeit der Erkenntnis. Sie hat ihre Gewissheit, ihre bewussten Inhalte, die gültige Bestimmtheit ihres wissenden Seins durch alles, was in irgendeiner Form darin von ihrer Natur erkennbar ist. Erst in diesem Bewusstsein wird der Mensch sich selbst zu einem gegenständlichen Wesen.

Im Ungewissen kann es nur beliebig sein, welches Wissen sich gesellschaftlich verwirklichen und also objektivieren lässt, weil und soweit den Menschen ihre Verhältnisse gleichgültig sind, weil und solange sie in ihrer Wirklichkeit für ihr gesellschaftliches Verhalten gleiche Geltung für sich haben, für sich also unwirklich bleiben. In einer so gleichgültigen Beziehung blieben die Menschen auch sich selbst gleichgültig, ohne Wahrheit. Es bliebe ihre Wahrnehmung die beliebige Kognition einer formalisierten Natur, menschliches Leben lediglich selbst nur die Körperform von Ereignissen, wie sie sich als solche in Tomogrammen, chemischen Analysen oder genetischen Bestandteilen zerlegen und in ihren funktionellen Assoziationen zwischen Ereignissen und ihren Bedeutungen zeigen ließe. Leben wäre selbst nur ein Lebensumstand, ein gegen sich selbst äußerliches, entäußertes Leben, das sich nicht wirklich erkennen, seiner selbst niemals gewiss werden könnte und sich leibhaftig fremd bliebe. In bloßer Selbstentfremdung würde es sich in den Gedankenabstraktionen diverser Geistes- oder Naturwissenschaften auflösen und für beliebige Verwendungen nützlich machen. Ganze Industrien leben davon, dass sie die chemischen, biologischen, produktiven und kommunikativen Bestandteile des Lebens neu zusammenstellen und in dieser Form auf den Markt bringen. Doch ein bewusstes Leben ist immer wissendes Sein, nicht ohne Gewissheit - Bewusstsein nicht ohne Sinn für sich.

Leben ist immer körperlich und steht von daher auch in der Natur seiner Körper in einem Lebenszusammenhang. Und gerade weil Wahrnehmung ihren Körper niemals wirklich verlassen kann, weil sie eben nicht nur eine Vision oder Vorstellung sein kann, ist sie nicht ohne ihre Lebensverhältnisse zu verstehen, ist sie immer zugleich gesellschaftlich - nicht als bloßer Naturkörper, sondern als gesellschaftlicher Sinn ihrer Kultur, auch wenn er im einzelnen Menschen nur vereinzelt erkennbar ist, seine Vereinzelung politisch bestimmt ist. Immer erinnert sie sich an das, was sie hiervon verinnerlicht hat, bewahrt sich in der Wahrnehmung, was sie wahr hatte, auch wenn sie ihre Form verändert, selbst wenn und wo sie verrückt wird. Man kann Wahrnehmung eben nicht einfach ohne Folgen unterdrücken oder verdrängen. Deshalb kommt niemand an der Wahrheit seiner Wahrnehmung vorbei. Und deshalb kommt auch niemand an der Kultur vorbei, die sich in und durch ihre Wahrheit äußert und bewährt, stetige Bewahrheitung ihrer Geschichte ist.

Lebendige Wahrnehmung kann also nicht irgendein beliebiges Auffassen, willkürliche Reflexion von etwas sein, das Menschen einfach mal so zur Kenntnis nehmen und als ihre Erkenntnis vermeinen können. Die Wahrnehmung "hat ihr Sein" - das heißt: sie ist - durch die Sinnlichkeit ihrer Gegenstände ebenso wahr, wie durch die körperliche Existenz des wahrnehmenden Menschen. Sie selbst existiert in und durch ihre Sinne in der Welt ihrer Gegenstände, die sie wahrhat, durch ihre gesellschaftliche Vergegenständlichung in der gegenständlichen Welt ihrer Lebensvermittlung, ihrer Selbsterkenntnis als Erkenntnis ihrer Welt.

Diese entwickelt sich mit der Form des menschlichen Lebens, in der Art und Weise der gesellschaftlichen Verhältnisse, dem Entwicklungsstand der gegenständlichen Lebensäußerung der Menschen, der Lebensform ihrer Äußerungen als menschliche Kultur, wie immer deren geschichtliches Dasein sich mitteilt und wie unvermittelt dieses auf sie bezogen sein mag. Menschen haben darin nicht äußere Gegenstände, sondern sich in einer gegenständlichen Welt wahr, also auch sich selbst als Gegenstand ihrer Tätigkeiten und ihres Leidens, ihrer Selbsterzeugung durch ihre Arbeit und ihrer Selbsterkenntnis in ihrer Wahrnehmung. Ihr Lebensgenuß ist ihre Tätigkeit, die sie leiden können, die ihre Gegenstände und Kulturgüter erzeugt, in der sie ihr Leben wiederfinden und empfinden. Das kann in einer selbständigen Welt ihrer Wahrnehmungen, in einer Ästhetik der Wahrnehmung nicht für sich bleiben, was es durch sich sein soll. Darin wäre ihr Leiden verselbständigt und der Welt seiner Entstehung entfremdet.

Wirklichkeit und Erkenntnis können auch nicht einfach identisch sein, weil ihre Geschichte sich aus ihrer Wahrnehmung begründet, die immer endlich ist, was sich schon daran zeigt, dass man über ihre Beziehung, über Wahrnehmung und Wahrheit immer wieder neu nachdenken muss. Aber der Zweifel an der Wirklichkeit dieser Welt ist die Voraussetzung und zugleich schon Tätigkeit einer Erkenntnis, die nicht nur nachvollzieht, sondern schon leidenschaftlich an ihrem Kopf arbeitet, um zum "Kopf der Leidenschaft" zu werden, sich vom Überkommenen zu emanzipieren und Neues zu schaffen.

Wirklichkeit, die in der Wahrnehmung nicht wirklich und unmittelbar erkennbar ist, muss eine Bestimmung enthalten, die sich ihr entzieht. Es ist ihr sinnfälliger Widerspruch, nicht das zu sein, was sie wirklich ist. Das ist für Menschen, die damit leben müssen, im Grunde unerträglich. Und wo das Leben der Menschen in den Widersprüchen ihrer Verhältnisse unerträglich wird, da sucht es sich die Illusion. Da herrscht die Täuschung, die Vertauschung der Lebensmomente mit einer abstrakten Allgemeinheit, die nicht minder folgenschwer ist, als die Verhältnisse selbst, der sie zu entgehen sucht. In der Lebensvielfalt des menschlichen Lebens herrscht die Einfalt, die Dummheit einer absurden Versöhnung. Es ist die Einfalt reduzierter Lebensreize, die Vertauschung eines Lebens der Reize mit dem Reiz des Erlebens, der Ohnmacht mit der Macht, mit Gott und Vaterland. So kehrt sich Verständigkeit gegen Bewusstsein, Vernunft gegen Emanzipation, Selbstwert gegen Selbstachtung - überhaupt Glaube gegen Gewissheit. Es herrscht immer noch die Form einer Religion, welche die Menschen mit ihrem Unglück verbündet, mit einer abstrakten Bindung im Ungewissen, mit dem Bündnis der Abstraktionen in ihrer Allgemeinheit, durch die alles sein kann, was es in Wahrheit nicht ist.

Wahrnehmung ist immer eine gegenständliche Beziehung, worin Menschen ihre Welt auffassen und für sich wahr machen, d.h. sich mit ihr identifizieren. So wie sie deren Wahrheit nehmen, so ist auch ihre persönliche Identität, sind ihre Handlungen, Gefühle und Erwartungen hierzu, weil so der Gegenstand ihrer Wahrnehmung für wahr gehalten wird, gleich, wie wahr diese Beziehung selbst ist, wie sie also in Wirklichkeit wahr gehabt wird. Es ist immer schon die Substanz dessen, was darin auch wirklich wahr ist, auch wenn dies noch nicht als dieses erkannt ist.

Weil aber Wahrnehmung subjektiv getäuscht werden kann, ist es auch möglich, dass sie selbst objektiv unwahr wird und Menschen daran irre gehen und irre werden. Hierdurch wird für Menschen gültig, was nicht wahr ist, was sie anders wahrnehmen als sie es wahrhaben. Was sie für sich wahr gemacht haben ist eben nicht einfach das, was auch wahr ist, kann also anders sein, besonders, wenn seine Zwiespältigkeit auch objektiv ist und die Erkenntnis durch etwas beschwert, was das Dasein bestimmt, ohne wirklich wahr zu sein, ohne überhaupt Wirklichkeit zu vermitteln.

Wahrnehmung ist daher als Erstes Teilhabe an ihrer Anwesenheit, die darauf gründet, was hierin geschichtlich gebildet, also zugleich wirklich wahrgehabt und auch wirklich wahrgenommen wird. Wahrnehmung ist selbst geschichlich. Ohne Sinnbildung, ohne ihre Bildung aus ihrem Stoff und Körper wäre Wahrnehmung bloße Ästhetik von eigener Wirkung als ein Eindruck ohne wirklichen Sinn, als Ausdruck von etwas oder jemandem, der ohne stoffliches Sein nur subjektiven Eindruck machen will, indem er fremde Wahrnehmung anreizt und gegen eine objektive Wahrheit vertauscht, sich also selbst reizvoll darüber hinwegtäuscht, was nur durch sich wahr sein kann.

Ästhetisch ist Wahrnehmung, wie sie ihrer Form nach für sich wahrgenommen wird, wie sie als Wahrnehmung sich auf ihre Wirkung in ihrer Empfindung, auf das Gefühl von Empfindungen reduzieren lässt. Ästhetisch ist also, was hierdurch objektiv wahrnehmbar gemacht wird, wie es als Wahrheit für sich verkommt und durch sich bestimmt erscheinen soll. Immer ist ästhetisch eine Gestaltung von und für die Wahrnehmung, wie sie ausschließlich für sich sein kann und als diese Aufmerksamkeit ersucht. Von daher bezieht sie sich auf Eigenschaften in der Art und Weise, wie sie Eindruck auf die Wahrnehmung machen, Ereignisse erzeugt, die Selbstgefühl wahrmachen. Das Verhältnis von Empfindungen, aus denen Gefühle sich bilden, steht hierin auf dem Kopf. Gefühle werden ästhetisch zur Bestimmung von Empfindungen, zu ihrer Formbestimmung.

Ästhetisch ist daher vor allem die Welt empfindungsloser Gefühle, in der die Menschen sich ihrer Empfindungen gewahr werden wollen, indem sie sich in und durch ihre Selbstgefühle aufeinander beziehen und zueinander verhalten. Was sie in ihrer zwischenmenschlichen Lebenswirklichkeit verloren haben, müssen sie sich in den Gemächern vertiefter Wahrnehmung, in ihrem Lebensraum durch deren Eindruck in ihren Selbstgefühlen vergegenwärtigen und einverleiben, ohne es wirklich empfinden zu können, weil Wirklichkeit darin und dadurch zugleich zu inneren Wirkungen der menschlichen Sinnlichkeit, in ihrer hierdurch bestimmten Subjektivität aufgehoben ist und aufbewahrt wird.

0.7 Die "freie Entfaltung" der bürgerlichen Persönlichkeit

Fast jedes Grundgesetz der bürgerlichen Nationalstaaten will die "freie Entfaltung der Persönlichkeit" ihrer Bürgerinnen und Bürger garantieren und ihre Würde sichern. Das bürgerliche Recht ziert sich mit hohen Werten als Grundlage für die Einigkeit in Recht und Freiheit eines Jeden mit Jedem. Der bürgerliche Staat verspricht schon immer paradiesische Zustände. Aber er ist darin auch selbst zwiespältig:

"Der vollendete politische Staat ist seinem Wesen nach das Gattungsleben des Menschen im Gegensatz zu seinem materiellen Leben. Alle Voraussetzungen dieses egoistischen Lebens bleiben außerhalb der Staatssphäre in der bürgerlichen Gesellschaft bestehen, aber als Eigenschaften der bürgerlichen Gesellschaft. Wo der politische Staat seine wahre Ausbildung erreicht hat, führt der Mensch nicht nur im Gedanken, im Bewußtsein, sondern in der Wirklichkeit, im Leben ein doppeltes, ein himmlisches und ein irdisches Leben, das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemeinwesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch tätig ist, die andern Menschen als Mittel betrachtet, sich selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball fremder Mächte wird. Der politische Staat verhält sich ebenso spiritualistisch zur bürgerlichen Gesellschaft wie der Himmel zur Erde. Er steht in demselben Gegensatz zu ihr, er überwindet sie in derselben Weise wie die Religion die Beschränktheit der profanen Welt, d.h., indem er sie ebenfalls wieder anerkennen, herstellen, sich selbst von ihr beherrschen lassen muß. Der Mensch in seiner nächsten Wirklichkeit, in der bürgerlichen Gesellschaft, ist ein profanes Wesen. Hier, wo er als wirkliches Individuum sich selbst und andern gilt, ist er eine unwahre Erscheinung. In dem Staat dagegen, wo der Mensch als Gattungswesen gilt, ist er das imaginäre Glied einer eingebildeten Souveränität, ist er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen Allgemeinheit erfüllt." (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 354 bis 355)

Die Beschränktheit der profanen Welt besteht eben darin, sich die Freiheiten seiner fantastischen Lebensvorstellungen durch seine Veräußerungen in einem "Reich der Notwendigkeit" erdienen zu müssen. Wäre alle Arbeit für alle Zukunft getan, so würden die Menschen im "Reich der Freiheit" ja auch tun und lassen können, was sie wollen. Ihre Beliebigkeit wäre grenzenloser Ausdruck ihres Belieben. Doch auch alle Geschichte wäre aufgehoben und alles Leben in sich selbst verfallen.

In der Selbstwahrnehmung der Menschen ist sie das schon so, wenn darin sich die zwischenmenschlichen Verhältnisse an den Gefühlen ausrichten, die sie für sich selbst haben, und von da her in ihrer Egozentrik ihre bürgerlichen Persönlichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes, im Sinne einer Burgherrschaft entfalten. In ihrer Lebensburg bleibt die Not draußen und ihre Abwendung sollen ihre möglichst dicken Mauern sichern. Doch diese Mauern schützen nicht nur gegen äußere Bedrohungen, sondern sperren die inneren auch ein. Freiheit ohne Notwendigkeit, das ist die "Herausforderung" der Selbsttäuschung, welche das bürgerliche Herz höher schlagen lässt und die Widersprüche dieser Freiheit besteht aus den Löchern, die zu Gräben in den heimeligen Gemächern werden. Wo die Not formal ausgeschlossen scheint, setzt sie sich durch ihre Inhalte durch.

Die bürgerliche Persönlichkeit entwickelt sich nicht durch ihre Freiheiten, sondern mit der Erfüllung des Notwendigen, mit den Pflichten, durch die im "Reich der Freiheit" einer Not begegnet werden muss, die quasi naturwüchsig erscheint, wo Menschen in den Nischen ihrer burgherrlichen Gesellschaft sich selbst unterhalten und bilden müssen - Unterhalten im wahrsten Sinne des Wortes. Solche "Freiheit" kann zwar alle Menschen gleich erscheinen lassen, weil sie nur als Vorstellung eines Lebens anzutreffen ist, das gegen seine gesellschaftliche Natur im Wesentlichen gleichgültig ist. Aber gerade deshalb werden sie alle natürlichen Funktionen quasi wie von selbst - also ohne sonderliches Bewusstsein - erfüllen müssen, weil sie nur noch in ihrer intimsten Naturalform auftreten und hierbei absolut verpflichtend sind. So widersprechen sich die Menschen selbst, wenn sie sich in den Ideologien des Staatsbürgertums verfangen haben. Und das geschieht leicht, denn obwohl Freiheit und Gleichheit sich schon von ihrer Idee her widersprechen, so versprechen sie immerhin Solidarität unter allen Menschen. Darin mag dann auch alle Not wirklich aufgehoben scheinen. Doch warum klappt das dann nicht in Wirklichkeit?

Es muss am Sinn solcher Abstraktionen liegen, an dem Sinn, von dem sie schon abgesehen haben, bevor sie sich in der Mythologie ihrer Selbstgefühle bestärken, an dem abstrakt menschlichen Sinn, der ihre Wahrnehmungen so begeistert, dass sie ihren Geist gerne aufgeben. Das hohe Resultat ihrer Selbsttäuschung ist eben der abgehobene und in seiner Abhebung veredelte Sinn des Kulturbürgers, der sich in seinem Edelmut um Schutz und Schirm kümmert und die Girlanden seines Glücks zu knüpfen versteht, weil ihm gesagt wird, dass jeder "seines Glückes Schmied" sei, wenn er das Gesetz des Glückes als "Unterpfand" seiner Staatsbürgerschaft befolgen würde. Immerhin besteht seine Staatsbürgerschaft ja auch zum großen Teil darin, dass er als Bürge seines Staates und dessen Schulden existiert. Solange die Staatsschulden sich mit den Pflichterfüllungen der Bürger decken lassen, zeugen sie vom Reichtum ihrer politischen Kapitalmacht.

Und die Welt der Ästhetik verbürgt ja dann zunächst auch erst mal eine Welt ihrer Glücksgefühle, für den, der damit gut existieren kann, der also genügend Geld für Freizeit und Vergnügen hat. Sieht man von den wirklichen Wertverhältnissen ab, von den Verwertungsprinzipien des Geldes, dann kann natürlich ein jeder sein, was er will. Und vor allem kann er sich aus dem sonstigen Weltgeschehen heraushalten, wenn er genügend Geld, den Wert in der Hochform des Privateigentums besitzt. Im eigenen Heim scheint dann alles rein.

Aber als Wille, der das Reine für sich sucht und herstellt, herrscht dort ein Ekel vor der Welt. Die in die Wohngemächer transportierten Nachrichten und Ereignisse vermitteln ein ihnen äußerlich gebliebenes Menschsein, das voll unheimlicher Bedrohung ist und den heimischen Frieden beunruhigt. Menschen, die töten, vernichten, beherrschen und betrügen zeigen nicht unbedingt, warum das alles geschieht, welche Bedingungen es hat. Sie selbst beschmutzen die Lebensräume trauter Verbindlichkeiten. Gegen den Ekel hiervor bildet sich ein Wille aus der Ästhetik der Selbstwahrnehmung. Aber der ästhetische Wille kann auf Dauer nicht immer davon absehen, dass nur das unrein ist, was von außen kommt. In das Privatreich dringen immer wieder die Schwaden der gesellschaftlichen Schmähungen, nicht nur des Einkommens und der Gebühren und Mieten, sondern auch der soziale Wirklichkeit, die sich zwischenmenschlich vermittelt und mitteilt. Aber dem braven Bürger kann nichts genügen, um das Lebensglück in seiner heilen Welt wirklich festzuhalten; nicht die eigenen Räume, der eigene Haushalt, die eigenen Kinder, die eigne Erziehung und die Selbstverpflichtungen, die er sich auferlegt. Die Sorgen, die ihn umtreiben erfordern auch eine innere Distanz zum Weltgeschehen, eine Autokratie des eigenen, des materiellen und seelischen Haushalts.

Er kann sich ja immerhin in seiner Lebensburg immer noch gut schützen und seine Hausmacht wie eine Symbiose seines Familiensinns halten und als Selbstbehauptung seiner Lebensgemeinschaften abschirmen. Aber in seiner symbiotischen Selbstbehauptung verrückt sich alles, was er zusammenstellen muss, um seinen darin isolierten Lebensverpflichtungen zu genügen. Jeder Besitz verlangt die Kraft einer Besetzungsmacht für den Kampf um "das Seine". Aber gerade dies verliert dabei alles, was es war. Seine Liebe, seine Kinder, seine Frau, seine Gewohnheiten, sein Job, seine Freunde - alles wird anders, je mehr er es für sich zu sichern versucht. Freiheit ist ein schweres unterfangen und ist als bloße Fantasie schon selbst verrückt. Sie verlangt wirkliche Emanzipation aus dem Gemäuer der Selbstverlorenheit und ein politisches Bewusstsein ihrer Gründe.

Ohne diesess erscheint alles nur als persöliche Verrücktheit, als Personifikation der Lebensverhältnisse im Verhalten von Personen. Und dann wird das verrückte Leben total. Es kann seinen ästhetischen Grundlagen auf Dauer nicht genügen, wenn die Herstellung guter Gefühle durch die Pflichten gestört wird, welche die entsprechenden Empfindungen beibrimgen sollen. Das darin verwaltete Selbstgefühl wird sich irgendwann durch Entrückung zu retten verstehen, durch Schuld und Sühne im Lebenskult einer Begabung für höheres Sehnen und Fühlen. Der ästhetische Wille scheitert nicht wirklich an seiner Verrücktheit, sondern an seinem Edelmut, an seinen Zielen, die hörig machen, weil sie keinen wirklichen Sinn finden können.

Und es bleibt die schnöde Wirklichkeit, in der sich weiterhin das ereignet, wogegen er ankämpft und wohin er nicht reichen kann, weil ihm im Rückzug auf das Privileg seiner privaten Lebensräume die Dichte verloren geht, die seine Selbstwahrnehmung nötig hat. Es ist die Masse, durch die sich das Selbstgefühl dann eben draußen, also außer sich finden wird, wenn und wo es sich politisch versammelt, sich ein Gefühl verschafft, in dem dann alles politisch verschmelzen muss, was es von sich bereits ausgegrenzt hatte. Politisch verschmolzen entsteht aus seinen vielfältigen Regungen eine hochgradige Erregung, die sich selbst auch politisch gestalten muss. So bietet sich eine Repräsentation des Fühlens als Meinung an, als populärer Verstand des Ausgeschlossenen und auszuschließenden - eben als politischer Wille einer Kultur der Selbstversicherung, die aus der Schmelzmasse ihrer Meinungsvielfalt heraus einer allgemeinen Gesinnung zur Wirklichkeit verhelfen muss, in der der politische Mensch schließlich seine Wirklichkeit als Staatsbürger ertragen lernt, besonders dort, wo sich das ereignet, vor dem er seinen Ekel zuhause schon entwickelt hat.

Das kommt dem Staat natürlich wie gerufen, wenn er sein Wahlvolk zu verlieren droht, wenn er ökonomische Krisen zu bewältigen hat, die er nicht bewältigen kann und wenn er ein Verhalten begründen muss, das objektiv gegen die Bevölkerung geht und dennoch subjektiv ankommen soll. Der kapitalistische Staat muss nun mal sein Krisenmanagement durch die Bestärkung der Geldmacht angehen, soll die Profitrate wieder durch eine verstärkte Mehrwertrate, durch die "gebesserte" Ausbeutungsrate funktionieren und seine Einnahmen und auch die politische Klasse höchstselbst finanziert werden. Weil das "Staatsvolk" sich eben bestenfalls nur reproduzieren, sprich ernähren lässt, kann es nur die unbezahlte Arbeit sein, die aus der Krise führt. Die ökonomischen Spielräume der Freizeit müssen durch kulturelle Errungenschaften verknappt, verfüllt und zugleich verbilligt werden. Die Kommunikationsindustrie ist seine bedeutendste Kutureinrichtung geworden. Damit lässt sich die ihm nötige gemeine Gesinnung leicht kultivieren und das macht ihn schließlich zum Kulturstaat, der dem Menschen die Erlösung verspricht, die ihn dann auch wirklich von allem ablöst, indem er in den Arenen sich wieder öffentlich finden und empfinden kann. Die Wettkämpfe und Begegnungen, die er nun in voller Größe erlebt und durch die er seine Parallelwelt erobern und sich darin einfinden kann verschaffen bis zu einem gewissen Grad auch wirklich eine subjektiv Genugtuung. Als nationale Ereignisse eines Kulturstaats werden sie aber zur Falle für das Selbstbewusstsein.

Als Nationalbewusstsein verkehrt sich in den Menschen selbst ihre Persönlichkeit zu einer Personifizierung staatlicher Allmacht und ihres Gewaltmonopols. Gewalt kann mit anwachsender sozialer und ökonomischer Not alle Grenzen überwinden und alles zerstören, was die bürgerliche Persönlichkeit noch ausgemacht hatte. Die Selbsttäuschung endet somit irgendwann in einer gigantischen Enttäuschung, in der nur noch die Trümmer verraten, woraus sie bestanden hatte.

Es sind die Trümmer einer Selbstsucht, die sich auf Dauer nicht mehr privatim zu helfen weiß. Und in der politische Wahrnehmung hatten sich die Empfindungen nicht mehr nur mit ihren Gefühlen, sondern mit sinem Machtbedürfnis vertauscht, das wie aus dem Nichts entsteht, dem Vakuum, das aus einer aufgelösten Symbiose entsteht. Es ist daher ein notwendiges Ziel der Kulturkritik, die Menschen über ihre Selbsttäuschungen in ihren zwischenmenschlichen und staatsbürgerlichen Beziehungen aufzuklären, durch die ihre Täuschung zergeht und sie somit befähigt werden, sie zu kritisieren, um sich von der psychischen Gewalt ihrer Naturmystifikationen zu emanzipieren.

Ein enttäuschter Mensch weiß sich immerhin getäuscht und erkennt gerade dadurch den Tausch, den er selbst mit seiner Wahrnehmung betrieben hat, den er durch die Ästhetik seiner Selbstgefühle eingegangen war, die Täuschung seiner Selbstwahrnehmung durch die nur gefühlte Empfindung. Denn die Wahrnehmung kann in der Selbstwahrnehmung nur das vertauschen, was sie selbst objektiv ist und subjektiv sein soll. Tatsächlich empfindet sie die realen Dinge des Lebens im einzelnen für sich, die in der Wahrnehmung ihrer allgemeinen Verhältnisse außer sich durch fremde Vermittlungen bestimmt sind. Im Gefühl empfindet er die Sinnlichkeit seiner Wahrnehmung, seine Sinne, einzeln für sich, die aber in den Wahrnehmungen zwischenmenschlicher Verhältnisse sich in ihm mit der Egozentrik seiner Selbstgefühle verallgemeinern, durch die er die Wahrheit seiner wirklichen Beziehungen verliert.

Selbstwahrnehmung ist beides in einem und auch für sich schon eine doppelte Wahrheit: Ich nehme wahr, was ich auch auffassen kann, und dennoch habe ich auch das wahr, was ich nicht fassen, was ich nicht einfach so erkennen kann, wenn es anders ist, als es erscheint. Doch dies Doppelte ist außer mir bestimmt und ich befinde mich also mit mir selbst in einem totalen Zwiespalt, der sich nicht durch mich aufheben lässt. Um ihn in mir aufzulösen müsste ich mich ja selbst teilen und mir selbst so scheinen, wie ich es für meine Wahrnehmung nötig habe.

Diese wird daher auch in der Entäuschung nicht so einfach in die Lage versetzt, ihre Wahrheit zu finden. Und diese Identitätslosigkeit bleibt nicht folgenlos für das, was mir wesentlich und also Ausdruck meines Wesens ist. Ich kann ihn eben nicht in mir selbsbt auflösen, weil sie in Wirklichkeit außer mir ihren Grund hat. An der Wahrheit seiner Zeit und Geschichte kommt niemand vorbei, auch wenn er deren Zwiespältigkeit unentwegt aufzulösen versucht. Das unentwegte Bemühen seine Empfindungen von seinen Gefühlen unterschieden zu erkennen, hängt selbst davon ab, wie, wo und warum er oder sie in den zwischenmenschlichen Beziehungen sich selbst befindet und darin das auch überhaupt finden kann, was sich als Grund von Empfindungen erkennen lässt, die von Gefühlen ausßer sich bestimmt sind. Diese Verhältnisse geraten daher selbst in eine Logik, in der sich ihre Beziehungen im Lauf der Zeit ergeben und verselbständigen, selbst die Persönlichkeiten bilden, die darin ihren Charakter prägen. Um diese Entwicklung sich bewusst zu machen und somit aus einem enttäuschten Leben eine Lebenswirklichkeit zu finden, werden die zwischenmenschlichen Verhältnisse selbst zum Gegenstand einer kritischen Theorie.

Im Überblick über dieses Vorhaben kann aus der hier skizzierten Grundlage die Welt der Zwischenmenschlichkeit als eigenständige Form einer gesellschaftlichen Wirklichkeit zwischen den Menschen untergliedert werden. Entsprechend der Geschichte ihrer Verselbständigungen gliedert sich die Logik des politischen Zusammenhangs der Kultur, die in diesen drei Bänden ihrer Kritik in der Wahrnehmung einer durch sie selbst bestimmten Zwischenmenschlichkeit der Ästhetk ihrer Gefühle und Empfindungen dargestellt werden soll:

Im ersten Band geht es um die Verhältnisse des Selbstwerts (siehe Inhaltverzeichnis: Die Kultur des Kapitals I: Die Selbstverwertung), in dem die Entwicklung des bürgerlichen Verhältnisses von Gefühlen zu ihren Empfindungen die Formen des Selbstgefühls und seinesm ästhetischen Gedächtnis, seiner Selbstverwirklichung, seiner Psyche und seiner Selbstgbehauptung als "Ich" bis hin zu seinen charakterlichen Ausprägungen der bürgerlichen Persönlichkeit beschrieben wird.

Im zweiten Band geht es um die Verhältnisse der Selbstvergegenwärtigung solcher Persönlichkeiten (siehe Inhaltverzeichnis: Die Kultur des Kapitals II: Die Selbstvergegenwärtigung) in ihren Geschlechtsbeziehungen und den Verhältnissen der Generationen in den Lebensburgen der bürgerliche Kleinfammilie als symbiotische Selbstbehauptung abgehandelt werden, worin die Notwendigkeit einer Erziehung zur Lebenspflicht angelegt ist, die existenzielle Lebensangst zur Folge hat, aus deren Kasernierung die psychischen Störungen als Formen der Selbstentfremdung erklärlich werden.

Und im dritten Band wird es schließlich um die Verhältnisse der Selbstveredelung gehen (siehe Inhaltverzeichnis: Die Kultur des Kapitals III: Die Selbstveredelung), die sich aus der Überwindung der Lebensängste und Verrücktheiten ergibt, indem sich im Gestaltungsfetisch entsinnlichter Geschlechter eine Sittlichkeit hervortut, die ihre Ästhetik in einem übernatürlichen Menschsein, in der Religion sucht, eine Kultur des Heils errichtet und die Kulturformationen von Familie, Gemeinde und Nation zu einer Gesinnungsmacht des ästhetischen Willens zusammenschließt, die sich in den Institutionen des Staates und seiner Selbstbegründung als Kulturstaat schließlich zu einer Gemeinkultur eines totalen Gemeinmenschen herausbildet und das Human-Material für einen totalitären Staat beibringt.

Es soll in dem ganzen Werk gezeigt werden, wie und warum die Selbstwahrnehmung der Menschen unter der Bedingung des Kapitals in Dienstleistungsgesellschaften sich aus ihrer privat scheinenden zwischenmenschlichen Beziehungen eine gesellschaftliche Wirklichkeit ausprägt, die über ihre ökonomische hinausgreift und diese in einem Totalitarismus fixiert, der alles entgrenzt, was bis dahin noch Sinn gemacht hatte.

Es zeigt sich darin, dass und wie jeder Mensch immer schon gesellschaftlich ist, bevor er sich politisch verhalten kann, sowohl durch seine Teilhabe am gesellschaftlichen Stoffwechsel, als auch zwischen den Menschen und ihren Persönlichkeiten. Es ziegt, wie sich jeder durch den anderen verstrickt, durch den er sich in seiner Ohnmacht gegen die gesellschftliche Wirklichkeit bindet. Es zeigt sich aber auch, dass ich die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht von mir einfach ausweisen und in einer privaten leben kann. Kritik ist nötig, um die verkehrten Verhältnisse als das zu erklären, was sie sind: Die Verkehrung des menschlichen Lebens, die Demütigung des Menschen durch seine Lebensverhältnisse.

"Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (Karl Marx, »Deutsch-Französische Jahrbücher«, Paris 1844), MEW 1, S. 385).

Mit der Kulturalisierung der Gewalten, die das Leben der Menschen beherrschen, sind die Ketten verschönt, vertuscht und übertönt, mit denen sie gefesselt sind. Aber es kann nicht richtig sein, deshalb die Kultur als solche zu kritisieren. Solche Kritik geht gegen ihre Zwecke und wird selbst zu einer Politik, die daraus nur eine politische Illusion bezieht, indem sie verschönt, was sich an ihr als hässlich herausgestellt hat und was sie betreibt und verwendet, um als etwas zu erscheinen, was sie nicht ist. Kritik kann sich nicht einfach gegen die herrschende Politik wenden, zu einer kritischen Kultur gegen die herrschende Wirklichkeit werden, wenn sie nicht deren Scheinwelten selbst zum Gegenstand ihrer Erkenntnis macht. Sie muss daher auch selbst wirklich politisch sein.

"Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt." (MEW 1, S. 379)

1 Harald Schumann und Hans-Peter Martin: "Die Globalisierungsfalle: Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand", erschienen 1996 im Rowohlt Verlag bei Hamburg

2 siehe hierzu auch [[1]]

3 Die Anzahl der Diagnosen von Depression ist die weltweit am häufigsten gestellte Diagnose (siehe die "Burden of Desease-Studie" der WHO) und hat sich in den letzten zehn Jahren in Deutschland verdreifacht. Sie betrifft auf die Lebenszeit gerechnet zwischen 16 und 20% der Bevölkerung. Durchschnittlich sind derzeit 8,3 Prozent der Bevölkerung depressiv krank. Das sind ca. vier Millionen Menschen. Hinzu kommen Dysthymien (4,4 Prozent), eine etwas weniger stark ausgeprägte, aber chronische Variante der Depression, die mindestens zwei Jahre lang dauert (siehe Psychotherapeutenkammer NRW). Die Anzahl der Toten durch Suizid hat die Anzahl der Toten im Staßenverkehr längst weit übertroffen.

4 Während z.B. im Jahr 2014 in Deutschland die Arbeitslosenquote auf 6,7% gesunken ist hat der Anteil der Armen sich auf 15% erhöht (Quelle: Der paritätische Gesamtverband, zitiert nach ISW-Wirtschaftsinfo 50, München 2015, S. 36).

5 Der "Kampf um gerechten Lohn" hat schon seine unendliche Geschichte im Habitus eines "Klassenkampfs" hinter sich, soweit er im Glauben an eine Verteilungsgerechtigkeit des Geldes durch Androhung einer Arbeitsverweigerung geführt wurde. Doch Lohnerhöhungen sind schon immer Bestandteil einer notwendigen Anpassung des Konsums an die verfügbare Geldmenge, um welche die Arbeitsleute zwar wie um einen Tagespreis ihrer Arbeitskaft kämpfen müssen, aber niemals den Mehrwert ihrer Arbeit einhandeln können. Denn dieser wird ihnen existenziell durch die Preiserhöhung der Lebenshaltungskosten wieder umgehend entzogen. Geld kann nicht gerecht sein, weil der Markt immer vom Geldbesitz - und somit von der vorhandenen Geldmenge als Maßstab der Preise - bestimmt ist, dem der einzelne Preis unterworfen ist, der um sein Dasein als Wertmaß zu konkurieren hat.

6 Die Neukäufe von Wertpapieren hatten weltweit bereits 1999 ein Vielfaches der dem entsprechenden Warenexporte dargestellt:

"Die Emission von Anleihen auf internationalen Finanzmärkten hat sich seit 1980 etwa verzehnfacht. Die börsentäglichen Devisenumsätze belaufen sich mittlerweile auf 2 Bill. US-$. Das sind aufs Jahr hochgerechnet etwa 500 Billionen US-$, während die Warenexporte pro Jahr lediglich 7 Billionen US-$ betragen." (Ehrenfried Pausenberger "Globalisierung der Wirtschaft: Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen", Vortrag im Rahmen des Collegium Gissenum der Justus-Liebig-Universität Gießen am 7. 7. 1999)

7 Geld, das vorwiegend als reines Buchgeld fungiert, muss sich seinen Wert über seine Verfügungsmacht sichern, auch wenn sich dieser nicht mehr produktiv verwirklichen kann. In London gehören bereits 70% der Immobilien Investoren aus fremden Ländern, hauptsächlich Russland und China. Real bildet die zirkulierende Geldmenge von 700 Billionen USD nur noch 70 Billionen USD des Warenhandelskapitas ab. Die Nationalstaaten bewähren sich hierbei als Bürgschaftsverweser und zugleich Risikoträger durch die Trennung von Steuerpflicht und "Gewinn".

8 Mit der Trickle-down-Theorie von David Stockman sollte glaubhaft gemacht werden, dass Wirtschaftswachstum und allgemeiner Wohlstand der Reichen nach und nach durch deren Konsum und Investitionen in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickern würden. Diese Theorie hat sich längst schon im Vergleich der Länder als falsch erwiesen, die durch neoliberale Politik die Reichtumskonzentration in der Hand der Wenigen gefördert hatten (z.B. USA) und denen, die noch auf eine Art Ausgleich der Nachteile im Geldbesitz bestanden (z.B. Dänemark).

9 Die Gentrifizierung hat sich zum Beispiel in der Hamburger Lokalpolitik als Reaktion auf das Wohnraum-Grapping ausländischer Konzerne sehr anschaulich gemacht: Weil durch das von Kulturschaffenden eingebrachte Lebensgefühl in gewachsenen Stadtgebieten den Wohnraum für sie zu teuer gemacht hatte, die Mieten für sie unerschwinglich wurden und sie ihre Lebenswelten aufgeben mussten, wurde ihnen angeboten, die Flächen und das Material zu stellen, um in hässlicheren Stadtgebieten und ödem "Flair" die Wände von Häusern oder Anlagen zu bebildern und Konzerte zu veranstalten - oder auch nur die Straßenmusik zu förden.



Weiter mit Buch I: 0. Einleitung in eine Persönlichkeitstheorie des Selbstwerts